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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 221 - Nr. 230 (27. September - 8. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44151#0913

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g%mu täglich mit Ausnahme der Sonn- und Fetertage

Amftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
* 1.20. ohne Trägesfohn u. Poftanffchlag. Beſtellungen
( den Poftanfalten ı. bei der Expedition Zwingerfiraße 7.






für Stadt




Anzeige-Blatt fär die Amtsbezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schwetzingen Philippaburg,
MWiesloch, Bruchſal/ Breiten, Nedargemünd, Mosbad,
Eherbadh, Buchen Walldkrır, T.-Biichofsh. Wertheiut 2C.





Berantmortlidher Redakteur ;
Julius Jecker in Heidelberg.





[ 228










MO



Oftober 1890






— ß
ſſtelluugen auf den „Pälzer
Bote“

efl von allen Poſtanſtalten und Briefträgern,

U 5!'“. von unſeren Agenten Trägerinnen und in der
— Zwingerſtaaße Nr. 7 noch fortwährend

— —— Bereits
© nachgeliefert.

eOesiesoSlOsSeSS
* Solitilde Wocenüberficht.

Heidelberg, Oktober.
Raifer Wilhelm, — der Unermüdliche, wie wir
lennen möchten — iſt in dieſer Woche bei ſeinem
}An Bundesgenoſſen, dem Kaiſer Franz Foſef
en eingetroffen. Auch dieſer Beſuch des Kaiſer
1 m3 und die Erſcheinungen, von welchen er be-
iſt, bekunden die Innigkeit des Freundſchafts⸗
3, melcher Deutſchland und Defterreich umſchlingt.
\ungrretcf) und Deutſchland fühlen, der Freundſchafts—
; der Reiche, welche ſich ein Jahrtauſend hiſtoriſch
ſtanden, werde das Mittel jein, um den Zuſtand
1 Beunruhigung, welche Europa ſeit einem
M Yundert heimſucht, endlich zu beendigen. Dazu
.1 e8 bei Denen, in welchen man Gegner des
B Onifes argwöhnen zu müſſen glaubt, der klaren
ell 6 daß das Bündniß weder durch bittere Rück—
A rungen. auf einer Seite, noch durch beunruhi—
® Bewußtſein auf der anderen jemals geſtört,
ert oder gar geſprengt werden kann. Der deutſche
kommt als treuer Bundesgenoſſe, Hüter des
dens, und als joldhent fchlägt ihm freudig das
des oͤſterreichiſchen Volkes entgegen. Daß alle
usfeindlichen Stimmungen vor dem unerſchütter—
M Bufammenhalten der Friedensliga kapitulirten
fapituliren mußten, giebt ohne jeden beſonderen
Mentar den Voͤlkern die Zuverſicht, daß die
4 Monarchenbegegnung ihnen zum Heile und zum
Mbe friedlicher Ärbeit gereichen werde.
Eder Hirtenbrief über die ſoziale Frage, wel-

8 wie unjern Leſern bereits befannt, die in Fulda





erſchienene Nummern













‚(
/
ı
1






— Z




Fijt und Ichatten. (Nad. verb.)

DOriginal-Novelle von Hans Fordaens
4l
ü



=t\müt raſchen Schritten näherte er ſich dem Seſſel, in
; [Atyseander noch immer in jeiner vorigen Stelung ver-
N und der Junge, der von der geballien Hand ſeines
nchts @uic3 erwarten mochte, hielt es für gerathener,
4 ioſt jeine. begueme Lage aufzugeben und ſich hinter
] Dhen Lehne jeineS SefjelS zu verſchanzen. 1
| a?ähfj%u {Huft gut daran, Dich aus dem Bereich meiner
a flg au ichaffen,“ fagte der_Commerzientath mit, z0rn-
„ i den Yugen aouf jeinen Sohn hinüberjehend, Deffen
ii immer dasſelbe aleichmüthige Lächeln zeigten ;
i halte e& für noihwendig, Dir die Vortheile der
) güa%-flfitgfe, der Du entwachfen zu ſein glaubft, noch nach⸗
* \ einzuprägen. — Sch Habe immer die arößte Nach—
UpoSoen Deine Zehler und Zhorheiten bewiejen, doch
Sa ı von Dir feine offene Oppolition mir gegenüber.
e inen Befehlen hafı Du pünktlich zu gehovchen ; denn in
NS Haufje mill ich allein Herr ſein fönnen.“ ” }
— mache Dir das Recht ja auch nicht {treitig,“ wart
‚ Y znit ſpoͤttiſchem Lachen ein.

