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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 11 - Nr. 20 (15. Januar - 25. Januar)
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Exſcheint tägkid,. Sonn- und FeiertagS ausgenommen.
SamftagS mit Unterhaltungsbeilage. Preis viertelſahrlich
M, 1.20 ohne Trägerlohn w Bojantichlag. Beſtellungen
bei den Poſtanſtalten u bei der Expedition Plöckſtraße 103,




jür Stadt


te

Anızige-Blatt für ſämmtliche Bezirte
des bad Unterlandes, Preis pro 1 ſpalt. Betitz
zeile 10 Bfg., bei Wiederholungen Rabatt.
Inſeratẽ finden die weiteſte Verbreitung.



Nr. 18.

Heidelberg, Donnerſtag, 23. Januar 1890.

25. Jahrgang.



Beſtellungen
auf den Pfälzer Bote für die Monate
Februar und März
werden ſchon jetzt angenommen bei der Poſt,
den Agenten, den Trägerinnen, ſowie in der Erpedi⸗
tion (Buchdruckeret von J. Schweiß, Plöckſtraße
Nr. 103.) — Wir bitten in Anbetracht der nahe be⸗
vorſtehenden Wahlen recht eifrig für möglichſt
große Verbreitung des Heidelberger Parteiorganes
wirken zu wollen.

Encyklica des hl. Vaters

über die vornehmſten Pflichten der
Katholiken als Bürger.
(Schluß.) ä

Viele hinwiederum laſſen ſich durch falſchen Eifer
verleiten, ſich in Angelegenheiten einzumiſchen, welche
ſie nichts angehen, oder geben ſich, was noch tadelns⸗
werther iſt, den Anſchein, es zu thun. Sie möchten,
daß die Kirche regiert werde, wie ſie es für gut
und erſprießlich halten, und gehen darin ſo weit, daß
ſie jede andere Maßregel nur mit Widerſtreben auf⸗
nehmen. Das iſt ein thörichter Ehrgeiz, der eben fo
ſehr Tadel verdient, wie die Handlungsweiſe der
Andern; denn dieſe Leute folgen nicht der rechtmäßi⸗
gen Obrigkeit, ſondern wollen ſie lenken; ſie verkehren
das Verhältniß zwiſchen Oberen und Untergebenen
und zerſtören die Ordnung, welche Gott für alle
Zeiten in ſeiner Kirche beobachtet wiſſen wollte, und
die daher von Niemand ungeſtraft verletzt wird. Jene
handeln am beſten, welche, ſo oft es noth thut, gern
und freudig auf den Kampfplatz treten, in der feſten
Ueberzeugung, daß Unrecht und Gewalt endlich ein
Mal dem Rechte unſerer heiligen Religion weichen
müſſen. Sie handeln mit dem Muthe der Chriſten
der Vorzeit, indem ſie die Religion zu ſchützen und
zu vertheidigen ſuchen gegen jene übermüthige Partei,
die zur Verfolgung des Chriſtenthums in’S Leben
getreten, den Papſt in ihre Gewalt gebracht und
nicht aufhört, ihn zu verfolgen; dabei aber trachten
ſie ſtets darnach, gehorſame Söhne der Kirche zu ſein
und thun nichts ohne Weiſung ihrer Obern. Dieſe
Art von Unterwürfigkeit, gepaart mit Muth und Be—
harrlichkeit, ſollen alle Chriſten haben, damit ſie in
allen Umſtänden an nichts Mangel haben. ) Daher
wünſchen Wir ſehr, daß in den Herzen Aller die
Klugheit des Geiſtes wohne, von welcher der hl.
Paulus ſpricht.) Sie bewirkt bei allen Handlungen,
daß man nicht zu viel und nicht zu weniß thut, daß
man nicht feige verzweifelt oder in Uebermuth zu
zu viel hofft. Es gibt aber einen Unterſchied zwi—

Schön Elschen.
Novelle von H, A, Banning,
Aus dem Holländiſchen überſetzt von L, v. Heemftede,

Fortſetzung.

