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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 211 - Nr. 220 (16. September - 26. September)
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. "fi)fim taglic mit Musnahme der Sonn- und Feiertage.
— mit. Unterhaltungsbeilage. . Preis vierteljährlich
— 1.20: oHne Trägerfohn n. Poſtaufſchlag. Beſtellungen
SN den Moftanftalten u bei der Expebition Zwingerfirsaße 7.

2

—⏑ — —
Centrumspartei.

8 achdem auf unſere Eingabe an Großh Domänen—
altung vom 11. ds. Mts. um Ueberlaſſung des
eeſes für die auf den 28. ds. Mts. in
—— genommene größere Verſammlung, trotz un—
8 freundlichen Bitte um gefaͤllige umgehende Ent—
Ung eine Zuſage bis heute Abend nicht erfolgt
2 d wir in der Lage, unſeren Parteigenoſſen mit—
8 M zu müſſen, daß die beabſichtigte Verſammlung
© vertagt iſt.
8 eidelberg, 23. Sept 1890.
* Provinzial⸗Comite der Centrumspartei.

ü— —⏑
| er eidgenöffilde Bundesrath und die

Yicvolution.

U3 der Schweiz wird dem Münch. Frmdbl.
leben: Unſer Bundesrath blamirt ſich offenbar;
d ßefiäiigen jetzt nicht bloß die konſervativen Blätter
Dra Konfejfionen, ſondexn auch entſchieden freiſinnige
14 wie>-z. B. die „N. Züricher Ztg.“. Letztere
bettt das Schwanken der oberſten Bundesbehörde
4 ‘ Während dieſelbe in ihrer erſten dem Bundes-
—⏑ — ertheilten Inſtruktion ihn anwies, die Re—
} f No8gewalt nur für ſo lange auszuüben, bis die
rolt Regierung ſich wieder konſtituirt haben
ij überließ ſie es ſpäter dem Ermeſſen des Kom—
en 18 ſelbſt, den Wiederantritt der Funktionen durch
$ Staatsrath von STejfin feftzujebßen. Nım hat
;täqte& er die Regierung ihm mit der Erflärung aͤn—
e % daß ſie vermöge des vom verfaſſungsmaͤßigen,
— Großen Rathe überkommenen Man-
Lre Geſchafte wieder führen werde; er hat ihr
. zunächſt Weiſung von Bern einholen zu
d dort ſcheint man entfchloffen, alle Ver—
et auf die nächſten Montag zu andern
ungögeſchaften (Bolltarif, Banknotengeſetz
14 .) zufammentretende Bundesverſammlung ab⸗

— [ Odey 0M SIft das ſtagtsmänniſch? Iſt es gerecht,
Fuuech nur klug? Keines von Allen, und ſelbſt

Lwie das ckwähnte Züricher Blati, das Zour—
1 Geneve“ 1. ſ. f., erflären die Politik als un—
Han O, Rechtsfragen der politiſchen Entſcheidung
‘Antmworten, denn es ſei ja vorauszuſehen, wie



Verautwortlicher Redalteur:
Julius Jecker in Heidelberg.









4






























*N Bdesverfammlung beſchließen werde! Dieſelbe
1 —














wird nämlich die rechtmäßig konſervative Regierung
ſo lange als immer möglich von ihrer Kompetenz
ausſchließen.

Wir ſehen voraus, daß es ſo der Schwierigkeiten
noch mehr geben wird. Bekanntlich erklären die Re—
volutionaͤren, ſie würden ſich einer Regierung Reſpini
nie mehr unterwerfen! Wenn nun, was ſicher zu ſein
ſcheint, die Abſtimmung am 5. Oktober abermals eine
konſervative Volksmehrheit ergeben wird, ſo dürfte ſich
dieſelbe kaum dazu geneigt zeigen, ihrem Haupte den
Rücktritt aus dem Staatsrathe nahe zu legen; es hieße
dieß unter gegebenen Verhältniſſen, der Mehrheit die
Seele nehmen/ nachdem der frühereleitende Chef, Pedraz⸗
zini, ſich von der Kantonalen Politik zurückgezogen
hat, um demnächſt an der katholiſchen Hochſchule in
Freiburg den Lehrſtuhl des Staatsrechtes zu beſteigen.

