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Erſcheint täglid, Somn= und FeiertagS ausgendmmen.
Samitags mit UnterhHaltungzbeilage. Preis viertelfährlich
M, 1.20 ohne Trägerlohu u Poitauffchlag, Beftelungen
bei den Boftanftalten u. bei ber Expedition Plöcjtraße 103.
Anzıeige-Blatf für ſämmtliche Bezirke
des habd, Unterlandes, Lreis pro 1 ipalt. Betite
zeile 10 Pfag., hei Wiederholungen Rabatt.
Inſeratẽ finden die weitẽſte Verbreitung.
Nr. I5.
* Eneyklien des hl. Laters
über die vornehmſten Pflichten der
Katholiken als Bürger.
Allen ehrwürdigen Bruͤdern. Patriarchen, Prr
maten, Erzbiſchöfen und Biſchöfen des katholiſchen
Srdfreifes, weiche mit dem Apoſtoliſchen Stuhle in
freundlicher Verbindung ſtehen,
Papſt Leo XIII.
Ehrwürdige Brüder,
Gtuß und Apoſtoliſchen Segen!
Nückehr zu den Satzungen des Chriſtenthums
und Umgeftaltung der Lebensweiſe, Sitten unDd Ein⸗
richtungen der Voͤlker nach ſeinen heiligen Vorſchriften
£hut Koth; und täglich macht ſich diefe Nothwendig⸗
feit immer gebieteriſcher geltend. Mehr und mehr
hat man ſich vom Chriſtenthum entfernt: und um ſo
gewaltiger ſchwoll die Hochfluth der Nebel, die uns
hedrängt, ſo zwar, daß alle Wohlgeſinnten mur mit
Gegenwart denken und mit Zittern in
Bangen der
die Zukunft ſchauen.
Zwar hat unſere Zeit nicht geringe Fortſchritte
auf dem Gebiete der matertellen und ſinnfälligen
Süter gemacht; aber Sinufaͤlliges, phyſiſche Macht
und irdiſcher Reichthum vermögen, wenn ſte auch wohl
das Leben hienieden bequem und angenehm geſtalten,
doch des Menſchen Geiſt, der nach höheren und herr—
licheren Gütern verlangt, keineswegs zu ſättigen Auf
Gott muß unſer Auge gerichtet jein, guf Ihn all
unfer Traͤchten: das iſt unſer oberſtes Geſetz und der
Zweck unferes Daſeins. Nach dem Gleichniß und
Bilde Goͤlles ſind wir ja gefchaffen, und zu Gott
fuͤhlt ſich ſchon von Naͤtur unſer innerites Weſen
mächtig hingezogen. Nun aber ſind es nicht etwa
förperlie Schritte, welche uns Gott näher bringen.
S3 ift einzig das Streben der Seele durch Denfken
und Lieben: Goͤlt iſt ja die exſte und erhabenſte
Wahrheit, und der Geiſt nur erkennt die Wahrheit;
GSott ift auch die erhabenſte Heiligkeit und der In;
aller Guͤter, und der Wille allein kann ſolches
eſitzen.
Dies gilt von den einzelnen Menſchen; dies gilt
aber auch von der menſchlichen Geſellſchaft, von der
Tamilie und nicht weniger auch vom Staate. Deun
nicht ſich felber iſt ja-die Geſellſchaft Zweck und End⸗
ziel, und nicht iſt der Menſch da wegen der Geſell⸗
ſchaft, jondern das iſt der Zweck einez jeden gefell-
ſchaftlichen Verbandes, daß er den Einzelnen dazu
behuͤlftich fet, das ihuen von Gott geſteckte Ziel zu
erreichen. Eine bürgerliche Geſellſchaft alfo, welche
wohl darauf bedacht wäre, irdiſches Wohlſein und,
waͤs das Leben ſchön und annehmlich machen kann,
* ſchaffen, dabei aber in der Verwaltung und allen
öffentl
Schön Elschen.
Novelle von H. A. Banning.
Aus dem Holtändiſchen überſetzt von S, v, Heemſtede.
Fortſetzung.
Conrad erbleichte und biß ſich auf die Lippen. Sr hatte
große Luft, dem ſchwarzen Gefellen die Kanne an den Kopf zu
werfen. Aber war e& nicht wahr, was dieler fagte ? Hakte er
nicht gerade deshalb Sischen verlaffen, mit dem Vorſatz ſie nie
wieder zu jehHen? Uın feine Verlegenheit, foviel al möglich,
zu berbergen / leerte er ſein Glas bis auf den Grund.
