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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 221 - Nr. 230 (27. September - 8. Oktober)
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Bn









Eirfheint täglih mit Augsnahme der Sonn und Feiertage,
Samftag8 mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlid
Mi. 1.20 ohne Trägerlohn u Poftanuffchlag. Beftelungen



Julius Jeder in Heidelberg:

. 20.

Verantwortlicher Redaltenr:

* 2
3Er
für Slaill —






*








— Seielberg, Mütund, den_ . Dtiober 169











— — —
‚dn „ Pülzer
ote‘

Werden von allen Poſtanſtalten und Briefträgern,
Iner von unſexen Agenten Trägerinnen und in der
Crpedition Zwingerftaaße Nr. 7 noch fortwährend
Migegengenommen, Bereits erſchienene Nummern
Wwerden nachgeliefert.

VESSSCEEESGEGGESiEES
hleichts Nauß ſir Ulle.

Mit dem 1. Oft., ſo ſchreibt die Pfälzer Zeitung,
das vor zwölf Fahren unter dem Eindruͤcke der
tentate auf Kaiſer Wilhelm entſtandene Sozialiſten—
Leſetz außer Kraft getreten, und für die S ozial-
emokraten hat ſich der Uebergang aus dem
Lu zuahin ezuſtan diin denjenigen des allge-
Meinen und gleichen Rechtes vollzogen. Das
Zozialiſtengefetʒ exiſtirt nicht mehr, während ein
AMderes Au8nahmegefeB noch unverändert fortbe—
Üeht: das Gefjeß betreffend den Orden der
Lefettſchaft Seju, weldjes am 4, Suli 1872 in
raft getreten iſt und nicht allein den Jeſuitenorden,
Ondern auch die ihm „verwandten“ übrigen Orden
Und ordensähnlichen Congregationen aus dem Gebiete
CS eben erſt mit auch katholiſchem Blute errungenen
nigen deutſchen Reiches verbannte, die Niederlaffungen
Ouflölte und die Ordensangehörigen wie ſchlimme
Legner unerbittlich verfolate. Die Beſtimmungen
diefes Ordensgeſetzes ſind nicht ſelten in rückſichts⸗
‘Dfejter Weiſe gehandhabt. worden, rückſichtsloſer
S jene des Sozialiftengejeges. War doch das
Ürdenzgejeß die Stufenleiter, vermittelſt welcher
Ichneidige? Beamte in ihrem Streberthum zu Nemtern
ünd Würden und Anfehen gelangten. Noch jetzt
Eſteht das Ausnahmegeſetz gegen die Orden; wenn
Man gegenwärtig nichts mehr lieſt und hört über
Vertrabnug von Ordensleuten, ſo hat das darin ſei—
den Grund daß eben alle im Ausland das ſuchen
mußten und gefunden haben, was ihnen das Vater—
(and raubte; die Moöglichkeit, ein Leben, ganz dein
Dienfte des Herrn und dem Wohle der Menſchheit
gewidmet, zu führen.
Iſt der Fortbeſtand dieſes Geſetzes nach dem
dalle des Sozialiſtengeſetzes noch möglich? Nein,
ie Sozialdemokraten, welche aus ihren Umſturzbe—
rebungen nie ein Geheimniß gemacht, ſie vielmehr

24





*

Licht und Ichatten. (Naid. verb.)
Original Novelle von Hans Jordaens





9. Rapitel.

Als Koland am Nackmittage desjelben Tages nach
Neißigem Studium von dem Atelier jeines MeijterS zurüc-
ftbft% hHatte Georg bie Dannenberg'ſche Villa bereits wieder
rlaſſen.

„ Der junge Mann bemertte auf den erſten Blick mit
Üiller Senugthuung, daß der von ihm ſo ungern gefehene
aſt des HaufjeS-nicht mehr anwejend jei; denn Natalie
ä“anbelte an der Seite ihres Vaters in traulichem Geſpräche
urch die (chattigen Alleen des Barkes. .

m Dem Nuge des jungen Malers bot die edle Erſcheinung
?htulienä immer wieder ein neues, anziehendes Bild, das
T entzüct betrachtete. . x .

m. YNuch jeßt haftete der Blick des Künſtlers eine geraume
Weile unbemerit auf dem vorübeı wandelnden Panare, das
i“„ jeiner friedlichen Ruhe {o ganz das Abbild eines idealen
uslichen Leben3 war. : ;

. Hältte ftatt der imponirenden, ſtattlichen Zigur des alten
N erın einAnderer, Georg, der jungen Dame zur Seite ges
jo haͤtte die gemüihvolle, HMeine Szene, die Rolands
(ufmerfiamfeit in Auſpruch nahır, jedenfalls ungehener viel
In ihrem Reize verloren. ; ; *

„ ®eorg Bur Lenne war und blieb nun einmal für ihn
me unfympathijdhe Berfönlichkeit. .