Nun der Prinz die Flucht genonunen hat, iſt alle Hoff—
lung verflogen, die letzte Stüße gefallen, und nun werden die
Tranzöfijchen Abenteuer wie Heufjchreden über unjer Land herz
Yallen, um Alles abzunagen, was nod) von der alten Wohl-
Tahırt übrig geblieben ift.“

. „Unbd wir werden ſehen daß Jeder die Fahne nach dem
Winde hHängt, nachdem die Orangepaͤrtei gefallen iſt.“

‚ nSo geht e& immer, Man betet ftet8 das aufgehende Ge—

S „Daz habe ich leider noch heut Abend erfahren,“ bemerkte
vert in bedauerndem Ton—
„Da8 läßt ſich denken,“ ſtimmte Rynders bei, „demnn unter
M Geſellen hat ſchon lauge ein ſchlechter Geiſt geherrfcht,“
i Es mar aber einer dabei, Meiſter, von dem ich ſo etwas
t[;‘f)t erwartet hätte,“ fuhr Evert in gieichem Ton fort, „SE8
Qeu't mir Leid, daß ich es ſagen muß, doch eüer künftiger Schibie⸗
Tohn mar einer der HauptfoHreier,“

VBater Rynders blieb einen Augenblic {tehen, „Conrad !“ rief
” „das ift nicht möglich!“

„Sc verſichere eud), daß e& wahr iſt, Meifter !”
8 „Und ich wiederhole, daß es unımöglich ift,“ rief Nynders

‘Q‚O„bafür kenne ich ihn zu gut.“

8 59r werdet morgen anderer Meinung ſein. Ihr wißt ja,

Man auf der „Neude“ einen Freiheitsbaum pflanzen will ?“
— weiß ich, und es muß gerade vor meinen Augen
OL Nden, Doch ich ſchließe mein Haus, jo wahr ich Lebe, ich
ließe mein Haus !“
das „Seid vorfichtig, Meijter !“ mahnte Cvert, „Denn wenn

Olt erregt ift, fönnte e8 euch jchlecdht ergehen.“
vill — iſt meine Sache,“ verfeßte der Alte, „jedenfall8 aber

* die Schändlichkeiten nicht ſehen.“

wird eurer Tochter auch wehe thun, wenn ſie Conrad







er






ſchen jener Klugheit; welche im öffentlichen Leben,
und jener, welche im Privatleben angewandt wird.
Dieſe proͤnet das Leben des Einzelnen nach einem
vernünftigen Plane, jene findet ſich bei den Vorge⸗
ſetzten und vor allem bei den Fürſten, welche die Auf—
gabe haben, Andere zu regieren. Demnach beſchränkt
ſich die Klugheit der Einzelnen mit Bezug auf das
öffentliche Leben darauf, daß ſie die Anordnungen
der rechtmäßigen Obrigkeit getreu befolgen.? Eine
ſolche Ordnung muß vor allem in der Kirche herr⸗
ſchen; denn die Klugheit des Papſtes muß vieles
berückſichtigen. Er hat nicht allein die Kirche zu
regieren, ſondern er muß auch im Allgemeinen die
Haͤndlungen der einzeluen Glieder derſelben ſo ord—
nen, damit dieſe hoffen können, das ewige Leben zu
erlangen. Hieraus folgt alſo, daß außer der Ein—
tracht, welche alle Katholiken in ihren Geſinnungen
und in ihren Handlungen an den Tag legen müſſen,
ſie auch ganz beſondere Ehrfurcht gegen die hohe
Weisheit haben ſollen, welche die Kirche in der Ord—
nung und Geſtaltung aller öffentlichen Angelegen—
heiten bekundet. In erſter Linie nun iſt die Leitung
und Regierung aller kirchlichen Angelegenheiten Sache
des römiſchen Papſtes. Aber auch die Biſchöfe neh—
men daran Theil. Obſchon ſie nämlich nicht die
Vollgewalt der kirchlichen Regierung beſitzen, ſo
nehmen doch auch fie in der kirchlichen Hieraͤrchie in
Wahrheit Fürſtenrang ein; ſie regieren die ihnen an⸗
vertrauten Kirchen. Sie ſind „gleichſam die oberſten
Baumeifter ... des geiſtigen Gebäudes?9 Die
Aufgabe der übrigen Kleriker iſt nur die, ſie mit
Rath und That zu unterſtützen. So bringt es die
Verfaſſung der Kirche mit ſich, und kein Menſch
dürfte es wagen, ſie ändern zu wollen. Vielmehr
müſſen alle nach dieſen Grundſätzen ihre Handlungs⸗
weiſe bemeſſen. Wie daher die Biſchöfe ihrerſeits in
der Verwaltung ihres Amtes mit dem Apoſtoliſchen
Stuhle verbunden ſein müſſen, ſo müſſen alle Uebri—


mit ihren Biſchöfen handeln und wirken. — Wohl
mag cS vorkommen, daß auch in den Handlungen der
Biſchöfe ſich etwas finde, was weniger lobenswerth
ijft, und in ihren Anſchauungen, waͤs nicht gerade
allſeitige Billigung finden könnte: allein ſelbſt dann
dürfte der einfachẽ Gläubige ſich nicht herausnehmen,
zum Richter über ſeinen Biſchof ſich aufzuwerfen;
der Richter deſſelben iſt bloß Derjenige, den Chriſtus
der Herr ſeinen Schafen als Hitten vorgeſetzt hat.
Niemand ſoll je die weisheitsvolle Mahnung des
Payſtes Gregor des Großen vergeſſen, der da ſchreibt:
„Die Unterthanen ſeien eingedenk, daß ſie, ſelbſt wenn
in den Handlungen ihrer Vorgeſetzten ſie etwas
Tadeluswerthes erblicken ſollten, nicht freventlich zu
Gericht ſitzen dürfen über deren Handlungsweiſe; denn,

unter den Rädelsführern fieht,“ meinte Evert bedauernd.

