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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 231 - Nr. 240 (9. Oktober - 19. Oktober)
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Brfcheint täglih mit Auskabme der Sonnz und Feiertage.
Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
. 1.20° vohbne Trägerlohn ı, Poͤſtaufſchlag Beſtellungen









/ bei den Boftanftalten u. bei der Expedition Zwingerfiraße 7.

1 * — — Redakteur : M

u Bo. — Jeder in Heidelberg. äfläßfll?
— ——— ———SE⸗—rsÿs—h — — VV—

für Stadt









— 15

T











Deutſches Reich.

*Berlin, 13. Okt. Es fällt auf, daß Graf Wal—
derſee nicht an den neueſten Hofjagden theil nimmt,
ſondern nach Mecklenburg auf die Jagd fuhr. (Bis—
her fehlte Walderſee nie bei den Hofjagden) — Nach—
richten aus London übex ein geplantes gemeinſames
Vorgehen der europäiſchen Staaten gegen die Folgen
des amerikaniſchen Zolltarifes werden hier als Er—
findungen betrachtet. — Eine Konfexenz zur Berathung
der dem Reichstage vorzulegenden Geſetzentwürfe betr.
die Abänderung der Paͤtent⸗ und Muſterſchutzgeſetze





‚/ _ tritt am 17. Sktober im Reichsamt des Innern zu—
ſammen.

/ ‚* Galle, 13. Olt In der heutigen Hauptver-
} ſammluͤng des Sozialiſtenkongreſſes begrüßte Singer
die auswärtigen Gäſte, darunter Mundberg Gopen—

hagen), Ladour, duc Querey (Paris), Anſele (Gent),
Doͤmela Nieuwenhuis (Gaag), Brantieg (Stockholm),
Pokoray, Hauſer, Adler (Wien), Wosky Warſchau).
Auf Antrag Bebels wurde den ausländiſchen Dele—
| girten eine berathende Stimme in parlamentariſchen,
eine befchließende in den anderen Fragen zuerkannt.
Bebel erſtattete Bericht über die Parteileitung ı. gab
einen Ueberblick über die Parteientwickelung. Die Partei
müſſe ihre bisherige Taktik beibehalten, zumal die gus—
ländiſchen Freunde in demſelben Sinne arbeiten wollten.
Bei der Darlegung der materiellen Entwicklung gab
Bebel an, das Paͤrteivermögen auf 1. Oktober 1890
belaufe ſich auf 171 829 Mark. Bebel kündigte den
Kampf gegen den Ultramontanismus an und empfahl
die Gründung von ſozialiſtiſchen Zeitungen für die
Landarbeiter insbeſondere auch die Gruͤndung eines
polnifchen Blattes. Schmidt Gerlim ſtellte den An—
trag auf Einſetzung einer Kommiſſion hehufs Erörte—
rung der perſönlichen Streitigkeiten zwiſchen der Partei-
leitung und den Berliner Genoſſen, welchen Vollmar
befürwortete. Die Verſammlung lehnte denſelben
jedoch ab; Bebel ſprach ſich dagegen aus.

Ausland.
vLocaruo, 13. Okt. Morgen Vormittag wird
die gefprengte eonſervative KRegierung mit
Respini an der Spiße in Bellinzona wieder in's
Amt treten. Hiernach wird Respini in der ordent—
lichen November-Seſſion oder in einer außerordent-
lichen Tagung des zroßen Rathes ſein Mandat als
Regierungs· Präfident niederlegen, und aus der Regie⸗
rung ausjcheiden. Dagegen wird er für den als
Großrath zurücktretenden Pedrazzini ſich in den Groß—
rath wählen laſſen; damit kehrt Respini zurück an

Eicht und Ichatten. (%adbd. verb.)
DOriginal-Novelle von HanZ Jordaen8.









‚30)



Aber ſo gib doch Natalie endlich wieder frei,“ ſagte
Koland in diejem Augenbii unwillig zu feiner Coufine.
„Du erfticjt fie ja mit Deinen endlojen Liebkojungen. —
$Richt8 als lacherliche Benfionsthorheiten, gemachtes Zeug !”

