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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 21 - Nr. 30 (26. Januar - 6. Februar)
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Griheint täglich, Sonn- und Feiertags auSgendminen.
Zamjtag3 mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlid
M, 120 ohne Trägerlohn ı Poſtaufſchlag. Beftellungen
bei den Poſtanſtalten u. bei der Expedition Plöckſtraße 103,



fir Stadt




Anzeige-Blaif für jJämmtlide Bezirke
de8 bad. Unterlandes, Preis pro ſpalt Betit»
zeile 10 3fg., bei Wiederholungen Nabatt.
Jnſeratẽ finden die weiteſte Verbreitung.





Nr. 29.

— der Borqwirthfhnft
und das Aeberwuchern des Kapitalismus.

&3 iſt, ſo ſagt der deutſche Oekonomiſt, ein

altes Klagelied — das vom Borgen und Pumpen!
Nirgends in der Welt findet ſich ein ſolcher Haug
zum Vorgen, eine ſolche Pumpleidenſchaft, wie in
unſerem üeben Vaterlande; der Sohn erlernt das
Borgen ſchon vom Vater, die Tochter von der Mut—
ter e3 borgt Jeder, vom Miniſter bis zum letzten
Kanzliſten, vom General bis zum Lieutenant herab,
der Gutsbeſitzer und der Rentier, der Handwerker und
der Arbeiter und natürlich zuletzt — mancher Kauf⸗
Mann, und dieſer dann erſt recht. Unſer ganzes Ge—
ſchäftöleben beruht ſicher zu neun Zehntheilen auf
Borg und zwar auf übertriebenem Borge Bäcker
und Metzger, Cigarrenhändler, Schuſter und Schnei⸗
der, ſie alle müſfen ihre Waaren auf Borg hingeben
und es ſind noch ſehr ordentliche Leute, welche halb⸗
jährlich oder jährlich bezahlen; das Anſchreibebuch
iſt ſo fehr zur Regel geworden, daß diejenige Familie
mit ſonderbaren Augen und zunächſt mit Mißtrauen
angefehen, und womöglich ſchlechter bedient wird,
welche ſich kein Buch anlegen läßt; manı nimmt fie
uicht für „voll“. - Das Borgen und ſogar das lange
Borgen wird als etwas ſo Selbſtverſtändliches an—
geſehen, daß man ſich beleidigt fühlt, wenn ein Kauf⸗
mann mit der Waare auch die Rechnung ſchickt, oder
venu er nach gaͤnzjährigem odec gar mehrjährigem
Borgen ſein Geld verlangt! Sehr entrüſtet macht
man dem Kaufmann dann die heftigſten Vorwürfe
und dieſer muß, „um die Kundſchaft zu hehalten“,
ſich ſehr entſchuldigen und ein Verſehen ſeines Per⸗
ſouals vorlügen!
Das ſind grundfaule Zuſtände, welche am
innerſten Mark unſeres Geſchäftslebens zehren. Kauft
eine Familie nur gegen Baar, ſo richtet ſie ſich ein
mit dem, was ſte hat und ſie wird ſogar auch bei
beſcheidenem Einkommen einen Nothgroſchen zurück⸗
legen. Iſt ſie aber einmal auf den Weg des Bor⸗
gens gerathen, ſo eilen die Bedürfniſſe den Mitteln
ſtets init Siebenmeilenſtiefeln voraus.

Der Kaufmann thut das Seinige, eine Waare
anzupreiſen; mit dem Bezahlen hatis ja keine Eile
und „man kann es gerade gut gebrauchen!“ So
gehts denn auf der ſchiefen Ebene weiter; es treten




ein, die Verſchuldung ſteigt; das darf aber Niemand
merken, einſchränken kann man ſich nun nicht mehr,
man würde ja den Credit verlieren, und die Blamage,
don ſich ſagen zu laſſen, daß man nicht mehr in der


erſt recht flott gelebt „um des Credits willen.“
Die wirklich reichen und wohlhabenden Leute,
welche alle ihre Bedürfniſſe, auch wenn dieſelben

Schön Elschen.
Nobelle von H. M Banning, .
Mırg denm Holländiſchen überſett von L, v, Geemftede, \
Fortſetzung.

