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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 241 - Nr. 250 (21. Oktober - 31. Oktober)
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er⸗,
‚er








Gricheint tägli mir Augkahme der Somn- und Feiertage,
Samftags ntit- Unterhaltungsbeilage, . P reis bierteljährlid
ME 1.20 ohne Trägerlohn 11., Poftanffchlag.. Beftelungen
bei den Roftanftalten ı. bei der Expebition Zwingerfiraße 7,

Juliuz Yeder in Heidelberg.

Berautwortlicher — 3






fir Stadt



Anzeige-Blatt für die Auitsbezirte Heidelberg,

Ladenburg, Weinheim; Scwebirgen, Philippsbura, :
WieSlodj,Brachfal,-Bretten, Nedargemünd, Mo8hadı,. »
Eberbach/ Buchen, Walldäirn, Z.-Bifchofah. Werthein 3,





29. Ottober 1800.







— TE



G@8eel2060000020008
Beſtellungen


Navember und Dezember werden bei ſämwtlichen
Poſtanſtalten, ſowie in unſerer Expedition Heidel⸗
berg, Zwingerſtraße 7 entgegengenommen

Die Erpedition

Yicde des Hern Stadipfarrer Sik aus bitti⸗

htim ilet die Brefje.

Meine Herken! So ſehr ich mich durch den
ſchmeichelhaften Auftrag, in dieſer großartigen Kund⸗
gebung einige Worie an Sie zu richten, geehrt fühle,
ebenjojehr empfinde ich eine gewiſſe Beklommenheit,
als erſter in der Reihenfolge der Redner über einen
Gegenſtand zu ſprechen, der ſchon ſo oftmals in wahr
haft gediegener Weiſe behandelt worden iſt Und doch
liegt für mich vielleicht eine gewiſſe Berechtigung,
über die Preſſe gerade hier zu reden — Ddenn dies
iſt der mir gewordene Auftrag — darin, daß ich vor
mehr als einem Jahrzehnt an dem Hauptorgan un—
ſerer Parkei in der Reſidenz thätig geweſen bin In
jenen Tagen wüthete der unfelige, jeßt allgemein ver⸗
urtheilte Aulturkampf, der von Biſchöfen und Prieſtern,
Geiſtlichen und Laien, den Bewohnern der Kloſterzelle
und den Maͤnnern der Feder das Opfer des Geldes
und Gutes, der Freiheit und der Geſundheit, der
Heimaih und des Lebens forderte. Ein goldener
Sonnenblick in jenen trüben Zeiten war e3, einen
neueſtens vielgenannten Staatzmann zuerſt in feiner
vollen Bedeutung erkannt zu haben uͤnd deſſen Ein—
tritt in den deutſchen Reichstaͤg, der für ihn die
Stufenleiter zu noch hoͤhern Ehren werden ſollte, vor⸗
bereilen zu helfen. (Sehr gut!) Ueber die Noth—
wendigkeit einer Preſſe für unſere Sache zu ſchreiben,
heißt eigentlich Tinte vergeuden und über dieſe Noth-
wendigkeit zu reden, heißt eigentlich Waſſex in den
Rhein und Holz in den Wald tragen. Was ein
Gaͤrten ohne Bluͤmen, eine Roſe ohne Duft und ein
Sänger ohne Stimme, das iſt heutzutage eine Partei
ohne Preſſe. (Bravoh

Soͤlange Kloſtermärchen wie jenes über Barbara
Ubryt und das über die Nonnen in Neapel, einem
oft mehr ſenſatignsſüchtigen, als wahrheitsliebenden
Publikuim vorgelogen und ſolange Bullen in Betreff
der Papſtwahl in den Tagen Pius IX. und Jakobini⸗
ſche Waͤhldepeſchen, Noten des Vatikans gegen den

Eicht und Schatten, — verb.)
DOriginal-Novelle von Han Zordaens :





„Wie, ihre Eltern hätten Verluſte von Bedeutung ge-
habt? Mnd das in der letzten Zeit?“ fragte Georg ‘ in
hohem Grade intereffirt. „Ih geftehe, daß Zräklein Ca-
milla durch ihr äußereS Verhalten eine foldhe Bermuthung
nicht im Entfernteften auffommen 1öBt.“ — ;

„S3 überrafcht mich, zu ſehen daß Sie davon Nichts
Börten,“ waͤrf Natalie ruhig ein. ' „Die Nachricht curfirte
damals durch alle Blätter, da die Jamilie fih genöthigt
jah, wegen drängender Gläubiger einen Theil ihrer Zmmo-
bilien gleich zu veräußern; Durch eine Spefulation, die
Teider. mıBalücte, verlor Camilla’3 Bater über Nacht ſein


gurcb jein Unternehmen” bedeutend zu versrößern gehofft
atte.” :

