Kaiser Wilhelm II. als Jäger.
Der Kaiser
als Wildpfleger und Büchsenschütze.
Von Freiherr von Dincklage.
„Das ist’s Geheimnis der Jägerei
Mit Fuchs und Hirsch und Auerhahn,
Mit Büchs und Schuß ist’s nicht getan,
Es ist ein Geist dabei!“ (Laube.)
Solange es eine Geschichte gibt, solange gibt es
auch Jäger. Die Naturgesetze selbst gebieten die Jagd
als Mittel zur „Ernährung“. Da aber unter allen Ge-
schöpfen das vornehmste, der Mensch, im Gegensatz
zu allen Tieren höherer Gattung, wehrlos geschaffen
ist, so mußte ihm der Verstand die Mittel zeigen, die
den Tieren verliehene Wehr — Fangzähne, Krallen,
Hufe usw. — zu ersetzen, um seiner geistig überragenden
Begabung auch materiellen Rückhalt zu geben. So ent-
standen die Waffen, init deren Hilfe der Verstand all
Getier beherrscht. Die Ausübung dieser Herrschaft, die
der Jagd, forderte aber vom Jäger die Uberwindung
von Gefahren und entwickelte dadurch unwillkürlich
jene Mannestugenden, die sich in den Begriffen Mut,
Ausdauer, Unerschrockenheit wiedergeben. Der Jäger
war deshalb von jeher ein besonders geachteter Mann,
und schon Cicero spricht von „honesta exempla ludendi“.
Freilich spricht er dann auch an anderer Stelle den
Rat aus, man solle seine Freunde nicht unter denen
zählen, mit denen man „gleiches Vergnügen an der Jagd
gefunden“, läßt es aber ungewiß, ob er dabei den noch
heute vorkommenden Jagdneid oder gar andere Aus-
wüchse der Weidmannstugend vor Augen gehabt hat,
die mit dem Kraftgefühle mitunter zusammenfließen.
Jed'enfalls haftet der Jägerei von jeher die Ehre an, die
dem starken, kräftigen.Manne gern gezollt wird, und
als bei den Römern, in der Zeit des Verfalls, die Jagd
mit ihren Anstrengungen und Gefahren keine Freude
mehr erregte, als die entnervten Männer träge und zur
Jagd unfähig wurden, da ergaben sie sich der nur dem
Magen gefährlichen Schüsseljagd — dem epikuräischen
Kampf — und zogen es vor, gefährlichen Kämpfen
zwischen Menschen und reißenden Tieren für sich selbst
gefahrlos, im Zirkus zuzusehen. Dabei wurden nur
Sklaven zerrissen und gefangene Juden.
Bei uns Germanen aber behielt die Jagd ihre Reize
und Ehren unverkürzt und von allen den Übungen und
Spielen, die Geist und Körper erheben und erfrischen —•
die man heute unter dem erborgten Namen „Sport“
zusammenfaßt —, steht obenan die Jagd. Ja, woher
kornmt das? Einmal liegt’s im germanischen Charakter,
dann aber haben wir seit über fünfundzwanzig Jahren
in unserm Kaiser das Vorbild des Weidmanns. Seiner
Initiative ist es zu danken, daß die Jagd ,honesta‘ ge-
blieben ist, und daß der vornehme Charakter, der ihr
anhaftet, in allen überkommenen, vornehmen Formen
auch da angenommen wurde, wo ein gesetzlicher Druck
nicht ausgeübt wird. Wenn unser Kaiser mit voller
Begeisterung und tiefem Verständnis den Jagdsport
fördert, wenn der Monarch fast in allen Teilen des
Deutschen Reiches die Jagd praktisch ausübt, so ist
das nicht nur eine Anregung zum Sport, sondern auch
eine Belehrung im Beispiel. Semper aliquid haeret.
Aber noch einen andern Gewinn zieht das deutsche
Volk aus des Kaisers Lieblingssport: Wohin er auch
kommt, er tritt bei der Jagd mitten hinein in das Volk!