. Die KRuhe und Gemiffenheit, die der Sohn des reihen
immerfort bezeigte, nannte Holand eine ab-
(Bende Kälte, und Georc3S Art und Weije, Natalie Hier
da zu belehren, erſchien in feinen Augen als un verzeih⸗
iche Aumakung.

H SS Arifit Jich oft im Seben, daß Leute, die Die vOr-
Teiflichfien Sigenichafien befiben, fich doch wie Antipoden
&“fl‚_nber gegenüber ftehen, weil fein verwandtſchaftliches
Oefühl fie einander nahe bringt.

Die Eympathie ıder Herzen. iſt etwas ſo wunderbares,
wos fo Uraufgeklärtc8, DOB wir un8 NUr allzı hHäufig
bne Löjung vor der Frage Ichem, warum Un& eine ge-






offen, in Wort und Schrift, verkündet, waren dem
Reiche weit gefährlicher, als der Orden der Geſell—
ſchaft Jeſu und die ihm „vermandten“ Orden (Re-
demptoriſten, Lazariſten. Väter vom hl. Geiſte Or—
densfrauen vom hl. Herzen, und doch hat der Staat
die Bekämpfung dieſer Umſtürzler durch ein Aus—
nahmegejeß aufgegeben Die vertriebenen Ordens—
leute beſchäftigten ſich nicht mit Politik, wie ſich das
für Chriſten geziemt, dem Könige unterthan in Allem,
was recht und ehrbar ift. Die vertriebenen
Orden ſind den Kriegern auf die Schlachtfelder ge—
folgt, haben im dichteſten Kugelregen ihres Amtes
gewaltet als Krankenpfleger, Aerzte und Seelſorger,
und doch hat Germania dieſe ſeine Söhne ver—
bannt! Wären die Orden geblieben und hätte der
Staat ſie beſchützt und ihre Beſtrebungen gefördert, ſo
würden wir ſchwerlich eine ſolche Anzahl Sozialdemo⸗
kraten hHaben, und um das Wohl unjeres Vaͤterlandes
würde es beſſer beſtellt jein, als jetzt Dieſe Gedanken
hat die Katholifenverjammlungen bewogen, immer und
immer wieder den Ruf erſchallen zu laſſen: Gebt
uns unſere Orden wieder und hHebt ein
Geſetz auf das für Deutſchland eine
Schmach iſt

Das Sozialiſtengeſetz iſt gefallen, nun ſoll und
muß auch das Ordens geſetz fallen. Reichstag
und Reichsregierung werden ſchon in der nächſten
Seſſion vor die Frage der Aufhebung des Fe-
juitengejeBe3 geftellt werden. Die rheinpreußi—
ſche Centrumspartei hat in dieſer Beziehung die Ini—
tiative ergriffen und an vielen Orten eine Petition
an den Reichstag beſchloſſen. Wir zweifeln nicht daran,
daß ſich die Katholiken des geſammten Deutſchlands
dieſer Petition anfchließen. Die Forderung der Auf—
hebung des Jeſuitengeſetzes iſt im kalh. Volke nie ver—
ſtummt, ſie drängt ſich, nachdem das Sozialiſtengeſetz
aufgehoben iſt, erneut auf, die Gründe wiegen jetzt
doppelt ſchwer und was dem Einen recht iſt iſt dem
Andern billig.



; Deutſches Reich.

* Berlin, 6. Oft. Der Reichsanzeiger! ver—
öffentlicht die Ernennung des Generalz v. Kalten—
born Stachannzum Kriegsminiſter und die gleich—
zeitige Entbindung des Generals v. Verdy du Vernois
von dieſem Poſten — In ſehr gut unterrichteten
Kreiſen gilt der Rücktritt des Grafen Walderſee als
Chef des Generalſtabes für wahrſcheinlich; jedenfalls
iſt zwiſchen ihm und dem Kaiſer eine Entfremdung
reingetreten









{

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Ladenburg,‘ Weinheint, Schwetzingen Philippsburg,
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S









*.