Seorg wollte etwas erwiedern, ſein Erſtaunen feine
Theilnahme auzdrücen, aher der plosliche Eintritt Ca-
milla’3 unterbrach jede weitere Fortjegung des begonnenen
Se{präches. *

Seine Zrage nach dem Familiennamen Camilla’3 mußte
in diejem Mugenblit alfo auch unterbleiben, objchon Geora
* 48 ſoͤlcher Frage eben ietzt ſo günſtig ge—

ienen hatte

Bielleicht aber fand ſich im Laufe des Ahende dazu
noch ein pafjender . Moment. Jetzt gab es Anderes zu
deuͤten und. zu ſehen 1

Samifa hatte in ihrer ſtürmiſchen Art die ZhHüre geöffnet
und Hand, eine Hand anf die Klinke gelehnt, eine Sekunde
lang unbeweglich im, Singange, als ſei ſie durch einen un⸗
erwarteten- Anblick überraſcht

Georg‘ hetrachtete die ſchlauke Mädchengeftalt in dem
jommerfrijcdhen‘ Gewande mit jo warmer Theilnahme, daß
es Natalie nicht entging. ; ;

Der junge Mann erhob ſich um der Sintretender zur
Begrüßung entgegen zu gehen, doch Camilla, ſtatt ſich zu
zähern, ging ihm au dem Wege und jagte ſchmollend:

Waͤhrhaflig, wenn ich gewußt hätie daß Sie hier

Dreibund und Jeſuitenbriefe eines in Frankreich le—
benden Schottländers in einer ununterbrochen arbeit⸗
enden Tendenzfabrik äußerſt zweifelhaften Charakters
gefälſcht werden, in einer Abſicht, übex die man, ſo—
bald man ſie merkt, verſtimmt wird, muß der Ent—
ſtellung die Richtigſtellung! der Faͤlſchung der Thaͤt⸗
beſtand und der Lüge die Wahrheit entgegengeſett
werden Weil die Lüge,“ erinnert ſchon der Alt—
meiſter ©5the, „immer, wiederholt wird, iſt eS noth—
wendig, immer wieder von Neuem die Wahrheit zu
jegen!“. Geſchieht das nicht, ſei es aus Kurzfichtig-
feit, Gleichgitigkeit oder Pflichtvergeſſenheit, ıJ0 wer⸗
den dieſe Eintahsfliegen langweilig und die Zeitungs⸗
lügen über Kurz oder Lang ſich zu Geſchichtslügen
verdichten, ſo daß die bekannten drei Freunde mit
ihrer Arbeit des Widerlegens gar nicht zu Ende kom—
nien (Sehr gut)

Unter dem Motto: Man muß den Worten ihre
Bedeutung zurückgeben!, hat der vielbeleſenen vortheil—
haft bekannte Parlamentarier Dr. Auguſt Reichen—
ſperger ſeine Praſen und Schlag w örter”
alg ein Noth- und Hilfsbüchlein für Zeitungslefer
herausgegeben. Seit der erſten Auflage 1862 ift in
Folge der vielen Temperaturwechſel in den höhern
Regionen unſeres Staats- und Volkslebeus oftmals
eine Art Thau auf die journaliſtiſche Frucht und
Blüthenwelt gefallen, der hier ganz neue Geſtaltungen
in's Daſein rief, dort das friſcheſte Leben ertödtete
oder doͤch die auffallendſten Umbildungen zuwege
brachte. Der Scharfblick und die Unterſcheidungsgabe
eines Linné würden kaum ausreichen, um regelrechte
Ordnungin das Durcheinander zu bringen. Trotz—
dem hat ſeit dem Erſcheinen dieſes immer noch nicht
blos den Zeitungleſern, ſondern auch den
BeitungSmachern ungemein nützlichen Schriftchens
der Ausſpruch des damals öfters als jetzt genannten
franzöſiſchen Weltverbeſſeres Prudhoe, daß wir in
einer Zeit des marktſchreieriſchen Schwindels
lebten auch in unſern Verhältniſſen eine gewiſſe Be—
rechtigung, und haben wir bis auf den heutigen Tag
immer- noͤch die leicht zu wiſſende badiſche Eigenthüm—
lichkeit der politiſirenden Amtsverkündiger, von denen
wir den einen und andern wegen giftiger Angriffe
auf Kirche und Kirchliches faſt für eine Landplage
anſehen müſſen. (Sehr guth

Sehen wir in den Anfang, die Mitte oder das
Ende des Alphabets, überall begegnen uns Phraſen
und Schlagmwörter,“ mit denen man un8 be—
kämpft. In phraſenhafter Wendung uennt der Sätze—
drechsler Aberglaube Alles, was man bisher in dem
















in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.