Man sieht den Mon-
archen und ge-
winnt ihn lieb —
man freut sich der
weidmännischen
Frische, der Aus-
dauer, der Sport-
gewandtheit. Und
wo fände ein Fürst
bessere Gelegen-
heit, Männer auch
aus dem sonst dem
Hofe fernstehen-
den Volke so
kennen zu lernen,
wie gerade bei der
Jagd? Kann ein
Volk einen Herr-
scher liebgewin-
nen, den es nie-
mals sieht, der
nicht freudig und
gern zwischen sein
Volk tritt, ver-
trauensvoll und
sicher?
Wie aber un-
ser Kaiser die
Jagd handhabt, mit
welchem Sacliver-
ständnis der Hoch-
sport betrieben
und ausgebaut
wird — zum wirk-
samen Beispiel für die alle, die dem Jagdsport nahe-
treten, darüber mag hier ein kurzer Rundblick Raum
finden. Da lenken wir zuerst den Blick auf des
Kaisei's Erfolge in der Veredlung des Hochwildes.
Noch zur Zeit des Regierungsantritts Seiner Majestät
wurde in den, dem Hofjagdamt unterstellten Forsten
wohl dafür Sorge getragen, daß die Reviere bei den
offiziellen Hofjagden eine an Zahl reichhaltige Strecke
aufwiesen, aber schon gab es in Deutschland Jagd-
herren, die ihren Wildbestand, besonders das Rotwild,
durch regelrecht durchgeführte Kreuzung mit auslän-
dischem Wilde gefördert hatten. Der Kaiser hatte Ge-
legenheit, selbst zu beobachten, daß z. B. in den Forsten
des Fürsten Pleß oder des Fürsten von Schaumburg-
Lippe erheblich stärkere Hirsche, sowohl an Wildbret
wie an Geweihen, erlegt wurden wie in den königlichen
Rotwildrevieren.
Der Kaiser entschloß sich, das größte und schönste
Revier als Hofjagdrevier zu schließen und zu einer Leib-
jagd umzuwandeln. Die Schorfheide am Werbellinsee
bei Eberswalde wurde seit der Thronbesteigung aus-
schließlich Pirschrevier und das idyllisch gelegene Schioß
Hubertusstock, so genannt nach einem Bildstöckel, auf
dem der Schutzpatron der Jäger dargestellt ist, wurde
und blieb alljährlich für längere Zeit der Erholungs-
aufenthalt des Kaisers! Erholungsaufenthalt? Nun ja —
in des Kaisers Sinne. Mit dem Tagwerden schon ist
er in seinem herrlichen Walde. Hier kennt er jeden
Baum, jeden Waldweg, hier spricht er jeden Hirsch
richtig an, kennt das Geweih, das er im vorigen Jahre
trug und bestimmt selbst, wann er zum Abschuß kommt.
In einem Teile der Schorfheide ließ nun, vor zwanzig
Jahren, der
Jagdherr durch
sein Hofjagd-
amt einen
Stamm von elf
Stück Hirsch-
und Wildkäl-
bern ungari-
schen Vollbluts
aussetzen und
einen besonders
geeigneten Teil
der Oberför-
stereiZehdenick
für dieses Wild
eingattern. Die
reine Rasse ge-
dieh vortreff-
lich, und bald
mußtedasGatter
erweitert wer-
den. Auch die
nun eintretende
Kreuzung brach-
te die besten
Resultate und
erreichte an Ge-
weihen wie auch
an Wildbret
schnell das Voll-
blut. Heute ist
das Gatter längst
gefallen und des
Kaisers erstes Pirschrevier enthält einen Bestand von
etwa sechzig Stück Vollblut und etwa siebzig Stück
Halbblut.
