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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 201 - Nr. 210 (3. Septmber - 14. September)
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OR xr
— mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage.
RE 79n Mit Unterhaltungsbeilage. reis vierteljährlid

den ® odne Trägerlohn ı. Boftanuffchlag. . Beftellungen

Oftanftalten ı. bei der Expedition Zwingerfiraße 7.

8





d 205 Verantwortlidher Medakteur :
— . Julius Jecker in Heidelberg.










2


te

Anzeige:-Blatt für die Amtsbezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim,.. Schwetingen Philippsburg,
Wiesloch, Bruchjal, Bretten, Nedargemünd, Mosbac,
Eberbach Buchen, Walldärn, T.-Bifhofsh. Wertheim 2C.



26. Jabrg.















2 — — — — — — 7
2 * Aaria Gebhurt wegen erſcheint
zı — —





ſile — —




36 der Unterhaltungs-



N] e *

2 ” Bolitilde Wodenübercht.

M A Die Heidelbherg, 6. Sept.
D heg“bgflaufene Woche begann mit dem Jubel—
8 fälzer Boten! Von allen Seiten

5 * Jubilar Glückwünſche und Auerkennungen
y Mrens 76 Deweijen, daß ſein ſegenreiches Wirken
ran R Mmes Vierteljahrhunderts, . alljeitige Würdi—
8 * Dieſe Kundgebung freundlicher Sym—
ßn S allen Kreiſen des kaͤtholiſchen Volkes in

8 8* uns mit ganz beſonderer Genugthnung
** i für Alle, welche unjerem Blatte naheſtehen
SO mig E Mindeften für die Redaktion, ein Sporn
2 Ichiedenheit auch in Zukunft allen gegneri-

— entgegenzutreten und treu der Deviſe
Z } mie . ür Wahrheit, Freiheit und Recht! Und

a 2 Tijchem Muthe den erften Schritt gejebt in
% Aın Vierteljahrhundert. Möge Goit feinen
D FlYa, J3l Derleihen.

ſil * iſt es in dieſer Woche den Angehoͤrigen der
raſllii iorefe Freiburg vergönnt, ein noch ſelleneres
|ein, d Teiern. Es iſt der goldene Jubel—

6 unſerer verdienteſten und angeſehenſten
Ii 8 5 der in der wechſelvollen Zeit der letzten 30
2

8 Alem, was irgend wie Wichtiges in kirch—
Dn 4 Hrchenpolitijcher Hinſicht in Baden ge-
ällLmgefmmrragenb mitgewirkt hat: des Prälaten,
‚‘t[% ans und CErzbifch öfl. Offizials
[fl 9 ** Weicum, zügleich weit über den
Grenzpfähle Bbefannt und ge-
D vl e[[en?> Dichter und Dioͤzefauptäſes der katholiſchen
iß Al Vereine in Baden. Wir werden an anderer
D f ] leine hervorragende Thaͤtigkeit im Dienſte
b‘ägie zurückkommen. Möge es dem edlen Prieſter—
* nt ſein, noch lange Jahre der Erzdiözeſe
8 8 66 Rüſtigkeit erhalten zu bleiben.
C'a der vergangenen Woche iſt nach langem
2 Sten Leiden in ſeiner Villa zu Pöcking am
See der frühere bayeriſche Staats= und
r ‘“Wf@r Freiherr von Luß geftorben.
torße Gf in mehr denn einer Hinſicht Urfache, dem
8 Erniniſter gram 3zu fein. Als Kirchen—
8 Yat Hcrr d. Lutz ſich als Kulturkämpfer erſten

Der Maire von Miesmeiler. (and. verb.)
1 8* céine elfäffifche Erzählung.)
Nanzbſifchen übertragen von Rhilipp Freidant

o * Augenblide erhob ſich die Stimme des Ulauen-
| ämürltm Hofe. Er fragte nach dem jungen Mädchen
Saa e feierlich, indem er eyniſch lachte, daß er nach
) Haus durchfuchen mwerde. — Wenn Shr
U, meinte der Oberft faunijh lachend fo ift e8
jn be}m bchen, das ſich vor mir vielleicht fürchten wird.
%}emr KXüche tranfen und jangen die Offiziere, wäh-
Job und ſeine Frau unfäglihe Quaien er—
fis ® e3 zu mwagen, helfend einzuſchreiten.

8 Gretchen hatten kein einziges der von dem
— ⏑ Worte verloren; — — auf einmal
l „die jungen Leute den {Omweren Tritt des Deut-
e aS Rlirren ſeines Pallaſches.

