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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 141 - Nr. 150 (24. Juni - 4. Juli)
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Exſcheint taglich mit Ausnahme der Sonn und Feiertage.
SamftagS mit Unterbaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
Mt. 120 ohne Trägerlohn 11. Poftauffhlag. Beſtellungen
— den Poftanftalten u./bei der Expedition Zwingerſtraße7.







Anzeige-Blatt für die Aıntsbezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schwegingen, PhippSbhura,
Miesloch, Bruchfal, Breiten, Nedargemiind, MoSbach,
Eberbach Buchen Walldlitn, T Bilchofsh. Wertheimuee,














— —



Verantwortlicher Pedaktenr:
Julius Jecker in Heidelberg








Seidelberg, Sreiog, den 4 Zl 1800



7 7
Druͤck Berlag ı. CExpeditionvon Gebr guber
in Heidelberg, Ziuingerfiraße 7. .}

2






Beſtellungen
üuf den „Pfälzer Boten werden bei Jämmtlichen
Vſtanſtalten {owie in unſerer Expedition Heidelberg,
wingerſtraße 7 entgegengenommen.
Die Ervedition.

Die deulide —

Großer Schmerz herrſcht in den Kreiſen, wo man
8. gewöhnt hat, die Colonialpolitik des deutſchen
Reiches ſo aufzufaſſen, als ob wir in Afrika einfach
Vecht viet Land an uns ziehen könnten und ſollten—
Der Schmerz wird hervoͤrgerufen durch den Colonial-
ertrag, den das DutjchHe Reich joeben mit
@nglanb geſchloſſen hat Wir haben in dieſem
Sertrage große Gebiete unſerer bisherigen afrikaniſchen
Schubländer an England überlaſſen, darunter beſonders
e Infel Sanfibar mit ihrem längſt gezähmten
ullan; dafür haben wir unter Anderem die Inſel
Delaoland erhalten. Das iſt aber nur ein kleines
tückchen Erde, wenn e8 allerdingS por der Elb—
Mündung liegt, als letzter äußerſter Neft des großen
Iyſelkranzes, der einſt der deutſchen Nordſeeküſte vor—
Sclagert war und vom Weere berets fajt ganzg ver-
(Olungen. ijt. Für unjer nationales Empfinden iſt
elgoland wohl ein ſehr erwünſchter Erwerb, aber
Diejer Erwerb wird mit großen Geldopfern bewahrt
Werden müfjen. In Coloninalkreiſen, beſonders in ſüd—
beufid)en, herrfcht nun großer Schmerz über die Ab—
tetung . großer oſtafrikaniſcher Gebiete an England.
die „llg. tg verfteigt ſich ſogar zu der fuͤr ein
Nationalliberales Blatt kuͤhnen Behauptung: in weiten
Xreijen, wenigſtes Süddeutſchlands, habe zum erſten
Male feit den Jahre 1870 der. Glaube an die welt—
Bejchichtliche Uebertegenheit der Berliner Staats -
Unft eine ernſte Erichütterung erfahren.
Ein Herr, der mit Major Wißmann auf Ddefjen
Deimkehr. durch Tyrol reifte, fagt im 7
ißmann meinte, daß ſeitens Deutjhlands an
ÜMern das denkbar Möglichſte geleiftet worden ſei.
Sanſibar ſei für Deutſch⸗Sſtafrika von derſelben Be—
Lui. wie Helgoland für die Elbe, Eider und Weſer
Die ganze Kuͤſte ſei zur Zeit und wohl auch noch für
ange Beit von Sanjibar abhängig und in Sanſibar
COncentrire ſich der Hauptſchwerpuͤnkt für Oſtafrika.
Dieje Anficht ſcheint uns ſtark übertrieben, wie auch
L Direktor der deutſch⸗Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft,





Vohſen in der „Nationalztg.“ ſoeben erklärt hat Er
meinte: Sanſibar ſei aͤllerdings bisher, weil die
politiſche Hauptſtadt des Feſtlaudes, der Hauptplatz
geweſen, wir koͤnnen aber auch ebenſogut auf Deutichem
Bo den einen ſolchen Platz fchaffen. Die wirthſchaft—
liche Bedeutung Sanſibars als Handelsplatz Oſtafrikas
ſchwinde von dem Augenblicke an, wo es von dem
Feſtlande politiſch getrennt, das producirende Feſtland
dem großen Handelsverkehr erſchloſſen wird und eine
die Feſtlandhaͤfen direkt mit Europa in Verbindung
ſetzende Dampferlinie dieſelben in den Genuß größerer
Vortheile ſetzt, wie ſie die Inſel Sanſibar jetzt genießt)
Freiherr v. Gravenreuth, Wißmanns Genoſſe,
ſoll ſein „ſchmerzliches Erſtaunen! über das Abkommen
ausgedrückt haben. In die Abtretung von Witu
könne man ſich am eheſten finden, höchſt bedauerlich
aber ſei die Preisgabe lgand a’ S, welches wohl die
werthvollſte Landſchaft Oſtafrikas und zugleich den
Schlüſſel zum Herzen Afrikas darſtelle, doppelt be—
dauerlich gerade im gegenwärtigen Moment, wo durch

