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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 201 - Nr. 210 (3. Septmber - 14. September)
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8

Saa tüglich mi Musnahme der Sonns und Feiertage.
u 78 mit Unterhaltungsbeilage. ⏑ vierteljährlich
© * ohne, Trägerlohn m. Poͤſtanfſchlag Beftellungen

\ Poftanftaften u bei der Expedition Zwingerfiraße 7.














Verantmwortlicher Redatteur:
Inlins Jeder in Heidelberg.

|




Anzeige-Blatt fürdie Mmtsbezitke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Sehwebingen; Philixpsburg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Necfargemünd, MoSbadh,
Eberbach, Buchen, Walldärn, Z.-Bifchofsh. Wertheimt 2C.





— 2 —

2


















2

2

An &® Der „gall Clemenceau

2 wird in einem Theile der Preſſe zu
M M, gegen die behördliche Theatercenſur benußt,
Mr , n Den betreffenden Artifeln als eine nicht
* e Inftitution und ein Singriff in die
4 * reiheit daͤrgeſtellt wird. Bei allem Intereſſe
7 Frelheit und einem gründlichen Maße
A Seigung gegen verknöcherte buͤreaukratiſche In-
:I.% * Nen fönnen wir dieſe Angriffe doch nur in ge-
4 Maße berechtigt nennen. Bezeichnend jſt ſchön,
2 ‚o Diederum die am meiften naͤch links ſtehenden
ol < Tind, welche ſich über die Polizei entrüſten

A
“} doch halbwegs thun, als ob fie ertrüſtet feten.

2 * Clemenceau“ ift, wie wir ſchon ausführten,
2 dſie erſten Ranges welches die Religion

Loth zieht und die Unſittlichkeit verherrlicht,
euſche Sudelei, Dder kein ernſter Kritiker

¶ ecen iterarijchen Werth zuſchteben wird,
{ f M „ Bugfiück“ für die angehende rückennärter

'%bl Je}}nesse doree der Großſtadt und diejenigen
4 * Kreiſe, welche über die zehn Gebote hinaus

8 Olauben, an denen kaum bei Mönuylein und



4 noch etwas zu verderben ſein wird. Den-
4 Zuhörer und namentlich Zuhöreriunen aber,
7 4 Scham und Sittengefühl in ſich tragen,
2 44 Stuͤck die Rölhe in’8 Geſicht treiben, unver—
en Naturen kann es gefährlich werden durch
— Predigt des Evangeliums der Sinn-

Y Cin ſolches Stück an ſich zu vertheidigen
e mir jehen, fein Blatt den Muth, aber
\ s‚ßgr_efit man die Befugniß der Behörden, jpeziell
4 izei, an, eventuell Theaterſtücke aus dieſem

knem Grunde zu verbieten.

8 Polzei das richtige Oxgan zur Beuxthei—
( e Buläifigfeit oder Unzuläjfigleit der Aufführ⸗
* Bühnenſtückes iſt, erſcheint auch un8 als
d Ttaglich, jebenfallS giebt es in allen mit ftän-
eatern verjehenen Städten wohl andere, mehr
y Mutoritäten. Hier in Heidelb erg erxiftirt
p“ ädtifche Theaterfommijfion. Daß die
6 in Deutſchland eine beſondere Engherzigkeit
HN n Qulajffung von Dramen bewieſe, wird man
d nicht behaupten fönnen, viel eher könnte
Plr in Gegentheil reden, wenn man die Theater⸗
y Don Städten wie Berlin, München, Hamburg
14 Röln durchmuſtert; es kommen dort
ug Stücke zur Aufführung, die nach der An—
ſels eiues ſehr großen Theiles der Bevöl⸗




bedenklich ſind. Wenn man alſo keinen Grund hat,
der Bolizei in dieſem Falle den Vorwurf eines zit
großen Eifers im Streichen zu machen, ſo muß man
wohl die Cenfur an ſich angreifen wollen 110 dafür
jein, daß die Buͤhne das KRecht haben ſoll, Alles und
Fedes und verftoße e& nodf ſo ſehr gegen das Sitt-
fichfeit3gefühl oDder die Relktgion, undeanftandet auf-
zuführen. Theoretijch Mingt das jehr „freiheitlich“,
aber praktifch müßte es die abſcheulichſten Folgen nach
ſich ziehen, namentlich in unſerer Zeit.

