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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 16
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Galland, Georg: Post festum
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0280

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2^2

Die R u 77 st - H a l l e.

Nr. s6

Den fremden Künstlern wird wohl am meisten aus-
gefallen sein, daß diese Festreden fast eben so sehr
dein kaiserlichen paare, das hier wie dort die
Versammlung durch seine Anwesenheit ehrte, huldigten,
wie der ehrwürdigen Jubilarin, der Akademie. Kem
Wunder, daß man daran auswärts Kritik übte. Uns
Deutschen hat ja das Schicksal so sehr die Fähigkeit
verliehen, Charakter und Gewohnheiten der fremden
Nationen zu begreifen, wie das Glück mißgönnt, von
diesen Nationen in unseren eigenen Empfindungen
verstanden zu werden. So schätzt man auswärts auch
die hohe Stellung nicht richtig, die wir bei Gedenk-
tagen der Kunst oder Wissenschaft dem Fürstenhause
einräumen, indem wir dabei die unverjährten Ver-
dienste der pohenzollern um das frühere Geistesleben
des Vaterlandes dankerfüllt vor Augen haben.
Gerade die Erinnerung an die Entstehung der
Akademie in der Hauptstadt unserer Mark Branden-
burg, die der Vorgänger des Großen Kurfürsten noch
im traurigsten wirthschaftlichen Zustand hinterlassen
mußte, war recht dazu angethan, die historisch sest-
stehenden Verdienste der beiden letzten Kurfürsten um
das Kunstleben der Heimat in diesen Festtagen nach-
drücklichst zu betonen. Wir ehrten uns selbst und
unsere treue Gesinnung dadurch, daß wir dem hohen
Nachkommen jener Fürsten diese Huldigung bereiteten.
Die beiden Festredner entledigten sich der schönen
Aufgabe mit Geschick. Besonders wirksam war die
glänzende Rhetorik des Kultusministers, der in
meisterhafter Gliederung der Rede alle wichtigen Mo-
mente, die zur Eröffnung der „Internationalen" Be-
ziehung hatten, geistvoll hervorhob. Die Rede*) lautete
wie folgt:
„Daß Eure kaiserliche und königliche Majestät die
Gnade haben, durch Allerhöchstihre und Ihrer Majestät der
Kaiserin und Königin persönliche Gegenwart der Eröffnung
der diesjährigen großen Berliner Kunstausstellung die höchste
weihe zu geben, bildet von vornherein ein laut redendes
Zeugniß für die außergewöhnliche Bedeutung der dies-
jährigen Ausstellung. Ls ist die 200jährige Jubelfeier der
von Lw. Majestät erhabenem Vorfahren gestifteten könig-
lichen Akademie der Künste, welche unserer Ausstellung
diesmal ein eigenartiges Gepräge und eine besondere Be-
deutung verleiht, während uns die Ausstellungen sonst
nur die Blüthe der zeitgenössischen Kunst veranschaulichen,
ist diesmal mit Rücksicht auf die Jubelfeier der Akademie
der Versuch gemacht worden, den Einfluß der Akademie auf
die Entwicklung der vaterländischen Kunst in ihren verschie-
denen Perioden und in ihren Beziehungen zum Herrscher-
hause zur lebendigen Anschauung zu bringen. Daneben
freilich dürfen auch die Werke der zeitgenössischen Künstler
nicht fehlen; denn sie sind das Ergebniß der geschichtlichen
Entwicklung des künstlerischen Schaffens, und wir dürfen
hoffen, daß dieses Ergebniß, wie immer auch das Urtheil
im einzelnen ausfallen möge, sich als ein erfreuliches Zeug-
niß für die künstlerische Kraft der Gegenwart erweisen
H wir geben sie im Wortlaut nach der „Voss. Ztg."
vom -p Mai. D. Red.

