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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 231 - Nr. 240 (9. Oktober - 19. Oktober)
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* — mit Ausnahme der Sonn und Feiertage.
Mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich

N Dhne Trägerlohn ı. Boftauffchlag. Beftellungen
ORanftalten u. bei der Expedition Zwingerfisaße 7.
Verantwortlidher Kevakteur :

Julius Jecer in Heidelberg.
L




für Stadt

° * N *
A \ }

2
— —
* * —
* /

*



i neapolitanifche Softergelhichte,

* in Dden letzten Tagen im Pfälzer Boten
n “ Nede war, hat ſich wie aüs einem
4 der erzbiſchöflichen Kanzlei in Neapel an
%e Yeichsztg.“ hervorging, als Bündel
Ugen der italieniſchen Slandalpreſſe heraus
* famoſe römiſche Berichterſtatter des
ma 9eblatt, welchem auch das nur in ſeiner
Eeiniadung unparteiiſche Heidelberger
6— ſeine Notiz entnommen, hatte dieſe
* in folgender Geſtalt aufgetiſcht: „Auf
X quz den Kreiſen der Bürgerſchaft einge⸗
Denunciation beſucht heute (4. d,) der
M Neapel, begleitet vom Staatzanwalt und
Ichungsrichter, das ſeit vierhundert Jahren
1 Laien mehr betretene geheimnißvolle
4 lebendig Begrabenen Nach heftigem
© erzwang die Polzei den Eintritt in das
* ſich den behördlichen Organen ein
* Anblick darbot. Sechszehn Nonnen,
yn die ältejte 81 Jahre alt war, wurden in
3 ürjträubenden, geradezu thieri-
Eſtande anfgefunden. Die unglüclichen
wäaren völlig verwildert und zu
gemagert, ſie verweigerten jede Antwort
4 lie gerichteten Fragen. Unter der Nonnen-
d fich auch ein büdſchones junges Mädchen,
en eine8 au8 Liebe begangenen Vergehens

fım jeiner Eltern lebenslängiich eingekerkert
. Der Präfekt ordnete unverzüglich die
des Lloſters an. Dieſe unheimlidhe Ent—
in Neapel ſowohl wie in Rom unbe—
ntrüſtung hervor.“ Zwei Tage ſpäter
derjelbe Berichterftatter: „Die grane n
tände, die der Präfect in Keapel im
© lebendig Begrabenen daſelbſt enideckte,


Klöſter führen. Die Blätter loben
ie Energie der Regierung. Cardinal
von Neapel iſt in derſelben Angelegenheit

* eingetroffen. Die Zahl dek einge—

Or Schweitern, unter denen ſich mehrere

hürbpfer väterlicher Defpotie be-

19 übrigen? fechsundzwanzig.“

‘h’“g_finb nun die Thatſachen? Vor uns
Icht der liberalen, Ronia“ von Veapel.
wird darin geſchildert, wie der Präfeet

46 auf Grund einer Denunciation das

Eicht und Ichatten. (Nagd. verb.)
Mginat-Novelle von Hans Jordaens.

44* wares ſreilich nicht, daß JZemand zu ihrem
— denn mit dem Vetter konnte ſie fehr gut
Werben; — aber c& war immerhin allerliebit
* Lenne, doß er ſchon nleich in der erſten
on e fo Tebhaft Martei ergriffen Hatte. :
ogr Unbedcutend mußte fie alfo doch wohl nicht
CamiNa fjelbigefällig weiter, wenn fie
Hen Begegnung fchon ganz ſichtbares Intereſſe
i 1 Sionde war. Nun, c& mußte-ganz unter-
p c einmal einen Berehrer zu haben. — So

%, der bereit wäre, alles gut und ſchön zu
ra DeunDdern, was fie thun würde.
drei Tage, ohne daß Georg ſich in der
"ide, Dätte bicken loffen, — da ſah fich Camila
1 Ungeduld erfaßt. ; *

® fiH nach ZJemand, der ibr eifrices Lob

* wenn fie mit ihrer hübſchen Sporanftimme

lachen Lieder fang, oder wenn ihre {hlanken
M, Otigen CSpiele über die Taften glitten.
en Semand nun Georg oder ein Anderer war,

