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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 261 - Nr. 270 (14. November - 25. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44151#1073

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*

A

er
20

*











Erſchent täglih mit Ausrahme der Somt- nnd deiertege
SamftagS mit Unterhaltungsbeilage. Pıeıs vierteljährlich
ME 1.20 ohne Trägerlohn u. Poͤſtaufſchlag. Beſtellungen
bei den Boftanftalten n bei der Expedition Zwingerfiraße 7.









2 *

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xr 69 Berantmortliher Mebakteur :


















Julius Yeder in öii_beyrberg.
e508000800800082000200808
Beſtellungen

auf den „Pfälzer Boten‘“ für den Monat
Dezember werden bei ſämmitlichen Poſtanſtalten, bei
unſeren Trägerinnen, ſowie in unſerer Expedition
Heidelberg, Zwingerſtraße 7 entgegengenommen.
Die Srpedition.

Einen Appell an alle ſtaatserhaltenden Elemente

hat in der erſten Sitzung des preußiſchen Abgeord—
netenhauſes Reichskanzler und Miniſterpräſident
von Caprivi gerichtet! Wir haben die betreffen—
den Wendungen ſeiner Rede bereits im Auszuge mit—
getheilt, halten aber dieſen Ausſpruch aus ſo ein—
flußreichem Munde für bedeutſam genug, um ihn in
ſeinem vollen Wortlaute nachzutragen. Nach dem
authentiſchen Stenogramm des Reichsanzeigers“
führte der Redner aus:

„Wir werden von Jahr zu Jahr mehr, wie mir
ſcheint, zu der Ueberzeugung kommen müſſen, daß
gegenüber der ſtaatsgefaͤhrdenden Tendenz, die ſich
immer breiter macht, das Zuſammenhalten aller
ſtaatserhaltenden Elemente immer nothwen—
diger wird! Iſt das nun richtig, was ſind dann alle
die Fragen, die etwa hier Streitigkeiten, Mein—
ungsverſchiedenheiten zwiſchen den Par—
teien hervorrufen können, gegenüber den
Fragen, vor die uns die Sozialde mokratie
flelli? Was iſt die Deklarationspflicht, was iſt ein
Zuſammenlegen von Laudgemeinden und Gutsbezirken,
was ein Einfluß auf die Wahl von Voͤlksſchullehrern
im Vergleich mit den Fragen, die den
Staat vor Sein, oder Nichtſein ſtellen?
Und ſo möchte ich mit dem Appellan das hohe
Haus ſchließen, über den Rahmen dieſer Vorlagen
hinaus zuſammenzuhalten zur Erhaltung des
Staats. Wir haben große Kriege erlebt, und
zu den erfreulichſten und ſchönſten Seiten dieſer
Triege hat gehört, daß während ihrer Dauer alle
Parieien den inneren Hader vergaßen und alle
nur das eine Ziel hatien, das Vaterland Jetzt
ſtehen wir auch in einem Kriege, der in ſei—
nen Folgen nicht weniger hedenklich, nicht we—
niger gefährlich ift. Warum ſollte e& da nicht
auch möglich ſein, zu ſagen: Hier das Vaterland,
bei dem wollen wir ſtehen, für das wollen wir alle
inneren keinen Streitigkeiten vergeſſen.“





Dieſes Wort des Reichskanzlers ſollte vor allem
die liberale Partei, und nicht am letzten die in Baden,
ſich oftmals ins Gedächtniß rufen. Aber was wir
vor der letzten Reichstagswahl in Würzburg erlebt
haben, wiederholt ſich bei jeder neuen Gelegenheit.
Die Liberalen gönnen weit lieber einem ausgeſproch—
enen Sd zialiſten als einem ſog Ultramontanen?,
und wäre auch ſeine „ſtaatserhaltende! Geſinnung
über allen Zweifel erhaben, den Sieg bei den Wah—
len! Wie ſollte e& auch anders ſein können, Da der
Liberalismus der Vater des Sozialismus iſt!

det Vettet Aufift

ſetzt dem Bauer Hannes und ſeinem Schwager Lorenz
auseinander, was die Sozialiſten im Schilde führen
III.

Hanne3: Proſit, Vetter Auguſt! Verſuch' jetzt
einmal den Neuen

Auguſt: Der iſt gut.
der Sorte?