Dr Peters Erfolge dort für uns eine ſo außer—
ordentlich günſtige Lage geſchaffen worden ſei, und

Emin Paſchals Zug, eine bedeutungsvolle Verwerthung
dieſer Lage verſprach. Das Allerſchlimmſte aber ſei

die Auslieferung Sanſibars an die Engländer. In
der nationalliberalen „B. Landesztg.“ ift gar eine

ganz raſende Oppofition gegen das deutſchrengliſche
Abkommen ausgebrochen Yın 25. Juni hat dort ein
Muſterpoet folgende Reime geleiſtet:
„O deutſchex Michel, blamirter,
— Was mwilhft du in Afrika?
Als Modr, alS angeſchmiefter,
Stehit du jebt felber da !
Du hielteft. ein Negerpalaver
Mit enaliider Arroganz —
O dentſchẽer Michel, dır braver,
Das nennt man „Belle-Alliance!”

En Rumpf von Englands Gnaden
Blieh dir als todter Keft,
Faſt möcht ich felbit dir rathen:
GSeh’ hHeim in’8 alte Neſt!
Dort hHinter'm Sachlenwalde
Sibt Einer, der Manches ſchon ſah,
Kopfſchültelnd murmelt der Alte;
Lanoffain Afrikalt
So ſpricht jetzt dieſelbe Richtung, welche einſt jeden
Tadel an Handlungen der Reichsregierung als Hoͤch—
verrath und Reichsfeindſchaft ‚brandmarkte. Ein ſäch—
ſiſches Cartellblatt, die „Dresd. Nachr.”, hat erzählt,
Staatsjefretär Bismarck, des großen VBaters Sohn,
habe i. &. 1866 einen „argen Bock“ , gemacht, der

Hun das nunmehrige Abkonmen zur Folge haben mußte.



Wäre alſo von einem „Canojja“ zu ſprechen 10 trüge

das Haus Bismarek“ Ddie Schuld Wir meinen
aber, Ddie natiönalliberale Preſſe hätte allen Grund,

die Namen Bismarck? und „Canofja“ nicht
einander zu ſtellen Verſchiedene Zeitungen bringen
einen großen Aufruf mit der Neberfchrift : Deutſch—
land wach' auf“, worin — vorſichtiger Weiſe - aber
ohne jede Unterſchrift — zu einem Maſſenproteſt
gegen das deutſch-engliſche Colonialabkommen aufge—
fordert wird.

neben

Schluß folgt.)

Deutſches Reich

Berlin,? Juli! Geſtern unterzeichneten hier
Capribi uu der engliſche Geſandte Sir Malet das
Deutfh-englifdhe Abkommen — Die Hochzeit
der Prinzeſſin VBiktoria, der Schweſter des Kaiſers,
mit dem Prinzen von Schaumburg-Lippe iſt auf 21.
November feſtgeſetzt Caprivi giebt heute ein
partamentarifches Diner, wozu Windthorſt und
andere Centrumsmitglieder geladen find. — Der Kriegs-
miniſter begleitet Jeine erkraukte Gattin nach Salzburg
und erhielt Urlaub bis Mitte Auguft. Bis daͤhin
wurde die Demmiffion verſchoben, worauf der Kriegs
minifter inmer noch beſtehen Joll. — v. Wißmann iſt
feidend. — Sr geht zur Erholung nach dem Harz. —
Die nächſtjährige Hauptverſammlung der Kolonial:
geſellſchaft ſindet in Rürnberg ſtatt.

