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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 221 - Nr. 230 (27. September - 8. Oktober)
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*

——— tägli. mit Ausnahme der Sonn- uubd Feiertage,
S“mftagä mit Unterhaltungsbeilage. Breis vierteljährlich
. 1.20 ohne Traͤgerlohn . Poſtaufſchlag Beſtellungen



den Poftanfalten n bei der Expedition Zwingerfiaße 7.
— — ——

erantmwortlicher . Nedaltenr:
| NYulins Jeder in Heidelberg.












für Stadt




— — — —




Anzeigez-Blatt für die Anıtsbezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schwebingen, Philippsoburg⸗
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbadı,
Eberbad, Buchen, Walldürn, Biſchofoͤh Wertheint 2c.



— Berlag ı. Erpedition von Gebr. Yuber
in Heidelberg, Zwingerfirake 7.

26. Sahıg.







— —





— — —
Seftelungen * den „Pülzer
ote“

uen von allen Poſtanſtalten und Briefträgern,
wer voͤn unſeren Agenten, Trägerinnen und in der
dtion Zmwingerftaaße, Nr. 7 n0Ch fortwährend
Gegengenommen. Bereits erſchienene Nummern
Eden nachgeliefert.

— — —

e de5 oͤctm Brof. Ir. Ehüdler au6
Yandaw über die Stelung. der Eozialdemo-
fratie zur Yieligion.

Schluß.
Vas man jedoch unter dieſer Redensart: „Reliz
iſt Privatſache! thatfächlich verſteht, das
flar und deutlich ausgeſprochen in einer 1876
4 der ſozialdemokratiſchen Genoſſenſchaftsdruckerei in
hzig herausgegebenen und maifjenhaft in der
erxelt verbreiteten Schrift: „Culturkampf
VBolksihulkle in Preußen.“ Dort
UBt es:
{n „Wir betrachten die Religion als Privatfadhe und
don diefem Standpunkte aus nichtS dawider Haber,
jeder ausgemwachfene Menjh_ das Privilegium hHabe,
berechtiate fonfe{fioneNle Eigenthümlichkeit jeden
vau fen Zherdett einzubilden⸗
Nar 2 giebt Culinsforderungen, meınen wir, die freilich
„r—ä mit dem gegenwärtigen Kulturkampfe gemein Haben,
— — die Ionfejlionellen Vorurtheile weichen
. Und .mit. anumwundener Offenheit“ ſpricht die
Bartei wegen 1877 gegründete ſozialdemokratiſche
Öeitjchrift „Zukunft“ e& aus, „Daß ein G ottes:
Nanbe irgend welcher Art, und jet er noch 10
nu‘—‘ificirt, jublimirt, rationalifirt, uie-
i'“lß mit mahrer Demokratie vereinber
* da aber ohne ſoeinen Gott keine Lirche
h“glicf) iſt, daß auch jedwede Kirche im gukunfts—
Qat keinen Platz hat
Und nun, m. O., glaube ich ſehen Sie recht gut
4 waͤs e& mit dem ſozialdemokratiſchen Satze; Ne⸗
iſt Privatſache“ für eine Bewandtniß hat IO
ift e& nicht, wenn nicht eine bewußte un—
arheit, jo doch eine Ausflucht eine Ver—
genhetistedeusart? Und zu mwelchem
Ütede, mwenn nicht als Köder für Taufende und