Die Dramatik der neuern Zeit ſtagnirt faſt gänz-
lich befjere, ernſte Werke finden ſich kaum ; die Dichter
welche im Stande wären, ſie zu ſchaffen, laſſen die
Hände davon, weil ſie weder genügend Bühne zur
Kufführung derfelben, noch ein hindeichendes Publi⸗
fum finden, daͤs folche langweilige Stücke qoutirt.
Entweder das Dümnunfte aus dem Gebiete von Kalau,
der Kohl in Szenen und Akte gepflanzt, dawit das
Publikum „lachen“ und ſich „für ein paar Stunden
amüfiren“ fann, oDer. Verfängliches, der Sitte niehr
oder minder Hohn Sprechendes, fet.cS durch Worte,
durch Geſang oder durch Schauſtellung, Des Nackten
und Sinnenfigelnden das iſt die wodernſte Dra-
matif im Allgemeinen, welche Dem Geſchmack! der
obern Zehntaufend, die das eigentliche Theaterpubli⸗
fum bilden, enigegenkommen und dadurch den beſſern
Kreiſen? der Heutigen Welt in den Großſtädten ein
vielleicht verdientes aber wenig ehrenvolles Zeugniß
indireft ausftellen. Gäbe es keine Inſtanz, welche
wenigſtens in etmwa Schranken ſetzte e& würde als⸗
bald von ſehr vielen Bühnen nur mehr die nadte
Unzucht verfündet werden, ſo liegen die Dinge in der
That. Deshalb halten wir die Theatercenſur, wie
ſie in unfern Tagen in manchen, ja in den meiſten
Staͤdten gehandhabt wird für nicht zwecfent{prechenD,
au8 dem Grunde, weil fie unjerer Anſicht nach bei
Weitem nicht ſtreng genug verfährt, eine ganz weſent—
liche Verſchärfung läge ſoͤwohl im Interejje der dra—
matifchen‘ Dichtkunſt, wie der öffentlichen Moral.

Wo ſind die Zeiten geblieben, wo die Bühne eine
Lehrerin des Volfes war? Nur ſehr wenige unter
beſondern Verhältniſſen ſtehende Bühnen koͤnnen auf
dies Lob noch irgendwie Anſpruch machen, die meiſten
— behaupten wir ſind eher Verführerinnen und
Rerderberinnen des Voltes tragen zur ſittlichen Ver—
wilderung ſehr viel bei und reißen vielleich in einem
Abend dasjenige nieder, was Geiſtliche. Eltern und
Lehrer in jahrelangem, unverdroſſenem Arbeiten müh⸗
fanı aufgebaut hHaben.. Man ſpricht ſo viel von {ozialem
Mufbau, weshalb denkt man nicht an die Hebung des






Druck, Berlag ı. Expebition von Gebr. Yuber

in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.

— —










ſittlichen Standpunktes auf der Bühne? Was nußt
es in Berlin neue Kirchen zu bauen, wenn eine An—
zaͤhl Theater fiebenmal in der Woche das lächerlich
macht, waͤs der Prediger einmal auf der KNanzel,
jofern er gläubig iſt, den Zuhörer verfündet? Dem
Bühnenteufel muͤßte energiſch zu Leibe gerück werden
das heißt jener Bühnen welche, um Geſchäft? zu
mächen, die Leichtfertigfeit pflegen und das Sitten⸗
verderbniß fördern. Das ernſte Theater unterſtütze
maͤn naͤch Kräften, aber an die Bühne, wo die Sinn⸗
lichkeit ihren Thron aufgeſchlagen hat, lege man die
Art das wäre eine ſoziale That, wofür fommende
Generationen unſerer Zeit dankbar ſein würden, mö—
gen die Herren Preßleute von der Linken darüber
in Namen ihrer Afterfreiheit auch noch ſo zettern!
Wir werden aͤbzuwarten haben ob unjere Aufforder—
ung die Aufführung des Schandſtückes in Hedelberg
zu verhindern/ „feitens der Lokalpreſſe Unterſtützung
findet.



Dentſches Reich.

* Berlin, 11. Sept Nach einer Meldung der
Voſſ. Ztg.“ aus Liegnitz wird Graf Moltfe _ die
MAusitellungen in Bremen und Köln beſuchen und dann
direft zum Empfang des Kaiſers nach Kreifan reijen,
ohne den ſchleſiſchen Mandvern beizuiwohnen.

