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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 21 - Nr. 30 (26. Januar - 6. Februar)
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Nr. 27.

- * & lebe die Ordensfrage!

„Die Ordensfrage iſt todt? fo jubelten die
Nationalliberalen der badiſchen Kammer am Naͤch—
mittag des 23. Januar. Sie hielten, wie wir hören,
ein feſtliches Mahl ab. Wer mag hier nicht denken
an das Feſtmahl in Heine's „Belſazar“:

Die Kuechte ſaßen in ſchimmernden Reihn,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein,
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht',
So klang es dem ſtörrigen Ajax wohl recht.

Doch dieſe liberalen Herren ſind keine Knechte.
Sie haben ſich im Gegentheil feierlich doeumentirt
als die ſouveräuen Herrn über die katholiſche Kirche
in Baden, Der Proͤteſtant Kiefer und die zwei Alt—
fatholifen, Fieſer und Gönner, haben feierlich ausge—
{prochen, daß die Kaͤtholiken in unfjerem bewährten
Muſterlande nativnaliberaler Freiheit nur ſoviel
Auſpruch auf das verfafſungsmäßig ga-
rantirte Recht der freten Religionsübung
haben, al3 dieſe Herren Proteſtautenund
Altkatholiben es für gut finden. Und die
Großherzogliche Regierung beugte ſich in Demuth vor
den Gewaltſprüchen dieſer Herren und haͤtte dabei
die große Naivetät und Unbefangenheit, ihren Durch—
gang unter dem Joch der liberalen Kammermajori—
tät als Wahrung des eonfeſſibnellen Friedens zu be—
zeichnen Ich meine, mehr kann man die Katholiken
nicht verhöhnen, als indem man ihnen ſagt: „Wenn
wir Euch ein verfaſſungsmäßig garantirtes und ge—
ſetzlich ausgeſprochenes Recht geben ſo wind der con—
fefſionelle Friede geſtört.“ Ehrlich deutſch überſetzt
heißt das aber nichts anderes als: „Die Prote⸗
{tanten, der evangeliſche Bund und die Altkatholiken
wollen keine Klöſter, alſo dürft ihr Katholiken auch
keine Haben.“ Und eine ſolche Logik und eine ſolche
Gerechtigkeit nennt man noch Wahrung des Friedens!
Man müßte ſich billig wundern über eine ſolche Be⸗
handlung der Katholiken und ihrer Kirche, wenn man
nicht läugſt wüßte, was wir Katholiken uns im Lande
Baden ſchon Alles haben gefallen laſſen, ohne aus
dem Gebiete der Täuſchungen und Illuſionen heraus⸗
zukommen.

Und hier ſind wir am Wendepunkt angekommen
und fragen: Was iſt jetzt zu thun? Wir rufen aus:
Die Ordensfrage iſt todt. Es Lebe die
Ordensfrage! Unſere Gegner, Regierung wie
Kammer, rechnen darauf, daß wir Kaͤtholiken in
Baden, wie ſchon oft geſchehen, den Machtſpruch in
Geduld hinnehmen und die Ordeusfrage wie—
der ſchlafen Laffen. IM meine, hierin follten ſie
ſich endlich einmal getäuſcht ſehen! Wir Katholiken,
Geiſtliche und Laien des Landes, ſind es nicht nur
der Sache der religisſen Genoſſenſchaft und ihrer
ſegensreichen Wirkſamkeit ſchuldig. Wir ſind es vor
allem ſchüldig unferer Ehre.

* Schön Elschen.
Novelle von H. A. Banning,
Aus dem Holländiſchen überſett von L, v. Heemftede.
Fortſetzung.
VII.

Die Spannung nimmtzu—

Ich hoffe nicht, daß ihr mich einen Sindringling nennen
werdet Meiſter Rynders,“ ſo führte Govert ſich ein, „weil ich
dieje Thüre mit einem fremden Schlüſſel öffnen niußte. Ich
bin nicht gewohnt, mit Zügen umzugehen, und bekenne euch
deßhalb von vornherein, daß ich gehofft hatte, euch nicht zu
Haufe zu finden,“

Rynders machte bei dieſen Worten große Augen,

Was ſoll das heißen?“ fragte er. „SIhr wünſchet mit
mir zu reden und Hoffet, mich nicht zu Haufe zu finden? . ..
Ich habe keine Quft, Käthſel zu löſen junger Mann, und laſſe
Mich nicht zum Beſten haben.“

