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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 271 - Nr. 280 (26. November - 6. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44151#1117

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erſcherat täglich, uit Auskahme der Sonn und Feiertage,
SanmıfiagsS mit. Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
M, 1.20. ohne Trägerlohn u. Boftanffehlag. Beftelungen
het den Boftantfialten ı. bei der Erpebition Zwingerfiraße 7.
Ber
Julin



— — — —
Beſtellungen

auf den „Pfälzer Voten für den Monat
Dezember werden noch fortwährend bei ſämmtlichen
Poſtanſtalten, bei unſeren Trägẽrinnen, ſowie in un—
ſerer Expedition Heidelberg⸗ Zwingerſtraße

entgegengenommen.
Die Ervedition

—— 4 —
det Lellet Uugult

ſetzt dem Bauern Hannes und ſeinem Schwager
Loͤrenz auseinander, was die Sozialiſten im Schilde

führen.






antwortlidher Nebakteur ;
g Yeder in Heidelberg.

|















VI.

Hannes: So, Better Auguft, ſetz' dich jetzt an
den Tiſch und laſſe dir's ſchmecken. Wünſche guten
Appetit!

Au guſt: Danke beſtens; wünſche ihn auch dir
und dem Vetter Lorenz!

Hannes und Lorenz: Danke! danke!

Luguſt: Und nun fahren wir weiter in unſerem
Discurz über das Gothaer Sozialiſtenprogramm.

Qorenz: Jetzt käme der fünfte Satz.

Luguſt: Jaͤwohl, und zwar der ſchönſte von
allen

Lorenz: Und der lautet?

EXuguft: „Die Reliston iſt Privatſache

Hannes: Privatſache? Was iſt das?

Ku guſt: Privatſache iſt Das, was ich nur für
mich allein habe, oder tHıre, z B., daß ich ſchnupfe,
das iſt Privatſache.
orenz: Oder daß ich rauche.

Hannes: Oder daß unſere alte Bas, die Anne⸗
mareı. mit der rothen Nas, allbot einmal ein Schnäps⸗
lein trinkt. ; ;

Auguft: Solche und ähnliche Sachen heißt man
Privatſachen.

annes: Nun, und die Religion? Soll dieſe
auch nur Privatſache ſein? *

Auguſt: Das haben die Sozialiſten ſchon Anno
75 in ihr Programm gefeßt : „Religion iſt Privat-
jache“. Und dieſes Jahr haben ſie auf ihrem Bartet-
tag in Halle ſogar noch einen Schritt weiter gehen
wollen. _ Sie haͤben erklären wollen, daß es bei
den Sozialijten gar keine Religion gebe.


Seidelberg, Sreita





an keinen Gott und an kein Jenſeits.

Was iſt dann der Menſch anders, als ein Thier,
wenn nach dem Tode Alles aus und vorbei iſt?
Qorenz: Mit ſolchen Grundſätzen werden die
Sozialiſten ſchlechte Geſchäfte machen.

Auguſt: Das ſehen ſie ſelber ein, darum iſt der
Antrag, die Religion gänzlich abzuſchaffen,, in Halle
nicht angenommen worden. Die Häuptlinge der
Sozialiften haben davor gewarnt und haben erklärt,
der Say: Die Religion iſt Privatjache“ müſſe im
Brogramm ſtehen bleiben. Und warum? Paßt auf,
wie ſchlau! Der Sozialismus — haben ſie geſagt —
niuß ſich noch viel weiter ausbreiten, beſonders auf
den Lande. Die Landbevölkerung aber hat noch
größtentheils Religion. Wenn wir nun kommen und
fagen, wir wollen die Religion ganz abſchaffen, dann
fioͤßen wir dem Bauer derart var dem Kopf,

Lorenz: daß er uns am Kragen packt und zur
Thüre hinausſchmeißt.

Nuguft: Wenn wir aber ſagen: Religion iſt.
Privatſache ſo iſt das im Grunde genommen das
Naͤmliche, der dumme Bauer aber merkt dann nicht,
wo das hinaus will. ;

Hannes: Holla! So dumm ſind wir aber noch
lange nicht, daß wir das nicht merken.

