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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 23
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Kunstchronik
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Nr. 23

Die Kunst-Halle. -

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die kleine Medaille zuerkannt hat. Und wie hier, wird man
auch in mehreren anderen Fällen nicht überzeugt, daß man
der Jury gegenüber Unrecht hat. Um zunächst von den
Ausländern zu sprechen, muß man wieder einmal die Re-
sultate in völliger Verblüffung ansehen I Amerika! Nan
sollte meinen, bei der Uebereinstimmung aller, der Künstler
und der Laien, war die große Medaille für Henri Mel-
chers unzweifelhaft. Aber nein, der trockene Stewart er-
hält sie. In Portugal entdecken wir zu unserm größten
Erstaunen inLolumbano und Reis ein paar erstrangige,
ganz große europäische Künstler. Sie waren durchaus un-
bekannt, wie überhaupt die merkwürdig frische Kunst dieses
Völkchens. Ls war eine Gelegenheit, einmal von Berlin
aus eine Parole auszugeben, etwas Neues zu krönen. Vie
Medaille — die kleine — hat Salgado davongetragen, der
ein überlebensgroßes, reichlich langweiliges Reiterbildniß der
Königin gemalt hat. Nimmt auch schon für das fernste
Ausland der deutsche Künstler höfische Rücksichten?! Das
ist am Ende etwas zu viel des Guten. Auch von den bel-
gischen Bildhauern ist mit fabelhafter Sicherheit der ge-
troffen worden, der die mindeste Bewunderung verdient.
Jef Lambeanx' großes Spektakelstück den epochalen
Werken eines Lagae vorzuziehen, die mit zu dem Besten
des Jahrhunderts gehören, zeugt freilich von eigenartiger
Auffassung, aber nicht in schmeichelhaftem Sinne. Durch
solche Unbegreiflichkeiten wird der an sich schon geringe
Werth der Medaille immer mehr und mehr gedrückt. Aus
Deutschland will ich, um dann zu freundlicheren Vorstellungen
zu eilen, nur eins erwähnen: Frau Sophie Koner hat
für ein farbloses Kinderbild die kleine Medaille erhalten.
Ihr Werk ist ausgezeichnet worden vor den sehr, sehr
vielen, für die aufstrebende Talente ihre Kraft, ihr Blut
und ihr Gut eingesetzt haben. Und da giebt es immer
noch Juroren, die sich aus wirklicher Ueberzeugung über die
steigende Erbitterung beklagen, die den Jungen ungeduldigen
Ehrgeiz vorwerfen. Ja, wer von allen denen, die ausge-
stellt, und von vielen, die nicht ausgestellt haben, hat denn
nach dieser Medaille nkcht ein heiliges Recht ans eine solche?!
Die Zurückgesetzten müssen sich damit trösten, daß Lenbach
in Berlin noch gar keiner, Böcklin, Klinger, Thoma,
Uhde, Liebermanri bisher nur der kleinen Medaille
würdig befunden sind. — Im Gegensatz zu diesen Lin-
wendnngen kann hinwiederum nicht geleugnet werden, daß
viele Verleihungen auf's Freudigste zu begrüßen sind. So
fallen die zwei Theile der Liste auseinander, daß man fast
versucht ist, an ein Abkommen zweier Parteien za glauben,
nach dein Motto etwa: „Krönst Du meinen Maler, krön'
ich Deinen Maler." Der auffallendste Erfolg der Fortschrittler
ist die kleine Medaille, die L. v. Hofmann erhalten hat,
der bisher doch eine Art schwarzer Mann war, mit dessen
bloßem Namen man die alten Herren jagen konnte. Und
der Erfolg ist um so wunderbarer, als niemand von den
vertheidigern, selbst von uns Bewunderern Hofmanns ein
Wort hätte sagen können, wenn man in seinem groß em-
pfundenen Werke die Mängel des Könnens aufgezählt hätte.
Auch die kleine Medaille für Mackensen, den Worps-
weder, gehört hierher: es hat da wohl die große Münchener
mitgeholfen.
* Berlin. In der Internationalen Kunstaus-
stellung hat die spanische Abtheilung neuerdings eine Be-
reicherung durch zwei Landschaften von Jos« Moreno
Garbo n er o erhalten. Die beiden farbenfrischen Schilde-
rungen sind echte FrAluftbilder und bieten prächtige Mo-
tive von der Insel Malaga. — Ls darf als erfreulich be-
zeichnet werden, daß bis zum 28. August im Ganzen
Stv Kunstwerke verkauft wurden. — Im Vorraum der
Gemäldegalerie am Lustgarten sind einige neue Er-
werbungen der Königl. Museen ausgestellt. Mehr
antiquarisches als künstlerisches Interesse hat ein Gemälde
des alten französischen Meisters Jean Foucquet, dessen
Blüthe die Mitte des t5. Jahrhunderts ist. Etienne Lhe-
valier, der Stifter des Bildes, hat sich im Schutze seines
Namensheiligen und Schutzpatrons, des Hl. Stephan, malen
lassen: Der Heilige, im Diakonengewand, den Stein, durch
den er starb, aus dein Meßbuch, hat seinen Arm um den
Hals des Knieenden geschlungen. Die Köpfe sind sehr aus-
drucksvoll, aber Linie und Farbe scharf und grell. Line

