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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 9
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Semper, Hans: Gypsmuseen neuerer Plastik, [2]
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Die Kun st -Hall e. <

Nr. <)

innere Berechtigung, wie diejenige von Ab-
güssen nach der Antike oder nach Monumenten
der verschiedenen christlichen Epochen der
Vergangenheit, da die Bildhauerei der Jetztzeit
ja in ununterbrochenem historischen Zusammenhang
mit derjenigen der vorangegangenen Epochen steht
und die Scheidegrenze zwischen heute und gestern
überhaupt auch auf diesem Gebiete schwer zu zieheu
ist, wie denu in Bälde auch die neuesten Werke
Gegenstände der kunstgeschichtlichen Vergangenheit
sein werden.
Die Museen sind zwar eher in der Lage, wofern
sie die nöthigen Fonds dazu besitzen, die Sammlungen
moderner Original - Skulpturen zu bereichern
und zu vervollständigen, als diejenigen alter
Originalwerke, von denen der wesentlichste Theil
wohl in festen Händen ist und bleibt. Aber Letzteres
gilt auch für gar manche moderne Werke, besonders
monumentaler oder dekorativer Art, die für einen
bestimmten Platz oder Bau geschaffen wurden, wie
z. B. Fontänen, Grabmonumente, Standbilder,
Fassadenschmuck 20. Gar manches darunter kann
vielleicht für euren bestimmten Künstler besonders
charakteristisch oder gar sein Meisterwerk sein, dessen
Anwesenheit in einer gut angelegten Sammlung
moderner Skulptur sehr wünschenswerth, ja fast noth-
wendig wäre. Diesem Bedürfnis kann also nur
wieder durch einen Gypsabguß abgeholfen werden.
So gut die Mehrzahl der plastischen Werke auf
der: Ausstellungen moderner Kunst bloß aus Gyps-
modellen besteht, welche ohne Anstand zugelassen
und vom Publikum mit Interesse als Proben
modernen Schaffens betrachtet, kritisirt und bewundert
werden, so gut könnte solchen Gipsmodellen doch
auch der Zutritt in eigene Museen gewährt werden,
wo sie dieselbe Anschauung und Belehrung bieten
würden, wie auf den Ausstellungen, auf denen mail
gar viele derselben mit Bedauern auf späteres
Nimmerwiedersehen lieb gewinnt.
Am Schlimmsten ist in vielen Fällen der Künstler
selbst daran, welcher nur zu oft in der Lage ist, seine
bestell Griginalmodelle, nachdem er mit denselben
eine Ausstellung beschickt und Anerkennung und Be-
wunderung dafür eingeerntet hat, nach Schluß der-
selben wieder in sein Atelier aufzunehmen, ohne auch
nur eiue Bestellung für deren Ausführung erhalten
zu haben. Denn gerade die dutzendweise bestellteil
Skulpturen gehören nicht immer zu deu besten
es geilügt dazu, daß sie eiue hübsche Salondekoration
bilden oder durch einen niedlichen, spaßhaften, pikanten
oder sentimentalen, in bestechender Technik vorgeführten
Stoff, dem Geschmack reicher „Kunstfreunde" ent-
sprechen, welche nicht immer auch an Geschmack und
Kunstverständniß zu deu Auserwählteil gehören.
Andererseits finden nicht selten wirklich originelle und
talentvolle Arbeiten keinen Käufer, oft auch, so sehr
sie gefalleu, nur aus äußereu Gründen des Um-

fanges, des Gegenstandes rc. Nehmen wir z. B. an,
ein Bildhauer stellt ein herrliches Brunnenmodell
aus; eine Bestellung zur Ausführung derselben wird
nur vom reineu Zufall abhängen. Jeder Bildhauer
würde gewiß geru ein solches ihm zurückgebliebeues
Originalmodell eiuem Museum zu einem mäßigen
Preise abtreten, wofern ihm nur das alleinige Necht
einer allenfallsigen späteren Ausführung vorbehalten
bliebe.
Aber auch von den ausgeführten Arbeiten bleiben
dem Künstler die Gipsmodelle im Atelier zurück, so
daß sich schließlich, wofern er sie nicht in irgend einer-
weise los wird, bei ihm selbst ein ganzes Museum
davou ausammelt. Solche Gvpsmuseen, das Werk eines
einzelnen Künstlers enthaltend, sind in der That mehrfach
aus deren Nachlaß zurückgeblieben; es sei das Museum
Tenerani in Nonr, das Schwanthaler-Museum iu
München oder das Thorwaldsen-Museum in Kopen-
hagen erwähnt, wenn nun auch solche Modell-
sammlungen einzelner hervorragender Bildhauer für
die Folgezeit von hohem kunstgeschichtlichen werthe
sind, so kann man doch nicht jedem Bildhauer zu-
muthen, eine solche bei Lebzeiten ununterbrochen an-
wachsen zu lassen, nm sie in ihrer Gesammtheit der
Nachwelt zu übermachen, schon weil nicht jeder
talentirte Künstler in der glücklichen Lage ist, den
dazu nöthigen Naum zu schaffen, noch auch deu An-
spruch macht, die Nachwelt mit einem ganzen Museum
seiner Werke zu beglücken. So bleibt ihn: schließlich
nichts übrig, als ein Modell nach dem andern zu
zerschlagen, was für ihn selbst doch immer ein bitteres
Opfer und für die Nachwelt oft einen Verlust bedeutet.
Mauche treffliche Werke geheu so ganz und gar
oder doch für eine größere Geffentlichkeit verloren;
denn wer weiß immer, in welchem Privatbesitz, an
welcher Fassade oder in welchem fernen Lande die
danach ausgeführten Skulpturen sich befinden.
wenn daher aus diesem reichen Material An-
käufe für Museen oder auch für die Dekoriruug
öffentlicher Näume durch Sachverstäudige vor-
genommen würden, so wäre damit nicht bloß den
Künstlern gedient, welche schon froh wären, nur
einen Theil ihrer besseren Modelle anständig unter-
bringen zu können, sondern es könnten zugleich auch
allmälich Sammlungen entstehen, deren Werth nicht
nur iu der methodischen Vollständigkeit der Ver-
tretung einer fortlaufenden Entwicklung, sondern auch
dariu beruheu würde, daß sie hauptsächlich Ori-
giual-Modelle, d. h. vom ursprünglichen Thon-
modell abgeformte Abgüsse enthielten, welche die
Handschrift des Künstlers in vollständiger Treue
wiedergebeu, währeud die zum Theil von Hilfs-
arbeitern danach ausgeführten und geglätteten
Marmorskulpturen diese Unmittelbarkeit nicht immer
besitzen. Man denke nur darau, mit welcher Andacht
man die Griginalmodelle älterer Künstler in Thon,
wachs oder auch Gvps, welche iu den Museen ver-
 
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