. „Sott bewaͤhre wich davor, daß ich mit dieſer Abſicht
Hierher gefommen wärel“ entgegnete Govert, „Sch kenne euch
al8 recht{Haffenen Mann und achte euch viel zu hoch, um dazır
Un Stande zu fein;z aber e8 iſt nun einmal eine Wahrheit,

AB mir keine dicken Freunde ſind, und mit Jemandem, der ein

Drurtheil hat, kann man meiſt nicht weit kommen. Nehmt
7 meine Offenheit nicht übel, ich kann nicht wider meine
ütır, Ich hätte die Angelegenheit diemich hergeführt hat,
5** mit eurer Fran und Tochter Z aber ihr ſeht, daß
Micd) durch leure Gegenwart nid® ſchrecken ließ. Er⸗
8 mir aber erft, Meijter, daß i mi nach dem Befinden
Urer Tochter erkundige, denn fie ift, wie ich zu meinem Leid-

ejen fehe Leidend.“

&i Muͤtter Rynders war aufgeftanden, um Gopert einen

WDE anzubieten und ihr Mann fagte:

Tieh „3a, fjehr leidend, und da ihHr die Drfenl)e.rgigfeit. zu
x ©n {DHeint, fo will ich nicht verhehlen, Ddaß ein gewifjer

Mand, nach meiner Meinung, dazır das Seinige vollaͤuf bei—
“"I‘ngen bat.u













Heidelberg, Sonntag, 2. Februar 1890.

mermajorität hat uns, man kann ſagen, in brutaler
Art zu Katholiken IT Klaſſe im deuͤtſchen Reich de—
gradirt und uns gleichſam geſagt: „Ihr ſeid nur
dann vollberechtigte Katholiken, wenn
wir Proteſtanten, Altkatholiken und Kul—
tur kämpfer es geſtatten.“ Das Recht aber,
vollberechtigte Bürger des Reiches zu ſein, kann uns
der badiſche Nationalliberalismus auf die Dauer nicht
verſagen. Ein hervorragender Liberaler hat uns
ſelbſt die Aeußerung gethan: „Die Ordensfrage
werdet ihr Katholiken durchſetzen, wenn ihr feſtſteht.“
Wie aber wollen wir dieſes Feſtſtehen bethätigen.
Und hier möchten wir folgende Mittel vorſchlagen:

1. Alle und jede Illuͤſion aufgeben, als ob man
in Karlsruhe von irgend einer Seite noch aus purem
Wohlwollen gegen die katholiſche Kirche uns in der
Sache entgegen käme. Man wird uns nur das
geben, was wir uns erfämpfen; darum müſſen wir

2. bei Land⸗ und Reichstagswahlen mit der
größten Energie gegen den badiſchen Nationallibera⸗
lismus cauftreten und zeigen, daß wir in dem cul-
turkämpferiſchen, thranniſchen Nationalliberalismus,
der ſonſt allen Confeſſionen gerecht wird, nur uns
4 nicht, unſern allergrößten Feind ſehen und
endli

3. ſollten wir badiſche Katholiken in Maſſen—
petitionen uns an den Reichstag wenden und uns
heſchweren, daß den badiſchen Katholiken ihre ſtaats⸗
bürgerlichen Rechte verkümmert werden.

Stehen wir mannhaft zuſammen! Unſere Gegner
haben uns klaren Wein eingeſchenkt; ſie ſollen Jetzt
auch klar wiſſen, daß wir Kaͤtholiken noch Männer
ſind, die dauernd und ausharrend einzuſtehen ver⸗
vermögen für ihr gutes Recht; für eine gerechte Sache
und für ihre Ehre als Katholiken und Bürger. Und
in dieſem Sinne rufen wir ins Land hinein: „Es
lebe die Ordensfrage!“

Deutſches Reich.
* Berlin, 31. Januar.

Der „Heichs-Anzeiger“ veroffentlicht eine Dank-
ſagung des Kaiſers für die vielen ihm zu ſeinem
Geburtstage zugegangenen Glückwuͤnſche aus Deutſch⸗
land und aus dem Ausland.

— Die „Köln. Ztg.” meldet: Im Monat Juli
wird im Bad Spindelmuͤhle bei Hirſchberg eine Zu—
ſammenkunft des deutſchen Kaiſers mit dem öſter—
reichiſchen Kaiſer erfolgen.