Haunes: Es paſſirt. Ich bin heuer zufrieden.
Drei Ohm und etwas darüber.

Auguſt: Ein famoſes „Arbeitsmittel“. Aber
wenn die Sozialiſten Herr werden! Hannes! Hannes!
Alle Arbeitsmittel werden Staatseigenthum, alſo auch
der neunziger Rothe.

Hannes: Bis dorthin So
ſchnell wird's ſchwerlich gehen.

LLorenz: Hoffentlich wird's gar nicht ſo weit
kommen.

Au guſt: Das hat der Bauernſtand am ſicherſten
in der Hand. So lange die Sozialiſten den Bauern—
ſtand, überhaupt die groͤße Maſſe der Landbevölkerung
nicht herumbringen, iſt all ihr Mühen umſonſt. Das



Haſt viel bekommen von

iſt er getrunken.


Lorenz: Wo denn?

Auguſt: Bei der Reichstagswahl in Würz—
burg Trotzdem das Soizaliſtengefetz am Oktober
gefallen iſt, die Sozialiſten alſo feſt agitiren

konnten und trotzdem ſie auch feſt agitirt haben, ſind

ſie doch beim erſten Wahlgange zurückgeſchlagen
worden.
Lorenz: Das habe ich auch geleſen.

Augu ſt: Und gerade die Landbevölkerung, gerade
die Bauernſchaft hat den Ausſchlag gegeben. Drum
aufgepaßt! Ich erkläre jetzt das Sozialiſtenprogramm
weiler, damit auch ihr bei kommenden Wahlen wißt,
wo ihr dran ſeid

Qorenz: Den erſten Sag habe ich mir wohl





Licht und Ichatten. —
DOriginal-Novelle von Han Jordaens.

61)



„Den Henker auch,“ rief er Heftig ausS, „Feine Jahres⸗
zeit zum Reifen. Iſt das vernünftig gejprodhen in dieſen
Augenblid? Wber ich wiederbole es: hr Frauen habt
Nichts im Kopfe, als Sure Schleppen, Blumen und Spitzen
und ſcheert Euch den Teufel darum, ob auch noch andere
Dinge zu überlegen find.” ; ; Ö

I3 der Commerzienrath ſich nach diejer energiſchen
Erflärung : auS dem HZimmer entfernt hHatte, fank fie in
jtarcem Entjeßen gegen die Lehne ihres Seſſels; denn fie
twar feit überzeungt, bei ihrem Gatten Spuren eines be—
ginnenden Frrjiuns bemerkt zu hHaben.

Ohne Zweifel rechnete er zu biel, .

Man hat ja on oft gehört, daß Leute bei fo an-
{trengender, geiftiger Bejchäftigung den Verſtand verloren
batten. 2 :

NochH an demſelben Tage konſultirte die Commerzien-
räthin im Geheimen ihren alten, erfahrenen Hausarzt
darüber, ob ihrem Gatten nicht eine Kaltwaſſerlux anzu-
rathen jei, was der Arzt zu ihrer Beruhigung entſchieden
verneinte; haͤtte die Dame indeſſen wenige Zage ſpäter den
HBanguier in ‚jeinem Privatblüireau beobachten fönnen, 10
würbde fie ohne Zweifel , neuen Grund zu ihrer Befjorgniß
gefunden haben; Ddenn der Commerzienrath ſchien wieder⸗
um von einer. heftigen Wufregung befallen zu jein.

Er ging mit auf dem Rücen zujammengeleaten Händen,

?icb Hinftarrend in dem eleganten Büreau auf
und nieder. } } }

Dann und wann blieb er ſtehen, als dränge es ihn
ordentlichH jeinem Zorn durch einige zu ſich ſelbſt geſvrochene
Worte Lufi zu machen, und in joldhen Augenbliden Ichien
die Falte auf der Stirne des Baͤnguiers ſich noch zu
vertiefen ; 48 *

Jicht man ſich dafür Söhne groß,“ hub er aufgeregt
an, um NMichts ais YWerger und Berdruß an ihnen zU er-
leben, wenn man glaubt die Früchte der Erziehung genießen



zu Fönnen ? in allzu nachfichtiger Bater bin ich gewefen.
E Her da8 joßl ein Ende nehmen ! Dieſem Schlingel werde









Anzeige-Blatt für die Amtshezirte Heidelberg
Ladenburg, Weinheim, Schwetzingen, PhilippSburg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbad,
Eberbach Büchen Walldürn T Biſchofeh Wertheinı 2C,

36.. Jadrg.












gemerkt: Im ſozialiſtiſchen Staate ſind
alle Arbeitsmittel Staatseigenthum.

