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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 11 - Nr. 20 (15. Januar - 25. Januar)
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8*

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Heidelberg, 23. Januar.

Fteiherr von und zu Frankenitein. -

Eine traurige Kunde durchläuft heute ganz Deutſch⸗
land Freiherr von Frankenſtein iſt geſtern Mittag
11 U6r 5 Minuten ſeinen ſchweren Leiden erlegen.
Nach der geſtern gemeldeten Operation ſchien ſein Zu—
ſtand befriedigend, doch fanken Nachmittags bereits die
Kräfte, Es war Blutvergiftung durch Eiter eingetreten.
Am Sterbelager befanden ſich Frankenſtein's Familie,
ein Geiſtlicher, die Profeſſoren Gerhardt und Bergmann.

An Frhr. v. Frankenſtein verliert die Centrums⸗
partei ihren langjahrigen Führer Sein treuer Mit—
arbeiter Dr. Windthorſt iſt tief erſchüttert. Er
war erſter Präſident der baheriſchen Kammer, der
Reichsräthe und langjähriger erſter Vicepräſident des
Reichstages.

Er war geboren am 2. Juli 1825 in Würzburg,
ſtudirte auf der Univerſität München, war Mitglied
des Bayeriſchen Reichsrathes ſeit dem Jahr 1847, ge—
hörte dem Deutſchen Zollparlamente an und war feit
1872 Mitglied des Reichstages für den dritten Unter⸗
fränkiſchen Wahlkreis Lahr.

Sein Andenken ſei geſegnet! So wie das katho—
liſche Deutſchland ſeine unermeßlichen Verdienſte um
unſere hl. Sache nie vergeſſen wird! ſo wird auch der
politiſche Gegner in ihm den überzeugungstreuen Po⸗
litiker vexehren. Möge dem treuen Kämpſer im Jen—
ſeits der Lohn werden, der denjenigen verheißen ijt, die
Gottes hl. Sache zu der ihrigen machen R. i p.
Deutſches Reich.

* Berlin, 22. Januar.
* — Präſident v Levetzow gedenkt bei Eröffnung
der heutigen Reichstags-⸗Sitzung des Todes des
Albg. v. Franckenſtein. eheialigen Vicepräſidenten des

Parlaments, eines Mannes, feſt, treu, waͤhr, furcht—
E ſelbſtlos, recht und ſchlicht. Er war karg mit










Blick und großer Autorität überall wohin ihn die
Pflicht rief. Das Haus ehrt ſein Andenken wie üb⸗
lich durch Aufſtehen von den Sitzen.

Der Reichstag tritt alsdann in die zweite Be—
rathung des Socialiſtengeſetzes ein.

Abg Langwerth v. Simmern äußert ſeine Be⸗
denken gegen das Ausnahmegeſetz.

Abg. v. Kardorff meint, der Socialdemokratie
ſei nur mit der Geſetzgebung entgegenzutreten.

Abg Windthorſt verſpricht ſich die beſte Wirk⸗
ung von der Freiheit aller Orden. Das Centrum
verde niemals für ein dauerndes Ausnahmegeſetz
ſtimmen.

4 Schön Elschen.
Novelle von H. A, Banning,
Aus dem Holländiſchen überſetzt von L, v. Heemſſtede.

Fortſetzung.

err des Himmels, was iſt 1089“ rief die Mutter, die
hun erft Jah, daß ihr Mann ſich in außergewöhnlicher Ge-
müthserregung befand,
‚ „Soviel ijt 108,“ verfeßte Rynders, „daß ich diefen Tag
— 3U einem der unglüclichften meines Lebens rechne,“
} Die Frau {prang erfhroden von ihrem Stuhl auf und
Elschen wurde Leidenblaß,
„Slt Conrad etwas zugeftoßen ?“ fragte ſie ängſtlich.
— y Rynders ſchien es heute Abend darauf abgefehen zu haben,
4 teine Hrage zu beantiworten, und wandte {ich jebt an feine
tau: „Du weißt doch, daß Seine Hoheit geflohen ift?“
„Der Prinz — entflohen !“ rtief diefe ganz außer ſich.
* „Weißt du das noͤch nicht? Die ganze Stadt iſt voll
on.“
Ich habe dieſen Nachntittag mit keiner Seele geſprochen
* Sischen auch nicht; wir haͤden hier ſtill bei einander ge-
{ X
„Der Prinz iſt von Scheveningen in
England übergefahren,“



einem Fiſcherboot
erflärte Rynders wehmüthig.