„Schweige Du, Du unartiger Better,“ war Camilla’s
Antwort, und ein leichter Schlag mit den Handjhuhen ber
jungen. Dame {treifte Kolanda Urm. „Du bitt jedenfals
aur eiferfüchtig, deß Du nicht an meiner Stelle fein launſt
— Geitehe e8 nur, Du möchteft gar zu gern Natalie auch
einmal jo umarmen fönnen.“ e
i} Koland flarrte eine Weile die Sprecherin an, als habe
8 die unerhörte Kühnheit jeiner Coufine bei dieſen Worten
den denkbarjten Hoͤbepunkt erreicht. . ;

Sine inneve Erregung, durch Camilla’$ gedankenloje
Bemerkung hHervorgerufen, trieb ihm das Blut bis zu den
Schläfen hinauf und in etwas gereiztem Tone erwiderte er;

„Wenn idh Natalie nur hHalb fo lieb hätte, als Du Dir
den Unichein gibjt, {o mwürde ich ihr da auf andere Art
zu beweijen wijjen. @®laube nicht, daß ein vernünftig
denkender Menih Hinter folch’ leerein Benjionsgetändel ein
; Wwahres Gejühl vermuthen wird. — de weniger Wahrheit,
defto mehr Schein.“ **
Z „Nun muß ich aber ſelbſt mich ins Mittel legen,
1 meinte Natalie ladhend und drücte insgeheim die Hand
1





— — —

ihres KreundesS ; „denn Rolgnd, Du wirft ungerecht gegen
Deine {Huldloje Confine. Wie kannft Du nur vermuthen,
Sag Camilla nıcht durdhaus aufrichtig jet in ihren Gefiühl3-
äußerungen gegen mich? Ih Hoffe, Du weißt, daß wir
Beide unz recht zugethan find, obſchon wir uns Sahre
Hindurch nicht gefehen hHaben.” ,

„Qafje in nur,“ bat Camilla mit herausfordernder
SGroßgmuth, und umarmte in möglichft auffälliger Weife
Natalie noch einmal, während ein walitbſer Seitenblick
den Better reifte, „c3 iſt nichtS, als die brennendfte Sifer-
fucht, die ihn wie einen phililtröfen Moral-Profeffor pre-.
digen läßt. Budem muß an einer Couſine ja immer









die Spitze der conſervativen Oppoſition draußen im
Volke. }



Aus Baden.
Heidelberg, 14. Okt.
® Zu dem Wechſel im bad. Miniſter ium des
Snnern äußert ſich die Straßb. Poſt:

„Damals wurde eiſenlohrs Ernennung zum vortra⸗—
genden Rath im Staatsmimftexrium allgemein als eine
nicht mibzuvexſtehende BethHätigung des tiberaten
Staatzgedanukens von allen aufgefaßt, die das
Gleiche und noch mehr von jenen, die ein entgegen ge*
Jeßtes FInterejfe hatten insbeſondere von den Ultra—
montanen und theilweiſe auch von den Conſexvativen Der
Mann hat ſich ſeither nicht geändert.“

Damit deckt ſich unſere geſtern ausgeſprochene
Anſicht über die Tragweite der Miniſterernennung.
Eine andere Nummer, aber der gleiche, voraus ſichtlich
noch ſtraffere Faden. Die Centrumspartei wird gut
thun, eifrig fortzufahren in ihrer mit Erfolg be—
gonnenen Organiſationsthätigkeit. Es liegen alle
Anzeichen dafür vor, daß wir einem äußerſt heftigen
Wahlkampfe entgegengehen Der bad Libexalis—
mus wird ſich nur durch eine energiſche Unter—
ſtützung ſeitens ſeiner bisherigen Protektoren vor
dem ſicheren Untergange zu retten verrögen
Es iſt deßhalb eine unbedingte Nothwen digkeit, daß
ſich das dürch den bad Liber alis mus in ſei—
nen religibſen und ſtaatlichen Rechten bedrohte Volk,
mit gleicher Energie dem dem Liberalismus zur
Seite ſtehenden Wahlaͤpparat entgegenſtelle! Wir hal—
ten — wie ſchon oft betont — den ſpezifiſch badiſchen
Liberalismus als das eigentliche Friedenshin—
derniß wir halten ihn im wahrhaften Sinne des
Wortes für den innern Feind im Lande. Mit
allen uns zu Gebote ſtehenden Mitteln, ſelbſtverſtänd—
lich geſeßlichen Mitteln, gilt es, dieſen inneren
Feind zu bekämpfen und mit Gottes Hilfe zu
Feſiegen! Alſo muthig vorwärts! fleißig gear—
beitet! küchtig organiſirt! Centrumsvereine gegründet!
Verſammlungen abgehalten! Die Centrumspreſſe unter—
ſtützt! Die Verbreitung der Centrumspreſſe
iſt die beſte Waffe gegen den anſtürmenden Feind.
Vorträge, Verſammlungen können nicht fortdauernd
und allerorts gehalten werden, die täglich predigende“,
täglich „vortragende“ Parteipreſſe iſt deshalb ein un—
ſchätzbares Gut, welches den Katholiken beſchieden
iſt. Bediene man ſich alſo dieſes Gutes, dann
werden auch gute Wahlen gezeitigt. Und nur
durch gute Wahlen wird es uns gelingen, das was
man un8 nicht gutwillig geben will, unſeren Geguern
abzutrotzen.