„Du {Heinjt heut Abend den Nörgeler madhen zU wollen,
Ebert und daz verbitten wir uns Hier ]“ bemerkte Govert, der
jehr gut jah, maz. in GConrab vorging, ohne Genaueres zU
wiffen, „Sischen Rynders iſt ein Mädchen, von welchem nichts
Böjes gejagt werden kann, und wenn ein alberner Student
Dummbeiten macht, ift fie dafür nicht veranttworilid; boch ges
rade deshalb wird e& hHohe Zeit, daß Wwir einmal mit dieſen
— —— Komm, Conrad!“ fuhr er fort, Jein Glas
erhebend, „mir wollen auf das Wohl de8 Vaterlandes trinken,
daß es baid befreit ſein möge von dem Gelichter, das zu ſtolz
ijt, einen ehrfamen Bürger zu grüßen, doch herablaſſend genug,
mit allerlei {Hören Worten. die Köpfe feiner Töchter zU vers
drehen. Fort mit den Junkern !“
Zorl mit den SJunkern!“ flang e& am ganzen Tiſch
4 Conrad ſtieß ſchweigend mit Govert an und leerte ſein
as
Wir haben lange genug unter der Fuchtel dieſes Sefine
dels gefeufzt“, fagte einer der Gejellen, und werden ſie nun
44 auf den Leiſten ſchlagen, daß ihuen die Augen über—
u.“
f „Nur keine Gewalt!“. fagte Govert, „hr feht, daß Alles
N von felbjt macht. Wo die Freiheit3jonnue aufgeht, da vers
}fi)lmmber} die adeligen Nachteulen. So viel iſt aber ficher, daß
‘;n d)é@@mge nicht wieder vorkommen werden, wie ich fie. vor
zwei Sahren im Haag erlebt habe,“ .
„Was iſt denn da paflirt 2“ fragten Einige.
Heidelberg, Sonntag, 19. Januar 1890.
ihrer Beſtimmung nicht
fichtigte, würde ganz gewiß
auch nur dem aͤußeren
gerecht werden, und wäre
Scheine, nicht aber der Wirklichkeit nach und in
Wahrheit ein zu Recht beſtehender geſellſchaftlicher
Verband.
Nın aber iſt e& offenkundig, daß die höhexen
Geiſtesgüter, von denen Wir geſprochen, und die ohne
die Pflege der Religion und ſtetige Beobachtung der
Hhrifltichen Gebote nicht erworben werden können,
yon Tag zu Tag der Mißachtung und Geringſchätz⸗
ung der Menſchen mehr anheimfallen, und das in
dem Maße, daß, je größer der Fortfchritt auf den
GSebieten des materiellen Lebens iſt, um ſo größer
auch der Ruͤckgang und Verfall auf dem Gebiete
jener höheren Güter zu ſein ſcheint. Einen ganz be—
jonderS keunzeichnenden Beweis hierfir erblicken Wir
in den mandfachen Unbilden und Schmähnngen. mit
welchen gerabe in unſeren Tagen häuftg ganz öffent—
lich und offenkundig alles überſchirtet wird, was
kalholiſch ift, Unbilden und Schmähungen, wie ſte
frühere, vom Geiſte der chriſtlichen Religion durch⸗
wehte Zeiten nicht kannten und auch nicht geduldet
haben würden.
Das Seelenheil gar Vieler ſteht Hierdurch in
außerfter Gefahr; aber auch die Staaten und Reiche
find dadurch bedroht und können dabei nicht unver⸗
ſehrt bleiben; dern wo die Sitten und Einrichtungen
üicht mehr chriſtlich ſind, da wanken alle Grundlagen
jeglicher meriſchlichen Ordnung! Zur Wahrung und
zum Schutze der öffentlichen Ordnung und des Frie⸗
dens der Geſellſchaft bleibt da nur die rohe Gewalt
übrig. Aber, wer weiß nicht, wie ohnmächtig dieſe
iſt, wenn die Religion ihr nicht ihren Beiſtand ver⸗
leiht, wie ſie wohl geeignet iſt, Kuechtsſinn zu er
zeugen, nicht aber freuͤdigen Gehorſam, und wie fie in
ſich ſeibſt die Keuüe der ſchlimmſten. Umwalzungen
birat? Gar Trauriges hat unſer Jahrhundert in
diejer Hinficht erfahren, und wir wiffen nicht, ob
un8 nicht nöch Schlimmeres bevorſteht.
Unfere Pflicht ift es alfo — die Zeitverhältniſſe
ſelbſt fordern es auf das entfchiedenfte — die Heil-
mittel' zu ſuchen, wo ſie ſind. ©3 ſind: Anſchau⸗
ungen, wie ſie den Lehren des Chriſtenthuns ent⸗
ſprechen, und ein Leben, wie es den Vorſchriften des
Chriftenthumg eutſpricht, für die Einzelnen und für
die Gefammtheit. Das allein kann uns helfen, in
den Mebeln, welche uns bedraͤngen, und das allein
laͤnn un8 ſchuͤtzen gegen die Gefahren, welche unz be⸗
yorftehen. ir aber, Ehrwürdige Brüder, dürfen
unſerfeits nichts ungeſchehen und nichts unverſucht
laffen, was geeignet iſt, jene chriſtliche Geſinnung im
Denken und Haͤndeln der Völker wiederherzuſtellen.