* löſchte die Lampe, welche ſie auf einen Tiſch
* He 028 und führte Friß_nach der Heinen Treppe,
8 raſch Hinaufeilten. Der tapfere Franctireur
‘ugql?t_„buß Maͤdchen trotzte der Gefahr, obwohl fie
* unz tüt‘ des Deutjcben fürchtete. — Shr Verlobter
; *Y Feinen Umftänden in die Gewalt des Feindes
























L



e
hiibäberit drang fluchend in die Kammer ein, während
xlobten auf den Boden des Hauſes ver
8 Gretchen überlegte Feinen. Nugenblid. Sie eilte
* © und- riß aus Dderfelben einen AUnzug heraus,
8 glich, welche die der deutſchen Armee
4* den irugen. Sn demfelben Augenblide, als
* Mierigen Kleidungsftücde anlegen mußte, warf
Aln (r {chtwarzes Meid ı den Müneranzug ihres

2
D
M 8 Unten rieb der durch die Dunkelheit uberraſchte
an der Sohle jeines Stiefel an
Üdlpzacse Die Lampe wieder, welche Gretchen auf dem
jectig, Cnelafjen. hatte,

9 8 c Minuten genügten dem Deutjdhen, fih des

zur Orientirung. Er ſtieg mit Vorſicht,
edenten die ſchmale Stiege zum Boden hinauf.






Bismarck in Preußen. Als katholiſch getaufter Kultus⸗
miniſter, der ſeine Kinder proteſtantiſch erziehen läßt,
der gegen das vatikaniſche Konzil intriguirt, durch den
Kanzelparagraphen den Kulturkampf inſeenirt, den
Altkatholizismus aufgepäppelt u. bei all dieſen Leiſtungen
das entſcheidende Wort in bayeriſchen Kirchen⸗An—
gelegenheiten behält, das iſt ein lebendiges Aergerniß,
aber, wie die Koͤln Vztg. hinzufügt, eine echt bayr.
Spezialität. Lorbeeren hat er ſich auf dieſem Ge—
biete nicht geholt! Der Kulturkampf ſchlug fehl, und
in Bayern, wohin er denſelben in ſeiner preußiſchen
Ausgeſtaltung zu verpflanzen zu klug war, mußte er
manchen Schritt zurück thun. Aber er that es, ohne
darüber zu ſtolpern. Er machte kleine Zugeſtändniſſe,
gab nach in Perſonenfragen, verſtand fich zu unver—
bindlichen Conzeſſionen, ſchließlich zu Eröffnung guter
Ausſichten in der Redemptoriſtenfrage, die noch der
Ueberſetzung in die That harren, und zur Preisgebung
des lächerlich gewordenen Altkatholizismus, und blieb
immer noch obenauf, ohne die Gruͤndſätze des bayr.
Staatskirchenthums fallen zu laſſen Sein Antheil
an der neueſten und wunderbarſten Evolutivn Dder
Verhinderung des Katholikentages in München, iſt
noch nicht genau feſtgeſtellt; vielleicht ſchien ſie ihm
ſogar unpraktiſch dann hätte die weitere Ent—
wickelung dem klugen Manne Recht gegeben — jeden—
falls trug ſie den Stempel ſeines Geiſtes! Ent—
ſchiedenes Verdienſt hat der Verſtorbene um die Ein—
gliederung Bayerns in das neue deutſche Reich, dies
war großentheils ſein eigenſtes Werk.! Dunkler iſt
ſein Verhältniß zu Ludwig 1l. und der bayr. Koͤnigs⸗
Kataftrophe. Jahre lang hat er mit einem mehr
oder minder unzurechnungsfähigen Monarchen, großen—
theils für Denjelben regiert, ſeine Amtshandlungen
mit dem Schilde einer Autorität gedeckt, deren Träger
oft nicht mehr wußte, was er that, und der Vorwurf,
dieſen Zuſtand mißbraucht zu haben, kann ihm kaum
erſpart bleiben. Daß er ſchließlich mithalf, Diejem
Zuſtande ein Ende zu machen, kann ihm Niemand ver—
denken; vielleicht haͤtte er es früher thım können, was
ſchließlich die eiſerne Nothwendigkeit erzwang. Daß
der Wechſel unter erſchütternden Umftänden ſich voll—
zog, war nicht ſeine Schuld; daß er ihn überdauerte,
ein Meiſterſtück ſeiner Gewandtheit! — In ſeinen
letzten Lebenstagen hat Herr v. Lutz die Tröſtungen
der Kirche empfangen und ſoll über ſeine Zugehörig—
keit zu ihr Erklärungen abgegeben haben. Uever
den Werth beider Alte hHat ein Höherer zu richten volle
Klarheit wird vielleicht nienials darüber geſchaffen
werden. Möge Bahern niemals wieder einen Kultus-