Aber was iſt denn mit Conrad vorgefallen?“. mifjchte ſich

tin en ein, die ebenfal8 aufgeftanden war und uun hHände-
gend ihrem Vater fich nahte,

8 »Sr ift ein Verräther an der guten Sache, er hält zu den
Tidfen“, erwiderte Rynders.

—— ſcoͤyfte tief Athem; das war in ihren Augen

‚ gar zu ſchlim; ſie halte etwas ganz Auderes erwartet,

— Der arme Pring l“ meinte Mutter Rynders, in deren

. — * Thräne glaͤnzte, „nun ift die gute Sache verloren,

nach

Verloren, für immer verloren ran 1“ ſeufzte der Alte,
—— {ft ein Schiff oder Nuder - D

ogen preisgegeben ift, Mit unjerer Unabhängig⸗














Heidelberg, Freitag, 24. Januar 1890.

$ 1 der Vorlage wurde ſodann gegen die Stim⸗
men des Centrums und der freiſinnigen Partei an—
genommen. Sodann wurden auch die 55 2 bis 10
angenommen. Dann trat das Haus in die Erörter⸗
ung des $ 11, betreffend das Erſcheinen periodiſcher
Druckſchriften ein. Abg. Dietz ſprach gegen den
Paragraphen.

Singer ſprach gegen die Vorlage. Er beklagte
die angehlich übexaus ſtrenge Handhaͤbung des Soela⸗
liſtengeſetzes in Baden und glaubte die Schilder—
ungen des badiſchen Bundesbevollmächtigten Frhrn.
v. Marſchall bei der erſten Leſung der Vorlage auf
unrichtige Citate zuruͤckführen zu müſſen.

Der badiſche Bebollmächtigte Frhr. v. Marſchall
erklärte, in ſeiner amtlichen Stellung müſſe er ſich
den Vorwurf falſcher Citate erwehren, den er fonft
vohl beſſer unbeachtet gelaſſen hätte. (Lebhafter
Beifall) In dem Falle des Redacteurs Geck ſtün⸗
den übrigens die Ausſagen dieſer Herrn direkt den
gegentheiligen Bekundungen der Behoͤrden gegenüber.

Um 51/, Uhr wird ein Vertagungs⸗Antrag ange—
nommen.

Präſident v. SeveBßow: Es iſt ſoeben folgendes
Telegramm von Sr. Majeſtät dem Kaiſer und Koͤnig
eingegangen (die Mitglieder erheben ſich von den Pläßen):
Dem Reichstag ſpreche ich mein Beileid aus zu dem
Tode des Freiherrn v. Frankenſtein. Ich ehre
in ihm einen Mann von vornehmer Geſinnung, von
wahrem Patriotismus, der für ſein bayeriſches wie
für ſein deutſches Vaterland allezeit ein warmes Herz
hatte. Wilhelm. (Zuſtimmung) Meine Herren! In-
dem Sie ſich erhoben haben, drücken Sie zugleich den
ehrfurchtsvollen Dank des Hauſes aus für die Theil—
nahme, welche Se. Majeſtät der Kaiſer dem Verluſte
widmet, welcher das Haus heute betroffen hat. (Zu—
ſtimmung)

Nächſte Sitzung, Donnerſtag 11 Uhr. Sozialiſten—
geſetz.

— Bum Tode Frauckenſtein's ſchreibt die „N.
B. 8.“: Exinnerlich dürfte noch ſein die telegraphifche
Berufung Frandenftein’S zu ſeinem König Ludwig II.
am Schreckenstage zu Nenſchwanſtein, als das Mints
ſterium Lutz im Intereſſe des Staatswohls den un-
glücklichen Monarchen der ausübenden Regierungs⸗
gewalt enthob und nach Berg überſtedeln ließ. Luͤd—
vig II. wollte im letzten Augenblick durch Francken:
ſtein ein neues Kabinet bilden laſſen, allein e& war
Gon zu ſpät. — In München theilte bereils der
Prinzregent dem Fretherrn v. Frankenſtein mit, was
vorgefallen ſei. Von der Verehrung, welche der be—
dauernswerthe Bayernkönig für Frandenitein hegte,
giebt Zeugniß deſſen Ernennung zum Großkanzler
des Bayerifhen Henriette Ordens vom hl. Georg. —
Franckenſtein war nicht allein in Mittelfranken, fon-



feit ijft c8 auS, wenn die Franzofjen hier frei ſchalten
fönnen.“ \ .
„Und mit unſern guten Sitten,“ fügte die Frau hinzu.
„Und mit unfern alten Nechten“, klagte der Mann.
„Und mit unferer RNeligion“, jammerte die gute Mutter,
„Und mit unjern Gilden“, fuhr Rynders forn ver⸗
loren für immer verloren !”
„Der Herr möge uns beiftehen, denn die Strafe des Him⸗
mels fanız nicht ausbleiben“, rief Mutter Nynder8, die Hände

eniporſtreckend.