— Folgende Meldung aus Kiel gibt die „Köln.
Volksztg.“ mit Vorbehalt: In Admiralitätskreiſen ver—
lautet, daß zu dem Kaiſermanöver im nächſten
Sommer die geſammte Marine einſchließlich aller Re—
ſerven eingezogen werden ſolle. Die Marine ſoll unter
den Augen des Kaiſers einen Angriff auf die Oſtküſte
machen, welche durch das 9. Armeekorps vertheidigt
mird.“ Sehr phantaſtiſch klingt das allerdings.





Leider mehr als ihr glaubt,“ erwiederte Govert,
nehmend, „und ich will auch belennen, daß ich aus diefem
Srunde, zum erften Mal in meinem Leben, vierundzwanzig
Stunden hintereinander Verdruß gehabt habe.“

„Und trogdem wagt ihr eS, vor mich Hinzutreten !“ rief
Rynders, der ſchon wieder in Hitze gerieth.

Es ift der einzige Grund meines Konuumen8,“ entgegnete
Govert. Ich Dbekam einmal in der Schule die Schreibvor—
lage? Schuldbekenntniß iſt der erſte Schritt zur Befferung“ ;
den Spruch habe ich immer im Gedächtuiß behalten, IH
bin hierher gefommen, um euch zu fagen, daß ich verkehrt,
ſehr verkehrt gehandelt habe und daß ich Alles wieder gut⸗
machen will.“

„Sine derartige Galgenreue iſt nicht nach meinent Ge—
ſchmack bemerkte Kynders.

Govert hatte viel Mühe, ſich zu bezwingen.

_ m309 habe euch wiſſen laffen, Meifter,“ fuhr er fort, „Daß
ich nicht über meine, jondern. über Conrad’s Angelegeuheiten
zu reden wünſche.?

Ihr ſcheint der Erſte zu fein, der dies vergißt,“ erwiederte
Rynders brüsk, „ichh will euch aber von voruherein alle leeren
Entſchuldigungen ahſchneiden und euch zeigen, daß ihr mir nichts
aufbinden fönnt, Conrad hat ſich am Montagabend, chr= und
pflichtvergeſfen, mit euch und andern leichten Kameraden verab⸗
redet, an den Tollheiten theilzunehmen, die hier geſtern ſtatt⸗
fanden! Sr hat mich und meine Tochter beleidigen wollen, ob⸗
ſchon er ſehr gut wußte, daß ihm dadurch fuͤr immer mein
Haus verſchloſſen würde?

Govert ſah den alten Mann einen Augenblick erſtaunt an,
richtete dann ſeine Augen ſcharf auf Evert Janſen, der ſich in
ſehr unbehaglicher Lage befand, und fagte dann in verächt-
lichem Tone :

„Da3Z kann nur der da gejagt haben!“

Es mag euch genügen, daß ich e& weiß,“ erwiederte
Rynder8, „und mwenn ihHr mit der Abſicht hierher gekommen
Jeid, Conrad rein zu waſchen, ſo wird euere Mühe bergeb—
lich ſein,“

Ihr habt mich ſoeben einen leichtſinnigen Burſchen ge⸗
nannt, Meifter,“ ſagte Govert mit mehr Ernſt, als man von


25, Jahrgang.

— Die „Nordd. Allg. Ztg.“ bringt einen merk⸗
würdigen Artikel, worin ſie zu verſtehen gibt, daß die
Regierung vielleicht das Sozialiſtengeſetz auch
ohne den Ausweiſungsparagraphen angenommen haben
mürde, wenn der Reichstag ſelbſtändig einen dahin—
gehenden Beſchluß gefaßt hätte; etwas anderes aber
jet es gemwejen, von der Regierung zu verlangen, daß
ſie ſelbſt freiwillig ihre Vorlage verſchlechtere. Ob man
ſich in der Wilhelmoͤſtraße bereits zu ärgern beginnt?
Es ſcheint faſt ſo.

us Baden. -
2Laudtag.

LKammer (17. Sitzung vom 31 Januar)
Präſident Lamey eröffnet 9 Uhr die Sitzung.

Anı Miniſtertiſche Miniſterialrath Jagemann. Es er-
falgt zunächſt die Anzeige nener Eingaben. Hierauf

wird in die Berathung des Berichts der Petitions⸗
kommiſſion über die Bitte des Freiſinnigen Vereins in
Offenburg um Veranlaſſung eines Geſetzes die Ent⸗
ſchädigung unſchuldig Verurtheilter und widerrechtlich
Verhafteter eingetreten. Vor der Berichterſtattung theilt
der Präſident dem Hauſe das Ableben der früheren
Abgeordneten Mays und Kuſel mit. Das Haus ehrt
durch Erheben von den Sitzen deren Andenken. Be⸗
richterſtaͤtier Abg Kiefer theilt die Petition des
Offenburger freiſinnigen Vereins mit. Der Antrag
der Kommiſſion gehe dahin, die Petition wolle der
Großherzoglichen Regierung empfehend überwieſen wer⸗
den in ſoweit als es ſich um Fälle handle, bei denen
durch Nachweis die Unſchuld des Betroffenen feſtgeſtellt
werde Auch ſolle in dieſem Falle eine Entſchädigung,
die der Richter zu beſtimmen habe, aus der Staatoͤkaſſe
geleiſtet werden.

