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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 4
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Der Nachfolger Jordan's
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Nr. 4

Namen von Bewerbern genannt werden, deutlicher
als je, daß in Berlin eine wohlorganisirte Kunst-
partei arbeitet, die noch mächtiger ist, als der vor-
tragende Nath in Kunstangelegenheiten, die es so-
gar vermag, die bevorzugte Stellung eines Direktors
der Nationalgalerie planmäßig zu untergraben.
Der größte Erfolg dieser heimlichen Partei ist
aber ihr Einfluß auf einen Theil der Berliner
Tagespresse. Jede ihrer Meinungen, H>ersonal-
empfehlungen, Unternehmungen findet sofort die
wirksamste Verbreitung und Unterstützung. Ein
vertraulicher Wink von Seiten eines der jDartei-
bonzen — und der Name eines Gegners, der sich
sonst bemerkbar zu machen wüßte, der Name einer-
neuen Zeitschrift, die nicht von der Gnade jener
Klique zu leben wünscht, wird von den gefügigen
Redaktionen hartnäckig todtgeschwiegen. Das ist
eine so bequeme Sache und ungefährlicher jedenfalls,
als das Gift übler Nachrede, das zu leicht von
dein Schilde des unschuldig Getroffenen auf den
Uebelthäter zurückspritzt . . .
Raum daß Iordan fort war, las man zuerst
in den Spalten gewisser Blätter die Namen —
Ulörmann, Lichtwark und Muther. Und im
Ehorus erschallten diese Namen alsbald im ganzen
deutschen jDressewald, nicht etwa als die Kandidaten
jener Partei, die der Erfüllung ihrer brünstigen
Wünsche mit Hochdruck vorarbeitete, sondern, als
wenn es sich hier um eine mindestens halb offizielle
Kundgebung handelte . . . Was allein Professor
Wörmann in Dresden betrifft, so erschien seine
Kandidatur durchaus glaubhaft. Der Hamburger
H>atriziersproß steht als Kunstgelehrter und Museums-
beamter hochgeschätzt da, und auch Dank der Un-
antastbarkeit seines Wirkens und Lebens hätte seine
Wahl in der That nichts mit dem Siege einer
Partei zu thun. Seine Erhebung auf den un-
besetzten Kosten würde vielmehr ein Glück für
Berlin, ein Gewinn für die deutsche Kunst be-
deuten. Wörmann würde ohne Frage eine Zierde
als Direktor unserer Nationalgalerie sein.
R. Muther und A. Lichtwark sind, trotz
ihrer unbestreitbaren litterarischen Erfolge, durchaus
H>arteigrößen. Muther's dreibändige Malerei-
geschichte hat Jemand ein geniales aber freches
Werk genannt. Frech, nicht etwa wegen gewisser
umstürzlerischen Tendenzen, sondern weil der Ver-
fasser die Iournallitteratur dreier Völker in einem

Umfang — benutzt hat, wie das bisher nicht zu
den Gepflogenheiten eines Forschers gehörte. Aber
grade weil er die Herren Journalisten wissenschaft-
lich gleichfam salonfähig machte, entstand der fabel-
hafte Iournalerfolg feines Werkes. Befriedigte Eitel-
keit ist ja stets geneigt, dankend zu quittiren. Wie
sehr mußten sich wohl die unverwöhnten Herren ge-
schmeichelt fühlen, daß der Herr HRivatdozent in
München ihre geistreichelnden Beschreibungen aus
tausend Feuilletons emsig gesammelt und mosaik-
artig aneinandergereiht hatte. Vom Standpunkt
ihrer litterarischen Moral war es auch nicht grade
schlimm, wenn er z. B. einen für die rothen Haare
einer schönen Frau bestimmten jDanegyrikus etwa
auf eine Landschaft, oder umgekehrt, übertrug.
Wer seiner Zeit in München herumhorchte,
wird dort manchmal wenig Schmeichelhaftes über
die Entstehung des Muther'schen Werkes gehört
haben. Dort, wo man die jungen Künstler kennt,
die ihre Ideen und Ideechen dem schnellfertigen
Kunstfchreiber suggerirten, konnte natürlich die ge-
schickt mit eigen zubereiteter novellistischer Sauce
übergossene Zusammenstellung fremder und persön-
licher Anschauungen nicht sehr imponiren. Dort
nahm man in gewissen Kreisen die Sache auch gar
nicht so schrecklich ernst wie auswärts und begnügte
sich statt dessen, mancher eben erschienenen Lieferung
der Malereigeschichte eine Heiterkeitsaufnahme zu
bereiten, gleich herzhaft wie der allerneuesten
Nummer der „Fliegenden Blätter". Wußte man
doch schon im Voraus, welche von den braven
Münchener Genossen fünften oder sechsten Ranges
citirt werden würden. Nicht zu vergessen das reine
Vergnügen der Schadenfreude, die man darüber
empfand, daß nahezu Alles, was in Berlin den
jAnsel führte, herzlich schlecht in den Büchern fort-
kam — Menzel und Liebermann ausgenommen.
Am meisten freute dort das Endurtheil des
kühnen Autors: daß Berlin „nicht der Boden sei,
wo sich ein Maler bilden, kaum der Boden, wo
ein fertiger Maler sich auf seiner Höhe erhalten
kann." . . Armes und doch so begehrenswerthes
Berlin! Wenn solch ein Kunstnovellist auch den
fremden Meistern gegenüber jedwede Toleranz für-
berechtigt hält, nach dein rühmenswerthen Grund-
satz: man solle jeden Künstler begreifen lernen,
dürfe von ihm niemals etwas fordern, sondern
müsse bescheiden zuschauen, was und wie er schaffe
 
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