Die Kunst-Halle — 1.1895/1896
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0334
DOI issue:
Nr. 19
DOI article:Zimmern, Helen: Neapel, [1]
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-Die Run st-Halle, -
Nr. s9
gebracht zu haben, steht Neapel in dieser Hinsicht
zurück. Und man sollte doch meinen, diese Stadt be-
säße an ihrer Lage inmitten der strahlenden Farben-
pracht und Naturschönheit des Südens und an der
Fülle malerischer Erscheinungen des dortigen Volks-
lebens gerade günstige Vorbedingungen für die Ent-
faltung eines reichen Runstlebens.
Wenn Neapel sich innerhalb des letzten Viertel-
jahrhunderts künstlerisch einigermaßen hervorgethan
hat, so verdankt es dies faktisch dem Beispiel und
Wirken einer einzigen Persönlichkeit, dem Maler
Domenico Morelli. Und ich frente mich, den alten
Herrn nicht nur rüstig und frisch, sondern auch in
voller Thätigkeit anzutreffen; sowohl selbst schaffend
an Darstellungen der von ihm beliebten biblischen
Sujets, wie auch lehrend und seinen Einstuß aus-
übend in seiner Stellung als Direktor des Gewerbe-
museums, womit ein Privatmann, der Fürst Filangieri,
die Stadt großmüthig bedacht hat. In der letzt-
genannten Thätigkeit hat Morelli seinen Landsmann,
den vortrefflichen Thier- und Landschaftsmaler palizzi
zur Seite, der sich gleich ihm um deu Aufschwung
der neapolitanischen Runst verdient gemacht hat; nur
that Morelli dies daheim, während palizzi seine Wirk-
samkeit in Paris ausübte. Das Gewerbemuseum,
welches zugleich Kunstschule ist, bezweckt speziell, die
iu der Provinz Neapel seit den klassischen Zeiten
heimischen Industrien zu fördern, deren Erzeugnisse,
wie z. B. die Majoliken, in den Häuslichkeiten hier
als Gebrauchsgegenstände Verwendung finden. Es
sind freilich auch in anderen Ländern neuerdings
künstlerische Hausgeräthe eingeführt worden, doch
unterscheiden sich diese Artikel wesentlich von den
neapolitanischen, und zwar vornehmlich im Punkt der
Ausführung.
Nehmen wir die Majolika an. Das Neuralen
nach der beliebten Methode „«okto verinoo", ist
hier nicht gebräuchlich. Es erhöht allerdings die
Farbenfrische, beeinträchtigt indeß die Haltbarkeit
der Majolika. In der Runstschnle des Neapeler
Gewerbemuseums wird keiue andere Majolika her-
gestellt, als die „a Arun knooo", welche zwar theurer
kommt und weit größere technische Schwierigkeiten
mit sich bringt, bei der dafür aber auch eine stärkere
Widerstandsfähigkeit verbürgt ist.
Das Tharakteristische an diesem Museum, das als
ein Musterinstitut gelteu darf, ist, wie Signor Morelli
mir darlegte, erstlich das Bestreben, das nationale
Runstgewerbe zu fördern, indem nur solche Industrien
darin gepflegt werden, die im heimischen Boden
wurzeln; nnd zweitens die wichtige Einrichtung, daß
das Museum nicht von Schule und Werkstatt ge-
trennt ist, sondern alle drei auf das Eugste mit ein-
ander verbunden sind. Es handelt sich bei der Schule
also nicht um einen nur in theoretischen Belehrungen
und schematichen Aufgaben bestehenden Unterricht.
Der Studierende ist hier zugleich Schüler, Künstler
und Kunsthandwerker. Und vor allen: — der Kon
ventionalismus kann nicht gedeihen, weil die Schüler
zwar ganz genau uach der Natur zeichnen lernen, die
Stilisirung der Naturobjekte aber frei nach ihrem
persönlichen Geschmack vornehmen müssen, nicht nach
bestimmten Vorschriften und Regeln. Hierin liegt
meines Erachtens der große Vorzug dieser Schule,
auf deu auch der Reiz absoluter Neuheit der Gebilde
zurückzuführeu ist, die aus deu Ateliers des Museums
hervorgehen. Den Konventionalismus zu verbanueu,
die Schüler zum Selbstsehen, Selbstbeobachten und
Nachdenken anzuhalten ist das einzige Mittel, ihre
Fähigkeiten vollkommen zur Entwicklung zu briugen,
demnach die allein empfehlenswerthe Lehrmethode.
