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Pfälzer Bote für Stadt und Land (25) — 1890

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Nr. 261 - Nr. 270 (14. November - 25. November)
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Frijheint täglich mit’ Augnahme der Somn- und Feiertage.
SamfiagS mit UnterhaltungSbeilage. Preis viertel jährlich
M, 1.20 ohne Trägeriohn x. Boftaufjhlag. Beftelungen
bei ben Boftanftalten u bei der Erpedition Zwingerfiraße 7.













Berantwortlicher Redatteur:

Juliut Jeder in Heidelberg.

——









Unzeige-Blatt für die Anıtsbezirke Heidelderg,
Ladenburg, Weinheim, Schwebingen, Philippsburg,
Wiesloch, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, MoSbadh,
Eberbach Sucen, Wallduͤrn T.-Bifchofsh. Wertheim 2C,

A bıg.





Druc, Berlag ı. Expeditivn von Gebr. Huber
in Heidelberg/ Zwingerſtraße 7:












— Ur. 46 der Unterhaltungs-

er heutigen Aur
beilage bei 2
* olitilde Wodhenüberlicht.
Heidelberg, 15. November.

Als wichtigſtes politiſches Ereigniß Dder letzten
Voͤchẽ darf wohl die Eröffiung des preußiſchen Ab⸗
geordnetenhauſes hetrachtet werden und die {ich
daran anknüpfenden Umſtände. Allerdings hat der
Biederbegiun der parlamentariſchen Thätigkeit vorerſt
ur eine Bedeutung für Preußen ſelbſt. Die dem
wiederzuſammengetretenen Abgeordnetenhauſe vorge⸗
legten Reformvorſchläge ſowehl als die erſte Rede des
yreuß. Miniſtexpräſidenten, Reichskanzler v. € a p rivi
fiefern uns indeſſen den Beweis, daß in Berlin
3. B. ein anderer Wind weht. Daß dieſes für die
übrigen Bundesſtaaten der Bedeutung nicht entbehrt.·
iſt wohl kaum zweifelhaft. Andererſeits
Rede Caprivis au aus dem Grunde lebhaft erörtert,
weil die nat.lib. Preſſe das Gerücht verbreitete, deri nat.⸗
(ib. Finaͤnzminiſier Miquel werde die Grundgedanken
der Refornvorlagen zuerſt entwickeln u zwar Lamens
der uͤbrigen Minifter, weil der nat lib Minifter
Miquel der inneren Politik das Gepräge gebe. Dieſer
nat.-lib. Grbßenwahn iſt durch die Rede Caprivis
vollig miderlegt. Zugleich wies Reichskanzler v.
Caprivi energiſch jene nat lib. Klageweiber zurück.
weiche ohne Sozialiſtengeſetz nicht auskommen zu kön⸗
nen meinen. Der Freiſinn und das Centrum ſpen—
Ddeten dabei, wie aus den Berichten hervorgeht! leb⸗
Haften Beifall. Die Regierung, jo führte Caprivi
au8s, habe nicht das mindẽſte Anzeichen gelunden, daß
die beftehenden Geſetze zur Axfrechterhaltung der Ord⸗
nung und zum Schuͤtze des Wſibes nicht ausreichen;
ſie werde, wenn noͤthig, alle Machtmittel rückſichtslos
anwenden. Hierzu erſuchte Caprivi alle Parteien um
Mitarbeit. Die Steuervorſchläge, welche der
Minijter beſprach, haben nur für Preußen ein ſpezielles
Interefje. Das vorgelegte Schulgeſetz allerdings
auch, zeigt aber, daß man gegenüber den Wünſchen der
einzelnen Confefſionen gewillt iſt entgegenkammender zu
jein, denn bishex. Die Vorlage führt den ſeithex uner⸗
ledigien Art. 26 der preuß. Verfaſſung aus, lautend,
ein beſonderes Geſetz regelt das ganze Unterrichts⸗
wejen.” Es wird daͤuernde Regelung erſtrebt, wo
Miniſterallmacht meiſt ausſchlaggebend war; manche
daͤnkenswerthe Beſtimmungen über die Schule, über
die Stellung der Lehrer werden getroffen Als N o x m
gilt die confeſſionelle Schule, Den Religionsunter⸗

56 Licht und Ichatten.







SGeorg durch die liebenSwürdigen
Meinungsaußerungen, die über jeine Pexſon in jeiner Nähe
faut wurden, nicht im Geringſten gefloͤrt; denn das Innere
eine3 Seeichiffe2 - ift troß. ſeines begrenzten Jaumes weit
genug, um, wie überall in der Welt, Menſchen mit den
verjhiedenfien Gefinnungen friedlich nebeneinanter zu be⸗
hHerbergen. ° 3