— Ühnter der Ueberſchrift Kaiſer WilhHel m und
die franzöfiſchen EClericaten! erzaͤhlt Der
„Hamb, Corr,“: Einer unjerer Mitarbeiter Iraf hirz-
{ich in der Schweiz mit einer Anzahl franzoſiſcher
Geiſtlicher aus Baris 1nd den Provinzen zujammen
und war erſtauut über das große Anjehen, welches
Kaiſer Wilhelur in clericalen Kreijen FrankreichsS, 3zu-
nächft . bei Der „ franzöfijdhen SGeiftlichteit, gemießt.
Diejes Anſehen iſt inı weſentlichen zurüezufihren auf
die Anregung Kaijer Wilhelns zur Ausgeftaltung 1110
Förderung der Arbeiterhubgejebgebung mit Hülfe
internationaler. Bereinbarungen, auf die {ympathifi-
rende Haltımg des Papftes zu Kaiſer Wilhelm und
feinen Beſtrebungen und auf die Hoffuung, Daß Über
furz oder laug die preußiſchen Gejege gegen die Lhä-
tigleit gemifjer Ordensbrüder bejeitigt DDer mindeſtens
in der Handhabung gemildert werden,“

* Breslau, 11. Sept. Das kaiſerliche Paar iſt
ım 2 Uhr hier eingetroffen und von der gejanımten
Seneralität und den Spitzen der Behörden empfangen
worden. Die Ehrenfontpagnie ſtelltẽ das Grenadier—
vegiment Mr. 11. Das kaͤiſerliche Baar hegrüßte der
Brinz Georg von Saͤchſen und der Korbstommandenr
Qemwinsti. Nach Abſchreiten der Ehrenkompagnie









— —











g
ü — —⏑
* Licht und Ichatten. — verb.)
rer DOriginal-Novelle von Hans Jordaen 8.


laͤchelte E . *
8 It Seorgs Beſuch nicht viel mehr ihr, als ihrem
— Bur Lenne will auf der Heimfahrt morgen

Alen ausiteigen,“ berichtete der Kutjcher noch, indem

N
oſt 16 jtraffer Hielt, Da Die

y Ctaehlichen Berjuch aemacht hatten, wieder anzu:



A „Habe ich dem Herrn etwas auszurichten ?“
d * men Sie einen @ruß mit zur Stadt, Chriftian.”
ber 88 werde ihn ausrichten, gnädiges Fräulen
; 4 E Bierde, endlich wieder freigegeben, Jauften Davon.
Slie {ah dem dahin fliegenden italzen Gefährt das

en I6 Vämmerung baid ihren Augen entichwunden War,
* MWeile aedankenvoNl nach und ſchickte ſich an, den

SO anzutreten.
egnl |Mche ba,“ Taote fie mit Hinlem Sächefn vor fi Bin,

e Ndie fich, um Das noch immer auf dem Gitter Hän-
| 5" fim„ U, an jihzu nehmen: „fait Hätte ich wieder meinen
48 itze Dier vergefjen. — Was würde Roland zu ſolcher
* Utbeit gefaat haben ?“
; 2. Kapitel. ; ;
„6 junge Dame flieg die Anböhe Hinunter. Seife
) ( Ü der Wbendthau nieder. — Dem bufttgeg Graſe
7 * eine erfrijchende Mühle und die nahen Sa8min-
4 14 trugen ihr aromatijhe Wohlgerüche entgegen.
) Geringer Entfernung von der eben beſchriebenen
0 ep “ iraf Natalie mit ihrem jugendlichen Degleiter
. 20 ( yöllfammen, der eilig {br entgegeniritt und bei
4* lebhaft Jagte:
2 1. Natakie, faſt konnte ich olauben, Du babelt
Tere IM4 hd)tlid; mit einem unbedentenden YWuftrage ausSsges
— meiner Sefeüchoſt enthHoben und auf der Ter—
— Weile —
— fchone Haupt,
ir ügte ich Dir nicht, mein Orlando furioso,“ begann
dem ihr eigenen ruhis ſanften Ausdruck der Stimme,




daͤß ich mein Tuch dort oben zurücdgelafien hätte, und
dasjelbe wieder an midh nehmen wole?

„Gemwiß thHateit Du das,“ heftätigte der FJüngling, „aber
wer bürate mir dafür,“ fügte“ er! mit? einem‘ foxidhenden
Blickẽ auf die Dame-an jeiner Seite hHinzu,„Daßı der ver-
ge{fene. Shawl, dir . nidt eine wilfommene Beranlafjung
war, Dich wenigftenZ auf furze Zeit VON Mir zU enifernen ?”

„Wie. bösartig Du fein Fkannit, Koland,” fagte die
Dame lächelnd und mit KHarenr Blicke ' zu den Sprecher
auffehend; „was that Deine Natalie ſchan mwieder, . um ſo
ſchwarze Gedanten in Deinem Herzen entſtehen zu-lafjen ?“

„Meine Natalie,“ miederholte der Iüngling feurig,
während er den Arm feiner ſchoͤnen Gefährtin feiter in den
feinigen zog. Ich danke Dir für diefes Wort C€$
jöhnt mich vollftändig mit allen früheren Zweifel wieder
aus.