Auguſt: Und der zweite Sag lautet: Der
ſoizaliſtiſche Staat regelt die Gejammtarbeit.

Hannes: Wie iſt dies gemeint, Vetter Auguſt?

Auguſt: Das iſt leicht zu verſtehen. Schau,
im ſozialiſtiſchen Staate wird e& ähnlich gehen, wie
beim Militär So lang der junge Mann zu Hauſe
iſt, kann er fchaffen, wie er will! heute dreſchen,
morgen ackern, übermorgen Holz machen. Iſt er aber
in der Kaſerne, ſo geht's nicht mehr nach eigenem
Kopfe, ſondern Alles wird daun von oben herab be—
fohlen und jeder Soldat hat ohne Widerrede zu thun,
was ihm befohlen wird.

Qorenz: Ob er will oder nit.

Auguſt: Und ähnlich wird's gehen im ſoziali—
ſtiſchen Staate,

Hannes: Potz Wetter! Da hatt gich keinen
freien Willen mehr? Da müßte ich mich täglich zur
Arbeit kommandiren laſſen! wie ſeiner Zeit der Feld—
webel uns kommandirt hat!

Au guſt: So ungefähr wird's werden. Denkt
euch aljo.z. B. euer Dorf wäre ein Stück vom ſo⸗—
zialiſtiſchen Staat. Da wäre dann an der Spitze ein
Comite oder Ausſchuß von etlichen Leuten, die alle
2—3 Jahre gewählt würden.

Hannes: So eine Art Gemeinderath.

Hu gu jft: Meinetwegen. Dieſer Gemeindeaus—
ſchuß gibt alle Tage Befehl, was gearbeitet wird. Er
kommandirt die einen zum Drejchen, die andern zum
Mähen/ die andern zum Säen, die andern zum Miſt—
führen oder zum Süllen. Hier geht ein Trupp zum
Aepfelbrechen, dort eine Partie zum Moſten, wieder
eine andere zum Traubenleſen.

Hannes: Da wirds ſchöne Händel abſetzen,
Denn wer möchte nicht lieber zum Moſten comman-
dirt werden, als zum Gülleführen!

Au guſt: Da haſt dır ganz recht, Hannes Aber
davon reden wir nachher noch ein Wörtlein. Vorerſt
will ich vollends auseinanderſetzen, wie „Dder ſoziali—
ſtiſche Staat die Geſammtarbeit regelt.“

Qorenz: Alſo, wie geht’S weiter?

Augu ſt: Schau, der Gemeinderathsausſchuß kann
nicht machen, wie er will Der bekommt wieder Be⸗
fehl vom Bezirksausſchuß. Und dem Bezirksausſchuß
wirds vorgeſchrieben vom Provinzialkomitee und das
Provinzialkomitee hat ſeine Weiſung vom oberſten
Centralcomitee.

Lorenz: Das Centralcomitee wird ungefähr das












ich die Daumſchrauben aufſetzen!

Der Commerzienrath hette in der That eben in letzter
Beit an ſeinen beiden Söhnen viel Berdruß erlebt, wenn
man das augenſcheinliche Mißlingen ſeines Planes, die
Vermählung SGeorg3 betreffend/ voͤn der Veranlaſſung zu
ſeinem Verdruſſe nicht ausſchließen will.


{chäfte mit vieler Umflicht zu Ende geführt, ſeinem Bater
plötzlich die Mittheilung gemacht, daß er ſich der Reiſege—
fellſchaft anſchließen werde, mit der er ſchon von Sputhamp—
ton aus die Fahrt nach Netv-York zurücdgelegt habe. —
Er hege weniger, als jemals den Wunfch, ſich zu ver—
mäbhlen, und er hoffe nach einem halben Jaͤhre mit Kennt—
niſſen bereichert in das elterliche Haus zurückzukehren.