* Berltt, 2. Juli Den National-Libera-
len iſt durch die Ernennung Dr. Miquel S zum
Finanzminifter der Kamm mächtig gefehwollen, In
einer dieſer Tage in Bielefeld abgehaltenen national-
liberalen Bartei-Verfanunlung fagte, der Bielefelder
Poſt zufofge, eln Redner: - „Daß- Die Ausſichten Der
national-Liberalen Bartei von neuem die vortrefflichſten
geworden ſeien, nachdem durch die Srnennung des
wichtigſten Staatsminiſters aus den Reihen der na-
tional liberalen Partei dokumentirt ſei, in welcher
politiſchen Richtung die Förderung, des Staatsiwohles
vornehinlich erblickt wird Der



+

National-Kberalen
RarteigehHöre nunmehr die Zukunft! Dieſen Renommirz
Ton“, fo. Higt die Krenuzztg. Hinzı, ſind wir aller-
dings in den nationahliberalen Blättern gewohnt;
bemerfenzwerth aber iſt die wenig verhüllte Dernfung
auf die allerhöchſte Stelle zum Beweije dafür daß
der nationak-liberalen Bartei nunniehr die Zukunft
gehöre.“ ;

* Berlign, 2. Suli. In ſonſt gut unterrichteten
Kreiſen geht das beftimmte Gerücht Miniſter Herr-
furth. werde demnächſt ſeine Cutlaffung- nehmen, al















Die ſchwarze Hand, — verb.)
2) Koman von Lampert de Ste, Crois
utorifirte freie NeberfeBung von P hHılipp Freidan f



$ Sn diefem Augenblick ſchrie eine laute Stimme von
er Siraße aus: „Sofort eindringen !“ ;
_ NachH diefen Worten drangen die Polizeimannſchaften
fin. NachH diejem Commando. beichloß Untonio i unter
Len Umitänden zu retten und gedachte mit einem fihnen
bbrunge‚ die Straße zu erreichen.! Zu ſeinem Entſetzen
bemerfte er aber, daß Ddie ganze Straße mit den Wächtern
er Sicherheit befeßt war. -
® Er zögnerte. deshalb und verblieb auf Ddem Balkon.
darauf, rajcher al3 e& erzählt wird fürzte fich ein
D ann auf Antonio mit dem Kufe: „Hier iſt der Mörder,
altet ihn: feft.” .
j Der falſche Hauſirer war aber nicht der Mann, J®
leichten SpielcS gefangen zu geben. Ohne zu überiegen,
j ü8-er that, jchüttelte er den Sicherheitamann ab, durch
u"rflng mit einigen Säben das Zimmer des Verbrechens,
die Treppe. zu-gewinnen, welche aber von anderen
üchtwächtern befebt waͤr J0 daß er ſich ohne Widerfireben
fangen geben mußte.
N Cr wuͤrde gefeffelt und begriff in dieſem Augenblicke,
* er fich jebhr bloßgejtellt hatte, und daß fein Sluchtver-
1“.‘5 ihn deppelt: belaften mußte. Doch fand er ſehr bald
lein Faltez Blut wieder Den brutal geſtelten ZFragen der
Sicherheitzwächter.. jeßte ‚er. ein veraͤchtliches ‘ Schweigen
Begenüber, Sr behielt jich vor, Nur dem Unterfuchungs-
ter die nöfhigen Auftlärungen zu geben. Außerdem
nedme_te er auf die Hilfe des franzbſiſchen Konjuls, der ihn
icht im Stige laffen toͤnne
N Das Gerücht von der Berhaftung‘ des MörderS hatte
ich mwie ein Lauffeuer in der Straße Prieta verbreitet.
‘ Der. Wirth der Herberge „Zum UAWffen““ war einer der
Siten, weicher Herbeigelaufen famı. S er den‘ Falfhen
sfl\lhrer in Begleitung der Nachtwaͤchter vorüberführen
ah, rief er voll Schadenfreude: :
„Sie find e8 aljo, der die Wittwe ermordet hat? Des-



halb Haben Sie mir Ihren Waarenpack zur Aufbewahrung
überaeben?

Dieſer Vorwurf vexrhallte nicht ungehört; einer von
der Sicherheitsmannfchaft ſchrieh ſich den Namen undedie
Adreffe des boshaften Kneivenbeſitzers auf. War es ja
ein Belaſtungszeuge mehr !

Des andereit Tages unterhielt man ſich in der ganzen
Stadt nur von dem Morde in der Straße VBrieta. Der
franzöfijche Ronful war fehr verdroſſen und konnte zu feinem
Sntichluffe Lommen, . auf melche Weife, er ſeinen Sendling
retten fühne, dem er unmöglichldie Ermordung der Wittive
Ordonnez zutrauen fonnte. Sr mwußte aus langjährige ı
Srfahrung, wie langjamnı Die Juſtiz in Spanien, beſonders
aber in der Brovinz zu Werke geht.- Wie dieſe Erfahruna
ihn Lehrtie, fonnte nur von Madrid aus das Verfahren de-
{cOhleunigt werden.