miniſter haben, Dder ihm ähnlich ſieht

Als eine Komödie kann man c2& bezeichnen, daß
auf dem Programm des „Altfathoiiken=Con-
greſſes“, Dder vom 12, bis 14. Sept. in Köln
tagen ſoll, „Anträge zur ſozialen Aufgabe der Kirche
und zur Ausübung der chriſtlichen Charitas“ ſtehen.
Wer ſich ſelbſt nicht helfen kann, will Anderen
helfen!!

Aus dem Ausland iſt in dieſer Woche wenig
zu berichten. Der Ausſtand in Belgien nimmt
zwar noch zu, man iſt indeſſen der Anſicht, daß er
nicht von langer Dauer ſein wird — In Irhand
{teht wegen des theilweiſen gänzlichen Fehlſchlagens
der Kartoffelernte eine Hungersnoth in ſicherer Aus—
ſicht. In Spanien tagte dieſe Woche der erſte
Sozialiftenfongreß. Es waͤren Gäſte erſchienen au
Portugal u. Südfrankreich, beſonders aus den Berg—
arbeiterdiſtrikten Hauptverhandlungsgegenſtände ſind:
Aufſtellung ſozialiſtiſcher Kandidaten für die Cortes⸗
wahlen, Organiſatibn der Gejammtpartei, Preſſe,
Arbeiterfeiertag alljährlich am 1. Mai. Die erfte
Frage wurde bereits in bejahendem Sinne entſchieden
— In Centralameri fa gehtes noch immer bunt
her. . Der. Friede zwijchen SGuatemala und San Sal-
vator iſt noch nicht hHergeftellt, der Kampf ſcheint viel—
mehr aufs Neue wieder losgehen zu ſollen.

Domdelan. Weicum.

Prälat Weickum ſtammt von reformirten Eltern
Der Vater war kurpfälziſcher, ſpäter badiſcher Ver—
waltungsbeamter. Am 1. Juli 1815 zu Borberg ge—
boren, erhielt Karl Franz, der Jüngſte von Zwoͤlfen,
eine einfach religiöſe Erziehung In der Familie
herrſchte, wie er ſelbſt es jchildert, „Chrfurcht vor
Gott, vor dem lieben Heiland, ſtrenge Sabbaͤthruhe,
gottesfürchtige, einfache Familien Pietät ohne daß
eigentlich je davon die Rede war Nach dem früh—
zeitigen Tode des Vaters ertheilte ein proteſtantiſcher
Landpfarrer dem Elfjährigen lateiniſchen Unterricht:
mit zwölf Jahren bezog derſelbe das ©ymnafium zu
Wertheim. Den Schülern wurde der Glaube an den
Sohn Goͤttes erſchüttert, die katholiſche Religion ver—
Jäftert. Aber mit Gottes Gnade führte dies bei dem
jungen Weickum, ſtatt ihn dem Unglauben in die Arme
zu treiben und gegen die katholiſche Kirche einzuneh-
men, gerade zu Ddem entgegengeſetzten Ergebniß
Siebzehn Fahre alt,“ berichtet er in ſeiner ſchlichten
Art, „ fing ich an, darüber nachzudenken, (fand aber
nur den Thomas von Kempis, einen Katechismus von
Caniſius und ein altes lateiniſches Sebethuch), ſprach















— — — —



Ganz maſchinenmäßig hatte Fritz ſeiner Verlobten Ge⸗
horſam geleiſtet; er begriff fehr lebhaft die Gefahr, welcher
Veiſter Fob.ausSgefeht war, wenn ſich der Deutſche hinters
Licht geführt ſah und er bat das junge Mädchen, ſich nicht
zu rühren. Bald darauf gelangte der Oberſt nach neber⸗
winduns nicht geringer Schwierigkeiten auf den Boden,
ohne dort wie er alaubte, die junge Elläſferin zu finden.
Hrig, hinter der Thüre verſteckt blies die Lampe, welche
der OÖberft Irug, aus., Eine feiner nervigen Fäuſte flog auf
die Bruſt des Oberſten welcher Hinfiel, indem er Flüche
ausijtieß, bis ein in jeinen Mund geftedtes Taſchentuch ihn
berfiummen liek. Der Franctireur feſfelte dann Hände
und Züße des Neberfallenen und bedrohte den unbeſonne⸗
nen, halb befrunfenen Feind mit feinem Revolver, indem
er ihm auf Deutjch zuraunte: „Wenn Du zu ſchreien ver-
ſuchſt IhieBe ich Diq nieder wie einen Hund !“

Unterſtützt durch Gretchen welche den Plan ihres Ver-
lobten ſofort Degriff, entledigte der Maire von Riesweller
den Oherſt ſeiner Uniform, mit welcher er ſich in aller Eile
ſelbſt befleidete. Der geknebelten und Halberftidte Offizier
wurde aber in einen Sack geſteckt! welcher früher Mehl
enthalten hatte.