Begriff „RKeligion“ zuſammenzufaſſen pflegte. Die
Origenes, Auguſtinus, Boſtuet und Leibritz haben mit
all ihrem Genie und Wiſſen einen längſt über⸗
wundenen Standpunkt“ inne; man braucht daher von
ihnen ebenſo wenig Notiz zu nehmen, wie von der
Bibel und dem Katechismus! So ſpricht die Phraſe

Phraſe iſt das Wort „Lehr= und Lernfreiheit,“
ſo laͤnge es ſich nicht vor Allem darum handelt, wa S:
man lernt, ſondern wo man lernt.

Phraſe iſt das Wort Zukunftsreligion; denn
ſie iſt die Religion derer, welche in der Gegenwart
keine haben und die zugleich darauf hinarbeiten daß
es in Zukunft überhaupt keine mehr geben wird.

Phrafen haft werden für zufällige Mißbräuche
Einzelner die allgemeinen Einrichtungen der Kirche
verantwortlich gemacht und die Kirche ſelbſt zu einem
Vorbild gemacht. Die Gebrechen! die ihren Grund
nur in der allgemeinen menſchlichen Fehlerhaftigkeit
und der Neigung der Menſchen haben, auch das
Beſte zu mißoͤrauchen und in den Dienſt ihrer Leiden—
ſchaften zu ziehen, der Sache ſelbſt zur Laſt zu legen,
dieſes widerfinnige, unbillige, ungerechte und unſittliche
Verfahren ſucht man uns gegenüber mit der Logik,
dem Anſtand, der Sitte und Gerechtigkeit in Einklang
zu bringen. Cebhaftes Bravo.)

Wie von der atnioſphäriſchen Luft ſind wir rings
von der Phraſe und Lüge umgeben; wir ſind an dieſes
weiche, ſchmeichelnde, tuͤckiſche Fieber ſo gewöhnt, daß
jeder ſcharfe friſche Windzug von den Höhen uns un—
angenehm berührt und wir gar nicht merken wie es
unſer geſundes Blut vergiftet, unſer Auge blöde, unjer
Ohr taub macht und unſere Manneskraft entnerdt
und tödtet. Da thut es noth, in Rede und Schrift,
in Verſammlungen und Preſſe, die Hohlheit der Phraſe
aufzudecken, dem Angriff die Vertheidigung entgegen—
zuſtellen, die Lüge zu entlarven und der Wahrheit
fort und fort Zeugniß zu geben. Was wir alle wün—
ſchen und verlangen, ſoll unſere Preſſe ausſprechen;
was uns alle drückt und plagt, darf nicht verhohlen
bleiben. Freimüthig müſſen unſere Blätter ſein. Die
ſolchem Freimuth entgegenarbeiten, machen ſich ver—
dächtig, daß das Bewußtſein eigener großer Schuld ſie
drückt; zwer recht hHandelt,“ fagt ſchon der große
Görres, „ſcheut nicht die offene Rede (Bravo:) In
Gedaͤnkenloſigkeit und Gutmüthigkeit haben wir Katho⸗
liken durch Abonnement, Inſeriren und Mitarbeiter⸗
ſchaft den Gegnern des Chriſtenthums bewußt oder
unbewußt die Arbeit des Speichentreters an dem Wagen
der Preſſe beſorgt Wir haben ſelbſt an jener Geißel
mitgeflochten, mit welcher wir heute unbarmherzig ge—

— —

















wären, Herr Zur Lenne und €S nicht einmal für! noth-
wendig hielten, mich von Ihrer Ankunft zu benachrichtigen,
jo waͤre ich gar nicht hierher gekommen . SO [heue: e
nicht, objhon, mich ‚bei dieſen Touxen zuweilen der Athem
im. Stiche laßt mehrmals bis auf den Söller zu {teigen,
"um nach Jhrem Wagen ausſeben und Sie, — wenn Sie
im Hauſe find, ſetzen ſich ruhig auf einen Stuhl, ohne ſic
im Gerinaſten nach mir umzufehen; — Eigentlidh jollteich
nur-gleich, wieder von da fortgehen, wo: ich ſo wentg. ge-
wünjcht, werde.” —

Bei dieſen Worten warf ſich Camilla in den zunächſt
{tchenden Sefjel, wandte den Kopf kokett zur Seite und
. bemübhte ſich überhaupt durch Annahme der dazu gehörigen,
malerijdhen Atttiüde, in ihrem Acüßern die Miene einer
Beleidigten zu Zzeigen. *

Natalie fand hei der Redeweiſe ihres jungen Gaſtes
abermals Gelegenheit zu der Bemerkung, daß fie niemals
in ihrem Leben ein junges Mädchen mit einer gleich. ftau-
nenswerthen Naivität angetroffen, habe.

