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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 17
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Feld, Otto: Bei Boldini
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0299

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Ar. f?

--Die K u n st - p a l l e. °

259

„schmücken" zu müssen glauben! Pier athmet Alles
vollendeten, weltmännisch vornehmen Geschmack, mit
dem ein fleißig Schaffender seine Arbeitsstätte sich ge-
schmückt.
Rein Wagengerassel, nichts von dem nerven-
zermarternden Lärm der großen Stadt, dringt hier
herauf, pöchstens eiumal eiu Trommelwirbel oder
eiu pornschnal aus den Kasernements, die den mäch-
tigen Wällen eingefügt sind, welche die Millionenstadt
umziehen. Wir sind hier an der Peripherie der
Festung Paris. Die schöne, von zwei Reihen Bäumen
bestandene Straße ist nur auf der Südseite mit Päusern
bebaut, mit kleinen, eleganten Villen, deren jede ein-
zelne fast ein breites Atelierfenster zeigt. Die Nord-
seite begrenzen die Fortifikationen, und die Künstler,
denen ihre oder ihrer Klientel Mittel es gestattet
haben in diesem vornehm-stillen Stadttheil sich anzu-
siedeln, schauen, wenn sie von der Arbeit rasten, über
die Wälle und das Päusermeer der Vorstadt Asnisre
fort auf die ferneu pöheuzüge, die die Stadt um-
kränzeu.
Pier draußen muß sich's gut schaffen. Und es
wird auch wohl fleißig gearbeitet iu deu kleiueu, ele-
gauteu potels. Die besten unter den hiesigen Künst-
lern haben hier ihr peim, und um die Besuchs- und
Sitzungsstunde halten vor den meisten der Thore ele-
gante Equipagen, und Kutscher und Diener in der
bekannten tadellos steifen paltung harren der schönen
Perrin, die oben in dem reichgeschmückten Atelier
posirt.
Die schönste und vornehmste „Kundschaft" hat
wohl Boldini. Was auf weibliche Eleganz uud
Schönheit Anspruch macht, drängt sich nach der Ehre,
von dem Meister gemalt zu werdeu. Die schöueu
Frauen wissen, daß dieser Meister wie kaum ein
anderer ihrer liebenswürdigen Anmuth gerecht zu
werdeu weiß.
In dem geistreiche,: Geplauder mit dem liebens-
würdigen, kleiueu perrn (Boldini ist nur um weniges
größer, als unser Menzel) mögen die sonst manchmal
recht langweiligen Sitzungsstunden schnell genug hin-
gehen, denn Boldini ist ein hinreißender Lauseur.
Die Lebhaftigkeit des Italieners*) eint sich auf das
reizvollste mit französischer Anmuth, vollendete, welt-
männische Formen mit einem köstlichen pumor, der
aus den schalkhaften, Hellen Augen blitzt und um
den gut geformte:: Muud zuckt.
Wie köstlich wußte der Meister auf meine dies-
bezügliche Frage seine Begegnung mit Menzel zu
schilderu. Bei seinem Besuch iu Berliu in: vorige::
Jahre hatte er den von ihn: hochbewunderten aufge-
sucht. Die Werthschätzung, die schou vor Jahre::
eiu kleiues italienisches Bildchen Boldinis von Seiten
Menzel's gefunden, gab den äußeren Anlaß, die per-

*) Boldini ist in Ferrara geboren, hat in Venedig
stndirt und lebt seit M2 mit kaum nennenswertsten Unter-
brechungen in Paris.

sönliche Bekanntschaft des Altmeisters zu mache::, der
diese:: Besuch (gauz gegeu seine sonstige Gewohn-
heit, wie böse Menschen behaupten) auf das Liebens-
würdigste empfing. Gleichzeitig Anwesende regten
den Gedanken an, Boldini solle das Porträt Menzel's
malen. Natürlich sagte der alte perr zunächst nein.
Er hätte keine Zeit u. s. w. u. s. w. Schließlich gab
er nach und die Frucht der wenige:: Stunden, die er
bewilligen konnte und wollte, ist das interessante
Bildniß, das z. Z. auf der Berliner Ausstellung sich
befindet und von den: mir Boldini auf meiu Bitte::
eine Photographie zur Reproduktion für die Leser
der „Kunst-Palle" überließ.
„Sie können sich denken, daß das interessante
Stunden für mich waren. Amüsant war's übrigens
auch," sagte er.
„Wie habe:: Sie sich dem: mit dem alte:: perru
uuterhalteu, Meister?! Menzel spricht wohl kann:
sehr fließend französisch," fragte ich.
„Oh, das ging sehr gut." Und dabei blitzte
ihm der Schalk aus deu Augen. „Nachdem Menzel
nur erst seiue Liuwilliguug gegebeu uud mir eiumal
gegenüber saß, rückte er sich in seinen: Stuhl zurecht
und mit der bekannten, strengen Miene vor sich hin-
schauend, fragte er ernst: Asst justs?! Oui, cksstjusts,
antwortete ich und begann. Bald aber fing der
Kopf des würdigen alten perrn an herabznsinken, die
Augen wurden müder und müder — er nickte sanft
ein. Ich hustete respektvoll. (Asst ,susts? fragte
Meuzel sofort, aus seinen: kleinen Schlummer auf-
fahreud. Oui, Asst justs, mon muitrs, antwortete ich.
— Sehen Sie, so haben wir uns vortrefflich unter-
halten. — Nur als ich noch um eiue Sitzung bat,
wurde er schwierig. Schließlich aber ging er zu einen:
Papier, das an der Atelierwand angeheftet war und
wohl seinen Kalender enthielt (hier ahmte Boldini
unübertrefflich Gang, paltung und Geberde unserer
kleinen Excellenz nach), und nachdem er das Papier
eingehend studirt, sagte er mit streng bezeichnender
Pand-Geberde: „äsmmn!"
„Vurkuitsmsnt, äsmuinch antwortete ich. —
„Schade, schade," fuhr der Meister fort, „daß
mir so weuig Zeit für das Bild vergönut war, wohl
kaum 5 Stunden. Das wäre eine Aufgabe, diesen
feinen, geistreichen Greisenkopf so recht gründlich zu
studireu. Nuu, ich freue mich desseu, was mir ver-
gönut war. Auch die köstlichen Minuten vor den
reichen Studienmappen, die mir der Meister bereit-
willigst zechte, werden mir in der Erinnerung bleiben.
Welche Beobachtung, welches liebevolle Sichversenken
in die Natur, welches Köuneu uud welcher Fleiß!
Wie hat es dieser Mann verstanden, in eine ferne
Zeit sich zu versetze::. Euren Friedrich den Großen
hat er Euch ja erst lebeudig gemacht, lebeudig für
immer in diesen kleinen Meisterwerken. Und dann
habe ich in der Nationalgallerie Menzel's Skizzen
studirt, die Köpfe, diese wunderbaren Thierstudien.
 
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