Anzeige-Blatt für die Amtsbezirke Geidelberg,
Ladenburg, Weinheim,. Schhwegingen, Philippsburg,
MWieSloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemänd, Mosbach,
Eberbach Buchen, Walldürn Z.-Bijchoföh. Wertheint 2C.









Druck Berlag u. Expedition von Gebr. Huber
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.





































® Die „Kreuzzeitung“ fagt, die Jeſuitenfrage



austauſch gegeben. —- Der Mosbacher Amtsver—
kündiger haͤtte ſich letzte Woche die gegentheilige
Nachricht aus Berlin ſchreiben laſſen Wer hat mun
Recht: Die Kreuzzeitung oder die Bad Neckarztg.“ 7
Sicherlich die Bad. Neckarzeitung. Ein badiſcher
Amtsverkündiger kann doch über die Jeſuitenfrage


bringt die freiſinnige Bresl. Ztg. unter dem Zeichen
ihres parlamentaxiſchen Berichterſtatters (Hr. Alex
Meyer) einen Artikel, welcher ſich mit S 2 beſchäftigt.
In diẽſem Paragraphen werden bekauntlich gegen die


jeßt : Ausweiſung, Internirung 2c. Der Artikel ſchließt:
Hach allen Richtungen hin kann dieſe geſetzliche
Beſtimmung un möglich gebilligt werden und
unterliegt denſelben Einwendungen, welche gegen das
jetzt erloͤſchene Sozialiſtengeſetz geltend gemacht worden
find. Wie die freiſinnige Partei das Sozialiſtenge⸗
ſetz bekämpft hat, ohne irgend welche Sympathie mit
der Sozialdeniokratie zu haben, ſo wird ſie auch ohne
jede Sympathie mit den Jeſuiten die gegen dieſelben
in dem S 2 angedrohten Strafen bekaͤmpfen müſſen.
Daß ſie dies thun wird, iſt um ſo mehr zu erwarten,
als ſie ſchon wiederholt einſtimmig für die Aufhebung
des Geſetzes geſtimuit hat, welches die gleichfalls ver—
werfliche Strafe der Landesverweiſung gegen katho⸗
liſche Geiſtliche androht. Strafen ſollen nicht anders
verhängt werden, als wegen eines beſtimmt umſchrie—
benen Verbrechens und auf Grund eines dies Ver—
brechen feſtſtellenden Strafurtheils.“
„Hannover'ſche Poft“ erklärt, ſie halte die Rückbe—
rufung der Jeſuiten nicht für ſo entjeblich,
wenn man nur der proteſtantiſchen Kirche die Frei—
heit gebe. Die konſervative „Neue weſtfaͤliſche Zig.“
ſagt, Jeſuiten hin, Jeſuiten her, Brimborium! Die
jreie ebangeliſche Kirche wiege eine Legion Jeſuiten
auf. Die „Kreuzzeitung“ fügt hinzu, wenn man an
dieſen Ausdrücken auch mäckeln möge, ſoviel ſtehe
feſt, daß der negative Weg, auf dem von gewiſſer
Seite das Heil der proteſtantiſchen Kirche erſtrebt
wird, indem man die kathöliſche Kirche lediglich be—
kämpft, nicht zum Ziele führt. — Sehr wahr!

® Ein Korreſpondent der Konſt. Nachrichten ſtellt
in naͤchſtehenden kurzen Federſtrichen die in der That
gelungenen Bocksſpruͤnge des Hauptorgans der libe⸗
ralen Partei zujammen: „Anı Mittwoch ſchrieb die
„Bad. Edsztg.“, die lib. Delegirtenverſammlung werde











etwas Tadelnswerthes bleihen Du lieber SGott, woher
jollte ein vichtiger Vetter fonſt den nöthigen Unterhaltungs-
itoff hernehnen wenn er nicht ſich das KRecht nähme, eine
jeiner unglücfeligen Baſen auszuzanken. Aber fieh doch
MNatalie,“ fuhr Camilla ohne Unterbrechung fort, „in dieſer
Laube haben wir damals am Häufigiten zujammen geſeſſen
wenn Du mir die hübſchen Märchen erzaͤhltelt. die Dir alle
jo geläufig waren, wie das Sinmaleins, und dort in dem
groken Baſſin auf dem Hofe haben wir ſo oft mit Den
Zaͤnden geplätfchert, um die kleinen Fiſche zu erſchrecen.
O, id muß doch gleih nachfehen, Db die niedlichen Thiere
auch noch in dem Baffın hHerumjchwimmen.“ }

Bei diejen Worten ließ Camilla den Arm Nataliens
plötzlich los und flos mehr, als ſie ging, dem nahen Spring-
brunnen zuU. . — — 7

Natalie blickte ihr lächeind nach.