Sprich nicht ſo albernes Zeug, Koland,“ fagte die
Dame anfdheinend in etwas unwiligem Tone

Sie-(öfte dasei wie ablidhtslos ihren Yrım aus dem
ihres Begleiters und pflückte von einenmt der ‚am Wege
itehenden: blühenden Sträucher einen Zweig, mit dem fie
ſich zu ſchaffen macte. —

Der SJünogling aber fühlte fich‘ gefränkt in jeinem
Mannesftolze. Die eben erfahrene Abweiſung von Seiten
jeiner- verehrien Freundin vexletzte ſein zart beſaitetes Herz
weit tiefer, al3 die Dame glaubven wochte

Schweigend, mit ummwölfter Stirn ſchritt er neben
ihr dahin.

„Suchen wir vor allem den Gärkner auf,“ begann Ia-
talie jebt mwieder in dem frühern, unbefangenen Ton. Ich
muß mit ihm über die Blumen und SGuirlanden {prechen,
die zum Namenstage unjeves lieben Papa’s beſchafft merden
Jollen, und da wollen wir. mit ihm überlegen,” fuhr fie mit
ihrem' gewinnenden Lächeln zu den FJüngling- gemandt
fort, „wie fich die Blumen und Aränze am Iunitfinnigiten
prdnen lafjen, um den Gefeierten zu überrajdhen. SCHt,
wo i® bei meinen Anordnungen einen Künitler zur Seite
hHabe, mwird die Ausfchmücdung von Papas Zimmer eine



ganz andere Gejtaltung annehHmen. ?
„Sch {telle mich ganz zu Deiner Verfüguns. Wo ich



Dir dienkich fein Lann; bin ich gerne dazu bereit,“ war die
in etmag Höjliche Form gekleidete. Erwiderung.

Natalte jchien die-Durch diefe Worte Hindurch. klingende
Verftimmung nicht zu bemerken, unDd ſie verftand eS, durch
anfcheinende Unbefangenheit und Heiteren Geſprächton mit
dem gebildeten. Frauen ‚eigenen Tatt über eine Situation
Hinivegzugehen, dıe ihr. peinlich zu werden droht

Roland aber waxtros aller m jonit. eigenen Gewandt—
heit n0ch zu menig bemwandert in Dder Rumit zu leben um
in Dder Art und Weije feiner welterfahrenen Freundin
etwas Anderes 3ı fehen, - als eine,, immer dentlicher zu
Tage. tretende Gfeichaültigfeit ihnı gegenüber, Die iIhn
verleßte.

Ein Mannn und vollendS ein Jüngling iſt überdies nie
{o bald bereit eine erlittene Beleidigung zu Vvergefien,. Der
Stolz, der für die , verwundete Ehre um {o. ungefilmer, eine
Senugthuung fordert, je weniger Broben dieje. Chre nod zu
beitehen Hafte, findet ſich Dft lange Beit im Nanıpfe mit der
Verföhnung, eher er ſich entſchließen wird dieſer mit klaren
Blicken die Hand zu reichen.

So auch hier

} KRoland-würde es fich jelbit jedenfals als eine under-
zeihlihe Schmäche angerehnet Haben, wenn, aı der ihm
zugefügten. Kränkung, eine furze Friſt hHinreichend geweſen
ware, ion vergeffen zu laffen unDd er zu erfennen gegeben
hHatte, daß auch-nur eine anjcheinende Unsgleihung Durch
die unbefangene Sprechweiſe der Dame herbeigeführt mwäre.
Sein Stolz verlangte;, wenn auch worhos gebührende Ge-
nugthuung, am mit Ehren aus dieſem Mampfe hervorgehen
zu fönnen. .

Kotfand von Gehren mar der Sohn eines zwar wenig
benittelten, - jedoch tüchtigen, Oiffizier3, und jeine Eltern
waren mit den Citern Nataliens ſchon in frühen IJugend»
jahren befreundet geweſen

Nuch an die erfte Begegmnung des jungen Banves' knüpfte
ſich die Erinnerutg:an die früheſte Kindheit, und dasſelbe
Kreundfhaftsband, das die Eliern vereinigte, . ihlang ſich
al8 eine anmuthige deffel um die Herzen der beiden Jugend
geſpielen.





Fortſetzung folat.)


 
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