Anderz aber war ez um die Ausführung der gefaßten
Rorjäge beitellt, al3 einit, nachden man fajt die Hälfte der
Seereije zurücgelegt hatte, ein ſtürmiſcher Zag jJämmtliche
MRafjaniere auf das Deck Hinauftrich, . *

Die gemeinidhaftliche Ang{t und Sorge ichien mit einem
Schlage jogar jeden Kangunterfchied aufgehoben zu hahen;
denn man * hoch und niedrig, bereit, ſich gegenfeitig hilf⸗
reich beizuſtehen *

u %en Bejonnenften von allen zählte unitreitig Georg
Bur Lenne ; — Ddenn nicht nur ſahman ihn bald hier Dald
dort einem taut Zammernden mit fräfttger. Stimme Muth
einiprechein, mwenn Dder rieftge Dampfer „plößiich wie eine
Nugichale von den ſtürmiſchen Wogen in die Hühe gehoben
yourde, ſondern er war auch ungejäumt zur Stele, als’ eS
galt, den Matrofjen bei ihrer anfirengenDden Yrbeit behülf-
Jich zıt jeim und ſich durch ſchleuniges Reffen DEr Segel
gegen: die aufoeregten Elemente zu ſchützen. {

Seorxa3 entichlojfenes Nurtreten hatte balb-einen Nach⸗
— gefunden in der Berjon eincS jungen Mannes, der
wie Georg wWugßtie, der Heinen RKeifegefellichaft "zählte,
unid den er fhon häuftg aus der ESntfernung mit Intereſie
beobachtet hatte 7

* * etwaz an der Hodkgebauten, Fräftigen Gejtalt
des Fremden, wovon Georg fih auf den exften Blie fym-
yathıjd berührt fühlte, und das faͤft unwillkürlich feine

TheilnahHme erwedte: |
i tbuung bemerkte er, daß gerade Diejer.c2
— — herbeieilte, um Faltblütig. jeinem

Indeſſen ſah ſich




war, der Dhne ZauDdern d i
Beiſpiele 4 folgen und bet den Arbeiten der Schiffsmaͤnn⸗

ſchaft thätig mit einzugreifen.

richt leiten die betreffenden Religionsgeſellſchaften. Die
Einführung neuer Lehrpläne bezüglich des Religigns⸗
unterrichts erfolgt im Einvernehmen mit den zuſtän—
digen Organen der Kirche. Dieſelben controlliren den
Religionsunterricht ſelbſtſtändig, eorrigiren eventuell
diesbezüglich den betr Lehrer 2c. Bei KReligionshand-
büchern wuß das kirchliche Placet eingefordert werden.
Zwar ſind auch dieſe Beftiunmungen nicht genügend
präzis und weitgehend! man ſieht aber, daß man in
Preußen wenigflens den Anfang zum Beſſern macht.
Als abfolut. verwerflich wird wohl vom Centrum
die in der Vorlage verlangte dauernde Feſtſetzung der
ſtaatlichen Schulaͤufſicht bekämpft werden, gegen deren
Einführung die Katholiken und gläubigen Proteſtanten
immer entſchieden Front machten.

In der Schweiz wird die Thatſache eifeig be—
ſprochen, daß die engliſche Regierung den Moͤrder
des Staatsrathes Rofſi guf freien Fuß geſetzt hat.
So weit geht alſo die Macht des Schurzfells wenn
es gilt einen Menſchen vom Galgen zu befreien, den
einen Katholiken gemordet. — Eine erfreuliche
Nachricht daͤgegen komint aus dem Canton G en f.
Dieſer Canton, welcher lange Zeit in den Händen der
culturkampferiſchen Radikalen war, die doͤrt in der
ſchlimmſten Weiſe unter Führung des Logenfürſten
Carterat hauſten, iſt jeßt endlich in die Gewalt der
Confervativen gefommen. Der Große Rath
beſteht fortan aus 51 Conſervativen (Demokraten),
44 Radikalen, 2 Diſſidenten und einen Unabhängigen.
Dieſer Umſchwung iſt weſentlich den mit den conſer—
vativen Proteſtanten verbündeten Katholiken zu der—
danken, hoffen wir, daß er von wohlthätigen Folgen
für Kirche und Staat ſein werde!