Sie fah, wie ihr Bater, der auf der Treppe die her⸗
annahende Keine Gejellihaft erwartete, ſich befonders Über
die Lebhaftigfeit feines jungen ©ajtes zu amüfiren ſchien;
denn der alte Herr folgie mit fichtliher Aufmerkſamkeit
jeder Bewegung des jungen Mähchens.

Camila Iniete auf dem Byden

Sie Dhatte den Kleiderärmel an dem einen Arme auf-
geſtreift und haſchte zur Freude des Bräfidenten, der ihrem
Spiele 3ujah, jauchzend nach den kleinen Goldfijhen, die
ſie unter der Wafferfläche durch ihre Hand gleiten Ließ.

„Deine Coufine ijt in den zehn Jahren nur größer
und hübſcher geworden,” meinte Latalie lächelnd zu ihrem
Freunde gewandt. „Im ihrem Weſen hat fich eigentlich
nicht geändert. IH finde das Kind von damals noch in
jeder ihrer Bewegungen.“

„Sch wollte, diefer Sturmvogel hätte das Haus ſhon
wieder verlaffen,“ war Kelands wenig zuſtimmende Ant-
wort. „AWie ein zerjtörendes Element fährt ſie in unſern
ſtillen Kreis.

„Du beurtheilſt Deine Coufine aanz gegen Deine
Jonitige Art und Weije ohne Gnaden und Erbarmen,“ ſagte
MNatalie in ſcherzendem Tone, „IQ bin überzeugt, Camilla
befibt das beſte Herz, wenn ihr auch hier und da im Ueber-





muthe einmal eine verletzenden Aeußerung entſchlüpft. —









Ihre Lebhaftigkeit geſtattet ihr nicht immer eine ruhige
Neberlegung ihrer Worte,” ;

Roland ſchwieg eine Weile, dann erwiderte er raſch:

„Sorge, wenn Du kannft, Natalie, daß Camilla _ nur
den Schaften Deiner Vorzlige ſich aneignet, mährend ſie in
Deiner Nähe weilt; das würde für e von un|hägbarem
Werthe fein; aber ich glaube, Camilla iſt unverbefjerlich.“

Etwa eine halbe Stunde ſpäter beſichtiate Camilla an
der Seite ihrer älteren, erniten Freundin die Wohnräume
der VBilla; denn das junge Mädchen hatte den Wunich ge-
äußert, eine Inſpektionsreiſe durch das ganze Haus zu
unternehmen.” S l

Sn dem reizenden Zimmmerchen, das für Camilla her—
gerichtet war, weilten die beiden Damen wohl am längften ;


tung desſelben zu bewundern.

Siehe, dieſe Blumen hat Georg mit mir ausgewählt,
um Deinem Zimmer einen kreundlichen Schmuck zu ver⸗
leihen,“ jagte NMatalie an’8 Fenſter tretend, und wies auf
einen Blumentopf in dem dunkelfarbige Stiefmütterchen
blühten.

„Gedenke mein,“ welch vielfagende Botichaft,“ meinte
Camilla mit übermüthigem Lachen „eine wahre Beruhigung
gewährt e3 mir, daß der zartfühlende Ritter mich damals
noch nicht gefehen hHatte.“ ;

MNatalie wandte ſich ſchweigend ab. ;

Sn Gedanken jedoch fragte fie ſich, ob Roland nicht
am Ende Recht hHabe, wenn er behaupte, Ddaß eS feiner
Coufine an Gefühl mangele, und was Geors zu dieſer Irr⸗
wiſchnalur fagen würde

12 Kapitel.


der Dannenberg’jchen WBilla bald ganz heimiſch wurde, und
während welcher fie ſich die beſondere Zuneiguns des Prä⸗
ſidenten u erwerben wußte. }

Man konnte nicht fagen, daß ſie viel in Jeiner Nähe
weilte, denn ihr unzuhiges Temperament duldete fie kaum
länger, alg einige Minuten_ an derjelben Stelle; aber wo





































 
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