Obſchon euer Auftreten für Jemanden, der fagt, daß er
leine Schuld befennen will, ziemlich dreift ijt,“ meinte Meijter
ßl)nberß, „ſo muß ich doch geſtehen daß ihr in gewiſſem Sinne
Crechtigt jeid, dieſe Frage an mich zu ftellen, Niemand wird
en WMeifter der Schujtergilde jemals der Unbilligkeit oder der
Ngerechtigkeit zeihen dürfen. Darum fordere ich euch, Evert
Sanfen, auf, zu erkfläven, ob Conrad ſich mit ſeinen Kameraden
M der hewußten Weife verabredet hat oder nicht?“

Svert fchien nochmals eine ausweichende Antwort geben

U wmollen, dodh Rynders, der fjeine Falſchheit ſehr gut erkannt
Sfi'ztte’ hielt den Blick jo fejlt auf ihn gerichtet, daß Jenem der

uth ausging.
* Ich will nicht gerade jagen,“ bracte er ſtammelnd und
S t niedergeſchlagenen Augen hervor, „daß Conrad ſich verab⸗
5* habe, doch er hat auf den Untergang des Adels getrunken

gut wie Govert und die Anderen.“
& „Da Haben wir’8,“ rief Govert, dem Andern einen ver-
Blick zuwerfend, „ihr ſeht alfo, Meijter, daß Conrad
I befhuldigt ift, und waz das Triaken betrifft! das hat
* guten Gründe, Der Lügner, der da fibt, der den Blick
* ehrlichen Mannes nicht ertragen fann, hatte Eonrad's
&".Yn rege gemacht durch Anfpielungen auf den Junker Bleien⸗
Y

b



S, ber fred) genug war, Ddie Tochter eine8 ehrfamen
?.‘.B?m‚ euere Tochter Elschen, in ihrem eigenen Haufe zu
Mültigen !“

„Was ijt das?“ fragte Rynderz beſtürzt.
S „Conrad,“ fuhr Govert fort, „müre nicht werth, Euer
f@‘“‘ege;ioßn zu Werden, wenn er ſich Dergleichen ruhig ge-
fa CM Ließe, Daß er den SJunker Bleienftein am hellen Taͤge


“ Mir der arme Kunge jebt nur zu {Hwer büßen miuß.“





Heidelberg, Dienſtag, 4. Februar 18909.



ten,. finden es bequenier und ſind einmal. ſonge—
gewöhnt! Alles auf Borg zu nehmen und nach recht
langer Zeit, wenn die Summe groß geworden iſt,
mit einem Chek auf den Banquier zu bezahlen; es
iſt ja ſo plebeiſch, jede Kleinigkeit baar zu bezahlen,
als ob man keinen Credit hätte!

Welches aber ſind die Folgen dieſes Syſtems,
unter welchem die Geſchäftsleute ſtöhnen! Die Kauf—
leute müffen bet ihren Lieferanten ebenfalls auf lange
Dauer borgen. Und dieſe Lieferanten und Fabrikan—
ten ihrerſeits müſſen eben deshalb bet den Bankiers
borgen. An dieſer Stelle wird der Geſchäftsbetrieb
endlich ein geregelter, inſofern als der Lieferant und
Fabrilant Zinſen .und Proviſion zu be—
zahlen hat.

Seinerſeits aber kann er ſelbſt für Jahre alte
Ausſtaͤnde keine Zinſen berechnen, „um die Kund⸗
ſchaft nicht zu verlieren“, er möchte wohl ſeinen Prels
ſowohl um den reichlich bemeſſenen Zingverluſt, als
auch noch für das bedentende Riſtko, welches er durch
das lange Borgen tragen muß, erhöhen, allein ſolche
Zuſchläge, die ſich in jeder Hand wiederholen müß—
ten und die der Conſument als Strafe für das
Pumpſyſtem dann zuletzt alle bezahlen muͤßte, laſſen
ſich in der Wirklichkeit nicht wohl durchführen. Die
Coneurrenz der Verkäufer erſchwert dies ungemein.
So fallen alſo die Folgen diefes lodderigen Borg—
weſens zuletzt immer auf den Fabrikanten und Liefe—
rauten. Aber auch der Handel, ſpwohl der große
wie der kleine, leidet ſchwer darunter und ſehr viele
Bankerotte haͤben ihre Quelle allein in der Borg—
wirthſchaft! Wenn der redliche Handwerker und Krä-
mer regelmäßig ſein Geld erhielte, ſo koͤnnte ſtch
Mancher über dem Waſſer halten und ehrlich durch—
bringen, der in dem Meere der allgemeinen Pump⸗
wirthſchaft mit ſeiner Familie untergeht, weil er den
Athent nicht lange genug anhalten kann, dah weil
er nicht lange genug zu borgen im Stande iſt.