Ju Spanien beginnt man regierungsjeitig. ſich
ebenfalls init der {jozialen Fragezu beſchäftigen.
SIn einer im Atheuaͤum gehaltenen Rede verxbreitete
fich der Miniſterpräſident Canovas del Caftillo über
dieje weltbewegende Frage und beſprach die zur Löſ—
ung des Gegenſatzes zwiſchen Kapital und Arbeit von
Staatsmännern und Nationalöconomen vorgeſchlagenen
Mittel. Sr erklärte die Corporation und Werke der
Naͤchſtenliebe für ſich als ungenügend und hob hervor,
die Frage erheiſche beſonders bei jenen Nationen eine
drindende Qöfung, welche allgemeines Stimmenrecht
hätten. Canbvas beſprach ſodann eingehend die
deuiſche ſoziale Geſetzgebung, die weſentlich auf kaiſer⸗
liches Singreifen zurüczuführen ſei, und erklärte, ein
eingeſchränktes Wahlrecht ſei geeigneter, die Gegenſätze
zu mildern, als das allgemeine Stimmrecht. Der
Reduer ſchloß mit dem Hinweis auf die Nothwendig⸗



keit eines Eingreifens des Staates in der Frage des
Arbeitsvertrages und empfahl allſeitige Beſonnenheit

Nach einer Meldung der „Polit. Corr.“ aus Paris
ſind der franzöſiſchen Regierung offizielle Mittheilungen
der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika
zugegangen, welche eine milderne Anwen dung
des Me. Kinley⸗Tarifs dahin ankündigen, daß bei
eingeführten Waaren, welche mit ſpezifiſchen Zoͤllen
belegt werden vom Nachweiſe der Fabrikationskoſten,
der bei den mit Werthzöllen belegten Waaren beizu—
bringen iſt, Abſtand gerommen werden ſoll.

Aus Mexiko wird gemeldet, daß eine Deutſche
Handelsgeſellſchaft ungeheuere Landſtrecken in der
Umgegend von Querero, dem Endpunkte der großen
Continentalbahnlinie, welche die Häfen Ddes ſtillen
Dieans mit Veracruz verbinden wird, erworben Hat.
Der Zweck dieſer Erwerbung iſt die Ausbeutung Der
dortigen Kautſchuckwälder

Reuerdings einzetroffene Nachrichten aus Au—
tiochien lauten ſchlecht Die Panik in Folge Aus-
bruchs der €hHolera 1äßt nicht nach. Faſt alle
Chriſten ſind ausgewandert, das Elend unter der
ärmern Bevoͤlkerung iſt groͤß

Deutſches Reich.

+> Berlin, 14. Nov. Die mediziniſche Wochen—
ſchrift veroͤffentlicht einen langen Aufſatz Kochs über
die Heilung der Schwindſucht! Ueber die Her—
kunft und Bereitung des Mittels werden noch keine
Angaben gemacht, doch iſt daſſelbe von Dr. Libbertz
Gerlin) für Aerzte zu beziehen, ſaweit der gegen-
waͤrtig noch geringe Vorrath reicht Der überraſchende
Erfolg bei Lupus wird ausführlich dargelegt. Im
Afoegoſeadieee — — — — —
Perſonen wurden ſämmtlich im Laufe von Ebis6
Wochen von allen Krankheits ſymptanen befreit, |9
daß fie als geheilt anzuſehen find. Auch Krauke mit
nicht ʒu großen Eavernen (Aushölhungen der Sunge infolge
MAuswurfs) haben fich bedeutend gebeſſert und ſind naheau
geheiit, nur bei ſolchen Phtiſikern Schwindſüchtigen,
deren Lungen viele und große Cavernen enthielten, war,
obwohl auch bei ihnen der Auswurf abnahm und das
fuͤbjektive Befinden fich beſſerte, doch keine objektive Beſſe⸗
rung wahrzunehmen. Nach dieſen Erfahrungen nimmt
Koch an, daͤß die beginnende Phtiſis Schwindſucht) durch
fein Mittel mit Sicherheit zu heilen iſt. Theilweiſe
möge dies auch noch für die nicht zu weit vorge⸗
ſchrittenen Fälle gelten. Allerdings liege noch keine
abſchließende Erfaͤhrung vor, ob die Heilung endgliltig





fjei. Rückfalle ſeien vorläufig noch nicht ausgeſchloſſen.















— hatte Georg mit
dem Fremden gewechfelt, al3 Dderfelbe an feiner Seite er-
jchien; — zum Reden war die Gelegenheit nicht geeignet.

Aber als nach mehrftündiger, angeftrengter Arbeit die


die Gefahr für vorüber erklärte, da mußte Georg ſeinen
Vorfab, mit Keinem auf dem Schiffe in, näheren Berkehr
zu trefen, ganz vergeljen, zu haben. Denn während die
Bafjagiere ſich na der üderſtandenen. Gefahr freudig be-
alücwünfdhten und almalig beruhigt ihre Cajüten wieder
aufjuchten, näherte ſich Georg dem Hremden, um demfelben
in herzlichen Worten, die der Nugenblit ihm eingab, jeine
AÄnerfennung auszufprechen für die Ruhe und Befonnenbheit,
die er währendder allgemeinen Verwirrung bewieſen habe.