Unter den fünfundzwanzig Rothirschen, die Seine
Majestät im Oktober 1912 in der Schorfheide zur Strecke
brachte, waren ein reinrassiger Sechzehnender aus der
Oberförsterei Grimnitz und zwei Halbblutungarn aus
dem Ungarrevier Zehdenick, sowie Zehn- und Zwölf-
ender, die auf der Geweihausstellung 1913 einen Schild
respektive erste Medaillen erhielten.
Auf seinen Pirschgängen oder Fahrten ist der Kaiser
stets nur von einem Forstbeamten und seinem Leibjäger
begleitet. Seit die Schorfheide des Kaisers Pirschrevier
ist, kommen nur sehr selten bedeutungsvolle Herrscher
zum Abschuß dorthin, und bei solchen Gelegenheiten
schießt dann der Kaiser selbst nicht mit.
Das zweite Jagdrevier, das der Kaiser schon bald
nach seinem Regierungsantritt für seine Pirschgänge und
Fahrten auswählte, gehörte vorher nicht zu den durch
das Hofjagdamt verwalteten Jagden, sondern umfaßt die
fiskalische Forst an der Rominte im Kreise Goldap in
Ostpreußen. Die Rominter Heide ist die ausgedehnte
Forst, in welcher das einheimische Rotwild die kräftigste
und normalste Geweihbildung zeitigt.
Früher wurde Rominten nur selten von Mitgliedern
des Königlichen Hauses aufgesucht, bis der Prinz Fried-
rich Carl, wohl der beste und jagdgerechteste Jäger
seiner Zeit, die ersten kapitalen Hirsche in den an den
Urwald erinnernden Wäldern, nahe der russischen Grenze,
zur Strecke brachte und von nun an bis zu seinem
frühen Tode im Jahre 1885 alljährlich zur Brunstzeit
das mitten im Walde liegende Holzhauerdörfchen Theer-
bude aufsuchte, um ganz der Pirsch zu leben. Mit dem
bescheidensten Unterkommen nahm der auch im Kriege
einst für seine Person so anspruchslose Prinz Feld-
marschall hier fürlieb, aber mit unermüdlichem Eifer
und unter oft unglaublichen Anstrengungen erschoß er
hier eine Reihe von Jagdtrophäen, die in seinem einst-
maligen Jagdschloß Glienicke und in Forsthaus Drei-
linden noch heute Zeugnis dafür ablegen, mit welch
penibler Auswahl der hohe Jäger nur den kapitalen
Hirschen die Kugel auf das Blatt setzte. Den Jäger
wird es interessieren, daß der Prinz Zwölfergeweihe
aus Rominten mitbrachte, die ein Gewicht von 18 Pfund
hatten, und deren Stangen über den Rosen nicht zu
umspannen waren. Unser Kaiser, der die ritterliche
Passion und das so unentbehrliche Verständnis für die
Jagd schon von Natur ererbt hatte, und mit dem sein
erhabener Onkel wohl oft über Rominten gesprochen
haben mag, erschrickt nun ebensowenig vor Anstren-
gungen und Mühen, vor Wind, Wetter und Unbequem-
lichkeit, wie das sein Onkel, der Feldmarschall, tat, und
so trat er denn dessen Erbschaft in Rominten bald an,
um hier — nun schon durch viele Jahre — bei richtiger
und durch ihn selbst beobachteter Jagd und Wildpflege
die glänzendsten Resultate zu erzielen.
Freilich ist das räucherige Örtchen Theerbude im
Laufe der Zeit in ein freundliches Dorf aus schwe-
dischen Holzhäusern umgewandelt, und ein ebenfalls
schwedisches Jagdhaus, von blühenden Gärten umgeben,
macht es sogar Ihrer Majestät möglich, den Kaiser öfter
in sein Jagdidyll an der russischen Grenze zu begleiten.
Aber der Wald ist geblieben, und wie ehedem schreit der
Hirsch an undurchdringlichen Dickungen. Weit ab von aller
störenden Ivultur sucht das Rotwild seine Brunstplätze.
Der Kaiser mit seiner Jagdbeute im jagdrevier von Karapancsa.