4 Ende gleichgültig fein, weinte Camilla bei

ſehrie ihr Herz doch iebhaft herbei, der

mal „ganz aufrichtig” fagen würde, wie fie

ySene8 {piele. *

'© wenigen Worte, die in ihrex nächften Um-
die Musbildung ihres mufifalifhen Talents8
\ 1, Jah Camillas Eitelkeit ſich wenig befriedigt.
O ünnte ihr Cpiel eine inhaltsloje Zulammen-
g“ Qönen, eine athemloje Hehjagd, nach deren

die Buhörer {hließlich nodh am meiften er-

I%Iiez
*
” O[ fie, noch Manches an ihrem Spiel zu
%8 Natalie ihr geftern ſagte, fie müſſe fich eiwas





ſtatten ihnen nach einigen Schwierigkeiten, die Abthei—
lung derOblaten“ zu beſichtigen. „In dieſer Abthei—
lung ergab ſich,“ geſteht die Roma, „nichts Bemerkens⸗
werthes, weder in adminiſtrativer noch in geſetzlicher
Beziehung! Der Eintxitt in die Abtheilung der
lebendig Begrabenen“, d. h. der unter ſtreuger Clauſur
ſtehenden Nonnen, wird mit Gewalt erzwungen. In
einem breiten Corridor findet man zwei Pförtnerinnen,
welche auf die an ſie geſtellten Fragen keine Antwort
gaben. Ein Geiſtlicher erklärt, ſie ſeien daran durch
die Regel verhindert, als er ſelbſt ſie fragt, antworten
ſie: „Wir ſind glücklich. Entfernen Sie fich, wir
leben für ©ott“. Dann werden die andern Schweſtern
zuſammengeholt und aufgefordert, ſich zu entſchleiern.
Da ſie ſich weigern, „Jah der Procurator ſich genöthigt,
einer von ihnen den Schleier zu lüften. Der Eindruͤck
war ſehr traurig. Als die dichten Schleier gelüftet
waren, ſah man magere, abgezehrte, leichenhafte Ge—
ſichter, in Schweiß gebadet“. (Daß die armen Nonnen
hei einem ſolchen Einbruch in die Clauſur ſchwitzen,
iſt allerdings kein Wunder) Das iſt alles, und man
verſteht gar nicht, weshalb der Präfekt und der
Prokurator ſich in entrüſteten Aeußerungen ergehen.
Man verſteht e3 erſt nicht, wenn es einige Zeilen
weiter heißt: „Ihre Ernährungsweiſe gab zu Aus—
ſtellungen keinen Anlaß“, und wenn dann von „den
breiten und hellen Gängen des Kloſters? die Rede iſt.
So der Bericht eines liberalen Blattes, welches ſich
dabei auf Seite der Behörde ſtellt, alſo wahrlich nicht
im Verdacht ſteht, den Befund zu Gunſten des Kloſters
zu färben. Man ſieht alſo: der Bericht des Berliner
Tagebl beruht auf ſchamloſen Lügen! Er—
freulicher Weiſe iſt nur ein Theil der liberaͤlen deut—
ſchen Preſſe darauf hereingefallen; viele liberale
Blätter haben den neueften Kloſter-Roman ignorirt
oder mit einer vorſichtigen Bemerkung begleitet, nur das
„unparteiiſche“ Tagebl. in Heidelberg nicht.

Dies vorausgeſchickt, laſſen wir noch das Schreiben
falgen, welches der Erzbiſchof Sanfelice von
Neapel an den Präfekten von Neapel gerichtet
hat. Es lautet: „Zum größten Leidweſen meiner
Seele habe ich erfahren, wie Sie und andere amtliche
Perſonen ſakrilegiſche und gewaltthätige
Handlungen gegen zwei Klöſter volgenommen haben,
welche Neapel ſeit Jahrhunderten gewohnt iſt, mit
Liebe und Ehrfurchtanzuſehen; denn in denſelben
befinden ſich Damen aus adeligen Familien, die von
der Welt ungekannt aus Liebe zu Gott im Geiſte des
Gebets und Opfers den beſtändigen Heldenmuth des
freien Verzichtes auf die Welt und die Annehmlichkeiten

mehr Ruhe anzueignen ſuchen, da das ihren Vortrag
wejentlich verſchoͤnern würde, eine folche Erniahnung war
geradezu lächerlich