werde. Unsere Kunstausstellungen sind kulturgeschichtliche
Dokumente. Sie beurkunden gleichsam in Farbe und Linien-
führung oder in Marmor und Erz die jeweilige künstlerische
Erfassung und Darstellung des wahren und Schönen, wer
sie mit offenen Augen und mit verständnißvollem Nach-
empfinden zu lesen versteht, gewinnt aus ihnen einen festen
untrüglichen Maßstab für die Kulturstufe der Zeit. Unsere
gesammte Kultur ist durch tausend geheimnißvolle Fäden
eng verknüpft mit der geistigen, politischen und wirthschaft-
lichen Entwicklung des Vaterlandes, auf dessen Boden sie
erwachsen ist und dessen Eigenart sich in ihr wiedersxiegelt.
Dies gilt in vollem Maße auch von der Kunst, und in
diesem Sinne dürfen wir mit gerechtem Stolz auf unsere
vaterländische Kunst blicken. Neidlos aber freuen wir uns
jedes wahren Kunstwerks und jedes großen Künstlers,
welcher Nation er auch angehören möge, und dankbar be-
grüßen wir die fremden Künstler und ihre Werke, die gern
und freudig auch an unserer Jubiläumsausstellung sich be-
theiligt haben. Das Vertrauen, mit dem sie zu uns ge-
kommen sind, wird nicht getäuscht werden. Es ist unsere
Ehre und unser Stolz, daß in unserem Vaterlande jedes
künstlerische Können, es mag auf einem Boden erwachsen
sein, wo immer es sei, mit dankbarem und gerechtem Blick
die verdiente Würdigung findet. So ist es im deutschen
Lande und in Preußen von jeher gehalten worden; so ist
es heute noch und so wird es mit Gottes Hilfe auch in alle
Zukunft bleiben. Diesen weitherzigen und selbstlosen Geist
verdanken wir in erster Linie unseren Königen. Sie sind
es gewesen, die ihrem Volke voran die Bedeutung der hohen
Kunst erkannt und deren freieste Betätigung und Ent-
wicklung in hochherzigster weise gepflegt haben. Unsere
Könige waren es, welche die Pflege von Kunst und Wissen-
schaft, den freiesten Bethätigungen des menschlichen Geistes,
zu Aufgaben des Staates gemacht haben, ohne jemals auch
nur den Versuch zu machen, ihnen die Lebenslust, in der
sie allein gedeihen können, die volle Freiheit einzuengen.
Unsere Könige hatten es von je her gewußt und bethätigt,
daß Schönheit und Wahrheit, die beiden Lebenselemente der
Kunst, deren natürliche, aber auch einzige Regulatoren sind
und sein müssen. Unermeßliche Segnungen an Kultur und
Gesittung sind unserem Volke dadurch vom Throne zu-
geführt worden. Voll tiefen Dankes erkennen das die ge-
bildeten Kreise der Nation. Und wie mächtig die Kunst
auf unser Volksleben einwirkt, davon ist der sprechende
Beweis der Zugänglichkeit und Empfänglichkeit aller Volks-
schichten für die künstlerische Einwirkung und Anregung,
wie sie sich in dem allgemeinen Interesse für unsere Kunst-
ausstellungen kundgiebt. Lw. Majestät folgen auch hierin
den gesegneten Traditionen Allerhöchstihrer erlauchten
Ahnen. Allerhöchsdieselben sind mit königlichem Blicke der
Entwicklung unseres Künstlerthums gefolgt und haben
durch die Vereinigung der Genossenschaft der Akademie der
Künste, des Berliner Künstlervereins und der Düsseldorfer
Künstlerschaft zu gemeinsamer Ausstellungsthätigkeit den
hiesigen Kunstausstellungen eine neue Organisation zu ver-
leihen geruht. Unauslöschlich ist der Dank der Künstler-
schaft für Lw. Majestät huldreiche und wirksame Pflege
und Beschirmung aller wahren künstlerischen Interessen,
wir Alle hoffen zu Gott, daß Lw. Majestät allerhöchst-
selbst bis in die fernsten Zeiten der reichen Frucht sich er-
freuen werden, die diese königliche Aussaat auf dem Ge-
biete der Kunst für unser Volksleben zeitigen wird. Möge
 
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