5
Eicht und Ichatten. — verb.)
DOriginal-Novelle von Hans Yordaen5,







— Dat, als von Dir dazıu beauftragt, wie gefagt zum
ypten Male, bei unjerm Cafjiver eine Summe Geldes
ö..nßen, die, wernn auch an ſich nicht bedeutend, in ſeinen
yanden doch immer ein gefährliches Werkzeug bleibt, er
h.hene Seorg beftimmt, unbefümmert um die ſichtliche Ver-
jeine8s Bater3; denn er hielt es für eine unumM-
]I;“!ßlid;e Rilicht, von den gemachten Entdcdungen Mit⸗
— zu machen. — „E3 handeit ſich hier nicht um den
bmuit des Geldes,“ fuhr der junge Mann erregt fort,
608 zu ganz unglaublih (heinenden Ztweden verſchleudert
einzig und aNlcin um die Frage, welcdhe Folgen
36 Gandlungsweije Leander3 haben muß, wenn jeiner
be“aeflofinfeit nicht bald ein Damm gefeßt wird. — Seit⸗
M der englijche Cirkus in der Stadt — —“
har « Du Kehit, mwie in Allem, was auf den Jungen Bezug
auch hier wieder zu ſchwarz unterbradh der Banquier
%mehrenb jeinen Sohn. — „Hailt Du dem Caſſirer einen
xweis eriheilt?“ . .
Gr Au Schonung für Leander ihat ich das nicht,“ War
— Anfwort, „obichon i mid im Augenblik Dazu
m‘f\ld;t jühlte. Sch-3z0g jedoh vor, die nöthigen Berhal-
äu“laäma%regem, die zu geben fein werden, in Deine Hände
egen.”
„Dur thateſt out daran,“ erwiderte der Commerzienrath
großer Befriedigung, „ich wünfdhe nicht, daß der Junge
jes Mmeinen Seuten compremittirt wird; — Des mwürde
jem Anjehen {dhaden. — WaS ilt im Grunde daran ge-
‚n“n‚“ jügte er achjelzucdend bei, „ob er einige Goldſtücke.
* pder weniger derbraucht Dex Junge faßt nun eins
Tu“ dasz Leben von.anderer Seite auf, als Dıu. Nebrigens,“
eibr er jort und {trich mit jelbjigefälligen Lächeln_über
4 en woblgehfleaten Bart, „mache ich mir weniger Sorge
_ Qecanders ZThorheiten, alz Du; denn ich bin felbit in
Yas Her Iugend ein fNotter Burihe geweſen und das Leben
ar „ Mich doch - 3U einem aanzen Manne gereift. — Das
Y geht mit den Sahren.“

‘glit





Taufjende, die ſonſt, durch den vielleicht ſpärlichen
Reſt von religidjem Glauben zurücgehalten, vor der
Sozialdemokratie kopfſchen würden. Wäre es der
Sozialdemokratie Eruſt mit dem Satze: Religion iſt
Privatſache, daun müßte fie es doch einem jeden Ein—
zelnen ihrer Mitglieder frei {tellen, Atheiſt zu werden
oͤder nicht. Was iſt aber thatſächlich der Fall?
Sie wiſſen zu gut, daß beſonders in Berlin in letzter
Zeit von ſozialdemokratiſcher Seite mit Hochdruck da⸗
dauf Hingearbeitet wird, die Maſſen zum Austritt
au8 der Landeskirche zu bewegen beziehungs—
weiſe dafür, daß ſie ſich „konfeſſionslos! erklären.
Einen diesbezüglichen Auftuf veröffentlichte das gegen—
waͤrtige Hauptörgan der Sozialdemokratie, das Ber-
liner Voͤlksblatt!, dahin gehend, daß der Austritt
noch vor dem 1. Dezember erfolge, dem Tage der
Volkszählung, damit die Kinder dem Religionsunter⸗
richt entzogen werden. Auch die ſozialdemokratiſche
„Münchener Boft“ arbeitet für den Austritt aus der
Kirche, indem ſie „auf-CErjuchen“ die freidenkeriſchen
Arbeiter darauf aufmerkjam macht, daß denjenigen,
welche ihre Kinder den konfeſſionellen Religionsunter—
richt nicht Befuchen laſſen wollen! Gelegenheit zu
„einem freien Religionsunterricht“ durch die Freie
Religionsgemeinde geboten iſt Bedingung dazu iſt,
— das ſaͤgt aber die „M. P.“ nicht, daß die Eltern
aus ihrer Kirche austreten und ſich der ſog Freien
Religions Gemeinde anſchließen. Fremdenblatt Nr.
4492 I1. Sept 1890. Fn einer am 8 Sept.
abgehaltenen großen Verfammlung im Wahlkreiſe
Liebknechts in Berlin verlangte nach der Frkfte. Ztg.
der Programmredner u. a.: Auch der Satz Retis—
ion iſt Brivatfadhe“ müſfe aus dem Pre—
gramm geſtrichen merden. Es müſſe dirett
zusgeſprochen merden, daß jeder Genoſſt
aus der LCandeskirhe anszütreten hHabe“
Ein weiterer Redner bemerkt.: „Der Gottesglaube
werde bei überzeugten Sozialdemokraten
von felbſt fallen“, und ein dritter erklärte:
„Seder, Sozialdemokrat ſei jelbftver-
Händlich Atheiſt und Republikaner“. (BPfälz.
Volksbote Nr. 255, 14. Sept. 1890.)