„Und dann muß man an folch einem Jammertag noch hö⸗
ren daß mir von unfern Freunden betrogen + und verrathen
werben,“ klagte der Meilter,

Aber iſt Conrad denn auch ein Verräther geworden“,
fragte ſeine Frau zweifelnd.

Das ijt er“, gab Rynders zurlick, „er hat ſich verabredet,
morgen mit einigen Leichtfinnigen Xameraden Hhier gerade vor
meiner Nafe einen Freiheitgbaum aufzupflanzen.“

Aber. das iſt nicht möglih“, ſagte Elschen, „du weißt,
daß Conrad für Oranien ift und daß er alle Iauten Kundgebz
ungen haßt.“ .

„Und doch ift e& {o“, entgegnete der Vater, „und ich will,
daß hon ictzt an alle Vertraulichkeit zwifchen euch Beiden auf⸗

Das Nädchen erſchrack; das hatte ſie nicht erwartet.
Aber weißt dır e& denn gewiß?” wagte ſie einzuwenden.
„ meine, daß nicht mehr daran zu zweifelu ijt“ , Detz

jeßte Ylynders, „doch will ich bis morgen jrüh mein Ürtheil

auffchieben,“

Elschen fühlte ſich fehr unglücklich. Conrad hatte ſie ver⸗
laſſen mit der Drohung, daß er nie zZuricklehren mwürde. Das
glaubte fie zwar nicht, aber fie fuͤhlte ſich doch unter den jetzi⸗
gen Umftänden nicht ganz beruhigt, Und nun kam ihr Vater
und verbot ihr, ferner mit ifm umzugehen, während ſie ihm
nicht zu ſagen magte, was zwijchen ihr und Conrad vorge⸗
fallen war, Sie ſah jetzt recht gut ein, daß fie fich unziemlich





25. Jahrgang.

und beſaß ein großes Haus in Offenburg, in welchen
er jedes Jahr eine Zeit lang wohnte. Sein Zod
beraubt heſonders das Baheriſche Centrum in dem
gegenwärtigen kritiſchen Moment um einern maßvollen
und angeſehenen Führer.

— Die, Neuen Tiroler Stimmen“ hringen nach⸗
folgende Reniiniscenz über Doͤllinger: Von verlaͤß⸗
licher Seite werden uns über den unglücklichen Herrn
von Döllinger folgende zwei Facta mitgetheilt: Es
; der berühnite
Cardinal Johannes v. Geiffel war Erzbiſchof von
Röln. Da kanı eines Tages auch Döllinger nach
Köln und wurde von dem erzbiſchoͤflichen Secretär,
der ein begeiſterter Schüler Döllingers war, dem
Kirchenfürſten vorgeſtellt. Der Cardinal, ſelbſt ein
bedeutendex Gelehrter, beſpraͤch ſich durch längere Zeit
mit dem Gaſte. Als derfelbe ſich entfernt, da fraͤgte
der Secretäx den leutſeligen Cardinal, was er von
Döllinger halte. Mit ungewöhnlichem Ernſte aut⸗
wortete der Cardinal: „Döllinger wird noch ein Schis⸗
matifer werden, ja er iſt es jetzt ſchon mur wiſſen
e3 die Menſchen nicht. Aber merken Sie ſich meine
Worte: Döllinger wird ein Schismatiter !“ Waz
der große Cardinal da, lange vor dem Vaticauum,
vorgusgeſagt, es iſt leider traurige Wahrheit ge—
worden. Er iſt als Schismatiker geftorben ! — Als
Herr von Döllinger das letzte Mal in Bonn war,
bekanntlich dem Sitze des altkatholiſchen Biſchofs
Reinkens, da hat er zum Mbfchied Ddie Worte ge⸗
jprocdhen: Nie werde ich nich der Kirche beugen!“
Den Ohrenzeugen, der uns das berichtet, überlief es
kalt, als er dieſe Worte vernahm. Und ſie ſind wahr
geworden Der ſtolze Mann hat ſich der Kirche, die
er in ſeinen guten ımd beſten Jahren ſo glaͤnzend
vertheidigte, nicht gebeugt. Gott genade feiner Seele !