Auguͤſt: Hoffentlich! Es müßte ja Einer ſeiner
Lebtag mit Stroͤh und Diſteln gefüttert worden ſein,
wenn er das nicht merkte! Wenden wir mur einmal
den Satz: Religion iſt Privatſache auf das prak⸗
tiſche Leben an.

Ba Lorenz: Da
kommen.

Au gu ſt:

wird etwas Sauberes heraus⸗
Das werdet ihr gleich mit Händen
greifen kannen. Denkt euch 3. B. e& kommt ein Kind
auf die Welt. Was fordert jetzt die Veligion?
Lorenz: Ei, daß es getauft wird.

Auguft: Das beſorge aber nur gleich ſelber,
denn Religion iſt Privatſache! Sollte e& öffentlich
getauft werden, ſo gibt’3 eine ſozialiſtiſche Taufe.

Hannes! Haben die eine beſondere Taufe?

Muguft: Yın 11. Novbr. dieſes Jahres haben
ſie in einer Pariſer Vorſtadt 15 Kinder ſozialiſtiſch
getauft. Sie haben ihnen Schnaps ins Geſicht ge⸗
ſpritzt und eine rothe Mütze aufgeſetzt.

Hannes! Gottloſes Treiben!

Muguijt: Da feht ihr aber deutlich, weß Geiſtes







Haͤnſes: Daß fie alſo völlig religibnslos ſeien.
MHugu ſt: Freilich, das ſind ſie auch. Sie glauben

Eicht und Schatten. Mmand. verb.)
DOriginal-Novelle von Han 2 Jordaens.

72



Denn nicht 4* Liebe ſollte ſie einem Manne ihre
Hand reichen, ſo Hatte Kotand e& gewünfcht und ſo hatte
fie e& dem jungen Freunde ver{prochen.

In der lepien Zeit bejonders hHatte das fjeltfame Neber-
einfommen, Ddaz an jenem legten Wbend zmiihen ihnen
noch mehr ‚aber Roland ſelbſt

Der geringite Anlaß genügte, ſie mit befonderer Schärfe
den Berluft empfinden zu lafjen, den fie durch Rolands Ab⸗
reije erlitten; ja, es gab {ogar Stunden, in denen fie von
einer wahren Sehniucht nach dem fernen, brüderlichen

eunde fich erfaßt Fühlte.
* wie er, ſo zartfinnige Wufmerk-

Niemand verftand e$, w ;
ſamkeiien zu erweijen und mit aleich herzlicher Theilnahme

zu ihr zu ſvrechen

Roland weilte ietzt in Kom. . ;

Sn regelmäßigen Zwijdhenräumen langten die Briefe
aug Der ewinen Stadt in der Willa an, uNnd es$ war Ddem
räfidenten immer eine große Freude, aus den begeifterten
Schilderungen, die Roland von jeinem dortigen Seben zu
entwerfen wußte, den Sifer _ und die Lernbegier 3zU et-
fennen, mitdenen der junge Mann ſich dem Studium feiner
Kunft widmete.

Roland Hand drüben in nabem Vertehr mit mehreren
talentbollen, unaen Nünitlern ; man hatte ihm“ außerdem
Empfehlungsbrieje an einige der angejehenften, römiichen
TFamilien mitgegeben, die den deutichen jUNgeEN Maler mit
zuvorfommender Freundlichkeit aufnahmen, und in deren
'’Rreijen er bald ein gern gejehener Gaſt war !

Es fiel Natalie auf, das Roland in feinen Briefen
immer bejonders eingehend:
gräflichen Hauſes berichtete,
1i Kuünftler. und. Gelehrte zujammenfanden

“ BeionderS bemerkenswerth wollte e3 Jtatalie €
daß in diejen Bejchreibungen falt immer der jungen
deß Haujes“ erwähnt wurde,

Beiden aetroffen worden/
ihren Geift bejchäftigt.



Kinder die Sozialiſten ſind.