Selbstverständlich werden alle üblichen Kunstindustrien
in dieser Schule gelehrt, wie Bronzeguß-Arbeiten,
Goldschmiedekunst. Kunsttischlerei rc., das Haupt-
augenmerk bleibt jedoch immer ans die Keramik ge-
richtet, diese im Süden, speziell in Neapel, kultivute
Kunst — vielleicht deshalb dort mit solcher Vorliebe
geübt, weil sie in der Sonnenhitze des Sommers eine
kühlende und saubere Beschäftiguug bietet.
Um seine Theorie von der bedeutenden Aus-
dehnnngsfähigkeit der Majolika-Industrie durch ein
praktisches Beispiel zu erläuteru, hat Morelli es unter-
nonnneu, das Museum, dem es an einen: würdigen
Eingang fehlte, mit einer keramischen Fassade zu ver-
sehen. Freilich ist die Verwendung von keramischen
Fliesen in der Architektur uichts Neues, es ist im
Grunde die Wiederaufnahme eines der ältesten Style,
der schon bei den Persern vorzüglich ausgebildet
war, wie an den: berühmten Palast des Darius iu
Susa ersichtlich, von welchen: Prachtbau ein so großer
Theil dank den energischen Förderungsarbeiten des
Paares Dieulafoy anfgefnnden und jetzt in: Louvre
untergebracht ist. Die zeitweilig in Vergessenheit ge-
rathene Kunstgattung ist während der italienischen
Renaissance durch die Della Nobbias wieder' belebt
worden, doch haben jene Künstler nur Ornamente
zum Einfügeu in die Mauern hergestellt. Morelli
greift auf das ältere System zurück, ganze Wände
und Fußböden mit Majolika zu bekleiden. Die so
hergestellten kühlen und reinlichen Flächen eignen sich
vorzüglich für die Innenräume von Sommer-
wohnungen, während sie als Fassaden überall da be-
sonders vortheilhaft sind, wo die Atmosphäre Schmutz
absetzt, es mithin sehr wünschenswerth ist, daß die
Außenseite der Häuser abgewascheu werden kann. Da
hierfür nun hauptsächlich der Norden in Betracht
kommt, wo die Fabrikorte liegen, so galt es vor
Allen:, festzustellen, ob der Majolika nicht etwa durch
Frost Zerstöruug drohe. Morelli hat daher verschie-
deue versuche mit seineu Fliesen gemacht, und er
fand, daß dieselben der Kälte durchaus Staud hielten.
Sie waren allerdings nur eiuer italienischen Kälte
ausgesetzt, und es bleibt abzuwarten, ob sich bei sechs
Monaten scharfer Wintertemperatur das gleich
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gebracht zu haben, steht Neapel in dieser Hinsicht
zurück. Und man sollte doch meinen, diese Stadt be-
säße an ihrer Lage inmitten der strahlenden Farben-
pracht und Naturschönheit des Südens und an der
Fülle malerischer Erscheinungen des dortigen Volks-
lebens gerade günstige Vorbedingungen für die Ent-
faltung eines reichen Runstlebens.
Wenn Neapel sich innerhalb des letzten Viertel-
jahrhunderts künstlerisch einigermaßen hervorgethan
hat, so verdankt es dies faktisch dem Beispiel und
Wirken einer einzigen Persönlichkeit, dem Maler
Domenico Morelli. Und ich frente mich, den alten
Herrn nicht nur rüstig und frisch, sondern auch in
voller Thätigkeit anzutreffen; sowohl selbst schaffend
an Darstellungen der von ihm beliebten biblischen
Sujets, wie auch lehrend und seinen Einstuß aus-
übend in seiner Stellung als Direktor des Gewerbe-
museums, womit ein Privatmann, der Fürst Filangieri,
die Stadt großmüthig bedacht hat. In der letzt-
genannten Thätigkeit hat Morelli seinen Landsmann,
den vortrefflichen Thier- und Landschaftsmaler palizzi
zur Seite, der sich gleich ihm um deu Aufschwung
der neapolitanischen Runst verdient gemacht hat; nur
that Morelli dies daheim, während palizzi seine Wirk-
samkeit in Paris ausübte. Das Gewerbemuseum,
welches zugleich Kunstschule ist, bezweckt speziell, die
iu der Provinz Neapel seit den klassischen Zeiten
heimischen Industrien zu fördern, deren Erzeugnisse,
wie z. B. die Majoliken, in den Häuslichkeiten hier
als Gebrauchsgegenstände Verwendung finden. Es
sind freilich auch in anderen Ländern neuerdings
künstlerische Hausgeräthe eingeführt worden, doch
unterscheiden sich diese Artikel wesentlich von den
neapolitanischen, und zwar vornehmlich im Punkt der
Ausführung.
