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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 1
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Stahl, Fritz; Toberentz, Robert [Gefeierte Pers.]: Robert Toberentz: ein Nachruf
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Sarto, A. del: Die neue Radierung von Prof. Rudolf Stang
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0017

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Nr. s

Die Ruust-Halle.

selbe Summe von Erfahrungen, dasselbe Maß von
Begabung besitzt? Werde,: Junger seinem Beispiel
folgen? Oder ist er selbst dazu zu früh gestorbeu?
Die ferue Zukunft erst wird darauf Antwort
geben. Sie wird dann richten, ob wieder einmal das
Volk der Dichter und Denker das Lieben und Ningen
eines seiner Besten sruchtlos gemacht hat.

Die neue Radirung von Prof. Rudolf Stang.

/-^X9an Dycks küitstlerisches Schaffen hat zwarwieder-
holt zu beredten Schilderungen Veranlassung
gegeben, wie die reich illustrirten Bücher von
Mar Nooses, Guiffreyuud Michiels beweisen, aber auf
eine streng wissenschaftliche Basis ist das „Werk" des
großen Vlämen, dessen Farbengluth eiust sogar die
Italiener in Entzücken versetzte, bisher sonderbarer-
weise noch nicht gestellt worden. Dieser Mangel
einer kritischen Würdigung vieler Arbeiten des
Meisters macht sich namentlich gegenüber mehreren
religiösen Darstellungen, die sich in den Sammlungen
Italiens finden, recht fühlbar. Das gilt z. B. für
jene reizende MalererI, die wohl „Die heilige
Familie mit dem Engelstanze" genannt wird; sie ge-
hört zu deu Herleu der Galerie Hitti in Florenz. Die
Mehrzahl der Aunstgelehrten ist sich indeß darüber
einig, daß van Dyck sie auf seiuer uugemein er-
giebigen frühen Studienreise im Süden ausge-
führt habe.
Er schuf damals im Fahrwasser der berühmten
venetianischen Noloristen; und so verräth auch die
jugendlich imposante Maria deutlich ihre Abkunft
von den edlen Madonnen Bellini's, Cima's und
Tizians. Ein maßgebender englischer Renner ur-
theilte über das Gemälde: es vereinige alle hervor-
ragenden Eigenschaften des vlämischen Meisters und
rivalisire in der Farbe mit den besten Meisterwerken
eines Tizian. Die Darstellung selbst ist rasch er-
läutert. Die heilige Familie ruht auf ihrer Flucht
uach Aegypten in: Schatten einer Baumgruppe. Ls
haben sich Engelsgruppen genaht, die zum Vergnügen
des neugierigen Christkindes einen Neigen auf
dem Wiesenboden und ein Ronzert in den Wolken
aufführen. In den frischen muntern Rinderköpfen
sind die Vorbilder des Rubens unverkennbar, trotz
der venetianisch gemilderten Rörperformen.
Ls war also ein glücklicher Wurf, daß Staug
dieses uoch viel zu weuig gekauute Werk zur Re-
produktion durch die Nadirnadel wählte. Glücklich, weil
er uns mit seinem Blatte zugleich das Rönueu jeues
gefeierteu Antwerpener Malers in einen: frühen

interessanten Lebensabschnitt vor Augen führt und die
Liebhaber der graphischen Runst mit einer Nadirung
von vornehmstem, edelsten: Geschmack beschenkt. Auch
boteu ihn: die Eigenschaften des Originals Gelegen-
heit, alle die blendenden technischen Vorzüge, die wir
an Staug's bisherigen Arbeiten bewunderten, ver-
einigt zum wirksame,: Ausdruck zu bringen. Von
seinen Nivalen, die das Gemälde des Hal. Hitti in
früherer Zeit schon gestochen oder radirt haben —
und es liegen mehrere Blätter von Bolswert,
Toelemans, Troyen, Susanna Verbruggen, Martelli,
Hilizotti u. a. vor — käme neben Stang wirklich mü-
der einzige Bolswert, dieser hochbefähigte Nubeus-
stecher, wenn auch nur eutferut in Betracht.
In der That verstand es Niemand vorher so
ausgezeichnet, sich in die zarte und doch jugendfrische
Grazie, in die saftige Farbenpracht des italisirten
Nubensschülers zu verseuken, wie der moderue Nadirer.
Er schuf sich hier selbst die geeiguete Techuik, die
eine vollendete Charakteristik des damaligen van Dyck-
Stils ermöglichen half. Stangs elegante Handhabung
der Nadel, die allen jenen Leuten ein Greuel ist, die
sich die Nadirarbeit für alle Fälle als Gekritzel vor-
stelleu, begütigt sich keineswegs mit den: zeichnerischen
Erfolge, sondern läßt sich auch hier wiederum keiue
der Farbeuwirkungeu des Originals entgehen.
Alle Tonnuancen, die van Dyck aus echt malerischer
Empsinduug heraus geschaffeu, siud hier wiedergegeben
von: tiefsten Schwarz bis zum Durchsichtig-Hinge-
hauchteu. Selbst in den dunklen Hartieu des Bildes
sind, offenbar mit Zuhilfenahme des Grabstichels,
mannigfache malerische Effekte herausgearbeitet
worden.
Das vorliegende Runstblatt, welches übrigens
die respektable Bildgröße von ca. 0,5s m : 0,62 m
besitzt, läßt freilich die neuerdings oftmals betonte
„persönliche Marke" vermissen. Das dünkt
Manchen gar eine Todsünde. Wir aber wollen
keinen „eigenartig" interpretirten van Dyck, keinen mit
der persönlichen Marke des Herrn F oder H, sondern
den wirklichen van Dyck. Dieser Standpunkt ent-
spricht gerade der Ueberzeugung des vielkönnenden,
feinfühligen und intelligenten Stechers des Sposalizio's
und des letzten Abendmahls. Nicht korrigiren, nicht
geistreicheln, nicht originell tüfteln will er bei der
reproduktiven Umwerthung der Griginalschöpfung
des Hinsels, sondern fügsam bescheiden steht er
hinter deu: großen Maler, uu: dessen farbenreiche
Sprache liebevoll in das eintönige Idiom der Schwarz-
Weiß-Runst zu übersetzen. Die künstlerisch vollendete
Nadirung Stang's, die als Nemarque auf dem Hlatteu-
rande deu Ropf van Dyck's zeigt, ist auch rein dekorativ
betrachtet eine überaus gläuzende Leistung, ein in jeder
Beziehung erlesener Zimmerschmuck.
A. del Sarto.

h Höhe Mir., Breite ;,59 Ntr.
 
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