Bie war es möglich, die Läufe und Triller in einem
gemäßingteren Zeitmaße zu ſpielen wenn eben in der mög-
lichft ſchnellen Ausführung derfelben der Gipfel der Kunit-
fertigfeit erfannt werden ſellte? Was blieb überhaupt
von der Compofition, wenn diefelbe nicht brilant vorge-
tragen wurde? Wäre es nicht Natalie geweſen, die ſo zu
ihr gefprochen, ſo bätte man in ſolchen Worten nicht3, ais
eine vollſtändiae Sachunkenntuiß erbliden müfjen.. In dem
vorliegenden Falle aber war es nothwendig, die Unrichtig-
feltchemer derartigen Ermahnung ſich möglichſt Mar zu
maden.

So erſchien der fünfte Tag, ohne daß Georg Zur Lenne


Camilla wanderte rubeles durch die Räume des Haufes,
bald hier in einem Buche bläfternd, bald von einem Feniter
des CSöller3 die reiche Ausficht genießend.

Beſondere Freunde gewährte ihr dabei die Entdeckung,
daß man von dem hoch gelegenen Obexſervationspunkte die
zur Stadt führende Lantfiraße wohl eine Viertelftunde
weit ungehindert überſehen konnte,

.. Bon hier mußte man jeden Wagen, ieden Reiter, ja
jeden SuBgänger, der ſich der Dannenberg’j Hen Villa näherte,
ſchon in der Ferne erbliden Können. ;

Wohl ziwanzigmal des Tages flog ſie die Treppenftufen
hinan, um droben am Fenſter nach dem fäumigen Befucher
auszufpähen.

Endlich muß er doch kommen!

Das war der immer heller blinkende Hoffnungsſtern,
der fie binauf zoa.

Mber e zeigte fih nichts .

Nur langweilige Gemüjekarren und Juhrwerk ähnlichen
GenreS wurden auf der Landſtraße fidhtbar, von den
prächtigen Falben des Herrn Zur Lenne keine Spur,

Es war natürlich, daß Natalie endlich Camilla’s merk-
würdige vorliebe für die Bodenräume des HaufeS auffälig
fand, und als das junge Mädchen um die Nachmittag3-




ſtunden desfelben Tages, erhigt vom ſchnellen Laufen IM

Anzeige-Blatt für die Amtöbezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim! Schwegingen, Philippsbura,
Wiesloch, Bruchfjal, Bretten, Nedargemiäünd, Mosbach,
Eberbach/ Buchen, Walldirn Z.-BijhHofsh. Wertbheinı 2C.

Druck, Verlagu Expedition — Hube
in Geidelberg, Zwingerfiraße 7, | . Sßbl'fl.

des Lebens zeigen. Ohne die geringſte Rückſichtnahme
hat man ſich nicht geſcheut, from me Zungfrauen
plötzlich in Schrecken zu verſetzen indem
man ihr Hausrecht verletzt und, was
ſchlimmer iſt, ihre perſönliche Freiheit mit
Füßen trat, indem man ſie mit Gewalt zwang,
den Schleier von ihrem Geſicht zuheben
Dadurch hat man öffentlich der Autorität der Kirche
den canoniſchen Regeln und meiner Perſon der ich
die Kirche von Neapel zu leiten habe, Verachtung
bezeigt. Da gegenüber einem ſo ernſten Vorkommniß,
welches das Bewußtſein dieſer kath. Stadt tief ver—
letzt, mein Schweigen verurtheilenswerth wäre, und
ich durch daſſelbe nicht nur mein heiliges Amt ver—
riethe, ſondern auch das Vertrauen aller derjenigen
verſcherzte, welche ein Recht haben, in ihrem Erz—
biſchof ihren Vater und Hirten zu ſehen und den
treuen Hüter der Geſetze der Kirche ſoproteſtire
ich laut mit der ganzen Kraft meiner
Seele vor Gott und den Menſchen gegen
die ſacrilegiſchen Verletzungen, um die
es ſich handelt. Wenn die irdiſchen Gewalten
für das mit Füßen getretene Recht keine Genugthuung
verſchaffen, ſo appellire ich in unerſchütterlichem Ver-
trauen an den allmächtigen Gott, von welchem alle
Gewalt und alle Autorität ausgeht, und bei dem die
Verwaisten, Schwachen und Unterdrückten ſtets Hülfe
u. Schuß gefunden hHaben.“ — Damit wäre die neueſte
Kloſtergeſchichte auf ihren wahren Werth zurückge—
führt.