Wird nun der Bund den Rücktritt Reſpini's er—
zwingen können und wollen? Freilich ſind die Be—
theuerungen und Drohungen der Revalutionären nicht
alle ernſt zu nehmen und ſogar die „N. Züricher Ztg“.
meint, ein etwas entſchiedenes Eingreifen des Bundes—
kommiſſärs hätte den Trotz der Aufſtaͤndiſchen ganz gewiß
zu brechen vermocht. In der That erklärtẽ auch ein
Oberſt der italieniſchen Armee, welcher der Emeute
in Lugano zujah, mit einer Kampagnie Berſaglieri
hätte das ganze Rachekorps der Radikalen auseinander
getrieben werden können. Aber das will man eben
nicht, unter dem feigen Vorwand, kein weiteres Blut—

geloͤſten proviſoriſchen Regierung, welche wegen
Friedensbruch nach dem Bundesſtrafgeſetzbuch eine
Strafe von mindeſtens einem Jahr Zuchthaus zu er-
warten Haben, gehen noch frei herum und der Mord⸗
bube Caſtioni, durch deſſen Geſchoß Staathsrath Roſſi
gefallen, ſei bereits nach England entfommen.

Welche Begriffe die Revolutionäre von ihrem ei—
genen Werth haben, läßt ſich daraus ermelfjen, daß
ſie es der Regierung zum Vorwurf machen, weil ſie
durch Gendarmen die Häuſer nach dieſen Verbrechern
durchſuchen ließ während ſie ſich berechtigt hielten,
die im Amte ſtehenden Regierungsperſonen durch Auf⸗
ſtaͤndige in den Wohnungen aufſpüren und unter Miß—
handlungen vor ſich hertreiben hießen! — Kurzum!
Die Verneinung der Rechtsbegriffe ift, wie e& auch
die Mehrzahl der radikalen und ſogenannten liberalen
Blätter der übrigen Schweiz täglich beweiſen, aufs
Aeußerſte gediehen, ſo daß bereits die Konſervativen,
welche für das klarſte Recht einftehen, der Anſtiftung
zum Bürgerkriege beſchuldigt werden — Gauz ſo wie
in den traurigen 40er Jahren, wo Ddie Radikalen








Anzeige-Blatt für die Amtshezirke Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, Schweßingen, PhilippSdurg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbach,
Eberbach Buchen, Walldürn, Z.-Bijchofsh. Wertheint 2C. '

26. Zabrg.

Drud, Berlag ı. Erxpedition von Gebr, Yuber
in GHeidelberg, Zwingerfraße 7.














Sonderbundskrieg“ gegen die kathol. Kaͤntone eine
Thatſache war — Der Bundesrath hat neueſtens die
Fortdauer der eidgenöſſiſchen Okkupatin über den
5. Oktober hinaus beſchloſſen, auf welchen Lag die
zur Zeit im Teſſin befindlichen zwei Bataillone durch -
zwei neue und ein Dragonerregiment abgelöft werden
ſollen, ſo zwar, daß nach Umſtänden Ddie ganze Trup—
penabtheilung voruͤbergehend zur Verwendung bleibt.
Welches Geſindel unter den Aufſtändiſchen war,
iſt daraus zu erſehen, daß in konſervativen Luganefer?
häuſern Koſtbarkeiten und Geld geſtohlen und Kinder
bedroht wurden. — Ein irredentiſtiſcher Theilnehmer
am Aufſtande bedauerte es, daß die ital. Regierung
die Verwirrung nicht benützt habe, um den Teffin,




Deutſches Reich.

* Berlin, 23. Sept Die /Kreuzzeitung! tadelt
in einigen Worten die Liebeshändel und Selbſtmorde
der Adeligen, welche vorige Woche hier paſſirten und
das Tagesgeſpräch bilden. Wenn große Vermögen
am Rennplatz und im Spielklub ſchwinden ſtatt dem
hoͤhen Ziel der ſittlichen Erneuerung des Volkes zu
dienen, wenn das Leben in elenden Liebeshändeln
hinzieht, dann ſei der Ruf berechtigt: Fort mit dieſen
Drohnen, ihre Uhr iſt abgelaufen! Vor hundert Jah—
ren wurde die Feudalmonarchie geſtürzt ſind die ent—
ſetzlichen Erfahrungen umiſonſt geweſen?“ — Die
Germania behandelt gleichfalls dieſes Thema. Ein
einzelner Stand ſei dafür nicht verantwortlich.! Die
materialiſtiſche Lebensweiſe habe zugenommen, auch
die höhere Bonrgeoiſie liefere ſolche Skandalfälle.
Wenn die beſſere Nehrheit des Yolkes
die Durchführung der Gebote Gottes nicht
er zwingt, dann iſt die heutige Geſelt
ſchaft verloren. Das unmittelbare Bevorſtehen
des Rücktrittes des Kriegsminiſters wird allent—
halben beſtätigt. Kaltenborn⸗Stachau wird ſein Nach⸗
folger. — Zur engeren Konkurrenz für das National-
denkmal wurden außer den preisgekrönten Theilneh—
mern an der erſten Konkurrenz (die Architekten Schmitz
Rettig, BPfann, die Bildhauer Hildebrandt, Hilgen,
Schaper, Schilling) noch eingeladen, Reinmann Mün—
chen), Begas und Siemring Gerlin) und Donndorf
(Stuttgart). ;