XXVII. 20. B. 2.
Der Kaiser
als Wildpfleger und Büchsenschütze.
Von Freiherr von Dincklage.
„Das ist’s Geheimnis der Jägerei
Mit Fuchs und Hirsch und Auerhahn,
Mit Büchs und Schuß ist’s nicht getan,
Es ist ein Geist dabei!“ (Laube.)
Solange es eine Geschichte gibt, solange gibt es
auch Jäger. Die Naturgesetze selbst gebieten die Jagd
als Mittel zur „Ernährung“. Da aber unter allen Ge-
schöpfen das vornehmste, der Mensch, im Gegensatz
zu allen Tieren höherer Gattung, wehrlos geschaffen
ist, so mußte ihm der Verstand die Mittel zeigen, die
den Tieren verliehene Wehr — Fangzähne, Krallen,
Hufe usw. — zu ersetzen, um seiner geistig überragenden
Begabung auch materiellen Rückhalt zu geben. So ent-
standen die Waffen, init deren Hilfe der Verstand all
Getier beherrscht. Die Ausübung dieser Herrschaft, die
der Jagd, forderte aber vom Jäger die Uberwindung
von Gefahren und entwickelte dadurch unwillkürlich
jene Mannestugenden, die sich in den Begriffen Mut,
Ausdauer, Unerschrockenheit wiedergeben. Der Jäger
war deshalb von jeher ein besonders geachteter Mann,
und schon Cicero spricht von „honesta exempla ludendi“.
Freilich spricht er dann auch an anderer Stelle den
Rat aus, man solle seine Freunde nicht unter denen
zählen, mit denen man „gleiches Vergnügen an der Jagd
gefunden“, läßt es aber ungewiß, ob er dabei den noch
heute vorkommenden Jagdneid oder gar andere Aus-
wüchse der Weidmannstugend vor Augen gehabt hat,
die mit dem Kraftgefühle mitunter zusammenfließen.
Jed'enfalls haftet der Jägerei von jeher die Ehre an, die
dem starken, kräftigen.Manne gern gezollt wird, und
als bei den Römern, in der Zeit des Verfalls, die Jagd
mit ihren Anstrengungen und Gefahren keine Freude
mehr erregte, als die entnervten Männer träge und zur
Jagd unfähig wurden, da ergaben sie sich der nur dem
Magen gefährlichen Schüsseljagd — dem epikuräischen
Kampf — und zogen es vor, gefährlichen Kämpfen
zwischen Menschen und reißenden Tieren für sich selbst
gefahrlos, im Zirkus zuzusehen. Dabei wurden nur
Sklaven zerrissen und gefangene Juden.
Bei uns Germanen aber behielt die Jagd ihre Reize
und Ehren unverkürzt und von allen den Übungen und
Spielen, die Geist und Körper erheben und erfrischen —•
die man heute unter dem erborgten Namen „Sport“
zusammenfaßt —, steht obenan die Jagd. Ja, woher
kornmt das? Einmal liegt’s im germanischen Charakter,
dann aber haben wir seit über fünfundzwanzig Jahren
in unserm Kaiser das Vorbild des Weidmanns. Seiner
Initiative ist es zu danken, daß die Jagd ,honesta‘ ge-
blieben ist, und daß der vornehme Charakter, der ihr
anhaftet, in allen überkommenen, vornehmen Formen
auch da angenommen wurde, wo ein gesetzlicher Druck
nicht ausgeübt wird. Wenn unser Kaiser mit voller
Begeisterung und tiefem Verständnis den Jagdsport
fördert, wenn der Monarch fast in allen Teilen des
Deutschen Reiches die Jagd praktisch ausübt, so ist
das nicht nur eine Anregung zum Sport, sondern auch
eine Belehrung im Beispiel. Semper aliquid haeret.
Aber noch einen andern Gewinn zieht das deutsche
Volk aus des Kaisers Lieblingssport: Wohin er auch
kommt, er tritt bei der Jagd mitten hinein in das Volk!
