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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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25. Heft
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Pieper, Wilhelm: Die große Düsseldorfer Kunstausstellung 1913, [1]: kritische Streifzüge
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0763

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MODERNE KUNST.

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tief, sie zeugt von einer hochentwickelten Originalität, die keine Anlehnung
sucht und auch keine finden würde, die ganz vereinzelt dasteht. Die Ebenen des
Niederrheins und des flandrischen Landes sind seine Gebiete. Er beherrscht
ihre intimen Reize, und in ihrer Wiedergabe wird seine Kunst zu einem Ffymnus
auf die Schönheit. Graf Paul v. Merveldt bringt ein Interieur „Alter Korridor“
von subtiler Feinheit. Die gelben Lichtreflexe in den dämmervollen Schatten
sind ein gut beobachtetes Moment. Hohe Beachtung verdient „Häuser am Nieder-
rhein“ von Erich Nikutowski, ein Bild, das bei aller detaillierten Komposition
von edler Großzügigkeit ist und eine vornehmliche Stärke in der gedämpften
Schattierung besitzt. H. Ritzenhofens „Heimleuchten“ 'hat, rein dekorativ be-
wertet, einen Stich ins Sensationelle. Ein blasses, dämmeriges Meer, in der
Ferne ein weit hinausgetragener Mondscheinreflex, der hohe Himmei mit abend-
lichen Federwölkchen übersät, und im Vordergrund, auf einer Düne hockend,
ein friesisches Mägdelein, ist ein gefälliges, aber an und
für sich anspruchsloses Motiv, das in diesem Falle tech-
nisch gut gehandhabt ist. Nun gibt Ritzenhofen seinem
Friesenkind eine Fackel, einen roten, glutroten Papierlampion.

Und dieser rote, große, glutrote, runde Papierlampion
steigert die Wirkung zu einem Knalleffekt. Das ist kein
I'ehler. Gewiß nicht! Das Bild ist der Wirklichkeit ent-
nommen und ohne Übertreibung festgehalten. Das kann
man von den „ Scheugeworder.e Pferde im Walde“ von
A. Reibmayr nicht behaupten. Zeichnerisch ist das Bild
einwandfrei, aber farbig unnatürlich. Ausgezeichnete Lei-
stungen bietet Medardus Kruchen in seinen Stilleben. Sein
„Schlafendes Dorf“ ist zwar gut aufgefaßt, aber in der
Wiedergabe nicht restlos ausgeschöpft. Lichtstarke Atmo-
sphäre und eine manchmal allerdings etwas exzentrische
Farbigkeit liebt Ernst Paul in seinen diversen Werken.

Bestrickenden Duft atmen die prächtigen Landschaften von
Heinrich Otto und Carl Jutz junior. Letzterer hat auch ein
Aquarell, „Alter Kirchplatz“ betitelt, beigesteuert. Dieses
und das Aquarell „Im Bruch“ von A.lfred Graf v Brühl
sind in ihrer fein nuancierten Stimmung wahre Kabinett-
stückchen. Hervorragende Aquarellisten sind desgleichen
Eugen Dücker und Hugo Mühlig. Ihre Blätter sind in
ihrer schlichten Natürlichkeit, in ihrer blassen, kaum merk-
lich zu unterscheidenden Farbenvariation ungemein an-
sprechend. Hugo Mühligs Aquarelle haben allerdings inso-
fern eine günstigere Position, als sie viel mehr dem
pulsierenden Leben entnommen sind, niedliche Momente
aus dem beweglich amüsanten Kaleidoskop der lebenden,
liebenden und leidenden, der handelnden, schaffenden und
sich vergnügenden Menschlein zu Blatt bringen, wohingegen
Eugen Dücker die Einsamkeit bevorzugt, stilles Küstenland,

weiträumige Wasserflächen und wenig, blutwenig kreisendes
Leben. Die riesengroße „Pieta“ von Walter Corde ist
großzügig aufgefaßt, imposant in der Linienführung und
frei von jeglicher Schönfärberei. J. P. Junghanns stellt eine
Kollektion meisterlicher Pferdestudien zur Schau. Kolori-
stisch überaus prächtig, wenngleich etwas fremdartig an-
mutend im ersten Augenblick, und zwar durch eine seltene
Wiedergabe solch winterlicher Zwielichtstimmungen, ist
sein „Winterabend in Tirol“. „Der Sieger“ von Wilhelm
Christens ist rein formal glücklich gelöst und dekorativ
gestaltet. In seinen prägnanten, hauptsächlich brutalen
physiognomischen Einzelheiten ist es jedoch nicht völlig
ausgearbeitet. Ein ansprechendes Winterbild ist Fritz
Gärtners „Rauhreif“. Die fast symmetrisch abstehenden
überzuckerten Zweige der Weiden und Erlen sind der Natur
ebensogut abgelauscht, wie die grünen Schatten auf der
blendenden Schneedecke im Vordergrund seltsam anmuten.
Immerhin fügen sich diese farbigen Extravaganzen dem Ge-
samtbild gefällig ein. Auch das Gemälde „Dame mit Gitarre“
von L. M. Roth beweist gutes Verständnis für effektvolle
Farbenharmonie. Zweifellos eine Bravourleistung ist der
„Fahnenjunker“ von A. Baur. Die Eigenart des Vorwurfs
berührt nicht so auffallend. Ähnliche Motive sah man schon.
Aber die Auffassung ist durchaus neuartig, und, um es
gleich vorher zu bemerken, bei aller Originalität unbedingt
sympathisch. Wie massig und schwer wellen sich die
Falten des phantastisch großen Banners über Roß und
Reiter. Und in eben diesem Banner liegt der künstlerische
Schwerpunkt. Der starkknochige Kriegsgaul und die wilde
Landsknechtsgestalt sind lediglich Mittel zum Zweck, zur
Steigerung des wuchtigen Eindrucks. Erst dann tritt die
farbige Wirkung in Erscheinung, und diese ist der im-
posanten Gruppierung angepaßt. Der düstere Horizont mit
den fern dahinziehenden Landsknechtshorden bildet die
denkbar beste Staffage. In weicher blaßblauer Tönung bringt Robert Seuffert
ein „Madonnenbild“. Das Motiv als solches läßt die Zurückhaltung in der Wahl
stärkerer Ausdrucksmittel nur angebracht erscheinen. Und von diesem Gesichts-
punkt aus betrachtet gewinnt das Bildnis an lieblicher, zarter Schönheit.

Eine weitere Würdigung Düsseldorfer Künstler und ihrer Werke soll
einer nächstfolgenden Besprechung vorbehalten bleiben. Wir komrnen zur
Berliner Sezession, die ihre talentiertesten Kräfte vorgeschickt hat. Max Lieber-
mann hat einen „Barmherzigen Samariter“ von rühmlichst bekannter Meister-
schaft ausgestellt, und ferner einen unvermeidlichen „Reiter am Meere“. In
duftige, flimmernde Luft getaucht ist ein Motiv aus Lübeck des brillanten Land-
schafters Ulrich Hübner. Eine gleichwertige, intensive Leuchtkraft legt Josef
Oppenheim in seinem „Chinesischen Porzellan“ dar, ein glücklich gewähltes
Motiv nebenbei, um ein so begabtes Talent zur Offenbarung zu bringen. Leo

Franz Charlet: Das Rosenfenster. Große Kunstausstellung' Düsseldorf 1913.
 
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