Die Kunst-Halle — 1.1895/1896
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DOI Heft:
Nr. 12
DOI Artikel:Stahl, Fritz: Vor Thoresschluß
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s?8 -->—H Die Kunst-Halle. - Nr. s2
die deutsche Kunst höchst ehrenvoll bestehe. Das
Berliner Konnte hat das Seinige dazu gethan, inden:
es den deutschen Künstlern aller Kunstzentren das
weiteste Entgegenkommen zeigte. Und von Allen
haben nur die Münchener Sezessionisten ihre egoistischen
Interessen über das allgemeine gesetzt, der nationalen
eine partikularistische Kunstpolitik entgegengestellt.
Es könnte leicht sein, daß sie es noch bedauern: man
darf auch nicht zu klug sein wollen, und es kommt
meist ganz anders.
Nun droht das Mißtrauen weiter Kreise gegenüber
der Jury auch einen Theil der jungen Berliner fern-
zuhalten. viele beschicken seit Jahren lieber den
Münchener Glaspalast, wo ihre Werke, die man in
Berlin zurückgewiesen hat, oft die besten Plätze bekommen.
Das darf in diesem Jahre unter keinen Umständen ge-
schehen. Es zu verhindern, sollen meine Worte beitragen.
Ich mache mich hier keineswegs zum Anwalt
aller Zurückgewiesenen und Unzufriedenen. In den
Angriffen auf die Jury, die fast alljährlich wieder-
kehren, wird nach meiner Ansicht der große Fehler-
gemacht, alle jene als eine kompakte Masse zu be-
trachten und mit sentimentalen Redensarten von ihren
Enttäuschungen zu reden. Man weiß nicht oder inan
will nicht wissen, daß die ganz überwiegende Zahl
der abgelehnten Werke elende Stümpereien sind, und
daß weichliches Mitleid ihren Urhebern gegenüber
nicht nur nicht am Platz, sondern geradezu ein Ver-
brechen gegen die Kunst wäre.
Darin vielmehr liegt das schlechtweg unverzeih-
liche Unrecht, daß die Jury in dem Kampf der
Richtungen glaubt Partei ergreifen zu müssen, daß
sie eigenartige Talente fernhält, während sie kon-
ventionellen Machern den Eintritt gewährt. Ls zeugt
das von einer völligen Verkennung ihrer Aufgabe,
wenn sie in gutem Glauben handelt. Die Ausstellungen
sind dazu da, zu zeigen, welche Ziele die zeitgenössische
Kunst verfolgt. Je mannigfaltiger, ich möchte sagen:
je persönlicher diese Ziele sind, desto besser für die
Ausstellungen, desto besser für das Kunstleben. Kein
Mensch dagegen hat irgend Interesse daran,
die Geschmacksrichtung der jeweiligen Jury zu
kennen. Niemand wählt eine Jury, um Vormundschaft
über Künstler und Beschauer auszuüben. Die Geffent-
lichkeit soll urtheilen, und es giebt schlechterdings nichts,
was die Jury berechtigen könnte, ihr bestimmte Be-
strebungen einfach zu unterschlagen. Die Zensur,
welche die Polizei über Schriftthum und Bühne aus-
übt, ist harmlos gegenüber der, die sich hier die Ge-
nossen der Künstler anmaßen.
Sicherlich sollen ganz unreife Arbeiten nicht an-
genommen werden. Dann aber noch weniger un-
reife Arbeiten, die überdies noch schablonenhaft sind.
Und was für Dilettantereien machen sich unter Billi-
gung der Jury breit! Schlechte Schularbeiten, bei
denen oft noch zum Ueberfluß der Lehrer mitgeholfen
hat, sind immer in großer Zahl zu finden. Da bleibt
keine andere Erklärung, man muß an persönliche
Einflüsse, an Kliquen glauben. Denn es wäre eine
viel größere Beleidigung für Künstler, anzunehmen,
sie seien so ohne Urtheil, um die Mängel dieser
Arbeiten nicht zu sehen, wer den Monat Mai hin-
durch täglich in der Ausstellung verkehrt, der kann
denn oft noch sehen, wie die Arbeit irgend eines
malenden schönen Fräuleins, für die ursprünglich
sicher jemand nur um Duldung gebeten hatte, all-
mälich aus einen: verlorene:: Winkel in eine:: Haupt-
saal und an einen guten Platz vorrückt.
Daß die Juroren ihre Iuryfreiheit benutzen, um
möglichst viele Arbeiten auszustellen und sie möglichst
gut unterzubringen, ist ja menschlich sehr erklärlich.