Magdalena, die als (p uentin Massys bezeichnet wird, ist
unangenehm süßlich im Ton. Sehr schön dagegen ist ein
Männerporträt von Hans Memling, ungemein fein und
peinlich durchgeführt. Line kleine Landschaft, I. Ruys-
dael genannt, hat gleichfalls viel Schönes. Das Pracht-
stück aber ist eine Porträtskizze eines jüdischen Mannes
aus Rembrandt's bester Zeit. — Anter den Skulpturen
fällt die Holzstatue einer Madonna aus der Schule von
Pisa auf, und eine Nürnberger „Hl. Anna selbdritt", die
gleichfalls aus Holz gefertigt und bemalt ist. Zwei gute
alte Robbia, Reliefs der Madonna mit dem Kinde, und
ein paar plaquetten vervollständigen die Kollektion.
* Berlin. Jur Lichthofe des Kunstgewerbe-
museums ist zur Zeit ein Kunstwerk eigener Art und Be-
stimmung zur Schau gestellt: nämlich vier knieende Figuren,
sog. Sargträger, welche ein Gestell gemeinsam tragen, auf
dein im Dom zu Gnesen demnächst der Silbersarg des Hl.
Adalbert ruhen soll. Dieser Sarg im Mittelschiff jenes
Domes verhüllte bisher den Blick nach dem Hochaltar. Der
neue Sarguntersatz, dem Prof. A. Rincklake's Entwurf zu
Grunde liegt, wird einen Durchblick gestatten. Die Idee
dieses sonderbaren Postamentes findet sich übrigens urbild-
lich in dem aus dem Anfang des sechszehnten Jahrhunderts
stammenden Grabmal des Grafen Engelbert II. von Nassau
in der gothischen Liebfranenkirche zu Breda; dort sind es
vier durch antike Helden personifizicte Feldherrntugenden,
die als Träger einer Tafel angeordnet sind, Bildwerke eines
Italieners Tomaso da Bologna. Hier hat der Bildhauer
w. Marcinkowsky vier Repräsentanten der Stände, des
Priester-, Ritter-, Bürger- und Bauernstandes geschaffen.
Es sind durchweg polnische Typen von gelungener Lharakte-
ristik. Die Tafel der Träger ist mit rother Seide und ge-
häkelten Silberdraht-Grnamenten kunstvoll bekleidet. — Vom
Märkischen provinzial-Mnfeum erfahren wir, daß
nunmehr die Entwürfe des Neubaues unter den Händen
des genialen Stadtbauraths Hoffmann eine feste Gestalt an-
zunehmen beginnen. Hoffen wir, daß die Vorarbeiten zu
dem schönen Werke einen rüstigen Fortgang nehmen. Der
Bestand des Museums belief sich bis zum s;. März ;8A6
auf 76 2^ Nummern. Zur Frage des Museum-Neu-
baues geht dem „Lentralbl. d. Bauv." noch folgende Zu-
schrift zu: wie verlautet, scheiterte die Ausführung des
Möller'schen Planes an dem Widerstande der Museums-
verwaltung; denn diese wußte nicht, was sie mit den vielen
Räumen des Hauses anfangen sollte, die sie mit ihren
wenig umfangreichen Sammlungen nicht entsprechend aus-
zufüllen im Stande war. Das Bedauern, daß somit der
Stadt Berlin ein hervorragender Monumentalbau verloren
gehe, kann der Verfasser dieser Zeilen nicht theilen, da die
Zweckmäßigkeit doch das erste Erfordernis; jedes Bauwerkes
fein dürfte. Da nun aber die Neubearbeitung eines Ent-
wurfs für das Museum über kurz oder lang zu erwarten
steht, so wird es erlaubt sein, über die Gestaltung eines
derartigen Bauwerks einige Wünsche vorzubringen, die mit
den bisher zur Geltung gelangten Ansichten in Widerspruch
stehen. Das Wort „Märkisches Museum" hat auf fast alle
Architekten, die sich seinerzeit an dein Wettbewerb für den
Bau betheiligt haben, stark eingewirkt, es sind vorwiegend
Entwürfe in märkischem Backsteinbau gefertigt worden. Da
darf man zunächst die Frage aufwerfen, ob der Inhalt des
Museums einer derartigen äußeren Form entsprechen würde.
Doch wohl nur zum Theil, dürfte die Antwort lauten, denn
das Museum enthält Gegenstände der verschiedensten Iahr-
hnnderte, sehr viele z. B. aus dein und ^8-, in denen der
märkische Backsteinbau nicht mehr blühte. Man wird er-
widern, der Einheitlichkeit halber und weil die charakteristische
Bauweise der Mark der Backsteinbau sei, könne nur dieser
zugelassen werden, beispielsweise sei die Kunst der frideri-
eianischen Zeit doch gewiß viel weniger passend und be-
zeichnend. Aber muß denn das Bauwerk einen einheitlichen
Stil haben, kann es nicht viel besser als eine interessante
Baugruppe etwa mit einem Haupttheile in gothischem Back-
steinbau, einem Anbau in deutscher Renaissance, einem
fridericianischen Pavillon gebildet werden? In dem Sinne
also, wie z. B- G. Seidl und Hauberisser in ihren ans dem
bekannten Wettbewerb um das Münchner Nationalmuseum
hervorgegangenen Entwürfen ihre Aufgabe aufgefaßt und
 
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