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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 261 - Nr. 270 (14. November - 25. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44151#1081

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— —— — ——

— E ⏑——











erſcheint taglich mit Anskahme der Sonn- und Feiertage,
SamftagS mit Unterhattungsbeilage. Preis vierteljährlich
M, 1.20. vohne Zrägerlohn u Poftanffhlag. ‚DBeftellungen
hei ben Bofanftalten u. bei der Crpebition Zwingerfiaße 7.




— —
Berantmortliher Redalteur:
Julins Yeder in Heidelberg.

eecdeeseSSt0SO®
Beſtellungen

auf den „Pfälzer Boten für den Monat
Dezember werden bei ſammtlichen Poſtanſtalten, bei
unjeren Trägerinnen, fowie in unſerer Expedition

eidelberg, Zwingerſtraße 7 _ entgegengenommen.
® S Die Ervedition

S5000800900500809068080
; Der Better Mugull

ſetzt dem Bauern Hannes und ſeinem Schwager
Loͤrenz auseinander, was die Sozialiſten im Schilde
führen.



IV.
Lorenz: Jetzt kennen wir ſchon zwei Sätze aus
dem Sozialiſtenprogramm.
Auguft: Sag fie auf, wenn dır kannſt!
‚Qorenz: Erſter Satz: Im ſozialiſtiſchen
Staate ſind alle Arbeitsmittel Staats⸗
eigenthum.
Hannes: Alſo auch aller Grund und Boden,
Viehftand und Kapitalien ſind Staatseigenthum.
Lorenz: Zweiter Satz: Der ſozialiſt iſche
Staat regelt de GejJammtarbeit.
Hanne8: Aljo gibt’3 Ddann keine Meiſter und
Geſellen, keine DienfihHerrn und Dienſtboten mehr
jondern alle ſind dann die Dienſtboten oder Tag—
toͤhner des ſozialiſtiſchen Staates
Muguft: Jawohl Hannes, und Niemand iſt
davon ausgenommen, abfolut Niemand. Das iſt
der dritte Hauptſatz im Sozialiftenprogramm : All⸗
gemeine gleiche Arbeitspflicht.
anne8: Nun, das ijft ja nichts Neues, Es
hieß ja ſchon im Paradieſe: „Im Schweiße deines
Angefichte3 ſollſt du dein Brod ejjen.“ Und weiter
heißts! Wer nicht arbeitet, der ſoll auch nicht efjen. “
MNuguit: Allerdings. Darum arbeitet jeder an
ſtaͤndige und gewiſſenhafte Menſch in ſeinem Berufe
nach Kräften, der Bauer auf dem Acker, der Hand—
werfer in der Werkſtätte, der Lehrex in der Schule,
der Pfarrer in der Kirche, Schule und in ſeinen
Büchern, der Beamte in ſeiner Amtsſtube uſw. Aber
wohigenierkt; So meinen es die Sozaliſten
nicht. Sie ſagen: gleiche Arbeitspflicht
Gteiches Recht und gleiche Pficht für
Alten
Qorenz: So? Was wollen ſie denn damit
ſagen?



für Stadt



Muguit: Wenn dır einen Sozialiſten hörſt. ſo
ſind nur Diejenigen wahre Arbeiter, die mit der Hand
arbeıten. Die Kopfarbeit gilt bei ihnen joviel wie
nichts! Drum müſſen — ſaͤgen ſie —— im ſozialiſti⸗
ſchen Staate Alle ohne Ausnahme körper⸗
tiche Arbeitxerrichten.

Hannes! So, und was hat denn da einer zu
thun?

Auguſt: Was er will. So ſagt der Sozialiſten⸗
führer Bebel :, Jeder darf ſagen, in welcher Thätig⸗
keit er ſich beſchäftigen will.“

Qorenz: Ich bin zwar nur ein Bauer. Studirt
hab! ich nicht. Aber ſoviel iſt mir doch klar, daß
Da8, was der Sozialiftenführer ſchwatzt ein Unfinn
ift. Und weiß auch, warum?

Au guſt!? Laß einmal hören?

Qorenz: Weils ſchwere und leichte, angenehme
und unangenehme Arbeiten giebt, mitunter ſogar ge—
faͤhrliche Arbeit z. B. in Bergwerken. Nun haben
wir gehört, daß man im Sozialiſtenſtaate nicht uuit
Geld belohnt wird, ſondern nur mit Lebenzunter—
hHalt. Wer wird dann, wenn er die Wahl hat eine
laſtige, unangenehme, gefährliche Arbeit thun, und
die leichte und angenehme einem Andern überlaſſen?