Ausland.

Varis, 22. Sept. Die früheren Mitglieder
der Patriotenliga feierten geſtern den Jahrestag der











Ficht und Schaͤtten. —
Sriginal Novelle von Hans Jordaens.







08 ä‘f Commerzienräthin ihrerſeits alaubte in Bezug auf
Br clige WWohl des Nindes ihre Milichten bei der Er-
dadurch ausreichend erfüllt zu haben, daß ſie
4 betonte, Leander müfje neben den andern Fächern
— — Religibn unterrichtet werden.

* 8 Nebrigen Jorate fiegemwiffenhaft dafür, daß Leander

} neueſten Anforderungen der Mode entſprechend

44 war und daß ihm jede Aufregunug. die durch Ker⸗
eines Wunſches hätte entſtehen können, fern—

/ * urde. —
F ykeree „ Secander ſein vierzehntes Jahr erreicht Hatte, er-
* 8 die Commerzienräthin, daß es nun an der Zeit
M ya Nnaben zum Tijhe des Herrn führen zu lafjen.
— Haug 8 3u diejem Akte ‚erforderlichen Borbereiiung ver-
[ Qdeig,. C° heimlich einen günitigen Einfiuß _ auf das
nnbe„ng bia zur Unerträglichteit ſich ſteigernde Betragen
i‘b?äa%a_nquier bezeichnele zwar einen diesbezüglichen

dr
on jeiner Gemahlin als ein verrüctes Hirngejpinnft,
dueden icheinlich mieder im Kopfe jeiues- Meltejten ent-
; \b'hter Tei, doch die Commerzienräthin, die die Beobachtung

erg Sorm für {eOr mwichtig bielt, Iß fich troß der

\qfi\ten‘“ten Verfidherungen ihres SGatten, daß er jeinem

} Mey% Sohne nicht auch eine jefuitijche Srziehung geben
* [Br Qiomne, in ihrem Verhalten nicht beirren.

— belehrte fie ihren „e3 ift überall
* D 91% man die Kinder in Leanders Alter dieſem feier-
— [ Tej, Xle beiwohnen 1äBt. — Wir würden zu müßigem
U Oueslaß geben, wenn wir e& unterlafien wolten.‘

hıcla n Dır magift Deinen Willen haben,“ ent{died der

“ Beindtenrath, „ich werde jhon darauf achten, daß Ihr
4 ——⏑ Augenverdreher aus dem Jungen macht
- Ne te
4* kein Grund vorhanden. — ;

Vn Bruder, der den Leichtfinnigen in eindrins—
8 Orten anf die Wichtigkeit des zu begehenden
> Aufmertfam machen wollte, lachte er in's Geſicht











i {














































und verjhob {päter die bereit3 auf Tag und Stunde ange-
jeßte Feier, fjelbitverftändlich mit Zuftimmung ſeiner Eltern,
auf einen andern Zag, weil es ſich zufällig traf, daß an
dem Abend vorher im Theater ſeine Lieblinas Vorſtelluns
gegeben wurde, und er Ddemzufolge am andern Morgen
länger ruhen mußte. \

Als der feierliche Tang endlich erſchienen war, Iud die
Commerzienräthin, ebenfalls, weil es in andern angeſehe⸗
nen Häuſern ſo Sitte war und weil ſie gerne jede ſich

geben, eine zahlloſe Schaar von Freunden und Bekannten
ein, und Leander erinnerte ſich in jpäteren Jahren an ſeinen
exſten Communionstag als an einen Tag, an dem in jeinem
elterlichen Hauſe ganze Berge von Torten und Paſteten
vertilgt worden ſeien, und an dem er ganz unglaublich viele
Geſchenke erhalten habe
Seorg war bei dieſem Feſte nicht zugegen.