Man sieht den Mon-
archen und ge-
winnt ihn lieb —
man freut sich der
weidmännischen
Frische, der Aus-
dauer, der Sport-
gewandtheit. Und
wo fände ein Fürst
bessere Gelegen-
heit, Männer auch
aus dem sonst dem
Hofe fernstehen-
den Volke so
kennen zu lernen,
wie gerade bei der
Jagd? Kann ein
Volk einen Herr-
scher liebgewin-
nen, den es nie-
mals sieht, der
nicht freudig und
gern zwischen sein
Volk tritt, ver-
trauensvoll und
sicher?
Wie aber un-
ser Kaiser die
Jagd handhabt, mit
welchem Sacliver-
ständnis der Hoch-
sport betrieben
und ausgebaut
wird — zum wirk-
samen Beispiel für die alle, die dem Jagdsport nahe-
treten, darüber mag hier ein kurzer Rundblick Raum
finden. Da lenken wir zuerst den Blick auf des
Kaisei's Erfolge in der Veredlung des Hochwildes.
Noch zur Zeit des Regierungsantritts Seiner Majestät
wurde in den, dem Hofjagdamt unterstellten Forsten
wohl dafür Sorge getragen, daß die Reviere bei den
offiziellen Hofjagden eine an Zahl reichhaltige Strecke
aufwiesen, aber schon gab es in Deutschland Jagd-
herren, die ihren Wildbestand, besonders das Rotwild,
durch regelrecht durchgeführte Kreuzung mit auslän-
dischem Wilde gefördert hatten. Der Kaiser hatte Ge-
legenheit, selbst zu beobachten, daß z. B. in den Forsten
des Fürsten Pleß oder des Fürsten von Schaumburg-
Lippe erheblich stärkere Hirsche, sowohl an Wildbret
wie an Geweihen, erlegt wurden wie in den königlichen
Rotwildrevieren.
Der Kaiser entschloß sich, das größte und schönste
Revier als Hofjagdrevier zu schließen und zu einer Leib-
jagd umzuwandeln. Die Schorfheide am Werbellinsee
bei Eberswalde wurde seit der Thronbesteigung aus-
schließlich Pirschrevier und das idyllisch gelegene Schioß
Hubertusstock, so genannt nach einem Bildstöckel, auf
dem der Schutzpatron der Jäger dargestellt ist, wurde
und blieb alljährlich für längere Zeit der Erholungs-
aufenthalt des Kaisers! Erholungsaufenthalt? Nun ja —
in des Kaisers Sinne. Mit dem Tagwerden schon ist
er in seinem herrlichen Walde. Hier kennt er jeden
Baum, jeden Waldweg, hier spricht er jeden Hirsch
richtig an, kennt das Geweih, das er im vorigen Jahre
trug und bestimmt selbst, wann er zum Abschuß kommt.
In einem Teile der Schorfheide ließ nun, vor zwanzig
Jahren, der
Jagdherr durch
sein Hofjagd-
amt einen
Stamm von elf
Stück Hirsch-
und Wildkäl-
bern ungari-
schen Vollbluts
aussetzen und
einen besonders
geeigneten Teil
der Oberför-
stereiZehdenick
für dieses Wild
eingattern. Die
reine Rasse ge-
dieh vortreff-
lich, und bald
mußtedasGatter
erweitert wer-
den. Auch die
nun eintretende
Kreuzung brach-
te die besten
Resultate und
erreichte an Ge-
weihen wie auch
an Wildbret
schnell das Voll-
blut. Heute ist
das Gatter längst
gefallen und des
Kaisers erstes Pirschrevier enthält einen Bestand von
etwa sechzig Stück Vollblut und etwa siebzig Stück
Halbblut.