Was hat Conrad mit den Tollheiten zu fchaffen!“ rief
der Meiſter zornig, „er haßt Alles, was damit zujammenhängt
nicht weniger als ich,“

Und ich kann euch die Verſicherung geben, Meiſter, daß
er heut Abend mit dem langen Govert und Audern abgeredet
4 morgen früh beim Errichten des Freiheitsbaumes mitzu-

eiern.“

Was ſagt ihr da?“ rief Rynders höchſt entrüſtet.

„So wahr ich lebe, Meiſter, ich rede die Wahrheit,“ be—
theuerte Cvert, „e8 iſt mir angenehm, daß ich euch noch recht⸗
zeitig warnen fonnte.“

Das wird ihm theuer zu ſtehen kommen,“ grollte
ders, der ſeine Ruhe ganz verlor.

Ich war auch wie aus den Wolken gefallen“, fuhr Evert
gleißneriſch fort. „Ia, den Fremden anı man nie ſo recht
vertrauen; aus Amfterdam kommen meiſt nur „Batrivten“,
Nun, er ift ja zum Gluck noch nicht euer Schwicgerfohn und
wird e& wohl auch nicht werden, wie?“

„Nein, beim Himmel, nimmermehr !“ rief Rynders.

Svert3 Augen glänzten vor Genugthuung,

Es wird wohl weit beſſer fein, mwenn eure Tochter die
Hra eine8 Manne8 wird, der hier geboren ijt, fo Wwie ich, der
von Alters her in gutem Rufe fteht und einen ordentlichen
Eroſchen mitbringen fann, um eine anfehHnliche Blüirger8frau
aus ihr zu machen, nicht mahr, Meifter 2“

Vater Kynders gab keine Antwort, Sr hatte vielleicht die
Hälfte Ser leßten perfönliden Empfehlung nicht verftanden, Er
mar verſtunnt hei der Mittheilung; fo etwas haͤtte er von
Conrad nicht erwartet.

„30 wohne hier“, bemerkte Cvert, al8 fie nahe bei der
„Neude“ waren, „ein nettes Haus, nicht wahr? Ich bir meiz




„Sut Nacht !“ verabfchiedete ſich Rynders, ohne ein weites
res Wort ſeinen Weg fortjegend,

Noch nie war der Meiſter der Schuſtergilde in einer ſo
ſchlechten Stimmung von der abendlichen Verjammlung zurücz
gefehrt, Kein Wunder: er fühlte ſich fowohl in jeiner hHäus-
lichen! wie in ſeiner politiſchen Ehre tief gekränkt Man merkte





mißhilligen zu können glaubten, würden durch ſolche
Selbſtüberhebung leicht ſchlimmere Uebel herbeigefuͤhrt
werden. Sie ſollen eingedenk ſein, daß ettwnige
Fehler und Verſchuldungen ihrer Vorgeſetzten ihnen
keineswegs das Recht geben, ſich gegen dieſelben zu
erheben. Und ſelbſt, wenn ſie ſehr Schlinimes an
ihnen wahrnehmen ſollten, ſo müßten ſie das in De—
muth ſo weit als möglich entſchuldigen und dürften
nie und nimmer die Ehrfurcht und den Gehorſain,
die Gott ſelbſt unter Androhung von Strafen ihnen
auferlegt, verweigern. . . . Selbſt, wo die Handlungen
der Vorgeſetzten Rüge und Warnung herausforderten,
müßten die Zungen der Unterthanen ſich vor allem
vorlauten und freventlichen Urtheil hüten.“ 5)

Doch umſonſt wäre alles Bemühen und un—
fruchtbar für die Zukunft, wenn nicht auch das Leben
der Katholiken nach den Grundſätzen des chriſtlichen
Glaubens eingerichtet wird. Von den Juden heißt
es in der heiligen Schrift: „So lange ſie nicht ſün—
digten vor dem Angeſichte ihres Gottes, war es gut
mit ihnen, denn ihr Gott haſſet die Ungerechtigkeit.
Denn, da ſie von dem Weg waren abgewichen, den
ihnen Gott gegeben hatte, daß ſie darauf wandelten,
ſind ſie von bielen Völkern mit Kriegen verderbet
worden. Das Indenvolk aber war ein Vorbild
der Chriſten; und in dem, was ſich mit ihm zutrug,
erkennen wir häufig das Bild zukünftiger Ereigniffe.
Dazu kommt, daß uns Chriſten Gott in ſeiner Güte
mit weit größeren Vorzügen und Gnaden ausge—
ſtattet hat ımd daß deßhalb die Sünden der Chriſten
einen weit ſchwärzeren Undank in ſich bergen.