In einer weiteren Verſammlung am 16. Sept.
die don über 2000 Männern und Frauen beſucht
waͤr wurde ebenfalls der Austritt aus der Landes—
firche behandelt und zwar von dem Stadtverordneten
VBogtherr. Die gewiß unverdächtige Münchener
Allgemeine Zeitung“, die ficher über den Verdacht
pfäffiſcher Geſinnung“ erhaben iſt, berichtet: Der
Kedner behandelte die großen Probleme






der Frage des Verhältniſſes in dem der
Menich zu Gott fteht, mit der ſüffiſanten
Sicherheit des Commisvoyageunr, dem noch niemals
die Boritellung. gekommen ij, daß €&
Dinge gibt die hHinter, jeinem Hoırizont
Liegen.“ „Hr. Bogtherr“, -fährt die Algemeine
weiter, „Deriührte das EChriftenthum al8
ſolches nicht direkft, ſondern wandte ſich
fonfequentermeije gegen jede Gottesverehruns,
und es machte einen wahrhaft empörenden
Sindruck, — die „Allgemeine ſagt dies — da ß
au8 der Naffe der ZuhHörer lauter Bei:
Fallaruf ertönte, als er mit Hohn die Mög-
lichkeit einer Exiſtenz Gottes überhaupt zurückwies.“
ML H. Schadenfrende könnte einem überkommen.
wenn man lieſt, daß die Münchener Allgemeine „ernit
und jorgenvoll“ darob geftimmt ijt, Ddenn war e$
nicht der Liberalismus, war es nicht die 10g. moderne
Wiſſenſchaft, die liberalen Profeſſoren, als deren Haupt-
organ die Münchrner „Allgemeine“ ſich 10 gerne
aufſpielt, welche auf den Kathedern den Unglauben
predigten , den Glauben an Goͤtt an die Unſterblich⸗
keit der Seele, an Gottes Ebenbild in ihr als Unſinn
erklärten, und die Abſtammung des Menſchen vom
Affen lehrten? Entſchuldigen Sie dieſen Seitenſprung,
höffentlich werden wir bei einer andern Gelegenheit
uns über den Zuſammenhang zwiſchen Siberalismus
und Sozialismus einmal augjpredjen fönnen. Bei
dieſen weift ſtürmiſchen Maſfenverſammlungen über

den Austritt aus der Landeskirche kanı man eine
recht iutereſſante Erſcheinung beobachten Während

von einer Seite frank und frei die Streichung des
Satzes: Religien iſt Privatſache aus dem Partei⸗
pogkamm verlangt, will die andere Seite ihn unter
allen Umftänden beibehalten wiſſen. Warum wohl?
Aus innerer Ueberzeugung? Aus Hochſchätzung gegen
die Religion? O nein! In der Sache iſt kein
Unterfchied, darin ſind die gemäßigte und die
ſchaͤrfere Tonart einig, es dreht ſich nur um die
Taktit.„Friſch heraus? ſagen die einen, znur laͤng⸗
jam“ die andern, ſonſt werden die Leute uns
fopfichen, es ſchädet der Partei. Wenn Dder
Boriioß- „ggen die Religion ‚in den
Jändliden Bezirkfen zu ftark betont wird,
würde die Bartei Anhänger verlieren,
meinte. der Redakteur Backe und am 8 Seßtember
wurde es ausSgefprochen, daß durch Aufgabe des
Sages: Religihn iſt Pripatſache den Agitatoren
jn kaͤtholiſchen Gegenden die Arbeit zu ſehrer
fchwert wiürde. Gerade jetzt aber ſoll die ſozial



















— — — — —



_ er Banquier bealeitete Jeine lebten Worten mit einer
Handbewegung, als wolle er damit zu verftehen geben, daß
er aus Sıfahrung wijje, die eben gerügten Fehler jeines
jüngiien Sohnes würden mit den Jahren wie Seifenblajen
berſchwinden.

„Du Hajft mich eben nicht ausreden, laffen,“ begann
®eorg noch einmal, einen leßten Verſuch mwagend, jeinen
— den Ernit der Sachlage erkennen zu lajjen. „Seander
befucht fajt 1äglich die VBoritellungen des engliichen Sirkus,
doch befundet er in der Leßten Zeit weit mehr Intereiie
für diejfe und jene RKeiterin, al3 filr die equilibriftijdhen
Rünite, die fie ausführen. Wie denkit Du über die Suhinit
Qeanders, wenn ich Dir jage, daß er den Hauptheldinnen
des Cirkus al8 Zeichen jeiner Bewunderung ſchon die ver⸗
{chiedenften Schmucjachen überreicht hat?