Nehmen wir die Majolika an. Das Neuralen
nach der beliebten Methode „«okto verinoo", ist
hier nicht gebräuchlich. Es erhöht allerdings die
Farbenfrische, beeinträchtigt indeß die Haltbarkeit
der Majolika. In der Runstschnle des Neapeler
Gewerbemuseums wird keiue andere Majolika her-
gestellt, als die „a Arun knooo", welche zwar theurer
kommt und weit größere technische Schwierigkeiten
mit sich bringt, bei der dafür aber auch eine stärkere
Widerstandsfähigkeit verbürgt ist.
Das Tharakteristische an diesem Museum, das als
ein Musterinstitut gelteu darf, ist, wie Signor Morelli
mir darlegte, erstlich das Bestreben, das nationale
Runstgewerbe zu fördern, indem nur solche Industrien
darin gepflegt werden, die im heimischen Boden
wurzeln; nnd zweitens die wichtige Einrichtung, daß
das Museum nicht von Schule und Werkstatt ge-
trennt ist, sondern alle drei auf das Eugste mit ein-
ander verbunden sind. Es handelt sich bei der Schule
also nicht um einen nur in theoretischen Belehrungen
und schematichen Aufgaben bestehenden Unterricht.
Der Studierende ist hier zugleich Schüler, Künstler
und Kunsthandwerker. Und vor allen: — der Kon
ventionalismus kann nicht gedeihen, weil die Schüler
zwar ganz genau uach der Natur zeichnen lernen, die
Stilisirung der Naturobjekte aber frei nach ihrem
persönlichen Geschmack vornehmen müssen, nicht nach
bestimmten Vorschriften und Regeln. Hierin liegt
meines Erachtens der große Vorzug dieser Schule,
auf deu auch der Reiz absoluter Neuheit der Gebilde
zurückzuführeu ist, die aus deu Ateliers des Museums
hervorgehen. Den Konventionalismus zu verbanueu,
die Schüler zum Selbstsehen, Selbstbeobachten und
Nachdenken anzuhalten ist das einzige Mittel, ihre
Fähigkeiten vollkommen zur Entwicklung zu briugen,
demnach die allein empfehlenswerthe Lehrmethode.
Selbstverständlich werden alle üblichen Kunstindustrien
in dieser Schule gelehrt, wie Bronzeguß-Arbeiten,
Goldschmiedekunst. Kunsttischlerei rc., das Haupt-
augenmerk bleibt jedoch immer ans die Keramik ge-
richtet, diese im Süden, speziell in Neapel, kultivute
Kunst — vielleicht deshalb dort mit solcher Vorliebe
geübt, weil sie in der Sonnenhitze des Sommers eine
kühlende und saubere Beschäftiguug bietet.
Um seine Theorie von der bedeutenden Aus-
dehnnngsfähigkeit der Majolika-Industrie durch ein
praktisches Beispiel zu erläuteru, hat Morelli es unter-
nonnneu, das Museum, dem es an einen: würdigen
Eingang fehlte, mit einer keramischen Fassade zu ver-
sehen. Freilich ist die Verwendung von keramischen
Fliesen in der Architektur uichts Neues, es ist im
Grunde die Wiederaufnahme eines der ältesten Style,
der schon bei den Persern vorzüglich ausgebildet
war, wie an den: berühmten Palast des Darius iu
Susa ersichtlich, von welchen: Prachtbau ein so großer
Theil dank den energischen Förderungsarbeiten des
Paares Dieulafoy anfgefnnden und jetzt in: Louvre
untergebracht ist. Die zeitweilig in Vergessenheit ge-
rathene Kunstgattung ist während der italienischen
Renaissance durch die Della Nobbias wieder' belebt
worden, doch haben jene Künstler nur Ornamente
zum Einfügeu in die Mauern hergestellt. Morelli
greift auf das ältere System zurück, ganze Wände
und Fußböden mit Majolika zu bekleiden. Die so
hergestellten kühlen und reinlichen Flächen eignen sich
vorzüglich für die Innenräume von Sommer-
wohnungen, während sie als Fassaden überall da be-
sonders vortheilhaft sind, wo die Atmosphäre Schmutz
absetzt, es mithin sehr wünschenswerth ist, daß die
Außenseite der Häuser abgewascheu werden kann. Da
hierfür nun hauptsächlich der Norden in Betracht
kommt, wo die Fabrikorte liegen, so galt es vor
Allen:, festzustellen, ob der Majolika nicht etwa durch
Frost Zerstöruug drohe. Morelli hat daher verschie-
deue versuche mit seineu Fliesen gemacht, und er
fand, daß dieselben der Kälte durchaus Staud hielten.
Sie waren allerdings nur eiuer italienischen Kälte
ausgesetzt, und es bleibt abzuwarten, ob sich bei sechs
Monaten scharfer Wintertemperatur das gleich