"\t‚" OÖweig, Junge,“ herrichte der Bater, „und erkläre
8 was Dich bemwogen hat, mein Haus heute Morgen
Q Manplas. eines . Sffentliden Skandals zu machen?

äflnber {chwieg. ;
] ”mn_lmnrte," befahl der Banauier noch ſtrenger.
Vtonprein, diejer Unfinn,“ brach Seander jeßl laut lachend
„3zuerjt‘ befiehlit. Du mir, zu jchweigen, und aleich»
‘R\t —— Du, daß ich reden folle. verſichere
ſien Chre, wenn Du das Verbör in der begonnenen
) ‘mein‚jnrtiegeit‚ weiß ich nachher nicht mehr „Ja von
1 ISn 3 unterfheiden,” } ; 4

[an den Augen des Commerzienraths zeigte Hd jedoch
ngenblide Keinerlei VBerftändniß für Leanders
N ätlge Worte, die Jonit niemals ihr Wirkung verfehlten.
l\\‚i‘e er hat dem Seiltänzervolt den HZutritt zu meinem
f fragte ‚der. Commerzienrath drohend.
v A Senn Dı unter. dem Seiltänzervolk, die beiden Künft-
S dem englijdhen Cirfus verftehit,“ mar Leanders









ſchließlich des Erzbiſchofs von Freiburg und des
Biſchofs von Mainz, zu deren Dibzeſen preußiſche
Gebietstheile gehören) am 23. Auguſt erlaſſen haben,
ſchließt ſich eng an das am 20 April d. J. vom
hl. Vater an den Erzbiſchof von Köln gerichtete
Schreiben an. Er behandelt die gewaltige Frage
von hohen Geſichtspunkten, als gemeinſame Frage,
zu deren Löſung Alle, die guken Willens ſind, be—
rufen werden: Kirche und Staat, Arme und
Reiche, Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
Geiſtliche und Laien. Er bezeichnet die ſoziale
Frage zunächſt als eine Frage der Volks wirth—
chaft und des offentlichen Rechtes, an deren
Löſung Staatsgeſetzgebung, Politik, Staatsverwaltung
und Wiſſenſchaft betheiligt ſind, aber die natürlichen
Kräfte müſſen unterſtützt werden von den übernatür⸗
lichen, deren Hüterin die Kirche iſt Scharf wendet
er ſich gegen die „einſeitige Auffaſſung“ als ſollte der
Staat ohne die Kirche oder dieſe ohne jenen ſie
zu löſen verſuchen, noch nachdrücklicher gegen die
Anſicht alles ſei der privaten Thätigkeit, dem freien
Spiel der Kräfte oder gar dem „Kampfe ums Daſein“
zu überlaſſen. Damit haben unſere Biſchöfe zu den
Erörterungen, welche noch vor kurzem den Lütticher
Kongreß ſo lebhaft beſchäftigten, Har und entſchieden
Stellung genommen. Er weiſt hin auf die heihende
Kraft welche die Lehre Ehriſti gegenüber
der in der Sklaverei zum furchtbarften Aus—
druck gekommenen ſozialen Frage des Alterthums be—
wieſen habe, und nimmt für den Geiſt des Glaubens
dieſelbe Heilkraft gegenüber den modernen Zuſtänden
in Anſpruch, zu deren Beſſerung aber, da ihre Ur—
ſachen auf menſchlichen, politiſchen und rechtlichen
Gebieten liegen, auch entſprechende Mittel nicht ent—
behrt werden können. Die Mittel zur Milder—
ung der geſellſchaftlichen Ungleichheit dürfen nur
rechtmäßige, vom chriſtlichen und natürlichen Sitten—
geſetz gebilligte ſein, aber niemals auf Trug oder Ge—
walt beruhen. Die Achtung der weltlichen Obrigkeit
der beſtehenden Rechts⸗ und Eigenthums Verhältniſſe
iſt Gewiſſenpflicht, aber ihr ſteht gegenüber die Ach—
tung vor der Menſchenwürde und den Menſchenrechten
der Untergebenen und Mitmenſchen. Die Haupt—
quellen der geſellſchaftlichen Uebel ſind die Umtriebe
des Unglaubens und Umſturzes zur Förderung
des Abfalls vom Chriſtenthum und der chriſtlichen
Staats⸗Ordnung. Als Mittel zur Beſſerung
empfiehlt dann der Hirtenbrief die Pflege echter Re—
ligibſität und darauf begründeten Sittlichkeit und

