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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Der Nachfolger Jordan's
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Nr. 4

Die Auust-Halle.

— so gilt ihm das wohl für französische, englische,
schwedische, dänische, holländische Hänselführer, nicht
aber für die Berliner. Wahrhaft rührend wirkt
Wuther's Liebe z. B. für die Sonderart gallischer
Aunstempfindung, verglichen mit der herben Vor-
eingenommenheit allein gegen die preußischen
Aünstler. Sollte ihm wirklich das norddeutsch -
preußisch-nrärkische Wesen, das doch auch ein
Recht hat, sich künstlerisch zu äußern, völlig unver-
ständlich und ein Greuel sein? Ja, dann gehört
der Herr einfach nicht nach Berlin, geschweige gar
an die Spitze unserer Nationalgalerie. Es hieße
Selbstmord an unsern Empfindungen verüben, einen
Wann, der als Leiter eines französischen National-
instituts zweifellos am Platze wäre, zum j?fleger
unserer landesmäßigen Empfindungen zu machen . . .
Und Lichtwark? Eine liebenswürdige Natur,
eine männlich anziehende Persönlichkeit — offen,
gefällig, vornehin — steht er im guten Gedenken
bei Allen, die ihn in Berlin kannten. Er war
hier als Bibliothekar am Aunstgewerbe-Wuseum
und als Assistent beim Aupferstichkabinet beschäftigt
und hat also die beste Schule durchlaufen. Der
Direktor der Hamburger Aunsthalle ist ein echtes
Aind des Glückes; wohl ohne sein persönliches Zu-
thun sind ihm Würden und Ehrenstellen in den
Schooß gefallen, die sich Andere erst schwer er-
kämpfen müssen. Alles stellt sich ihm günstig und
hilfsbereit: die Fachgenossen wie die fresse. Das
harmloseste Schristchen, das keinem andern Autor-
Beachtung verschafft hätte, wurde, weil aus seiner
Feder stammend, zur litterarischen Großthat aus-
gebauscht und in den Fimmel erhoben. Seine
größeren Arbeiten über Mrnamentstiche und dergl.
rangiren wissenschaftlich etwa in dritter Reihe.
Aürzlich wurde ihm sogar eine bevorzugte Ehren-
stelle am Germanischen Wuseum zu Theil.
Selbstverständlich ist er ein kluger Herr, der
künstlerisch modern empfindet, der Gewandtheit in
Wort und Schrift und sonstige Tugenden besitzt,
die er mit manchem andern weniger begünstigten
Zeitgenossen theilt. Aöstlich naiv war seine Ant-
wort auf die Einladung zur Witarbeit an der
„Aunsthalle", feine reizende Ablehnung mit Vor-
behalt und der Schlußfrage, wie eigentlich die beiden
berühmten s)arteihäupter in der Sache dächten. Die
Instruktion von oben war also offenbar in diesem
Falle noch nicht erfolgt. Sie wird für kommende

Fälle aber gewiß nicht ausbleiben. Und wenn die
Absicht besteht, dein künftigen Direktor der National-
galerie in Berlin einen heimlichen Associd zu geben,
dann mag inan sich Herrn Lichtwark getrost aus
Hamburg kommen lassen. Zu Ehren Wax
Zordan's muß man indeß sagen, daß er sich
diesen stillen Assocw nicht gefallen lassen wollte.
Eine Zeit lang stand die Sache der großen
Firma ganz vortrefflich. Da tauchte plötzlich der
Name Hermann Anackfuß in der jDresse auf.
Es war übrigens kein blinder Lärm, wenn
auch der zunächst Betheiligte auf eine private An-
frage die Nachricht brieflich desavouirte. Wan
kennt dies Verschleiern einer Thatsache, über die
noch die letzte Entschließung aussteht. Und daß
sie aussteht, wird Zeder leicht begreifen, der da
weiß, welche beneidenswerthe gesellschaftliche und
berufliche Position Anackfuß in Aassel aufzugeben
hat. An der dortigen Aunstakademie vertritt er
würdig das Fach der Historienmalerei und lehrt
zugleich, unter reger Theilnahme, Aunstgeschichte.
Aber andererseits ist auch das lebhafte Znter-
esse, das der Aaiser dem Schöpfer so vieler vater-
ländischer Ariegsbilder entgegenbringt, in Erwägung
zu ziehen. Denn daß von höchster Seite die Aandi-
datur des Aasseler Aunstprofessors gewünscht wird,
kann kaum noch bezweifelt werden. Erst unlängst
hat ja die kaiserliche Gnade den entfernt wohnen-
den Waler, der mehr als einmal zu Hoffestlich-
keiten nach Berlin befohlen wurde, mit einer Auf-
gabe ganz eigener Art betraut. Anackfuß hat be-
kanntlich nach der Angabe des Aaisers ein Blatt
geschaffen, wo man die Gestalten der europäischen
Wächte geführt vom Erzengel Wichael unter
den: Zeichen des Areuzes sieht, wie sie auf der
Höhe eines Berges das Herannahen ungezählter
asiatischer Horden beobachten und sich gegen die
Gefahr grauenvoller Zerstörung ihrer gemeinsamen
Aultur waffnen und zögernd verschwistern.
Die tiefe Sympathie unseres Aaisers sür den
Waler datirt nicht erst von gestern, wenn sie auch
keineswegs aus die Gymnasiastenzeit des einstigen
Hrinzen zurückgeht, wie sälschlich gemeldet wurde.
Sie kam vielmehr plötzlich im Zahre s888, als
Anackfuß grade im Aasino der Potsdamer Garde-
Husaren dekorative Walereien ausführte. And sie
 
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