Abg v. Buol war es leider nicht möglich, Ein⸗
ſicht von der Petition zu erhalten. Die Erledigung
der Frage ſei eine der ſchwierigſten, die es gebe, In
dem Augenblicke als er das Petitum erhielt, habe er
auch das Programm der Volkspartei erhalten, wo nur
die Entſchädigung unſchuldig Verurtheilter zu finden
ſei! Die Frage ſei aber keine Parteifrage, ſondern
eine Kulturfrage erſten Ranges. Vor dem Reichstage
ſei die Sache damals geſcheitert, weil man über die zu
ziehenden Grenzen ſich nicht einigen konnte. Man müſſe
ganz allgemeine Beſtimmungen treffen oder der Regierung
freie Hand laſſen. Die Frage ſei übrigens eine Frage,
die beim allgemeinen Intereſſe vor den Reichstag ge⸗
höre. Die Kommiſſion wolle nur die Unſchuldigen
entſchädigen und die Verhafteten ausſchließen; deßhalb
ſei die Kommiſſion dahin gekommen, eine Unterſcheidung
zu machen. Nach dieſer Unterſcheidung gebe e& dann
Freigeſprochene erſter und ſolcher zweiter Klafjel Er
ſtimme dem Antrage der Kommiſſion bei, wenn er
auch nicht glaube, daß in der vorgeſchlagenen Weiſe
die Sache geregelt werden koͤnne! Kein Staat der






ihm gewohnt war „ich weiß nicht, ob Jemand das Recht dazu
hat, doch ich will dies für den Augenblick vergeſſen, weil ich
wirklich verkehrt gehandelt habe Das weiß ich aber ſehr gut,
daß der da ımit feiner heuchleriſchen Miene ein Lüguer und
ein Schurke iſt Er hat am Montagabend Conrad eine Memme
genannt, der ſich von eurer Tochter beherrſchen laſſe, weil dem
armen Jungen der Kopf verdreht war wegen einem Vorfall,
den ich wohl nicht zu erwähnen brauche.“

Elschen, die mit großer Theilnahme zugehört Hatte, be⸗
deckte bei den letzten Worten mit den Händen ihr bleiches
Geſicht.

Govert wandte ſich darauf zu Evert und fragte:

Wagſt du e3 in meiner Gegenwart noch fernex zu be⸗
hHaupten, daß Conrad im „Crispin“ mit mir und Andern ſich
verabredet habe, den Freiheitsbaum zu pflanzen 9“

Evert rückte unruhig auf ſeinem Stuhl hin und her.

„Du wirſt doch wohl nicht Leugnen,“ ſagte er mit beben⸗
der Stimme, „daß den ganzen Abend von weiter nichts die
Rede geweſen iſt?“

Das thut hier nichts zur Sache! rief Gobert heftig,
„ich frage nur, ob du bei der Behauptung zu bleiben wagit,
daß Conrad verſprochen habe, an dem Tanz um den Frei⸗
heitsbaum theilzunehmen, und darauf erwarte ich eine direkte
Antwort

Hat er dies nicht gethan?“ fragte Evert ſeinerſeits doch
in ſehr ſchüchternem Tone. *

Gobert ſchien große Luſt zu fpüren, dem ſchwarzköpfigen
Gefellen den Hals zu brechen ſo entrüftet ſah er ans

„Meijter,“ ſprach er fich an Kynders wendend, „ihr ſagtet
joeben, daß Conrad ehr= und pflichtyergeſſen gehandelt hHabe;
ich ermwarte, daß Ddafür Beiweije geliefert werden, wenn ihr
nicht mollt, daß ich die hohe Achtung, welche ich dem Zunft—
meifter unſerer Gilde ſtets gezollt habe, beim Verlaffen diefes
Hauſes zurücklaffe.“

Dieje, mit energiſcher Betonung geſprochenen Worte ver⸗
fehlten ihren Sindruck nicht,

Fortſetzung folgt.)




 
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