Von der Geſchäftswelt kann eine Aenderung
des unſeligen Boͤrgſhſtenis nicht ausgehen: jede da—
hin zielende Vereinigung dient Anderen mur dazu,
durch noch ausgedehnteres Borgen die Kundſchaft an
ſich heranzuziehen; daher auch die Mißerfolge von
Rabattanftalten 2c. Die reichHen und wohlhaben—
den Leute aber ſollen zunächſt mit dem guten Bei⸗
ſpiel vorangehen, jeden, auch den geringſten Gegen—
ſtand nur gegen Bagrzahlung zu kaufen und je-
den Borg grundfäklich auszuſchließen. Sodann ſind
es die hohen Beaniten und höheren Qffieiexe,
welche in dieſem Sinne ein gutes Beiſpiel geben
ſollten, welches ſicher auf das ganze Heer der unter⸗
ſtellten Beamten und Offtctere foͤrderlich einwirken
würde. Auf dieſem Wege müſſen wir dahin ge—
langen, daß das Borgen von Bedürfniſſen des taͤg—

Elschen richtete ſich bei dieſen Worten plötzlich auf und
fragte in großer Erregung:

„Waz iſt mit Conrad geſchehen?!

Nichts, nichts beruhigle er Rynders, während er mit
Govert einen Blick des Einberſtändniſſes wechſelte, „jeine Un-
befonnenheit thut ihm leid und das quält ihn natürlich.”

Setze dich wieder Kind und bleibe ruhig,“ {prad die Mut⸗
ter die Hand ihrer Tochter umfaſſend.

Doch das Mädchen ſchien darauf nicht zu hören; ſie rief:
„Nein, nicht Conrad, ich habe ſchlecht gehandelt, ich trage an
allem die Schuld !“

„Sei doch ruhig, Kind, und ſetze dich,“
Mutter.

Ich habe Conrad unglücklich gemacht,“ jammerte das
Mädchen, die Hände ringend, „o! ich werde dir Alles erzählen,
Vater, „aber verfprich mir, daß du Conrad verzeihen wirſt.

„Srzühlen?“ wiederholte RynderS, „was gibt e& denn noch
zu erzählen 2“

„D viele8, Bater! Ich habe ſchlecht, ſehr ſchlecht gehandelt,
ich habe Conrad ins Unglück gebracht. O mein Gott! was
habe ich gethan!“

Und fie fank ſchluchzend in den Stuhl zurück und bedeckte
das Geſicht mit beiden Händen

Abert ſei doch ruhig, Sischen!“ ſprach die Wutter wieder,
ihr Kiechfläſchchen hervorziehend, denn die Ohnmacht des
geſtiigen Tage8 ſchien ſich wiederholen zu wollen, Das Wäd—
chen Ließ den Kopf kraftlos niederhängen und das Blut wich
ganz aus ihren Lippen.

Das iſt dein Werk, elender Burſche! rief Govert dem
Schwarzhaarigen zu, während er raſch auffprang, um. Mutter
Rynders zu helfen.

Ihr jeid wenigſtens ſehr unvorſichtig geweſen in euren
MNeußerungen, junger Menjch,“. ſagte Rynders, „denn wie mir
jcheint, ‚gefchah es nicht mit den ehrlichſten Abfichten, als ihr
niich vor Conrad warntet.“. ' /

„Sch ahnte e& wohl,“ hemerkte Govert, während er Evert
einen Blick zumwarf, der diejfem durch Mark und Bein ging, i
ahnte e& mobl, daß die Läjterzunge dieſes HeuchlerS hier böſen

wiederholte die










25, Jahrgang.
als ſittlicher Nakel beträchtet
wird: denn iſt es in der That mit wahrem Ehr⸗
gefühl vereinbar, ſich für verzehrte Nahrungs—
mittel, verbrauchte Bekleidungoͤgegenſtände 2C, nach
Jahr und Tag maͤhnen zu laſſen?

Der einzige, der bei dieſem Pumpſyſtem ge-
winnt, iſt der Geldhandel! Zum Bankter
müſſen ſie alle: der Fabrikant, der Groß und Klein—
Händler, der Krämer und Handwerker, Cr muß
ihnen allen aushelfen und ſo lange Geld leihen, bis
die Zahlungen eingehen. Er allein verdient,
denn er läßt ſich ſeine Gefälligkeiten theuer bezahlen,
alle anderen verarmen.

Eo trägt die Unſttte des laugen Borgens ſehr
viel dazu bei, daß von allen Geſchäften faſt allein
noch das des Bankters blüht, wenn es mit großen
Mitteln und der nöthigen Umſicht geführt wird.

Deutſches Reich.
* * Berlin, 2. Februar.