Au gu ſt: Da haſt du recht.

Qorenz: Die ſchweren und unangenehmen Ar—
beiten muͤſfen aber doch auch gethan ſein. Die Accker
müffen doch auch gedüngt und das Vieh muß doch
auch geputzt ſein

MNuguft: Ganz wahr. Aber weißt, Vetter, der
Bebel jagt: Bei Dden unangenehmen Arbeiten muß
man eben „ummachen“, da kommt heute dieſer
Genoſſe daran und morgen der andere und ſo Alle
der Reihe nach, wie es von dem Ausſchuß befohlen
wird.

Hanne8: Na, dann wird's gewiß erft rech
nett! Daun macht Einer heut einen Bauplan und
| morgen kommt er an die Reihe als Handlanger und
Speisträger. Heute führt einer die Feder . morgen
muß er Karrenfchieben. Heute iſt er Schulmeiſter
und morgen leert er die Senkgrube. Heut E er
KochH und morgen Stallknecht. Heut iſt er Arzt und
morgen Kaminkehrer.

Au guſt: Vohl! Wohl! Bebel ſagt: „Da gibts
feine falicbe Scham und keine blödſinnige Verachtung
nützlicher Arbeit.

Hannes: Und was für eine Arbeit, daß Gott
erbarım ! menn der Herr Profeſſor Straßenpußer wird
und der Herr Amtmann Lokomotivführer. Das gäbe
gerade ſoſchöne Arbeit, wie wenn men Schwager













— — —





Anzeige-Blatt für die Amtsbezirle Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schweßingen, Philippsburg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbadh,
Eberbach Buchen Walldürn T Biſchofeh Wertheim 2C.











in ‚Geidelberg, Zwingerſtraße 7.














Lorenz Amtoͤſchreiher würde.

Qorenz:. Oder mein Schwager Hannes Ober—
kellner.

Auguſt; Der Sozialiſt Bebel iſt anderer Anſicht.
Er ſagt: Im ſozialiſtiſchen Staate werde die Jugend ſo


oͤder nicht, dahin bringeſt kann, zu jeder körperlichen
und geiſtigen Arbeit befähigt zu ſein

Hanne3: Nichts für ungut, Vetter! In meinen
Augn iſt der Sozialift Bebel, ein Narr.. . Denn ſo
kann mır ein Narr ſchwätzen. Unſer lieber Herrgott
hat die Gaben verſchieden ausgetheilt, dem Einen mehr
Körperkraft, dem Andern mehr Geiftesgaben verliehen,
den Einen die Neigung und. das Talent zu dieſem
Berufe, dem Andern zu jenem.

Augu ſt: Sehr gut, Vetter Hannes, gerade wie
am Körper des Menſchen verſchiedene Glieder ſind,
Augen, Ohren Hände, Füße und jedes Glied ſeine
beftimmte Aufgabe hat. Das eine Glied iſt vor⸗
nehmer und edler, als das andere; die Augen 8
edler als die Füße Aber es kann nicht Alles Auge
und nicht Alles Fuß, nicht Alles Herz und nicht
Alles Zunge ſein! Die Füße ſind -aljo ſo noth—
wendig wie die Augen. Und wie der Körper nur
daun fich wohlbefindet, wenn jedes Glied das thut,
wozu e& von Gott beſtimmt iſt, ſo kann auch die
menſchliche Geſellſchaft nur dann beſtehen, wenn
Zeder nach ſeinen Kräften und in ſeinem Stande ſeine
Pflicht erfüllt.

Lorenz: Dieſer als Bauer, Jener als Hand—
werker, Dieſer als Lehrer, Jener als Arzt.

Au guſt: Und wenn die Füße ſich gegen das
Haupt einpören und ſagen woͤllten, wie Bebel: detzt
Fird einmal „umgemacht“, jetzt wollen auch wir ein—
mal Haupt ſein und du mußt Fuß ſein,

Hannes: dann wären die Füße ſo übel daran
als das Haupt.

Auguft: Und gerade ſo die menſchliche Gelell—
ſchaft, wenn ſo hirnwüthige Schwätzer wie die So—
zialiſtenhäupter Bebel, Liebknecht und Grillenberger
ans Ruder kämen.