”— — — — — P 2 —
ruck, VBerlag ıt. Erpedition von Gehr. Yuber| * (

— —— 4 h. zihig.
die Wurzel alles andern Er empfiehlt Friedfertig—
keit und Eintracht, Zufriedenheit auf der einen, ge—
rechte und barniherzige Liebe auf der andern Seite,
endlich die Hebung und Weiterbildung des chriſtlichen
Vereinslebens. Die Vereine ſollen wahrhaft chriſtlich
und wahrhaft praktiſch ſein, die Förderung der Ver—
gnügungsſucht vermeiden aber anſtändige Unterhaltung
dieten und nützliche Kenntniſſe vermitteln. Der Geiſt⸗
liche ſoll mehr der treue, opferwillige Freund und
Berather der Vereine ſein, während die eigentliche
Beſorgung der Vereins-Angelegenheiten mehr den
aus dem LatenftanDde gewählten Vorſtänden zu—
fällt und beſonderes Gewicht auf die Unterſtützung
aus dem Lehrerſtande gelegt wird. Das überaus
warme und würdig gehaltene Schreiben ſchließt mit
einer herzlichen Maͤhnung an die Wohlhabenden, ein—
gedenk zu ſein ihrer Pflichten und die Zeichen der
Zeit nicht zu verkennen, an die Arbeiter und Hand⸗
werker, nicht durch unerfüllbare Verſprechungen ſich
verführen zu laſſen. Es iſt ein Programm, auf
deſfen Boden alle Katholiken Preußens und Deutſch—
lands, in engſter Verbindung untereinander und mit
ihren Hirten, ſich zuſammenſchließen werden, ohne
ſich abzuſchließen gegen Jene, die nicht ihres Glaubens,
aber guͤten Willens ſind, mit ihnen am gemeinſamen
Werk zu arbeiten.

Das Erlöſchen des Sozialiſtengeſetzes, nach—
dem dasſelbe während einer zwoͤlfjährigen Dauer ſich
nicht nur als univirkſam, ſondern ſogar als eine, frei—
lich ungewollte, Förderung der deutſchen Sozial—
demokralie erwieſen hat, büdet den Hauptgegenſtand
der politiſchen Diskufſion. Als das Sozialiſtengeſetz
im Jahre 1878 erlaſſen wurde, zählte man 437,155
ſbzial dẽmokratiſche Reichstagswahler und bei den letz⸗
ten Reichstagsivahlen im Febrnar ds. IS. wurden
1,427,298 ſbzialdemokratiſche Stimmen abgegeben.
Dieſe beiden Zahlen mit einander verglichen reden
eine ſehr deutliche Sprache über die Unwirfjamfeit
des Soͤzialiſtengeſetzes, ſo Deutlich, daß nur eine ver—
ſchwindend kleine Anzahl von Blättern aus dem Lager
der Kartellparteien kaum den ſchüchternen Verſuch
wagt, jetzt noch das Fortbeſtehen des Sozialiſten—
geſetzes aͤls die /Rettung der Gejelljhaft“ zu hezeich—
nen. Sehr bezeichnend iſt es auch, daß der Ablauf
des Sdzialiſtengeſetzes in den Reihen der Sozial-
deniokralen ſelbſt ſehr viel kühler behandelt und „ge-
feiert? worden iſt, als man anfänglich erwarten oder
vielmehr befürchten zu müſſen glaubte. Wenn die
Sozialdemokraten den 1. Oktober nicht ganz ohne
Sang und Klang haben verlaufen laſſen wollen 10














trotzige Erwiederung „Jo ſind dieſelben auf meinen beſon—
dern unſch hier erjchienen.“