Unter den fünfundzwanzig Rothirschen, die Seine
Majestät im Oktober 1912 in der Schorfheide zur Strecke
brachte, waren ein reinrassiger Sechzehnender aus der
Oberförsterei Grimnitz und zwei Halbblutungarn aus
dem Ungarrevier Zehdenick, sowie Zehn- und Zwölf-
ender, die auf der Geweihausstellung 1913 einen Schild
respektive erste Medaillen erhielten.
Auf seinen Pirschgängen oder Fahrten ist der Kaiser
stets nur von einem Forstbeamten und seinem Leibjäger
begleitet. Seit die Schorfheide des Kaisers Pirschrevier
ist, kommen nur sehr selten bedeutungsvolle Herrscher
zum Abschuß dorthin, und bei solchen Gelegenheiten
schießt dann der Kaiser selbst nicht mit.
Das zweite Jagdrevier, das der Kaiser schon bald
nach seinem Regierungsantritt für seine Pirschgänge und
Fahrten auswählte, gehörte vorher nicht zu den durch
das Hofjagdamt verwalteten Jagden, sondern umfaßt die
fiskalische Forst an der Rominte im Kreise Goldap in
Ostpreußen. Die Rominter Heide ist die ausgedehnte
Forst, in welcher das einheimische Rotwild die kräftigste
und normalste Geweihbildung zeitigt.
Früher wurde Rominten nur selten von Mitgliedern
des Königlichen Hauses aufgesucht, bis der Prinz Fried-
rich Carl, wohl der beste und jagdgerechteste Jäger
seiner Zeit, die ersten kapitalen Hirsche in den an den
Urwald erinnernden Wäldern, nahe der russischen Grenze,
zur Strecke brachte und von nun an bis zu seinem
frühen Tode im Jahre 1885 alljährlich zur Brunstzeit
das mitten im Walde liegende Holzhauerdörfchen Theer-
bude aufsuchte, um ganz der Pirsch zu leben. Mit dem
bescheidensten Unterkommen nahm der auch im Kriege
einst für seine Person so anspruchslose Prinz Feld-
marschall hier fürlieb, aber mit unermüdlichem Eifer
und unter oft unglaublichen Anstrengungen erschoß er
hier eine Reihe von Jagdtrophäen, die in seinem einst-
maligen Jagdschloß Glienicke und in Forsthaus Drei-
linden noch heute Zeugnis dafür ablegen, mit welch
penibler Auswahl der hohe Jäger nur den kapitalen
Hirschen die Kugel auf das Blatt setzte. Den Jäger
wird es interessieren, daß der Prinz Zwölfergeweihe
aus Rominten mitbrachte, die ein Gewicht von 18 Pfund
hatten, und deren Stangen über den Rosen nicht zu
umspannen waren. Unser Kaiser, der die ritterliche
Passion und das so unentbehrliche Verständnis für die
Jagd schon von Natur ererbt hatte, und mit dem sein
erhabener Onkel wohl oft über Rominten gesprochen
haben mag, erschrickt nun ebensowenig vor Anstren-
gungen und Mühen, vor Wind, Wetter und Unbequem-
lichkeit, wie das sein Onkel, der Feldmarschall, tat, und
so trat er denn dessen Erbschaft in Rominten bald an,
um hier — nun schon durch viele Jahre — bei richtiger
und durch ihn selbst beobachteter Jagd und Wildpflege
die glänzendsten Resultate zu erzielen.
Freilich ist das räucherige Örtchen Theerbude im
Laufe der Zeit in ein freundliches Dorf aus schwe-
dischen Holzhäusern umgewandelt, und ein ebenfalls
schwedisches Jagdhaus, von blühenden Gärten umgeben,
macht es sogar Ihrer Majestät möglich, den Kaiser öfter
in sein Jagdidyll an der russischen Grenze zu begleiten.
Aber der Wald ist geblieben, und wie ehedem schreit der
Hirsch an undurchdringlichen Dickungen. Weit ab von aller
störenden Ivultur sucht das Rotwild seine Brunstplätze.
Der Kaiser mit seiner Jagdbeute im jagdrevier von Karapancsa.
XXVII. 20. B. 2.