Unbekfümmert um die Auslegung, die ihren Worten zu
— Theil werden fonnte, prudelten gleichfam die wunderlichen⸗
ſten Dinge über ihre Lippen

Georas Gedanken mochten ähnlicher Art fein; denn er
ſah mit einem Gemiſch von Theilnahme und Berounderung
zu dem jungen Mädchen Hinüber,. alS er ietzt mit leiſem
Lächeln erwiderte:

Sch ſehe Ihnen an, Fräulein Camila, daß es Ihnen
mit Shrer verftecten Drohung wentgſtens nicht .10 recht
ernſt gemeint iſt Warum wollten Sie mich ſo ganz ' un-
verdient ſtrafen indem Sie ſich meinen Augen entziehen?
Ich freue mich allzufehr, daß Sie endlich ſich blicken laſſen:
Abex jo-jehr ich auch auf Ihr Cr{dheinen aewortet habe,
durfte ich Sie doch nicht von meiner Unkunft benachrich-
tigen‘ lafjen,“ . fuhr'der junge Manı mit-Betonung- fort ;
denn wie ieichl hätie mir das van Ihnen den Vorpurf
ves Eigendünkels oder. der Selbſtüterſchetzune zuziehen
fönnen.; Zudem hätte die Meldung des Dieners Sie am
Ende nar in einer intereſſauten Beſchaͤftigung geftürt.“

„Dieje Befürchtung- Hk grundlos,“ erwiderte Camilla





ziemlich hocmüthig; „Ddenn wenn ich nicht will, laſſe ich





m’ c überhaupt nicht ſbren Uebriaenz jehe-ih,aus ihren
Worten, Herr Zur-Benne, dah Sie ein ſtaunenswerthes
Talent beligen, Undern nachzu]prechen:“

Sie beurtheilen mich falſch Fräulein Camila. Ich


Tadel, den Sie mir vor einigen Tagen ertheilten, Dei mir
nicht ohue Wirkung geblieben it.” , ..
Ach Hweigen Sie; — "als wenn i nicht hHörte, daß
Alles nur Sott ift. Seit wann ſind Sie hier ?”
Seit einer halgen Stunde, Fraͤulein Camila.”
ESeit einer halben Stunde!” wiederholte das junge
Mädchen erftaunt. „Michwundert, daß ich Sie im Garten

nicht gefehen_hHabe.” ;

Sie waren im Gaͤrten um dieſe Beit ?“

„Sch: fomme geraden Weaes dotrtheu?“

Matalie blicktẽ mit einem „eigenthiümlidhen Gefühl zu
den braunen ANugen ‚Hinüber, die {o. gefalfüchtig‘ bligen
fonuten.

Es war ihr, al3 müffe ſie Camilla des VYerrath3 an
der Freundſchaft beichuldisen und doch geſtand Sie ſichin
demjelben Lugenblick weldhes Unvecht ſie mit ſolchen Ges
danten an dem-arglojen Rinde beginge, das fFeine Ahnuns
von den Gefühlen der ältern Zreundin hHaben Fonnte.

Mit der ihr eigenen, tarten WillenZkrajt befämpfte
Natalie die auffteigende, leidenſchaftliche Erreguns und fagte
ruhis zu Camilla gewandt:

Ich fah Dich vorhin mit Deiner Mappe hinausSgehen,
Camila. Du haſt gewiß. im Gaͤrten gezeichnet.”

„Das heißt, ich hatte die Abſicht, zu zeichnen liebe
Natalie,” war die Autbort; „aber ich bin nicht einmal da⸗
zu gefommen, ‚einen, Anfang zu machen weil_ich draußen
leinen ‚pajfjenden Sig finden konnte. — Jı der einen Laube
Iag-eine Mofje dürrer Blätier auf dem Tiſch, ſo daß ich
nicht einmal einen Stiit hätte hinlegen Können, in _ einer
anderer behinderte mich das Sonnenlicht amı freien Sehen,
und in einer dritten endlich hatte eine jhrecdlihe Kreuz-
ipinne ihıe Wohnung aufgelhlagen. — S3 überlief mich
eiskalt bei dem unerwarteten Anblick, und ich war froh⸗
als ich nur wieder mit Heiler daut an dem Strauch.vor-
über war, an dem das Ungeheuer ſo mordbegierig Dakancirte.


 
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