Die Po!izei in den Provinzitädten Spaniens iſt voll⸗
jtändig ungenlägend, und man iſt deshalb.genöthigt, in den
meiften. Criminalfällen die Sicherheitspolizei der Haupt—
ftadt in Unfpruch zu nehmen.

Der Unterfuchungsrichter von Xeres Hatte vſort nach
Madrid telegraphirt und um die ſofortige Zuſendung eines
tüchtigen Criminalbeamten gebeten. Herrn Leelere {hlug
er jedes Sinareifen- in die Sache rund ab, o lange die
Unterfuchung nicht beendigt fei. Der arme Antonio mußte
dahex einftweilen im Gefänaniß bleiben unfer dem Ver—
** einer gräßlichen Blutthat, welche er nicht begangen

ätte.

Einige Tage nach dem Verbrechen waͤr die Straße
ihmarz von Menfjchen. E3 fand nämlihH eine Beangen-
{DHeinigung der Mordſtätte duͤrch die Criminalpolizei ſtatt

Das Obfer des heimtückiſchen Uebexfalles war einen
Tag naͤch dem Morde ins Hoj{pital überführt wovden, 100
die Section der Leiche ftattfand., . DaS Ergebuiß der Au⸗
topfie {tellte feit, - Daß der Zod der AWitwe Ordonnez DUrc

einen Navyajajtich in Ddas Herz erfolgt war , Eine geüibte


lichen Tod zur Folge gehabt hHatte; voNführt. haben. -
Alg der Leichnant-der Frau an der Unglücksftätte, aufs
gehoben mwmurde, entdedte die Unterfuchungs-Commifjion in



der Maofie aervunenen. Blutes eıne Navaiı, weiche in Dder
MWunde voNitändig. paßte, uud durch welche der Mkord ver-
übt worden, jein mußte. Nach der Anficht des Gerichts-
arzte8 fonnte mur Anfonio der Mörder der Zcau eln

Sn der That, auf- dem armen AUntonivo ruhten die
ichwerften . Berdachtagründe: Seine Anweſeuheit bei dem
Leichnam. der Frau : Furz nacdh der That,; feine ‚nut Blut
hefleckten Kleider. und jein Blut getränktes TaichentuD, das
NRiederlegen feines Waarenballens bei den Wirth „Hum -
Alfen” fein Fluchtverfuch und der Widerjtand; weldhen er“
feiner. Verhaftnng- entgrgenijegte, aNes das Häufte ſich auf
idn al gewichtige Reihe ſchwerer , Berdachtsmomente.

Das Belaftendite Moment für in war aber die Ent-
deckung, daß tich in jeinem Waarenpakete eilf 0anz aleiche
Yavajaz vefanden wie dien mit welcher der Mord an der
Wittwe Ordonnez begangen war

Ein einziger Entlaſtungszeuge war beim Uptexſuch
ungsrichter erichienen, e& mar der Wirth, des Cafees \a‚ur
der Alanıeda, wo fich Antonio ir fo. unborſichtiaer Weije
Hatte befrunkenr machen Taflen. Diefer bezeugte, daß der
Bechgenofie Antonio’s - das Verbredhen ‚ begansgen haben
mußte. und Ddaß-er Antonio erft um.10,11hr 20 Minuten
aus dem Nebengemache: habe. herausgehen laſſen

Naͤch der Anficht der Unterfuchungs -Commijjion- mußte
der Mord zwiichen 8 und Halb 10 UhHr Abends vielleicht
auch etwas fpäter” begangen- worden fein. Den Nusijagen
des Cafeewirths auf der Alameda leaten Bolizeirund IU
itiz wenia Werth- bei, weil diejer Beuge . mit der Iultiz
jhon Häufig in unliebjame Berührung. gefommen 1wWar, uND
weil das Cafee fich keines ‚guten Rufes erfreute, Der Wirth
Fonute ja der Complice des Haufireı& jein. . *

Unterdefjen entflohder mwirklidhe ZHäter jeinem Richter.
Marie Ordonnez genoß den Rufeiner armen, aber ehrlidhen
Frau, die ſich von ihrem Handel Fümmerlih erquhgrtea Es
Iag alfo.jedenfals, weniger ein Kaubmord,. alS ein Ver⸗
brechen aus Rache VOor. } .

Was den bekflagenZiwerthen Antonio betraf, ſo Verthei-
digte er fihH ſo gut er Konnte, gegen die ſchweren Bela⸗
Stungen, welche iOn zu vernichten drohten! Dem Unter«
juchungSrichter thHeilte er mit, Daß er vom frayzöſiſchen


 
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