Druek, Verlag ı. Erpedition von Gebr, uber
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7,





















Mainz/ 6. Okt. Nach einer Privatmittheilung
des Mainzer Journals“ aus Straßburg ſchlug v.
Schlözer der Curie drei Benediktiner⸗Pater den Priu⸗
zen Radziwill und den Kapuzinerpater Alphons von
Mainz für den biſchöflichen Stuhl von Straß—
burg vor. *

München, 6. Okt. Dem Oktoberfeſt wohnten
etwa 100,000 Perſonen bei Bei der Vorführung der
Preisſtiere vor Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗
regenten ſcheute ein Stier ganz in der Nähe Ddes
Prinz Regenten der noch rechtzeitig beiſeite ſprang—
Der Stier überrannte mehrere Perſonen, wobei einige
leichte Verletzungen davontrugen Schließlich wurde das
Thier ohne Gefahr neu gefeſſelt. Bei dem Pferde⸗
trabrennen iſt ein Burſche geſtürzt und hat fich
ſchwere Verletzungen zugezogen

Würzburg 6. Skt Dem hochw. Herrn Erz⸗
biſchof Dr Schork ſteht in nächſter Zeit eine hohe
Auszeichnung Seitens der Stadt Würzburg bevor.
Angeſichts ſeiner langjährigen ſegensreichen Wirkſam—
keit als Dompfarrer und im Hinblick auf ſeine großen
Verdienſte um das Schulweſen der Stadt, iſt beab⸗
ſichtigt, dem hochwürdigſten Herrn das Ehrenbürger—
recht der Stadt Würzburg zu verleihen.

Ausland.

* Bern, 6. Okt. Bei der Volksabſtimmung im
Kanton Teſſin beſchloſſen 11,928 gegen 11,834 Stim-
men die Reviſion der Kantonsverfaſſung.

Muürzzuſchlag, 5. Ott. Bei der Wagenfahrt
der Majeſtaͤten von Mürzſteg nach Neuberg ſcheute
eines der Pferde; in Folge deſſen brach die Wagen-
ſtange Die beiden Kaiſer beftiegen ohne weitern
Unfall einen Reſerve Wagen und ſetzten die Fahrt
nach Neuberg fort.

Haag, 6. Okt. Privatnachrichten aus dem
Schloſſe Loo zufolge dürfe der König in den nächſten
Tagen außer Stande ſein ſich den Staatsgeſchaͤften
zu widmen. Es werden Regierungsmaßregeln erwartet
zur Sicherung des Fortgangs der Staatsgeſchäfte.

Konſtantinopel/6 Oft. General Wendt Paſcha—
der älteſte der in türkiſchen Dienſten ſtehenden Deut⸗
ſchen, iſt im Alter von 79 Jahren geſtorben.

London 6. Okt. Faſt Jämmtlihe Hochöfen
Schottlands, beſonders in Lanarkſhire und in Ahroͤſhire
ſind ausgelöſcht in Folge Lohnſtreites zwiſchen Arbeit⸗
gebern und Heizern. Die Arbeitgeber entließen un—
gefähr 1200 Heizer, wodurch die Zahl der arbeitloſen
Metall-Arbeiter auf 13,000 geſtiegen ijft. Das Elend















Nicht jelten mag bei diejfent geheimen Zug der Herzen
Perſönliches thälig mit eingreifen, das die AnziehungsSkfraft
enimeder verftärkt, oder im Keime erftidt; denn menichlihe
Schwachheit befißen wir nun einmal Alle; jedenfalls aber
mwird den Aufrichtigen unter uns die innere Stimme un-
willkürlich zu einem leitenden Motiv, ihräußeres Verhalten
dem Betreffenden gegenüber darnach zu ordnen

Luch Roland zählte zu dieſen aufrichtigen Naturen

Es wäre ihm unmöglich gewefjen, ein Gefühlzu heucheln,
das er nicht empfand, und jo blieb er dem hHäufigen Gaſte
der Billa gegenüber in den @renzen kühler Höflichkeit.
Georg ſeinerſeits gab ſich ebenfalls keine Mühe, Die
Huneigung des jüngeren Mannes durch entgegenfommende
Freundlichkeit zu gewinnen. . .