Er haͤtte zum größten Bedanern der Commerzienräthin
die in dieſem Sinne auch ihren Gäſten gegenüber das Aus⸗
bleiben ihres älteſten Sohnes entihuldigte, am Morgen
des Tagez eine mehrtägige Gejchäftsreife angetreten, von
er behaupfete, daß ſie ſich unmöglich würde aufſchieben
affen. }

Man beflagte allgemein lebhaft dieſes unangenehme
Zufammentreffen von Umftänden, doch verlief das Feſt auch
ohne Georgs Unwefenheit zur vollſten Zufriedenheit der
Commerzienräthin

Leander hatte ſich tros ſeiner vierzehn Jahren auf dem
Barquetboden ihres Salon3 ganz taktvoll zu benehmen ge-
wußt und durch feine Galanterie gegen junge Mädchen
eines Alter3, wie Überhaupt durch jeine liebenswürdigen

anieren die Gäſte entzüdt.

Es war Georgs größter Schmerz, ganz machtlos dieſem
haltloſen Treiben der Seinigen, dem er ſö fern ftand, zu⸗
ſehen zu müffen; denn auf dieſem Gebiete galt ſeine Stimme
nichtS im Elternhaufe. ; —
Er mußte ſchon froh fein, noch fo viel über jegnen
jüngeren Bruder zu vermögen, daß dieſer ihn auf ſeinen
Vunſch bei dem ſonntäglichen Kirchenbeſuch begleitete.

Unbekümmert um alle ſpöttiſchen Bemerkungen und



Sticheleien die in jeiner nächſten Umgebung laut wurden
verfolgte der junge Mann ſeine ſtreng ernſte Richtung und
inniitten des ihn umgebenden Strudels blieb er ſeiner reli-
gidjen Neberzeugung getren.

Seorg Zur Lenne war von hoher, ſtattlicher Figur,
und mit einem einnehmenden YMenßern verbanden fih bei
ihm mannichfach hervortretende geſellſchaftliche Talente, die
ihn allerort$ 3zu einem gern gejehenen Gaſte machten.

Nehen dem anipruchslojen Wejen, das man an dem


ruhige Schuldbewußtfein, welches eine unabhängige, ge-
ſicherte SebenSftelung verleiht, und das in der Geſellſchaͤft
niemals ſeine Wirkung verfehlt.

Viele ſchöne Augen ſahen vol Intereffe der bedent
ſamen Erſcheinung des jungen Mannes entgegen, der für
jede der ungeduldig Harrenden ein „artiges Wort, ein
Kiebensmwürdiges Lächeln in Bereitſchaft haͤlte, ohne jedoch ;
eine der jungen. Damen bejonderS auszuzeihnen.

Dieje Zurüchaltung des Bielgejuchten, die veinliche
Ungewißheit, wer zulegt die Auserkorene ſein würde, der
er jeine Hand reichte, mußte die zumeiſt dabei Betheiligten
auf die Dauer ermäden ; denn von einem Heirathsfähigen,
jungen Manne, der in der Geſellſchaft eine jelbftjtändige
Stelung einnimmt, erwartet man, ob mit Recdht oder Un
recht, daß er ſich mönlichft bald erklären folle.. ?

Georg war indeſſen mit ſeinen Heirathsproiekten nicht
jo eilig als ſeine reizende Unigebung diefes wünſchte.

Die zungen Damen, die er bisher Gelegenheit hatte.
kennen zu lernen, hHatten es alle nicht erreicht, den Unbe-
zwinglichen Yänger auf einen Geſellſchaftsabend zu feſſeln.
und erft in Natalie von Dannenberg ſchien Georg, ein
veibliches Wejen gefunden zu hHaben, das jeine voNle Sym-
pathie erwedte. : )

Seitdem Georg im Frühjahre in Sorrent mit der
ſchoͤnen Tochter des Präfidenten zujammengetroffen, hatte


gebildet, daß SGeorg, fo oft e$ nur ſeine Zeit erlaubte, zu
der freundlichen Billa des Präfidenten Hinausfuhr, unı das
Veranügen zu haben, ein Stündchen mit feiner geiftvollen -
Freuͤndin und deren Vater zu verplaudern. ($. f}
 
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