— Il eS angebracht, Döllinger den „arößten
Theologen des Jaͤhrhunderts! zu nennen ? Dieſe
Frase behandelte der Herr Stadtpfarrer Huhn im
katholiſchen Bürgerkaſiio in München. Er führte
u, . Folgendes aus: Ich frage zunächft, was war
Döllinger biS zu feinem 60. Lebensjahr? Dasz wilfen
wir und das läßt ſich leicht klar beantworten; er
war in ſeinem ganzen Auftreten ein treuer Sohn der
katholiſchen Kirche! ein warmer Vertheidiger des
katholiſchen Glaubens, ein glaͤnzendes Licht am Him⸗
mel der kirchlichen Wiſſenſchaft! Was war Döllinger
von ſeinem 60, Jahre bis zum 90., d.t. bi3 zu
ſeinem Tode? Ich wage e8, diefe Frage an alle zu
ſtellen, die ihn gefannt haben. Ia8 war er? War
er Statholit? Das war er nicht mehr. War er Bro-
teſtant? Das war er nicht und al8 folcher hHat er
ſich nie erklärt. War er Altkatholik? DasS war er
vieder nicht. Er hat vor dieſer Sekte gewarnt, ift
derſelben nie heigetreten, hat an ihrem Gotte8dienjte









war, und fie hätte mahrfcheinlich den Vorwurf hinnehmen
müffen, daß ſie dem jungen Mann den Kopf warnı, gemacht
hatte, Sie hatte ſo ficher erwartet, daß Conrad , zurückänme,
und dann hätte ſich Alles ſchen wieder zut niachen laſſen, ob-
ſchon ſie noch durchaus nicht Willens gewejen war, ihn wegen
ihres Leichtſinnes um Entſchuldigung zu Lbitten. Ihre Unruhe
war indeß zu groß, als das ſie ganz Hätte ſchweigen fönnen
und darım wandte ſie ſich mit der Frage an den Vater, ob
er heut Abend felbft im „Crispin“ geweſen fei, oder wie er
angerfaflß wiſſen könne, welche Verabredungen Conrad getroffen
habe.

Rynders war inzwiſchen ein wenig zu ſich gelomnien, ſetzte
ſich an den Tiſch und theilte ſeiner Fran - und Tochter mit,
was er von Exert Janſen vernommen Hatte, G ging Elschen
abermals ein Seufzer bom Herzen ; denn fie verftand ganz gut,
wa8 Evert Janſen im Schilde führte ıund daß er Conrad an-
ſchwärzen vollte um die Heirath zwiſchen ihHın und ihr zu
hintertreiben, Sie gab dies ihrem Bater auch zit verſtehen und
fügte hinzu, daß ſie tein Wort glaube von dem, was Ebert,
den ſie berabſcheute gefagt hatte, Dann begab ſie fich, Kopf⸗
weh vorſchützend in ihr Zimmer, G3 dauerte jedoch lange, bis
ſie den Schlaf finden Ionnte; denn fie nußte noch einen lan—
gen Sermon ihres Gewiſſens anhören, das ihr ernſte Vor⸗
würfe machte, und als das Gewiffen {chiwieg, kamen alerlet
böfe Träume, die ſie quälten, — Träume, in welchen Sunker
und SFreiheitsbäume eine große Roͤlle jpielten,

VBater Rynders und jeine Frau faßen an dieſem Abend
noch ſpäter bet einander al8 gewöhnlich, Sie klagten über die
ſchlechten Zeiten, wie e& Taufende! vor ihnen gethan haͤben
und Zehntauſende e& noch täglich thum, MVater Rynders pro⸗
phezeite, daß das Land nun bald unter das franzöſiſche Joch
komnien würde und er bewies damit, daß er ein ein ſichtsboller
Mannn war; ſeine Frau fürchtete, daß das Ende der Tage ge⸗
kommen ſei welche Furcht ſich glücklicherweiſe bis jetzt als ım-
begründet erwieſen hat.

Fortſetzung folgt)



betragen hatte, wenn e8 auch nicht {o {Olimm gemeint geweſen





































































 
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