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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 27.1912/​1913

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21. Heft
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Märchen-Plaketten
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Ertel, Jean Paul: Unsere Operettenkomponisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31170#0662

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Plol^etten.

i=M[n der jüngsten Ausstellung der Wiener Künstlergenossen-
SgJ schaft haben einige Werke der Kleinplastik einen mächtigen
Anziehungspunkt für das besuchende Publikum gebildet: die
reizenden Plaketten Karl Perls, die die bekanntesten Gestalten
der unvergänglichen Märchen der Brüder Grimm zum Gegen-
stande haben. Diesen wundervollen duftigen Schöpfungen
aus der Volksseele, die im Laufe der Zeit Tausenden von
Kinderherzen frohe und genußreiche Stunden bereitet haben,
hat der bewährte Künstler eine von frischem Humor durch-
leuchtete Darstellung gegeben. Ein wirklich poetischer Hauch
geht von diesen Szenen aus, die spirituell verfeinerte Phantastik
vereinigt den naiv-kindlichen Ton mit der ihrem Inhalt an-
gemessenen Form und macht auch für uns Große diese kleinen
Sachen zum Gegenstande der Bewunderung. Und in welch
hervorragender Weise entledigte sich der Künstler seiner Auf-
gabe. Wer die beinahe faszinierende Wirkung dieser friesartig
anmutenden Meisterstücke der . Kleinplastik, die in einem
Ausmaß von zirka 50 crn Breite bei 30 cm Höhe für die figurenreicheren der-
selben in glänzender dunkler Bronze zur Ausführung gelangten, an seiner

eigenen Person fühlte,
wird es begreiflich fin-
den, daß diese „Mär-
chen“ binnen kurzem
den Vermerk „Verkauft“
trugen und gleich nach
Schluß der Ausstellung
in den Besitz eines kunst-
liebenden Sammlers
übergingen. Welches
Leben in dieser plasti-
schen Wiedergabe, in
dieser von entzückender
Feinheit und glück-
lichster Auffassung wie
Charakterisierung
zeugenden Verkörperung
der Grimmschen uns
so bekannten Gestalten!
Perls schlichte und herz-
liche Kunst, die über-
sichtliche Komposition
und die scharfen Kon-
turen vereinigen sich zu

zurückprallend, so daß sie aussehen wie gespießte Lerchen —,
welch wohlgelungene Szene kerndeutschen köstlichen Humors!
Im „Kleinen Däumling“ zeigt uns der Künstler in recht
frischer gegenständlicher Gestaltung den unerschrockenen
Knirps, wie er mutig vor den mit dem Messer sich nahenden
Menschenfresser hintritt und ihn bittet, sie doch noch leben
zu lassen, da er und seine Brüder zum Verspeisen doch gar
zu klapperdürr und ausgehungert seien. „Hänsel und Gretel“
sehen wir vor dem Haus der Hexe in dem Augenblick, wie
sie von dieser eingeladen werden, in ihr Lebkuchenhäuschen
einzutreten. Aus dem sagenberühmten „Rattenfänger von
Ilameln“ hat Perl den Moment festgehalten, in welchem die
Kinder — eine herzgewinnende Schar —, die zum lustigen
Reigen geladen ist, tanzend und jubelnd den lockenden Tönen
folgen, um dann im Zauberberge für immer zu verschwinden.
„Till Eulenspiegel“, diese mittelalterliche Figur, voll von
lustigen Gedanken, Schalkhaftigkeit und Narretei, präsentiert
sich in der Szene, in der sie, auf dem Seile schreitend, die Schnur mit
den entliehenen Schuhen entzweischneidet und dadurch Anlaß zu einer all-
gemeinen Prügelei der sich um ihr Eigentum balgenden Jungen gibt. In der
hübschen künstlerischen Ausführung Perls, die auch eine gediegene Be-

Karl Perl: Der Rattenfänger von Hameln.

Karl Perl: Till Eulenspiegel.

Karl Perl: Hiinsel und Gretcl.

Schönheit. Der kühne Angriff der „Sieben
Ungeheuer, alle sieben sich an „einen“ Spieß

einem Gesamteindruck
von überraschender
Schwaben“ auf das Hasen-
klammernd, vordringend und

handlung des Materials aufweist, dürften diese „Märchen-Plaketten“ mit
zum Besten zählen, das bisher in dieser Art und Kunstrichtung geschaffen wurde.
Jedenfalls ist es ein guter Gedanke, unsere Märchengestalten auch in dieser
Weise dem Publikum nahezubringen. R. R,

Aan spricht heute sehr gern von
ohne Grund, aber nur in rein
begegnet die leichtgeschürzte Schwester
der Oper nach wie vor dem regen Inter-
esse des Publikums. Gibt es doch zum
Glück noch viele Menschen, die sich an
harmlosen oder wenig gewürzten Späßen
im Theater für die viele Unbill des
Lebens schadlos halten wollen. Und
da bietet ihnen die Operette, die niemals
den hohen Kothurn der Tragik erklimmt,
eine angenehme Zerstreuung. Sie ist
das mehr oder weniger feine Lustspiel
der Musik, und nebenher hat sie für den
glücklichen Autor, wenn sie einschlägt,
rnehr Aussicht auf eine Krösuskrone
wie jede Oper. Wenn ein ideal gesinnter
Komponist vonSinfonien, Kammermusik-
werken nur die Ehre, aber keinen nen-
nenswerten Mammon erntet, so sagen
ihm die guten Freunde: „Schreibe doch
eine Operette, dann wirst du ein reicher
Mann.“ Leicht gesagt, schwer getan.

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einem Niedergange der Operette, nicht Denn auch zu dieser Kunst gehört eine
künstlerischer Beziehung. Tatsächlich seltener im Leben anzutreffen ist als






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[Nachdruck verboten.]

ganz bestimmte Begabung, die wesentlich
das Talent für die ernste Musik. Der
Operettenautor muß über ein natürliches
liebenswürdiges Talent verfügen, das
mit leichter Hand prägnante und dabei
eingängige Melodien schafft, die auch
der Musiklaie sofort auffaßt. Im
technischen Jargon spricht man von
„Schlagern“, wenn so eine glücklich
erfundene Melodie mit einem Schlage
populär wird. Ohne Schlager keine
wirksame Operette. Wenn erst in allen
Familien der Walzer aus der „Lustigen
Witwe“ oder das „Puppchenlied“ ertönt,
wenn es die Leute auf der Straße vor
sich hersummen, dann hat der Autor
einen Schlager der Mitwelt überliefert.
Allerdings ist auch ein Wermutstropfen
dabei; denn gewöhnlich haben die Schla-
ger ein kurzes Leben, oft nur für eine
einzige Saison, um dann bald zu ver-
schwinden. Nur selten, in besonders
„genialen“ Fällen, ist ihnen eine lange

XXVII. 21. Z -Z

Karl Perl: Der kleine Däumling.
 
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