Schon bei anderen Gelegenheiten haben Wir öfters
hierauf aufmerkſam gemacht;
Gleich werde ich es erzählen,“ fuhr Govert fort, obſchon
es nicht gerade zur Srheiterung dienen kanı Aher ich muß
erft noch eine Kanne Braunbier haben, und auch für unſern
Freund Conrad“, ſetzte er hHinzu, indem er deſſen Kanne dem
MWirth reichte, „denm ich glaube, daß der letzte Tropfen ausge—
laufen iſt.
Die Srregung, die Alle ergriffen hatte, ſchien auch Sonrad
angeftect zu haben, denn er ließ ſich das Füllen ſeiner Kanne
ruhig gefallen, was er unter andern Umſtänden wahrſcheinlich
nicht gethan haben würde.
„Shr wißt! ſo begann Gpvert dann, „daß ich im Haag
eine Tante habe, die marı drin ſitzt; Gott möge ſie noch
lauge erhalten, denn fie iſt eine brave Frau und war mir im⸗
mer ſehr gut. Da ich einmal ein huͤbſches Sümnchen von ihr
zu erben hoffe, mache ich ihr auch jedes Jahr regelmäßig einen
Befuch, Sie hat nüch früher auf Ddie lateiniſche Schule ge-
ſchickt! weil ſie Hoffte, einen Geiſtlichen aus mir zu madchen,
aber damit wollte e& nicht gehen. Später jollte ich mir in
MAmfterdam eine Stelle fuchen, aber das ging eben ſo wenig.
Ich hatte int Haag ſchon früher einen gewiſſen Meiſter Harm-
jen fennen gelernt, einen tüchtigen Schujter/ der, eben wie hier
Bater Khnders jein Brod großentheulS beim Adel fand, Er
hHatte eine Tochter, die ſich wohl ſehen laſſen durfte. Ich für
meinen Thell Hätte fie wohl etiwas bleich und mager gefunden,
aber die8 {cheinen einige Wenſchen und befonders die vorneh-
men Leute fchön zu {inden. Ich darf aber Jagen, Ddaß fie ein
Füßhen hHatte fo Mein, daß in ganz Utrecht kein Leiſten zu
finden märe, um für fie einen Schuh zu machen,“
„Und Elzchen Rynders danı $“ fragte Evert, in ſeiner
Weiſe ſcherzend.
„Darauf will ich die Antwort nur ſchuldis bleiben“, er-
widerte Govert, „denn fonft käme ich vielleicht bei Conrad
ſchlecht an und das Füßchen hat auch eigentlich dabei gqar nichts
zuw thum Kun hHatte einer jener Goldkäfer, die da im Haag
Herumfliegen, fich Dinge in den Kopf gefebt, die nicht taugten.
Sr glaubte, daß e8 ihır geftattet jet, ihr allerlei Sottiſen ſa—
gen zu Ddürfen, weil ihr Bater feine adeligen Stiefel maden
Dautrfte, - Harmfjen hatie dem Iunker ſchon Hfters zu Veritehen
V gegeben, daß ihın das nicht gefiele, Denn er hatte ſein Kind in
25, Jahrgang.