Deutſches Reich.

Berlin, 14 Olt. Der hente Vormittag 11
Uhr ſtattgehabten Exthüllung des Leſfing—
Denkmals wohnten Prinz Leopold, der Miniſter v,
Boetticher, v. Goßler und Miquel, der Polizeipräſident,
der Oberbürgermeiſter, ſowie Vertreter der Behörden
und Deputationen der Studenten bei. Profeſſor
Schmidt hielt die Feſtrede, nach welcher die Hülle fiel
und die Uebergabe an die Stadt erfolgte. Der Ober—
bürgermeiſter dankte mit warmen Worten und ſchloß
mit einem Hoch auf Ihre Majeſtäten den Kaiſer und
die Kaiſerin. Ein Chorgeſang beendete die Feier. —
Die „Nordd. Allg. :Ztg.“ meldet aus Rom Crispis
Rede ſei in die deutſche Sprache überſetzt und an
Caprivi und Kalnoky von Crispi überſandt worden.
Der deutſche und der öſterreichiſche Botſchafter hätten
Crispi wegen dieſer Rede beglückwünſcht. Auf Crispis
Wunſch habe der in Itaͤlien weilende Botſchafter
Nigra dem Florentiner Bankette beigewohnt, um dem

— — — — — L LLR ü —
bei ihr eintrat, ſaate Natalie von ihrer Arbeit
aufſehend:

Deine Wangen alühen, Camilla. Wo kommſt

u Her 7

„Bom Söller liebe Natalie.“ _

Das junge Mädchen warf ſich bei dieſen Worten nach-
Täfflig in einen der hochlehnigen Seffer und ſpielte achtios
mit den Schleifen und Bändern ihrex Nobe.

„ konnte mir’s denken,“ erwiderte Natalie Lächelnd,
während fie zu Camilla hinüberjah. „Seit geftern bringft
Du faſt die Hälfte des Tages dort oben zu. Wodurh h
nur der Söller ein ſo reges Interefje bei Dix erweckt ?“

„Man hat ohen einen äußerft freien Blick über die
hiefige Segend. AWber Höre, MNautalie,” fuhr das junge
Müdchen, ohne eine Pauſe zu machen, fort, „bleibt Dein
Freund Georg immer eine ſolche Ewigkeit aus, ehe er
jeinen Beſuch wiederholt ?“

Natalie ſah überrafcht auf und ſchaute mit Hrüfendem
Hlick auf die Spredherin, die mit naivjter Unbefangenheit
ihr gegenüber Jagı s

Ich weiß nicht, in wie viele Ewigkeiten Du Deine
Tage einzutheilen pflegit,“ meinte dann Natalie in ſcherz
haftem Tone. „®Georg hat übrigen? die Gewohnheit uns
zu überraſchen Seine gejhäfiliden Arbeiten Hindern ihn,
in regelmäßigen Zwiſchenraumen uns zu befuchen. Dann
bleibt er acht, dann vierzehen Tage, dann auch wohl gar
drei Wochen aus. Zuweilen —“

„Orei Wochen 7“ rief Camilla, ganz entſebt in ihrem
Seſſel auffahrend „Aber das iſt ja araͤßlich Langweilig.“

„Huweilen iſt er aber auch an mehreren anfeinander
folgenden Abenden unſex Gaft,“ ſchloß Natalie ruhig die
unterbrochene Rede. „C3 kommt eben Alles auf die ihm
zugemeffene freie Zeit an, , die Georg im Haufe meine8
Vaters zuzubringen liebt.“

Natalie fand genügende Muße, Camilla deren ſonder⸗
bares Benehmen ihe reichlichen Stoff zum Denken gab,
ferſchend zu betrachten; denn das junge Mädchen jtarrte
ſchön feit einer Weile in Gedanken verloren in’z Freie.

(FortfeBung folgt.)



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