Deutſches Reich.

— Berlin, 23. Nov. Einer Meldung des römi—
ſchen „Secolo“ zufolge begibt ſich der „Nuntkius
Galimberti von Wien demnächſt nach Berlin, um
mit dem preußiſchen Kultusminiſter und dem Reichs⸗
kanzler wegen Rückkehr der Feſniten nad
Deutſchland in Ver handlung zu treten.
— Der deutſche Biſchof Anzer aus China, der













7 (#ad. verb.)

63 £icht und Ichatten.
Original Novelle von Hanz Jordae n8.



23. Kapitel.

Die Flucht des reichen Kaufmannsſoyhnes bildete natür-
lich in den verjchiedenjtien Kreijen der Stadt das Gejpräch
dezZ Tage2; doch würde e& dem Banquier zu nicht ‚geringer
Senugthuung gereicht haben, wenn er hHätte bemerfen Fönnen,
daß man in den meijten Fällen nicht iYn, oder Üüberhaupt
die Eltern, jondern einzig Leander für das Geſchehene ver⸗
antwartlich ntachte. —

Man wor fajt allgemein einig darin, daß Leander ZUr
Lenne von jeher ein Taugenichtz gewefen, der ſeinen Eltern
nyur Berdruß gemacht Habe, und eS gab {ogar Solche, die
jein plößlicheS Verjchwinden als eine mit fjeinem Charatter
durhauz übereinftimmende That zu bezeihnen wußten.

Die Öffentlihe Meinung zögert niemals mit der Ber-
fündigung ihres Urtheilsipruche3 und Ke iſt als Richterin
um {o mebr gefürchtet, al3 fie mit ihren Sreulpaten faft
augnahm&lo8 mit unnachfichtiger Strenge verfährt, und ihre
Stimme von allen Richterflimmen den lauteſtez Klang hat.

Anı meiften wohl wuͤrde der {candaldje Borfall im
Hauft des Barquier8 in der Dannenbergjchen Billa be⸗
{prochen; denn die Commerzienräthin, die noch _ immer
fafiung8los war über die Flucht des Keiner, kam faſt täs⸗
lich heraus, um fich bei Natalie auszuweinen und bei ibr
über ihre Sorgen und Hengften zu Hagen.

Warum e& unter alen ihren zahllojen Bekannten ge-
rade Natalie war, der fie ihHr ganzes Vertrauen {henkte,
war der Genanuten wohl jelbit am wenigiten verftändlich ;
— "aber die Commerzienräthin mußte . plößlid erkannt
hHaben, dak eS andere Freunde find, mit denen wir Uuns auf
eine angenehme Weije unterhalten, und andere, bei denen
wir im Unglüc Hülfe und Beiitand erwarten dürfen.

Sine innere Stimme: jcbien der ‚Commerzienräthin ge-
jagt 3zu haben, Ddaß fie bei Natalie von Dannenberg, auf⸗
richtiges Mitgefühl-jfinden werde. aund ihre hHäufig, wieder—
fehrenden Bejuche waren wohl der {prechenbite BYeiweis de⸗
fär, daß fie Aich in diejer Hoffnung nicht getäuſcht ſah.







Natalie empfing die troſtlos Nahende mit jener herz⸗
lichen Theilnahme, die das Vextrauen gleichſam Heraus-
fordert und die Commerzienräthin zögertedenn auch nicht.
der jüngern. Freundin riüchaltlos AneS mitzutheilen, was
fie befümmerte unDd ihr alle QebenSfreude benahm.

Sie Hagte in heftigen Worten ihten Gatten, Georg
den Hauslehrer, kurz Feden, ja felb{t den Himmel an, die
Kucht Leander3 und damit den phyiſhennnd moraliſchen
Untergang desjelben verjhuldet zu hHaben, und Natalie gab
fich alle Mübhe, der aufgeregten Frau das Unchriſtliche ihrer
Rede vorzuſtellen.

Umfonit ! G

_ ‚Die Commerzienräthin hatte auf alle VBorftelungen nur
die ftet3 mwiederkehrende Antwort: Der arme Kleine Hatja
nicht anders gefonnt. Von allen Seiten ift er zu ſeinem
Schritte gedrängt worden.