Die Kirche wird zwar zu keiner Zeit und in
keiner Weiſe von Gott derlaſſen; ſie braucht ſich da⸗
her auch nicht vor der Verruchtheit der Menſchen zu
fürchten. Dies kann aber wahrlich den von dem Wege
der chriſtlichen Tugend abweichenden Nationen nicht
zur Beruhigung dienen; denn „die Sünde macht die
Völker elend!) Wenn jedes frühere Zeitalter die
Wahrheit dieſes Spruches vollauf erfahren hat, warum
ſollte das unſerige nicht dieſelbe Erfahrung machen?
Viele Zeichen deuten darauf hin, daß die verdienten
Strafen ſchon hevorſtehen, und eben dasſelbe beſtätigt
die Lage der Staaten, unter denen wir manche durch
innere Uehel zerrüttet, keinen aber in jeder Hinſicht
gußer Gefahr erblicken. Wenn nun die gottlofen
Parteien den eingeſchlagenen Weg kühn verfolgen;
wenn es ihnen gelingen follte, daß ſie eben ſo, wie
ſie durch elende Künße und noch ſchlimmere Abſichten
wirken an Macht und Hilfsmittel gewinnen, ſo wird
in der That zu befürchten ſein, daß ſie alle Staaten
aus den Grundlagen, welche ihnen von Natur geſetzt
ſind, herausreißen. Und wahrlich, ſolche Schreck—
bilder können nicht durch menſchliche Macht verhütet
werden, beſonders weil die ungeheure vom chriſtlichen
Glauben abgefallene Mehrheit dadurch die gerechten
es ihm gleich an, als er in das Wohnzimmer trat. Seine
Frau las, mit einem großen Kneifer auf der Nafe, in Vater
Cats, dem geliehten Nationaldichter des vorigen und vorbori—
gen Jahrhunderts; die Tochter, ſein einziges Kind, faß in
einiger Entfernung am Spinntocken einem SInftrument, das
allmählig zu verſchwinden begann, aber bei Rynders8 noch im-z
mer in Ehren gehalten wurde.

Ohne Frau oder Tochter zu grüßen, zog Rynders den
langſchößigen Rock aus und legte den dreieckigen Hut auf einen
Stuhl. Seine Frau nahm voll Erſtaunen den Kneifer von
der Naſe, legte ihn ins Buch und fah ihren Mann aufmerk—
5 — fehlt dir, Vater?“ fragte ſie.

Wie ſpät ift Conrad fortgegangen, Elschen 3“ wandte ſich
4 an ſeine Tochter, ohne die Frage ſeiner Frau zu beantz
worten.

Elschen erſchrack. Sie war den ganzen Adend ſchon auf—
geregt und unruhig geweſen, zum großen Erſtauuen ihrer
Mutter, die nicht wußte, was ihr fehlte, und eben deßhalb,
weil ſie fajt kein Wort aus Elschen hHerausbekommen fonnte,
ihren Troſt bei Vater Cats gefucht hatte.

„Schon ſehr früh VBater“, gab das Mädchen zur Antwort,
„ic glaube um vier Uhr.“

„Und wo ging er hin?“

Ich weiß e8 nicht, Vaͤter!“

Weißt du es nicht, dann will ich e& dir ſagen er iſt im
Criſpin“ gewefen.“

„Sit denn was Schlimmes dabei, Vater? meinte Els—
chen, die in ihrer Verwirrung das Spinnrad wohl doppelt ſo
raſch ſchnurren ließ, als gewöhnlich.

„Da iſt ſo viel SchlimmesS dabei, daß ich es lieber nicht
4 hHätte”, entgegnete Rynders, unruhig hin- und Her

ehend.
* „Bater geht doch jeden Abend ſeine Kanne Bier trinken“,
entſchuldigte Elschen,

„Das ift wahr,“ ſagte Kynders, „aber in anftändiger Ge⸗
fellſchaft und nicht unter Hallunken.

Fortſetzung folgt.)


 
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