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Die Kunst-Halle — 1.1895/​1896

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Nr. 21
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Berger, Rud.: Die Kunst auf der bayerischen Landesausstellung in Nürnberg
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Wirth, Albert: Maltechnisches
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https://doi.org/10.11588/diglit.62512#0373

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Nr. 2 s

Die Kunst-Halle.

325

klarer, wenn nran jene Gipsstatuette von Alois Stehle
dagegen hält, eine „pierrette", die den Zettel „ver-
kauft und kann sofort nachgeliefert werden" trägt,
just wie bei jeuen Holzgestellen vou Equipagen in der
großen Zndustriehalle nebenan. Ferner stehen Seiler's
„Bogenschütze", Gasteiger's „ErsterMensch", H.Hahn's
„Fischer" (die Ausführung dieses Entwurfes steht an
dem östlichen Brückenkopf der zwischen Frauenhofer-
und Maximilians-Straße stehenden Brücke in München),
Hugo Kaufmann's Porträtbüste des „Geigers", mit
im Vordergründe. Eine geistvoll erfaßte, von aller
Konvention sich fernhaltende Büste Beethoven's ist
von Fritz Zadow eingesandt worden; auch die Werke
vou Z. Götz, Waders, Schönau, pb. Kittler, gehäreu
zu den besseren Werken. Allegorien und dekorative
Stücke sind durch die übrige Ausstellung zerstreut.
Ebenso erging es den graphischen Kunstprodukten,
von ihnen ist nur eiu verschwiudeuder Theil (zur
Komplettirung mehr) in die Kunsthalle gekommen,
während ein großer Theil in separaten Ausstellungen
in der Zndustriehalle zur Ansicht aufliegt. Zn der
Kunsthalle begegnen wir, wie bereits erwähnt, den
Lithographien Hans Thomas. Neben ihm sind Max
Dasio, Ludwig Kühn, Welti, Meyer-Basel durch Ra-
dirungeu vertreteu. Sie uud die Uebrigen zeigen,
welchen Aufschwung die graphischen Künste auch iu
Bayern in jüngster Zeit genommen haben. Freilich
fehlt noch theilweise das malerische Raffinement der
Llitestücke des Auslandes. Doch wenn nicht alles
trügt, wird sich, nach heutigen Leistungen zu urtheilen,
die heimische Nadiruadel mit der des Auslandes in ab-
sehbarer Zeit messen können. Und mit dieser Be-
friedigung verlassen wir die Kunsthalle, deren Aus-
stellung wir allerdings als eine großartigere Mani-
festation der bayerischen Kunst erhofft hatten.

Maltechnisches.
von Albert Wirth, Berlin.

§^ast in jeder Gemälde-Gallerie findet man Bilder, welche
durch zahllose Risse mehr oder weniger geschädigt
sind, besonders aus neuerer Zeit, viel ist schon darüber ge-
sprochen und geschrieben worden. Nachforschungen wurden
angestellt über die Malweise, Farben uud Firnisse, Grun-
dirungen und sonstiges Material der Alten, der Meister des
t^. und t6. Jahrhunderts bis auf unsere Zeit. Line unbe-
streitbare Thatsache ist es, daß der Künstler unserer Zeit
keine Fühlung mehr mit dem Handwerk hat und in Folge
dessen technisch unerfahrener ist, als die früheren Maler,
welche als Lehrlinge anfangen mußten und dadurch mit dem
selbst zubereiteten Material vertraut wurden.
Heutzutage werden die Farben hübsch säuberlich in

Staniol in den Handel gebracht und sehr bezeichnend singt
Wilhelm Busch in seinem Maler Kleckse!:
„Doch größeren Ruhm wird der verdienen,
Der Farben kauft und — malt mit ihnen."
Die Schattenseiten haben sich gezeigt und man ist bestrebt,
der Sache auf den Grund zu gehen, wenn man aber ge-
recht sein will, so darf man die Schuld nicht auf das Material
allein schieben. Sondern man muß vor allem bei dem
Malen acht geben, bei dem „wie" I — und diesem wollen
wir etwas näher treten.
Durch die Lhemie ist inan jetzt im Stande, gutes und
schlechtes Material zu unterscheiden, allein selbst mit den
chemisch reinsten Farben, mit dem besten Gel auf dem vor-
züglichsten Untergrund und mit dem vortrefflichsten Firniß kann
man ein Gemälde Herstellen, das auseinander reißt — und
zwar durch unrichtige Malweise respektive durch unzeitige
Anwendung des Materials.
Diesen Sünden liegt eine Unkenntniß oder Zgnorirung
der Gesetze des Farbenauftrags und des Trockenprozesses
zu Grunde, wo können wir diese finden? — Da — wo
sie nie verloren gegangen sind, beim Handwerk, wenn
auch das Material, das der Künstler verwendet, anders
geartet, feiner ist und größere Ansprüche an dasselbe ge-
macht werden, so bleiben im Grunde genommen die Ur-
sachen und Wirkungen bei Farbe, Gel und Firniß dieselben
und nur soweit haben wir mit denselben zu thun. Selbst
der schönste Palast steht auf einfachen Grundmauern und
kann nicht oben bei dem Dache angefangen werden, sondern
muß von unten nach oben gebaut werden.
Man besehe sich z. B. eine schöne Kutsche mit einem
auf dem wagenfchlag gemalten Wappen, wie schön die
Farben leuchten, wie bei einem alten Bilde, wie fest, wie
dauerhaft die Farben — die Farben stehen gegen wind
und Wetter — inan staunt darüber. Man betrachte ferner
bemalte Thüren in Schlössern und Villen, die jeden Tag
abgescheuert werden. Risse sind höchst selten zu sehen; eine
gut lackirte Kutsche ist gar nicht umzubringen, wenn nicht
das Holz zerstört wird. Dabei wird sie täglich auf's stärkste
mitgenommen.
Keinem Lackirer oder Dekorations-Maler aber wird es
einfallen, seinen etwa 3- bis 6 mal zu wiederholenden Farben-
auftrag mit einem Male fertig stellen zu wollen, weil er
schon als Lehrling weiß, daß jede Farbschicht vollständig
trocken sein muß, ehe eine weitere darauf kommt. Nie-
mals wird der Lackirer oder Maler einen Lacküberzug an-
wenden und darauf wieder mit Farbe gehen, sondern der
stehen bleibende Lack wird das letzte sein und darf höchstens
wieder mit Lack überzogen sein, aber selbst da wird die
untenstehende Lackschicht abgezogen, d. h. matt gemacht.
Der Künstler ohne Erfahrung aber manscht und salbt
die Farbe dick auf- und ineinander auf einmal — ohne
die Farbe zu vertheilen, zu verstreichen, geht sofort, ohne
zu untersuchen, wie weit die Farbe trocken ist, andern Tages
in gleicher Weise darüber und holt natürlich die einge-
schlagene Farbe (möglichst noch halbtrocken) mit Malbutter
und sonstigem meist Lack enthaltenden Retouchirfirniß her-
aus, wiederholt dieses gefährliche Verfahren so rasch und
so oft wie möglich — verwendet in der Tiefe ohnehin noch
nie hart trocknende Lackfarben wie Asphalt u. s. w. — so
muß ein Bild reißen! Gder — er firnißt das Bild, auf
das so viele Farbschichten unverstrichen schnell aufeinander
 
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