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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 9
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Semper, Hans: Gypsmuseen neuerer Plastik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0155

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Nr. 9

Die Kuust-Halle. g-—<-

eiuzelt erhalten sind, betrachtet und studirt, mn eine
entsprechende werthschätzung auch deu guten Modellen
moderner Künstler angedeihen zu lassen.
Zum Schluß möchte ich ineiner im vorigen be-
gründeten Neberzeugung Ausdruck gebeu, daß die
Grüuduug großartiger Gypsmuseen in der Art des
L^clsuüum pulues oder des Trocadero, in welchen
die gesammte Geschichte der Skulptur wenigstens
eines Volkes, womöglich aber der ganzen Menschheit,
in mustergiltigen und charakteristischen Beispielen in
Gypsabguß vorgesührt wird, in allen jenen Haupt-
städten, wo solche Museen noch fehlen oder nur
mangelhaft eingerichtet sind, eine Frage der nächsten
Zeit sein werde und sein müsse. Zn diesen Museen
werden fast selbstverständlicher Weise auch einige
Säle für die Skulptur der Gegenwart eingeräumt
werden müssen, wofern es nicht vorgezogen wird,
besonders dort, wo schon Gvpssammlungen für die
älteren Epochen der Skulptur vorhanden sind, eigene
Anbauten oder selbstständige Museen für
Gypsmodelle der Gegenwart zu errichten. Za
selbst in zahlreichen Provinzialstädten würde die
Gründung von Gypsmuseen ähnlicher, wenn auch
beschränkterer Art ein leicht zu bestreiteudes und sehr
nützliches Unternehmen sein, welches mehr Anregung
und Belehrung verspräche, als so manche Winkel-
museen mit planlos aufgestapelten und schlecht ge-
ordneten, zum Theil werthlosen Kuriositäten und Ge-
rümpel, zweifelhaften Bildern, Kopieen rc. Ein gut
angelegtes, wenn auch nur bescheidenes Gypsmuseum
könnte den Bürgern einer Provinzialstadt Kunstgenüsse
und Studienmittel verschaffen, die sonst nur Einzelne
auf weiten und kostspieligen Reisen vorübergehend
und sporadisch, die Mehrzahl gar nie, oder höchstens
aus Bücheru und Zllustrationen in sehr mangelhafter
Weise sich verschaffen können. Durch solche Museen,
wenn sie in ähnlicher Weise wie Konzerthäuser,
Theater, Bürgerkasinos rc., für welche selten das
Geld fehlt, mit einer gewissen Eleganz ausgestattet,
uicht in alten düstern und von Außen unansehnlichen
Gebäuden untergebracht würden, könnte der echte
Kunstsinn auch iu der Provinz wesentlich gefördert
und verbreitet werden.
Aber auch in manchen öffentlichen Lokalen der
oben genannten Art könnten, wo es au Mitteln für
Skulpturen in Marmor und Bronce fehlt, Gyps-
statuen recht passende Verwendung finden und zwar
nicht bloß Abgüsse nach Antiken und anderen schon
ausgeführten älteren Werken, sondern auch Original-
modelle moderner Künstler.
Gegen eine so ausgiebige Verweudung und
Popularisirung der Skulptur durch Gipsabgüsse und
Gipsmodelle, wie ich sie in diesen Zeilen befürworte,
könnten nun aber die ästhetisch nicht ganz befriedigen-
den Eigenschaften des Gipses vorgebracht werden,
welche ich selbst im vorigen Aufsatz rügeud erwähnte.
Allein auch dieseu Mängeln läßt sich mit

den heutigen technischen Mitteln fast völlig ab-
helfen. wenn auch die Versuche eiuer poly-
chromirung uach alten Vorbildern im Oystul-
puluos zu Sydenham nicht durchwegs befriedigen; so
würde für Gipsabgüsse von solchen alten Monumenten,
an denen die polychromie sich noch sicher, auch in
Bezug auf die Abtönung der einzelnen Farben,
nachweisen läßt, entschieden ebenfalls eine entsprechende
polychromirung zu empfehlen sein, welche bei dein
heutigen Tages so fortgeschrittenen feineren Farben-
sinn der Künstler gewiß befriedigend ausfallen würde.
Wo aber, wie bei Abgüssen von einfarbigen
Skulpturen der Renaissance und der neueren und
neuesten Zeit, von einer polychromirung abgesehen
werden müßte, da ließe sich durch andere Mittel ab-
helfen. Man versteht es heutigen Tages, den Gyps
so mannigfaltig abzutönen und zu färben, sei es
im flüssigen Zustande, sei es durch Beizen, Einlassen
oder Uebermalen, daß sowohl die schönste Bronce-
patina, wie der gelbliche Ton des Elfenbeins und
des gebeizten Marmors mancher Renaissance-Skulp-
turen fast bis zur Täuschung und jedenfalls so gut
nachgeahmt werden kann, daß die kreidige Natur-
farbe des Gypses darunter völlig verschwindet und
an ihre Stelle ein angenehmerer Ton tritt.*) Daß
auch polirter Marmor in Gyps nachgeahmt werden
kann, zeigt uns ja zur Genüge der Stuckmarmor,
der in der architektonischen Dekoration mit Recht eine
so große Nolle spielt und gern als Ersatz echten
Marmors, selbst bei den monumentalsten Bauten,
angenommen wird, um die riesigeu Kosten des
letzteren zu vermeiden. Zn demselben Umfang könnte
aber auch die Gypsstatue als Ersatz von marmornen
oder bronzenen verwendet werden, vor Allen: aber
um vollstäudige Museen der Skulptur zu schaffen,
welche sich auf anderem Wege kaum erreichen lassen.
Nachschrift der Redaktion.
Die Anregungen, die unser geschätzter Herr Mit-
arbeiter Prof. Vr. Hans Semper in ebenso scharf-
sinniger wie erschöpfender Darstellung giebt, er-
scheinen uns so wichtig (ganz abgesehen von den
ästhetischen Znteressen des Publikums) für das Wohl
und Wehe unserer lebenden, besonders der jungen
Bildhauer, daß wir uicht umhin können, auch eiue
zweite Autorität zu Guusten dieser Sache zu neunen.
Kein Geringerer als Herman Grimm, mit dem
der Herausgeber dieser Zeitschrift kürzlich eine von
deu Semper'schen Ausführungen unabhängige Unter-
haltung gehabt hat, gab seine lebhafte Theilnahme
für die Gründung eines Gypsmuseums der
*) Die technischen Verfahren, welche bei der Tönung
und Färbung des Gypses angewendet werden, hier ans-
einanderzusetzen, ist nicht meine Sache und verbietet auch
der Raum. Ebensowenig sollen hier Firmen genannt wer-
den, die sich durch Leistungen dieser Art Hervorthun, da ich
nicht für sie Reklame machen, sondern nur im Znteresse der
Sache, sowie, der Künstler und des Publikums schreibe.
 
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