Daß ein gemiffer Brief, der mit Poſtſtempeln bedeckt
endlich in New ork wieder hei ihm anlangte, die Haupt—
anregung zu feinem Entſchluſſe gegeben, Hatte Georg aller-
dings nicht geſchrieben.

Aber obſchon der Zorn des Vaters über „den Eigen—
ſinn ſeines Welteften” noch lange nicht verraucht war 10
galt doch die Heutige ANufregung, in der wir den Banquier
fanden Hauptjächlich Leander oder vielmehr deſſen iünaſten
Streichen.

Dem Commerzienrath war nämlich zu Ohren gefommen,
daß Leander dem er ſtreng unterſagt Hatte, jemals wieder
den engliſchen Sirkus zu.betreten, nicht nur trotz dieſes
Verbotes die Vorſtellungen daſelbſt ununterbrodhen heſucht
Hatte, ſondern daß er der ganzen Kuniftreiter-Gejellichaft
des enaliſchen Cirkus, der vor einigen Tagen die Stadt
verlaſſen batte, die Reiſe bis zu dem ziemlich entfernt ge—
legenen Beſtimmungsorte bezahlt Hatte.

— Mun fah er wohl ſelbſt ein, daß er feine ganze väter-
liche Autorität aufbieten müffe, um der wahnfinhnigen Ver—
ſchwendunas ſucht Leanders endlich ein Ziel zu ſetzen

Leander mußte. fort aus dem Haufe.

Er mußte unter ſtrenge gucht kommen, um gewaltſam
zur Befinnung: gebraͤcht zu werden, } {

Das Einfachite war, er brachte ihn auf ein Schiff, das
Jängere Beit zu ſegeln hHatte ; während einer Jabrt um die
Welt würde ſein Uebermuth ſich ſchon abkühlen.





- — — — — — — — —

Aber Leander durfte von dieſer Abſicht Nichts merken;
— bder Junge wäre inı Stande, ihm zu trotzen und weigerte
ſich am Ende mitzugehen.

Und ſeine Zrau ? : .

SFreilich, fie würde außer ſich ſein über ein ſo ener⸗
gijhens VBorgehen. ‘ i

Indeſſen ſie durfte hier gar nicht gefragt werden

Es war befjer, fie erfuhr erſt die geſchehene Thatſache:
fie würde ſich dann {hon in das Unabänderliche hinein⸗

finden.
Sehr vorſichtig aber wollte er dabei zu Werke gehen,
damit der Vogel ihm nicht am Ende noch unter der Hand

entſchlüpfte

Als der Commerzienrath bei der Mittagstafel mit
jeiner Frau und Leander zujammentraf, zeigten- ſeine
Mienen die. gewohnte Ruhe und ſein Acußeres verrieth
überhaubt Nichts von dex heftigen Aufregung des Norgens

Leauder glaubte indeſſen trotzdem zu bemerfen, daß
ſein „Alter“ ihn während des Diners zuweilen mit einent
inquiſitoriſchen Blide” anfehe und das war ihm undehaglich.

Sollte der „Alte“ am Ende ſchon Wind befommen haben
von den Borgängen der letzten Woche?

Eigeritlich Ließ ſich das kaum denfen;, aber tIroßdem
war e& möglich, daß irgendwo ſich ein Berräther gefunden
hatte, und war €3 {o, dann „mwar die Geſchichte ſehr faul.”

Leander, in ſeinem böjen Gewifjen, glaubte der an—
jheinenden, väterliden Ruhe nicht J0 vecht trauen zu
dürfen, und er nahn ſich im Stillen vor, noch am Nach⸗
mittage bei einem Gewährsmann darüber Erkundigungen
einzuziehen, ob man ihn dem Alten wegen der Iumpigen
paar Thaler, die der eigenmächtig auszugeben ſich erlaubt
hatte, angezeigt habe.

Nachdem auch der Nachtiſch jervirt, und des diner
beendiat war faͤltete der Banquier Eine Serviette zu⸗
4 nid ſagte im gleichguültigften Tone zu ſeiner Frau
gewandt:

„ „ habe für morgen eine Geſchäftstonr vor. Habe
die @üte und ſorge dafür, daß unſere Handkoffer für eine
mebhrtägige Abweſenheit gepadt werben : Leander wird mich
begleiten.“ Fortſetzung folgt.)


 
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