Beethovenfche Yuartette fpielte. Sie empfand wenig Be-
jriedigung über die beigefügte Bemerkung Roland3, daß
das vollendete Spiel der jungen Stalienerin ihn jedesmal
beſonders lebhaͤft an die meifterhaften Muſikvorträge er⸗
innerte, mit-denen Natalie Abends beim Schachſpiel den
Onfkel und ihn erfrıut Habe, ;
— Ql8 des Lräfident indeffen eines ZageS na Leſuns
eines jolden Briefes lacend erklärte, Roland_werde fih
ohne Zweifel die jdhöne Römerin mit nach Deutjchland
nehmen, beftritt Natalie ſo entichieden die Möglichkeit eines
foldhen, Ereigniffes, daß fie im Stilen über fich jelbit
jtaunte, wie beitimmt fie die gewiß nahe liegende Dermu-
thung zu entfräften ſuchte
Es war ihr in dem Augenblid, als ihr Bater die
jderzenden Worte{prach, alg müffe fie gegen ernitliche An⸗
griffe den Benb eines Gutes vertheidigen, das ihr allein
angehörte und das für fie von unfjhägbarem Werthe war.
Die ſeltſam beunruhigenden Gedanken, die fie jeit jener
Neußerung ihres Baters zuweilen befelen, wurden indefjen
daͤid wieder verdrängt durch die Sorge um das Wohl eines
Andern, dem fie im Stillen ihre Hülfe zugefagt hatte,
Natalie Hatte beſonders in den leßen Tagen häufige
Uaterredungen mMit der Commerzienräthin, Ddie öjter als
jon{t in der Wannenberg’ichen Billa erfehien. SGeorg, dem
die wichtige Miene der Beiden zulebt etwas auffällig_ er-
fcheinen wollte, bemübte fich vergebens, die möglihe Ber-
anlaflung zu diejen ernften Zwiegefprächen zu ergräünden.
Namfftetten, der zu derjelben Zeit niehrmals ohne Er—
folg den Verjuch machte, Natalie allein zu {predhen, ſah
‚in den ſſtets wiederfehrenden, langen Unterredungen der
beiden Frauen niht3 al3 einen wohlüberlegten Plan Na⸗
talien3, einem ernitern Gejpräche mit ihm auszuweichen,
und diefe Srfenutniß brachte ihn zu dem Entihluß, Kieber
abzureijen, obne:dag erfehnte Ziel erreicht zu hHaben, alg

Zeiten zu berauben.
Der junge Mann


. ließ ſich auch von dem einmal be-
Itimmt geäußerten Ent{chlujfe, das Haus ſeiner freundlichen
®aitgeber Mieder zu veranlajjen, weder durh die Wieder-
Holten Einladungen, des Commerzienrath3 und jeiner Frau,









Anzeige-Blatt für die Anıtsbeziile Geidelberg,
Ladenburg. Weinheim, Schwebingen, Philippsburg,
Biesloch Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbach
Eberbach Buchen Walldürn T⸗Biſchofeh. Wertheim 2C,

2—

Lorenz: Daran kann man auch abnehmen, was
in ihren Augen der Satz: „Religion iſt Privatſache!
für einen Werth hat.

Auguſt: Das ſollt ihr aber noch klarer erkennen
Alſo denkt euch, das Kind ſei der Mutterbruſt ent—
wöhnt. Jetzt wird es der Mutter genommen, wie
man der Kaͤtze die Jungen wegnimmt.

Qorenz: Ja wohin denn mit dem Kleinen?

Au guſt: In die ſtaatlichen Erziehungsanſtalten,
in die ſozialiſtiſchen Kinderſchulen, . Suppenhäwjer,
Kindergärten, Volksſchulen, Fortbildungsſchulen, Ge—
werbeſchulen, landwirthſchaftlichen Schulen u ] .
Es wird alſo den Eltern gänzlich und für immer
entzogen und in Anſtalten untergebracht, wo von
Religion abfolut keine Rede iſt, deun „Keligion iſt
Privatſache und hat in öffentlichen Schulen und
Anſtalten keinen Zutritt. ;

Hanne3: Aber ums Himmelswillen! Wo werden
denn die Kinder in der Religion unterrichtet?

Qorenz: Doch wenigſtens in der Kirche!