Aber auch hier geht man in Berlin oft über jedes
Maß hinaus. In beiden Münchener Ausstellungen
steht es in dieser Hinsicht besser. Und namentlich
muß man es als einen schönsten Vorzug der Sezession
ehrenvoll hervorheben, daß die Juroren die Werke
der Anderen mit größter Liebe behandeln und jede
Arbeit möglichst vortheilhaft plaziren.
Mir scheint, es muß durchaus etwas geschehen,
um das vorhandene Mißtrauen zn beseitigen, das
manchen fernhalten könnte, den man gut brauchen
kann. Die Jury ist gewählt, und Niemand hat ihr
etwas vorzuschreiben. Sie kann sogar wohlgemeinten
Nath schroff abweisen. Um so ehrenvoller wäre es,
wenn sie freiwillig etwas zur Beruhigung der Ge-
müther thun würde. Die Bezeichnung der Werke
der Juroren, die Erklärung, nicht nach Richtung,
sondern lediglich nach Talent urtheilen zu wollen,
würde völlig genügen.
Aber, wenn auch die Jury auf ihren: Schein
stehen bliebe, so wäre es ganz verkehrt, ja geradezu
ein Unrecht, wenn sich wirklich die jungen Künstler
durch ihr Mißtrauen abschrecken ließen, die Aus-
stellung zu beschicken, wer glaubt, mit seinem Werk
zu ihren: Gelingen beitragen zu können, der hat die
Pflicht, nicht abseits stehen zu bleiben. Ich weiß,
daß sie ein Opfer bringen, wenn sie den Refus ab-
warten, denn sie versäumen unter Umständen einen
Termin für eine andere Ausstellung. Aber wenigstens
in diesem Jahr muß dieses Opfer gefordert werden:
es steht viel für die Zukunft der Kunststadt Berlin
auf den: Spiel. . .
So gehe denn meine Mahnung nach hüben und
drüben. Bescheiden, denn sie stützt sich auf kein Recht.
Aber vielleicht doch wirkungsvoll, denn sie kommt aus
keinen: ander,: als rein sachlichem Interesse.
Jedenfalls wird die „Kunst-Halle" die Thätigkeit
der Jury aufmerksam verfolgen. Die Oeffentlich-
keit kann doch manches Versehen berichtigen, das etwa
bei den: vergleich zwischen diesen: aufgenommenen und
jenem zurückgewiesenen Werke sich herausstellen sollte.
Uebrigens wirken die Namen der Juroren im Ganzen
sehr vertrauenerweckend.
die deutsche Kunst höchst ehrenvoll bestehe. Das
Berliner Konnte hat das Seinige dazu gethan, inden:
es den deutschen Künstlern aller Kunstzentren das
weiteste Entgegenkommen zeigte. Und von Allen
haben nur die Münchener Sezessionisten ihre egoistischen
Interessen über das allgemeine gesetzt, der nationalen
eine partikularistische Kunstpolitik entgegengestellt.
Es könnte leicht sein, daß sie es noch bedauern: man
darf auch nicht zu klug sein wollen, und es kommt
meist ganz anders.
Nun droht das Mißtrauen weiter Kreise gegenüber
der Jury auch einen Theil der jungen Berliner fern-
zuhalten. viele beschicken seit Jahren lieber den
Münchener Glaspalast, wo ihre Werke, die man in
Berlin zurückgewiesen hat, oft die besten Plätze bekommen.
Das darf in diesem Jahre unter keinen Umständen ge-
schehen. Es zu verhindern, sollen meine Worte beitragen.
Ich mache mich hier keineswegs zum Anwalt
aller Zurückgewiesenen und Unzufriedenen. In den
Angriffen auf die Jury, die fast alljährlich wieder-
kehren, wird nach meiner Ansicht der große Fehler-
gemacht, alle jene als eine kompakte Masse zu be-
trachten und mit sentimentalen Redensarten von ihren
Enttäuschungen zu reden. Man weiß nicht oder inan
will nicht wissen, daß die ganz überwiegende Zahl
der abgelehnten Werke elende Stümpereien sind, und
daß weichliches Mitleid ihren Urhebern gegenüber
nicht nur nicht am Platz, sondern geradezu ein Ver-
brechen gegen die Kunst wäre.