Georg alaubte durch dieſe letzte Mittheilung feinem
Vaͤter überidas gefährliche Treiben ſeinen Bruders genügend
die ANugen geöffnet zu haben. . }

Sn der That horchte der Banquier hoch auf bei Georgs
letzten Worten. ; ;

Einen Augenblick {hien e8, als erwäge er in Gedanken
die Bedeutung: und Tragweite des eben Gebörten, dann
brach er in ein helles Gelächter aus.

„Das iſt noch das Tollſte von allem, was der Zukge
bisher angerichtet hHat,“ fagte ex und legte zur Bekräftigung
feine Hand ſchwer auf einen Stoß Zeitungen. Ein ſolcher
Anirpe und dann ſchön den galanten Cayalier jpielen zU
wollen! Das muß. man fagen, er wird fih bei Zeiten Ddie
Sporen verdienen auf dem Felde der SGalanterie. Venn
ich.nur wüßte, wer den Jungen auf fo tolle Einfälle bringt!
— Anerdings3 ijt es noch etwas friih, um derartige. Koft-
{pielige Capricen bei Leandex ganz ſtiliſchweigend zu Dulden,“
meinte der Commerzienrath darn ‚in etwaS gemäßigterem
Tone, da ein Blic auf Georg ihn belehrte, Ddaß dieſer ſeine
Freude nicht theile. „Doch was wil man zuleßt Ddaran
ändern? Die Jugend muß ſich austoben. Das {häumt
und ſprudeſt Jo lange,. bis die ‚Zeit ganz langſam ihren
Dämpfer aufgefebt hat. — IO werde indeflen ein ernites
Wort mit Leander reden, damit der Junge nicht am Ende
glaubt, er fönne thun was ihm beliebt.”



— —





Die letztern Woͤrte fügte- der Banquier Hinzu, theils
zur-Beruhigung SGeorg?, anderntheils aber auch um RO
jelbft vielleicht auf einen Diejerhalb leiſe auffteigenden
Bweifel, die beruhigende Verſicherung zu geben, daß er die
väterliqme AYutorität nod ganz ungefhmälert in Händen
habe und fie fih auch jobald nicht würde entreißen laſſen

Bei aründliher Erforſchung der Sadılage hätte der
Commerzienrath. allerdbing? zu der Einſicht Fommen müſſen
daß Leander uur in den aherſeltenſten Jällen etwas An
deres that, al was ihin DHeliebte ; denn er als Water jah
d mit wenigen Ausnahmen immer in Ddie Rolle eines
Gebieter3 aedrängt, dem zwar dem Namen nach Ddie Ober⸗
Derrichaft zuerfannt ijt, Dder in Wirklichkeit jedoch nicht die
WMacht befigt, jeinen Willen als ein Gejeß geltend zu maͤchen

Der Commerzienrath war indefjen weit davon entfernt,
fich eine jolde Schwäcdhe einzugelfehen; Ddenn wie alle
Menjchen, Ddie davor zurücjheuen, In die Tiefen i{Yrer
Seele binabzufteigen, um doͤrt bei Längijt übertönten Stim-
men na dem eigentlihen Werthe 0der Unwerthe zu
forſchen jo Hütete ſich auch der Commerzienrath vor ieder
lafttaͤen Selojftprüfung,

(benjo wie jeine ©®emahlin hatte er für i die Ueber⸗
zeugung gewonnen, ſeinen Antheil an der Erziehungsfroge
den Anforderungen des Rechtes entjprehend zu verwalten.

„Laß nun dieje Geſchichte ruhen ſaate der Bandquier
nach-einer. kurzen Paufe zu - jeinem Sohne gewandt, Die
Sache wird jpäter Ddur mich felbit geregelt werden.
Romme jegt und ſetze Dih zumir; ich habe jehr Wichtiges
mit Dir zu beſprechen!

Georg gehorchte.

Er ließ fich in einen der umherſtehenden hohen Schn-
{tühle nieder und blickte erwartungsvoN auf ſeinen Bater,
der fo vernehmlich betonte, daß die Sache von beſonderer
Bedeutung jei, um deretwillen er ihn habe rufen laſſen.

„Handelt es ſich um ein Börfenge[häft 7“ fragte Georg
halb und hHalb -überzeugt, daß er mit dieſer Bermuthung
das Richtiae getroffen haben würde.

_ Der. Banquier ſchwieg noch immer.

Fortſetzung folgt.)


 
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