Auguſt: Weit gefehlt, Lorenz! Die Kirche iſt
ein offentliches Gebäude. und gehört demnach
dem ſozialiſtiſchen Staate. Dem gehört ja aller
Grund und Boden. *

Hannes: Und die Kirche? Wird dieſe nieder—
geriſſen?

Auguſt: O nein, aber ſie wird nicht mehr ver—
wendet zu öffentlichem Gottesdienſte, denn „die Re—
ligion iſt Privatſache? und nicht öffentliche Sache
Die Kirchen werden dann viel nützlicher verwendet
als Vorraͤthshäuſer, Scheunen, Viehſtälle, oder als
Vergnügungslokaie, Taͤnzſäle und dergleichen.

Lorenz: Es ſchaudert einen, wenn man nur
daran denkt! Aber möglich wäre ſolche Teufelei ſchon.
Ich habe jetzten Winter das Buch von der franoͤbſiſchen
Revolution gelefen. Damals haben ſie die Zempel
geradeſo geſchändet

Hannes: Wenn e& ſo weit Fäme, dann gäbe
es gar keinen öffentlichen Gottesdienſt mehr.

Auguſt: Und auch keine Prieſtex und Biſchöfe





mehr. Denn wo ſollten ſie herangebildet werden,
wenn es nur noch religionsloſe und goͤttloſe Schulen
gibt?

Lorenz: Dann würde ein gänzlich religionsloſes
Volk heranwachſen.

Hannes: Nein, Schwager, ſondern eine Heerde
von Beſtien, oder vielmehr von Teufeln in Menſchen—


Au guſt! Wenn die Sozialiſten durch eine grvoße
Revolution die Oberhand bekämen, da müßte uner-
noch durch das fortgefeßte Drängen jeine8 Zreundes, de
jeine Befürchtungen nach Möglichkeit zu entfräften ſuchte
wieder abbringen.. .

Er blieb dabei, e3S fei beifer, tie Sache nicht 3u über-
eilen, und er jei überzeugt, augenbliclich wenis Ausſicht
auf Erfölg zu haben. ?

Als Ramftetten am folgenden Zage um die Nachmit-
tagaftunde. in der Dannenberg’jhen Vila erfchien, um ſich
von den Bewohnern derfelben zu vernbjchieden, wurde ihn
von einem Diener der Bejcheid, der Herr Präfident jet
ausgeaangen und das gnädige Zräulein habe am WMorgen
eine YNeije angetreten, von der fie erft in wenigen Tagen
zurüdfehren werde Wohin fie gereift jei, wußte Dder .
Diener nicht anzugeben. \

Ramftetten {Ohrieb einen freundlihen AbjGhiedSgruß
auf jeine Karte, die er dem Diener einhändigte, und ent—
fernte ..

Sr hatte im Stillen gehofft, noch einen lesten jdönen
Abend in der Billa verbringen zu fönnen und vielleicht
durch einen Blik, einen Händedruk von Natalie verab-
ichiedet.zu werden. der ihn nicht fo ganz ohne Hoffnung

ieß

Nun erfülte fidh nichts von diefen lieblichen Zräumen,
und gedanfenvoll trat der junge Mann den Rückweg zur
Stadt an. .

Gebra war über Nataliens plöglihe Abreite nicht
weniger erſtaunt als fein Freund, und nur die Commer-
zienräthin: vermochte nichts YWuffäliges Ddarin zu finden,
daß Natalie, ohne ihHre Bekannten vorher davon 3zu benach-
ridtigen, ſich auf einige Tage von Haufe entfernte.

Wein Befter,“ fagte ſie zu Georg gewandt, „Du
weißt ja felbſt aus Srfabrung am Deften, mie tajch die
Nothwendiakeit einex Reiſe ſich herausſtellen fann, beſon⸗
ders wenn: man wie unjere Natalie jederzeit dereit ,
Andern zu beifen. Ich bin überzeugt, die Gute bezwedt mit
ibrer Sahıt aug jeßt nur wieder, Jemanden auf irgend
welche Att Freude zu madhen.“

„Sajt Jollte man glauben, Mamna,” fagte Georg bier mit











einem prüfenden Blig auf [eine VMutter, „Du Jeieft in diefem
jpezielen. Sal über Nataͤliens Abſicht genau informirt.”













































































 
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