— Der Aufruf der rheiniſchen Centrumspartei
fordert auf, mit aller Entſchiedenheit in den Wahlkampf
einzutreten. Die verfloſſene Periode war unbefriedigend.
Die Militärlaſten ſind geſtiegen, die Sozialreform fand
nicht Beifall, der Arbeiterſchutz iſt nicht Geſetz geworden.
Die Neuwahl möge beitragen, daß der Reichstag ſpar—
ſam fei, die Arbeiter und Handwerkerfrage naͤchdrück—
lich verfolgt werde und für alle religiös kirchlichen In⸗
tereſſen eintrete, insbeſondere auch durch Gewährung
voller Freiheit für ſämmtliche Orden— ;

—' Der. „ReichzZanzeiger“. meldet, der Stadt
Hannover ſei als Zeichen beſonderer Huld des Kaiſers
die Bezeichnung /Haupt⸗ und Reſidenzſtadt“ verlichen
worden

— An Frhrn. von Franckenſte in's Stelle in
Lohr fandidirt deſſen älteſter Sohn Karl.

Eichſtädt, Febr. Prälat Dr. Philipp Her⸗
genröther iſt heute Mitternacht geſtorben (Prälat
Hergenröther, ein Bruder des Kardinals und früheren
Würzburger Univerſitätsprofeſſors, war ein hervor⸗
ragender Gelehrter Hausprälat Sr. Heiligkeit des
Paͤpſtes, Doctor theologias, Profeſſor des Kirchen—
rechtes, der Homiletik und Patrologie am biſchöflichen
Lyceum zu Eichſtädt und Didceſanpraͤſes der katholiſchen
Geſellenvereine.







lichen Leben







Fus Baden.
* Zandtag.

LLKammer.

Tagesor dnung auf Montag, den 24. Febr.
Vormittags 11 Uhr: 1. Anzeige neuer Eingaben.
2, Berathung der Berichte der Kommiſſion für Straßen
und Eiſenbahnen: a, über den Geſetzentwurf der Er—
bauung einer Nebenbahn von Gernsbach nach Weiſen⸗
bach betr.; Berichterſtatter: Abg. Pfefferle; b. über

Und damit mein armes Kind zu opfern das iſt ſchänd⸗
lich! ließ Rynders darauf folgen, während er heftig an ſei—
nein Camiſol 30g.

„Soll ich ſchnell zum Apotheker gehen, Meijter 9“ fragte
Svert, der ſehr berſtört ausfah und dem der Angſtſchweiß auf
der Stirne ſtand.

Das kann ich ſelbſt wohl beſorgen laſſen, wenn e& nöthis
iſt, verſetzte der Meiſtex kurz, „Doch e& wird, meiner Anficht
nach beſſer ſein, wenn ihr jetzt mein Haus verlaffet. Wie
geht e& mit Elschen, Mutter? , ſoll ich die Magd rufen ?”

Nein, ſie fommt wieder zu fich,“ fagte Mutter NRYnders,
mit ‚einer Stimme, Die von ihrer tiefen Bewegung Zeugniß
gab, „aber ich glaube auch, daß es beſſer ſein wird, wenn {fie
Sanfen hier nicht mehr findet.“ A

„Und daß du nie hierher zurücfommftl“ ließ Govert da—
rauf folgen, als Evext im Gehen noch ein paar Worie zu
ſeiner Entſchuldigung ſtammeln wollte, „und ſorge auch dafür,
daß Du mir nicht mehr im „Erispin“ unter die Augen fommit,. |
denn ich will in meinem ganzen Leben keinen Spannriemen
mehr in die Hand nehmen, wenn nicht wenigſtens ein paar
Dugend Bierkannen — — — —

„ „St—1“ füfterte die alte Frau au3 Beſorgniß für ihr
Töchterlein. *

„Nehmt mir nicht übel, daß ich ſo heftig bin, Mutter
Rynders; es iſt unpaſſend, das weiß ich wohl, aber da mag
ein Beſſerer, als ich bin, einem ſolchen gemeinen Lumpen gegen—
über ſeine Ruhe bewahren !“

VIII.
Govert {nielt jeinen letzten Trumpf aus.

Evert Janſen haͤtte ſich entfernt.

Bater Kynders ſchritt nun auch vor Elschens Stuhl hin
blich da ſtehen und jah e mit großer Beforgniß an. Das
Möädchen am allmälig wieder zum Bewußtfein, aber ihr Anz
geficht war von einer Todtenbläſſe Überzogen. Nach einigen
Mugenblicen brachte ſie beide Hände an die Schläfen. ;

„& mein Kopf!“ {tammelte ſie

Fortſetzung folgt)




 
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