Das Bild, welches Natalie ihm in Sorrent von dem
ermwartefen Kunſtiünger entworfen, exwies fich in der Wirk-
lichkeit jo ganz verſchieden von den Vorftellungen, die Na—
taliens Beſchreibung zufolge in feinem Innern Raum ge-
wonnen Hatten, daß er ſich umjonft bemühte, die pollſtändige
Enttäufchung, die er erfahren mußte, zu überwinden.

Er hatte geglaubt, in Roland von Gehren einen
feurigen, faſt noch im Knabenalter ſtehenden Schüler kennen
zu lernen, der mit halb {dYeuem, bewundernden Blik zu
ihm, Ddem weitgereiften, unterrichteten Manne auffehen
mwürde, und ftatt deſſentrat ihHmin Nataliens Adoptiobruder
ein. hochaewachſener Jüngling entgegen, mit dem freien
ſichern Blick und dem folzen Selbſtbewußtſein des Mannes,

Fand Georg5 ıuhige, gemeſſene Art in Rolands Herzen
eine jchazfe Beurlheilung, ſo alaubte diejer hinwieder in
dem jelbititändigen Auftreten Rolands eine tadelswerthe
Selbiüüberfhäßung erfennen zu müffen, die ihm, Ddem er-
fahrenen Manne, die Verpflichtung auferlegte, durh kühle
Zurüchaltung den Stolz des IJünglingsnach Möglichkeit
zu dämpfen. . .

MNatalie bemerkte mit geheimem Bedauern, daß der
fortgefebie Verkehr zwiſchen ihren heiden Freunden nicht
. m Sionde war, eine Aınäherung Herbeizuführen, die ſie











iſt groß.
heimnißvolle Macht fo unwiderftehlih zu dem — — ganz ſelbſtberſtändlich vorausſezen zu dürfen —
zieht, während dieſelbe unſichtbare Gewalt uns von dem ! Hatte. —
Andern zu trennen ſcheint. Sie hatte gehofft, die gleichen Intereſſen, die Roland

und Georg auf ſo manchem Gebiete ſich begegnen ließen,

die Liebe zur Kunſt und deren Erzeuaniſſen werde wenn .
auch langſam, doch nur um ſs dauerhafter eine Freundſchaft

entſtehen laſſen zu welcher die vorhandene Griſtesverwandt⸗

ſchaft die ſichere Grundlage bot. ;

‚ - DochH nichts von all ihren ſtillen Träumen fah Natalie

in Erfüllung -gehen. -

Trotzdem konnte fie nicht entjchließen, dem Einen oder
Anderen ihrer beiden Freunde, als dem Haupturheber ihrer
geftörten Hoffnung zu zürnen; Ddenn gleiche Anklage und
Entjhuldigung ließ ſich für Georg ſowohl wie für Roland
geltend machen. ;

Zudem Hatte Koland ſeit jener zwiſchen ihnen ſtattge⸗
habten heftigen Szene im ©artenjaal ihr gegenüber eine
ſo würdige Zurückhaltung gezeigt, daß Natalie nicht anders,
als mit bewandernder Hochachtung, die Selbitbeherrihung
ihres jugendlichen Freundes bemerken konnte und ſie ſich
durch Rolandẽ männliches Auftreten gezwungen ſah, die
Bewegaründe ſchweigend anzuerfennen, die ſein Hihles,
höfliches Verhalten Georg gegenüber leiteten

Glaubte ſie doch das Hauptmotiv genuafanı zu kennen.
das den FugenDfreund von dem geliebten Manne fern hielt

War es nicht der ſo gewaͤltfam zerſtörte - fnabenhafte
Traum, der nur zu leicht in dem Herzen ihres Bruders
eiferſüchtige Regungen entfachen konnte beim Anblicke des
ſo häufig einfehrenden und ſtets willkommenen Gaſtes?

Natalie lächelte bei ſolchen Gedanken ſtill vor ſich hin

Sa, e$ war gewiß; man mußte Nachſicht haben mit
dem armen‘ Roland; er mnıußte geſchont merden. *

Uebte er doch täglich in wahrhaft heroiſcher Weiſe die
hittere Tugend der Selbjtverleugnung, indem er feinem
Verſprechen gemäß weder durch ein AWort, noch durch, einen
ſprechenden Blid an das Vorhandenſein einer Ladenſchaft
erinnerte, die ihn an jenem Sommerabend ſo ganz übermannt
zu haben ſchien und deren ausbrechende Heftigkeit Natalie
damals nicht wenig beunruhigte.

Fortſetzung folgt.)


 
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