Die beiden jungen Männer ſchüttelten ſich kräftig die
Hände, — und diejer beredie Austauich der gegenfeitigen
Sefinnung von Hochachtung und aufrichtiger Theilnahme
gab den erſten Aulaß zum Bunde einer Freundſchaft, die
fich mährend der weiteren Fahrt täglich feiter geſtaltete

„Danken Sie mir nicht, Herr Zur Leune! fagte der
Fremde, waͤhrend ein gewinnendes Lacheln ſein hübſches⸗
offene& Geficht nocdh mehr erhellte. „An mir iſt es Ihnen
zu. daukfen, daß Sie mich durch Ihr Beiſpiel zur That an-
zefeuert haben?

Georg3 Züge verriethen fein gering,3 Erſtaunen als
er fih bon dem Fremden, {d unerwartet bei ſeinem Namen
angeredet ſah.

„Ssch bin überrafcht, von Ihnen gefanut zu fein,” meinte
er mit, einem fragenden Mlick auf jein Gegenüber. „Darf
ich fragen, mit mwem i die Ehre habe ?“

„Baul von Ramftetten,“ war die von einer boͤflichen
Verbeugung begleitete Erwiderung-des Fremden

„Schbedauere, Ihnen geſtehen zu müſſen, daß mir
Ihr Name völlig fremd ift.”

Das verzeihe ich Ihnen gern,” ſagte Ramftetten
fachend. „Sch hHabe bisher nocd nicht von mir Leden! ge-
macht, alfo fanı ich‘ auf YBeruhHmtheit nicht den geringlten
Anipruch erheben! Vielleicht gelingt es mit indefjen, ſeßzte
er jcherzhaft hinzu, „auf meiner ietzigen Reiſe durch Amerika

und Indien. mich als Lowenbeſieger oder als Gunſtling
eine8 FJndianerfärften unſterblich zu madhe= “

„Sie bewiejfen mir eben jelbft, Herr von RKauiftetten,
daß Berühmtheit irgend wecher Urt nicht erforderlich jet,
um. Semanden felbſt außerhalb feines , gemwohnten Kreifes
befannt e:fcbeinen 3zu laffeın,“ _erwiderte Georg in dem
aleichen munteren Tone. ‘ — „So viel‘ ih mih erinnere
hHabe ich mick bisher ebenfahs keines heroiſchen Aktes zu
rühmen, der für die Nachwelt verzeichnet wüäre.“

„Mit Ihuen iſt das etwas Anderes Herr Zur Lenne,”
verfegte Ramftetten. Das Bankhaus Zur Lenne & Sohn
ift in weiten Kreiſen Dekannt, und beſbuders hoͤrte ich vor⸗
nehmlich in leßter Beit viel von Ihrem Hauje {prechen, da
ein naher Angehöriger von Mit mit Ihnen ſchon ſeit Jahxen
in Berbindung ſteht Ich fand Ihren Iamen in der
Schiffslijte, und da werden Sie e8 begreiflich finden, Daß
i neugierig. genug war, mich utit dem Träger Diefes
NamensS, wenn eS nicht anders ſein fonnte, weniaſtens aus
der Enifernung bekannt machen zu lafjen.”

Georg verbeugte ſich lachend

Ich Fonnte nicht ahnen,“ erwiderte er Verbindlidh,
„daß meine Zurückaezogenheit ſo hart hätte beſtraft werden
tönınen, daß ıch darüber der intereffanten Bekanntichaft mit
SOnen -verluftig. gegangen wäre. — Wollen Sie mir jagen,
mit weichen: . Öfliede Ihrer Familie unſer Haus in 10
nahem Verkehr ſteht?

„Mit meinem Suͤkel dem Grafen Landeck! war die
unbefangene Antwort des Gefrasten

Landeck! A

Bum zweiten Male in weniger Tagen jah 1i Seorg
durch die NMennung diefes Namens peinlich überraidht.

Ein merklicder Schaiten fios über ſein @Geficht; al in
diejem Augenblick die Crinnerung an jenen Teßten Abend
in. der Dannenberg ſchen Billa lebendia ver ihın auftguchte.

Wie war- er getäufcht worden Wo er 10 argloS ver
traͤnt hatte!

Rıcht? als ſchlaue Berechnung war eS acheſen was
ihm Eindliche Undefangeuheit und zwangloſe Offenheit ge-
ſchienen Hatte.



Fortſetzung folgt.)


 
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