Hretchen 309 den Müllerrock wieder aus reinigte ſich
und ſties zur Küche hinab. Die Bayern franken oder
jhliefen dort noch Das junge Mädchen winkte ihrem
Vater welcher unter beleidigendem Grinſen der Offiziere
Eretchen entgegen ging — In wenigen Worten verſtaͤn—
digte fie Job von dem Vorgefallenen, worauf ſich beide ſo⸗
fort auf den Boͤden begaben

Es wurde beſchloffen daß Meiſter Job, bekleidet mit
dem Mülleranzuge, den aut zugeſchnürten Sack auf feinem
Rücken nebmen uhnd die äußere geiter herabiteiaen jole,
während. Frit Diesbach, mit der Uniform des Sherſten be⸗
Heidet und Gretchen am Arme führend, unter der SGunft
der Nacht mitten durch den mit Soldaten beſaeten Hof
ſchreiten ſolle ; S

Meiſter Job fand plötzlich die riefige Koͤrperkraft
wieder, welche ihn in ſeiner Jugend ausgezeichnet haͤtte
und ohne große Schwierigkeiten glitt er mit dem ſchweren
Sacke auf den Schultern die Leiter hinunter.



Die Bayern lachten und ſchrien den Müller zu, den
Sack in den Hof zu Wwerfen. Einige boten ſich fogar zu
Hülfe an, und wenn Weiſter Job nicht einem Unteroffizier
gedroht hätte, ihn weiß zu maͤchen würde er ſeine gefaͤhr⸗
liche Hülfe durchgejeßt hHaben, .

Endlich gelang e$ dem Hofbefiker, den Sad in den
Wagen zu legen, welcher im Hofe ſtehen geblieben war ;
er nahm das YPferd beim Zügel und fuhr langſam durch
die Gruppen der Bayern zum Hofe hinaus.

Während Meiſter Keßzplar den gefährlichen Transport
beiwerfftelligte, _ ging der Zranctiveur, feine Berlobte am
Yirme, an der Küche vorbet; durch ein kleines Fenſterchen
in der Thüre erblickten beide Frau Ottilie, weiche ihren
begehrlichen Gäſten immer noch mehr Bier aufwarten
mußte. Die Uniform des Oberſten glänzte im Dunkel
und ein Durch die Furht und die Disciplin gedämoftes
Lachen Haug an das Ohr des Slüchtigen und jeiner jungen
Begleiterin. Die Soldaten alaudten ihren Chef zu erken-
nen und gingen verftändnißinnig aus dem Wege.

Auf der Straße, außerhalb des Hofes, herrſchte voll-
jtändige Dunkelheit, - Frig und Gretchen folgten in einiger
Entfernung Ddem vom Meiſter Job geführten Schimmel
(VBorpoften); am Ausgange des Dorfes ließ der Frane⸗
tiveur einen leiſen Pfiff ‚ertönen. Drei ſeiner Waffenge⸗
Jährten umringten ihn;alsbald. Der Wagen der Meiſters
Keßplar hielt an.. Der Sad-wurde in „eine Terrainfalte
getragen und geöffnet; mit einem gewiſſen Erjtaunen De-
merkten die Eijäfler, daß der Oberſt nicht mehr athmete
Das aufgeduniene SGeficht, die weit offenen Augen zeigten
an, daß der Offizier an Erſtickung geftorben war.. Fritz
30g das Taſcheituch aus den Munde des Todien, durch
welches wahrſcheinlich der Tod Herbeigeführt worden war,
und bekleidete den noch in der Todesſtarre befindlichen
Korpex des Oberſten wieder mit ſeiner Uniform. — Dann
jagte der Franctireur, der Maire von Kiesweiler, dem
Offisier eine Kugel in den Kopf und leaten den Leichnam
mitten in einen @raben, um die Meinung zu erregen daß
der Oberſt das Opſer eines nächtlihen Neberfalles ge-
worden ſei oder vielleicht ſich ſelbſt getödtet habe.

Schluß folgt.)


 
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