nuͤtzlich, im gegenwärtigen Rundſchreiben noch aus⸗
fuͤhrlicher dabon zu handeln, indem wir UnZ ein-
gehender über die Pflichten verbreiten, welche die Zeit
berhältniſſe den Katholiken auferlegen. Wir ſind
nämlich überzeugt, daß nicht mehr dem Gemeinwohle
der Bölfer zum Segen gereiche, als gerade die treue
Erfüllung jener Pflichten. Alles, auch die wichtig—
ſten und heiligſten Augelegenheiten ſcheinen gegen—
wärtig in Frage zu ſtehen; und gar leicht iſt es/ in
dem einen bder anderen Punkte dem Irrthum oder
dem Zweifel anheimzufallen. Unſere Aufgabe, Ehr—
würdiße Brüder, iſt es da, zu lehren und zu mahnen,
wie es den Zeitverhältniſſen entſpricht, auf daß Alle
den Weg der Wahrheit finden.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß den Bekennern
des katholiſchen Glaubens zahlreichere und gewich—
tigere Pflichten hinſichtlich des praktiſchen SebenS ob—
liegen, als denen, welche das hohe Gut dieſes Glau—
beiis gar nicht oder nur theilweiſe beſitzen. Da
Jeſus Chriſtus, der Urheber unſeres Heiles, den
poſteln befahl, das Evangelium allen Geſchöpfen zu
verkünden, da hat er auch allen Menſchen die Pflicht
auferlegt, das, was gelehrt würde, anzunehmen und
zu glauben; und gerade an die Beobachtung dieſer
Verßflichtung ſollte die Erlangung der ewigen Selig-
keit geknüpft ſein.“ „Wer glaubt und getanft ift,
der wird felig werden, wer aber nicht glaubt, der
wird verdammit werden“ 1), Nun aber iſt Jeder, der
den chriſtlichen Glauben, wie es ſeine Pflicht iſt, an—
genonimen, hierdurch ohne weiteres auch Kind und
Unterthan der Lirche und ſomit Mitglied der herr—
lichſten und heiligſten Geſellſchaft, die es gibt, welche
als Stellvertreter des unſichtbaren Hauples Chriſti
Jeſu der römiſche Papſt leiten und regieren ſoll
Wenn mir nun aber ſchon dem Gemeinweſen, In
welchem wir geboren und erzogen werden, in beſonderer
Liebe zugethau za ſein von Natur verpflichtet ſind, ſo
zwar, daß jeder rechtſchaffene Bürger ſein Vaterland
nicht bloß vertheidigen, ſondern wenn es noth thut,
freudig den Tod für daſſelbe zu erdulden bereit ſein
muß; um wie viel mehr müſſen dann nicht die Chriſten
der Kirche in Liebe und Treue ergeben fein! IM ja
doch die Kirche die heilige Stadt des lebendigen Gottes,
Goltes Tochter auf Erden, die, während ſie auf Erden
pilgert, auch ihrerſeits die Menſchen für Gott erzieht
und zur Seligkeit im Himmel hinführt! Wenn wir
alſo unſer irdiſches Vaterland lieben müſſen, welches
uns unſer ſterbliches Leben verliehen, dann ſchulden
wir offenbar weit innigere Liebe dex Kirche, welcher
wir das Leben verdanken, das kein Ende haben ſoll;
denn es iſt fürwahr billig, daß wir den hoͤhern geiſtigen
Guͤtern vor den Gütern des Leibes den Vorzug geben,
und daß uns unſere Pflichten Gott gegenüber mehr
am Herzen liegen, als die gegen die Menſchen.
1) Marc. 16, 16,
nicht daran und ſtellte dem Mädchen überall nad. Eines Ta—
ges alz Harmjen in der Werkftätte bei den Geſellen war, hörte
er einen Schrei und in das Wohnzimmer eilend, fand er den
Junker, der ſeine Tochter bei der Hand gefaßt hHatte, Da
ſteckte nun zwar ſo viel Schlimmes nicht darin, aber e& bleibt
doch immer unerlaubt, und wer zum Kuckuk hat je gehört, daß
ein Schuſter ungeheten das HausS eine8 Junkers betritt und ſich
dergleichen gegenüber einem‘ gnäbigen Fräulein heransnimmt?
Warum, frage ich, ſollte c3 Ddenn einem Zunker geftattet ſein,
mit der Tochter eines ehrliden Schuſters zu verfahren, wie es
ihın gerade in den Sinn Fommt ]“
„Das iſt wahr! das iſt wahr! riefen die Geſellen.
„Harmjen nahm e3 denn auch ſehr übel,“ fuhr Govert
fort, „ergriff einen Stock und ſchlug damit auf den Junker los
* 4* 4 4 ** doch unglücklicher Weiſe trai⸗
elte und mit dem Kopf wider die Thit i
arg vexleste — 4 —
Die Herren Richter im Haag waren aber anderer Mein—
ung“, erzählte Govert, Harmiſen wurde ergriffen und nachdem
5 * — — in Vorarreſt hinterm Gitter ge⸗
atte, mit einem Jahr Zuchthaus und ei
Geldbuße beſtraft.“ * —
Das iſt ſchändlich rief Conrad.
— „S8 fommt noch beſſer! fuhr Govert fort, „Die Schuſte⸗
rei wurde zwar von einem geſchickten Meiſterknecht fortgeſetzt,
aber was konnte e& helfen? Alle Adeligen entzogen Harmjen
ſofort die Kundſchaft! weil er ſeine eigene Tochter in ſeinem
eigenen Hauſe gegen die unerlaubten Freiheiten eines Junkers
bejchutzt hatte, Die Möbel mußten endlich verkauft werden
um die Strafe zu bezahlen, und als der brave Harmien 8
dem — 2 war er blutarm
Seine Tochter wohnte in einem Dachſtübchen als Näherin
und als ich voriges Sahr im Haag war, der 44*
Mann als SGejelle,“
Das iſt abſcheulich,“ rief Conrad, der während dieſer
Erzählung vor lauter Entrüſtung der Bierkanne weidlich zuge⸗
ſprochen hatte.
Fortſetzung folgt)