Und feit wann, wenn ich fragen derf ſtehtein Sproſſe
des Hauſes Zur Lenne in ſo nahen Beziehungen zu Kunſt⸗
reitern und aͤhnlichem Gelichter, daß er dieſelben ſogar in
jeine Wohnung beſcheidet! ‚fuhr Der Commerzienrath in
ſchneidendem Tone jort. Keinen Widerjpruch, FJunge,“
brauſte der Banquiex auf, äls Leander abermals die Lippen
zu einer iroßigen Entgegnung Hffnete. „Deine heute bes
wielene Dreiltigkeif laßt mich genugfam erfennen, daß ich
Deinem Kecht2gefühl bisher zu viele vertraute, und Deine
letztbegangenen Chorheiten, die mir zu Ohren gefommen
find, veranlafjen mich, in Zukunft eine genaue Rechnungs⸗
Molage über den. Verbrauch Deines Tajdhengeldes von Dir
zu fordern. Verſuchſt Du e8 noch einmal, die Dir zuge⸗
jtandene Freiheit im elterlichen Hauſe in der _ hHeutigen
Weije zu mißbrauchen,/ ſo {ollit Du erfahren, daß Du mir
noch nicht zu alt geworden piſt um Dich eremplarifch. zu
beftrafen. — FJür hHeute bleibft D oben auf Deinem Zim-
mer; denn ein Tag Stubenarreft ift wahrlich keine unDer-
diente Strafe für Dein trogiges Benehmen. Gehe jeßt mir
aus den Augen und unterfiehe Dich nicht, meinem Willen
zuwider zu hHandeln,“ *

Leander verließ nach dieſen Worten das Zimmer mit
demfelben äußern Gleichmuthe/ den er beim Eintritt zeigte
und der ihn während der ganzen Dauer der Unterredung
nicht verlaſſen hatte⸗

Die plöglidhe Strenge ſeines Vaters machte um ſe
weniger Eindkuck auf ihn, als er genügende ©ründe zu
der Annahme fand, daß es ſeinem Vater mit dieſer Strenge
doch nicht Ernſt fei.

Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß die vaͤterliche
Sirenge gewöhnlich einer fremden Urjache ihre Entftehung
verdanke und er fih alſo nicht dadurch einjchlichtern zu
laͤſſen brauchte

_ „Der Alte hat natürlich wieder anderen Nerger gehabt,
für deffen Folgen ih den Kopf.in’s Loch ſtecken {joll,“ jagte
Qeander vor fiH Hhin, auf einige Augenblide das Pfeifen
unterbrechend, . mit dem er an ‚der Thüre des väterlichen



Cabinets wieder begonnen hHatte. Aus dem Zuͤhauſebleiben



kann jelbitverfändlich Nichts werden Was Würde Miß
Arabella fagen, wenn ich mein Verſprechen nicht hielte ! —
Die Mana wird Horinens {don dafür jorgen, Ddaß das
Berdict wieder aufgehoben wird,“ lachte Leander. voller
Neberzeugung.. „Fm ſchlimmſten Falle jedoch werde i mir
jelbft zu hHelfert wijjen ; denn der Alte ſoll nicht am Ende
alauben, dak ich wich rieſia vor einem arimmigen Blide
von ihm fürchte, oder daß er mich ſo aanz con . amore
wiẽ einen Schulbuben einjperren fönne, — Was hHat er nur
von einer genauen RechnungsSablage gefohlt ? — Ha, ha!
Wirklich eine fanoſe Idee. — Zu jeiner Ehre aber wolen
wir annehmen, daß er felbſt nicht glaubt, ich würde ihn
zum Vertrauten meiner Prival Angelegenheiten machen.“

Leander begab fich auf fein in dem oberen Stodwerke
gelegeneS Zimmer, und da er es für zweckmäßiser hielt,
ſich den Unjehein zu geben, als fühle er ſich unwohl, {o
warf er fich angekleidet auf’s Bett und verjuchte vor Lange⸗
weile zu ſchlafen.

®eorg war kurz nach der ſtattachabten Unterredung
mit Jeinem Vater in die Danneuberoͤſchen Villa gefahren,
wojelb{t {chon ſeit mehreren Tagen eine Coufine Rolands
erwartet wurde, und jo trafen ſich als die Dinerſtunde
hHerannahte, die beiden Ehegaͤtten allein in dem geräumigen
Speileſaal zujammen. B }

Der Banquier, noch immer in veydrichlicher Stimmung,
ließ fich ohne Weiteres an der gedeckten Tafel nieder, wäh⸗
rend. die Commerzienräthin mit einem fragenden Blicke auf
die Thüre fjah.

Sie begriff nicht, warum Leander noch nicht ſichtbar
geworden war.

„Ciebchen,” ſagte ſie voll Erſtaunen zu dem Gaͤtten der
bereits mit dem Biner begonnen hatte, der Kleine iſt noch
nicht hier.“

„Der kommt auch nicht, lautefe die kurze Antwort.

„MWiefo, was foll das heißen? fragte die Dame, in
derer Hirn ſich ſchon die ängjilihen Fragen kreuzten.Es
iſt dem Kleinen doͤch nichts zugeftoßen?“

Fortſetzung folgt.)


 
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