Natalie jah wohl ein, daß e& vor Allem des Bei-
ſtandes von Oben bedürfe, um dieſe im Weltleben verflachte
Seele ihrer Sethargie zu entreißen unD fie wieder Dden Sin-
wirkungen der Gnade zugänglich zu madhen; — jedoch ob⸗
jchom fie Woͤchen und Monate unter ihHren Bemühungen
jruchtlo8 verfireichen fah, 10 ließ fie nicht abzu hoffen, der
Himmel werde ihr. (hwieriges Mifjionswerk ſeanen und
ran Zur Lenne endlih zu der Einficht bringen, daß fie
jeBt nur ernte, was fie durch VBerjäumniß ihrer hHeiligiten
Fflichten und durch ihrereligöſe Gleichgültigkeit gefäet habe.

„Wenn ich nur wüßte, wo Sie die frommen Lehren
alle hernehmen, Natalie, mit denen Sie mich zu befehren
juchen,” jagte die Commerzienräthin eineS Tages, nachdem
die Genannte jich wieder einmal Mühe gegeben Hatte, ihr
den Nußen und den Eriolg eines gläubigen Gebetes recht
lebendig vorzuſteſlen. Ich bemwundere dieſe Bibelkenntniß
bei einer Dame.”

Gott felbit ſchict mir die Gabe der Beredjamfkeit,”
erwiderte Natilie, Lädhelnd, „um Sie von dem ichweren
6 zu. überzeugen, in den Sie ſeit lange verſunken
ind.”

viebe Natalia, Sie meinen es gewiß gut mit mir;
aber ich fann: nicht glauben, daß Gott ein: befonderes
Wohlgefallen daran hHaben wird, wenn ein Weltkind wie





— —



2 — 8 — » — A
ich, was Rcchts für den Himmel gethan Hat, ſich plöblich
entfchlieBen_ wollte wieder fromm zu werden⸗

Es wird mehr Freude ſein im Himmel üher einen
Sünder, der Buße thut, als neun und neunzig Gerechte,
die der Buße nicht bedürfen,“ lautet die einfache AWntwort.

„Nein, Jagen Sie das nicdht,“ wehrte Ddie Commerzien⸗
räthin etwas ungeduldig, „ich kan an die Wahrheit dieſes
— nicht glauben. Zuden fühle i mich unruhiger
Denn je, Daher würde es ein vergeblidheS Beginnen fein,
wollte ich jeßt anfangen über den ferneren Sinn des von
Shnen SGehörten nachzudenken.“

Und Natalie erwiederte

„Bedenken Sie e8 wohl. — In der exnſten Brüfung
unjeres; Innern und in der demürhigen Selbſtanklage vor
dem Priejter liegt der Friede.”

Darüber nahte das Weihnachts feſt hHeran.

Die Schneefloden wirbelten in dihten Schaaven 3ZUr
Erde; fie Nogen hierhinund dorthin und ſtaben eilig auch
in die entfernleſten Ecken der Straßen ! und Gärten, a1S
hätten fie ſich abgelprochen, bi3 zur feitlichen Geburt des
Corijttindes auch das Heinite Fledchen des Wweiten Crd-
boden3 mit einem weißen, feſtlichen Gewande zu bekleiden.

_ Oder war die Eile, Ddie die Schneefloden darin be⸗
zeinten, die Natur in die Zarbe der Unſchuld zu hüllen,
vielleicht gar eine ftumme Mahnung an die Chrijten, uu
ihre Herzen, durch Reue und Yuße rein Zu waſchen und
auf die Ankunft des Ertöfer vorzubereiten ?

Einige Tage vor dem Feſte ſaß Natalie mit ihrem
Bater in einem der behaglich durchwärmten Itäume der
Villa und plauderte mit ihm über Roland und wie ftill es
wohl lein würde wenn jeine fernern Studien ihn demnächſt.
kaͤch Stalien rufın würden.

Es mar dieS eine Hrage, die ſchon längerer Zeit
zwifchen den Bewohnern der Villa ernſtlich beſprochen


Seit einigen Vochen {hon hatte Roland nämlich ſein
Hiltoriiches Gemälde zur Breisbewerbung‘ in die Refidenz
geichictt, und faſt täglich konnte man die Nachricht über den
Ausſpruch der FJury erwarten,

da der dazu angeſetzte
Termin ſchon abaelaufen war.

(Sortjegung folgt.)


 
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