Darin vielmehr liegt das schlechtweg unverzeih-
liche Unrecht, daß die Jury in dem Kampf der
Richtungen glaubt Partei ergreifen zu müssen, daß
sie eigenartige Talente fernhält, während sie kon-
ventionellen Machern den Eintritt gewährt. Ls zeugt
das von einer völligen Verkennung ihrer Aufgabe,
wenn sie in gutem Glauben handelt. Die Ausstellungen
sind dazu da, zu zeigen, welche Ziele die zeitgenössische
Kunst verfolgt. Je mannigfaltiger, ich möchte sagen:
je persönlicher diese Ziele sind, desto besser für die
Ausstellungen, desto besser für das Kunstleben. Kein
Mensch dagegen hat irgend Interesse daran,
die Geschmacksrichtung der jeweiligen Jury zu
kennen. Niemand wählt eine Jury, um Vormundschaft
über Künstler und Beschauer auszuüben. Die Geffent-
lichkeit soll urtheilen, und es giebt schlechterdings nichts,
was die Jury berechtigen könnte, ihr bestimmte Be-
strebungen einfach zu unterschlagen. Die Zensur,
welche die Polizei über Schriftthum und Bühne aus-
übt, ist harmlos gegenüber der, die sich hier die Ge-
nossen der Künstler anmaßen.
Sicherlich sollen ganz unreife Arbeiten nicht an-
genommen werden. Dann aber noch weniger un-
reife Arbeiten, die überdies noch schablonenhaft sind.
Und was für Dilettantereien machen sich unter Billi-
gung der Jury breit! Schlechte Schularbeiten, bei
denen oft noch zum Ueberfluß der Lehrer mitgeholfen
hat, sind immer in großer Zahl zu finden. Da bleibt
keine andere Erklärung, man muß an persönliche
Einflüsse, an Kliquen glauben. Denn es wäre eine
viel größere Beleidigung für Künstler, anzunehmen,
sie seien so ohne Urtheil, um die Mängel dieser
Arbeiten nicht zu sehen, wer den Monat Mai hin-
durch täglich in der Ausstellung verkehrt, der kann
denn oft noch sehen, wie die Arbeit irgend eines
malenden schönen Fräuleins, für die ursprünglich
sicher jemand nur um Duldung gebeten hatte, all-
mälich aus einen: verlorene:: Winkel in eine:: Haupt-
saal und an einen guten Platz vorrückt.
Daß die Juroren ihre Iuryfreiheit benutzen, um
möglichst viele Arbeiten auszustellen und sie möglichst
gut unterzubringen, ist ja menschlich sehr erklärlich.
Aber auch hier geht man in Berlin oft über jedes
Maß hinaus. In beiden Münchener Ausstellungen
steht es in dieser Hinsicht besser. Und namentlich
muß man es als einen schönsten Vorzug der Sezession
ehrenvoll hervorheben, daß die Juroren die Werke
der Anderen mit größter Liebe behandeln und jede
Arbeit möglichst vortheilhaft plaziren.
Mir scheint, es muß durchaus etwas geschehen,
um das vorhandene Mißtrauen zn beseitigen, das
manchen fernhalten könnte, den man gut brauchen
kann. Die Jury ist gewählt, und Niemand hat ihr
etwas vorzuschreiben. Sie kann sogar wohlgemeinten
Nath schroff abweisen. Um so ehrenvoller wäre es,
wenn sie freiwillig etwas zur Beruhigung der Ge-
müther thun würde. Die Bezeichnung der Werke
der Juroren, die Erklärung, nicht nach Richtung,
sondern lediglich nach Talent urtheilen zu wollen,
würde völlig genügen.
Aber, wenn auch die Jury auf ihren: Schein
stehen bliebe, so wäre es ganz verkehrt, ja geradezu
ein Unrecht, wenn sich wirklich die jungen Künstler
durch ihr Mißtrauen abschrecken ließen, die Aus-
stellung zu beschicken, wer glaubt, mit seinem Werk
zu ihren: Gelingen beitragen zu können, der hat die
Pflicht, nicht abseits stehen zu bleiben. Ich weiß,
daß sie ein Opfer bringen, wenn sie den Refus ab-
warten, denn sie versäumen unter Umständen einen
Termin für eine andere Ausstellung. Aber wenigstens
in diesem Jahr muß dieses Opfer gefordert werden:
es steht viel für die Zukunft der Kunststadt Berlin
auf den: Spiel. . .
So gehe denn meine Mahnung nach hüben und
drüben. Bescheiden, denn sie stützt sich auf kein Recht.
Aber vielleicht doch wirkungsvoll, denn sie kommt aus
keinen: ander,: als rein sachlichem Interesse.
Jedenfalls wird die „Kunst-Halle" die Thätigkeit
der Jury aufmerksam verfolgen. Die Oeffentlich-
keit kann doch manches Versehen berichtigen, das etwa
bei den: vergleich zwischen diesen: aufgenommenen und
jenem zurückgewiesenen Werke sich herausstellen sollte.
Uebrigens wirken die Namen der Juroren im Ganzen
sehr vertrauenerweckend.