“'%eint täglich mit Ansnahme der Somn- und Feiertage.
‚ | Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
1.20 ohne Trägerlohm u. Poͤſtaufſchlag Beſtellungen
A dem Poſtanſtalten 1. bei der Expedition Zwingerſnaße?
*
8 230.
8 —
KBerantwortlider Redakteur:
Julius Yeder in Heidelberg.
100
1
1 * Jie Kovelle zum Kiaukenlaſſenheſch
Aunmehr vom Reichs-Auzeiger peröffentlicht. Der
'R.i“y@ntmurf iſt ſehr umfängreich; er umfaßt im
O8 Anzeiger faſt 8 Druckſpalten, die Begründung
‚Ür mehr alz 18 Spalten. Eine vollſtändige Wie⸗
'ä&übe iſt daher ausgeſchloſſen Wie nach mancher—
gniß Andentungen vom Regierungetiſch im Reichstage
Ewarten war, iſt die * der Novelle auf mög⸗
4 Lahmlegung der freien Hülfskaſſen ge—
yllet. Eine offiziöſe Correſpoͤndenz kündigte dies
n Fürzlich mit aͤusreichender Deullichkeit an. Es
|defe fich darum, ſo drückte der Offieioſus ſich aus,
[r und Schatten zwiſchen den Zivangskaſſen und
‚f Treien Huͤlfskaſſen gleichmaͤhig zu vertheilen. Des
eern wuͤrde dann ausgeführt! „Nach der jetzigen
. Üung des Geſetzes fommt für Mitglieder von Hülfs⸗
* wenn ſie in eine Beſchäftigung eintreten, ver—
e deren fie nach der geſetzlichen Kegel der Ge—
Unde Krankenverficherung oder einer
cnzsrafſe angehören würden nicht nur die
flichtung, fondern auch das Hecht hierzu in Weg—
Sie tönnen alſo der Gemeinde Krankenver—
wung oder der zuſtändigen Krankenkaſſe nicht an—
Üören, auch wenn fie wollen, während ſie ander—
8 wenn ſie erft im Laufe der Beſchäftigung, ver-
4 welcher ſie Mitglieder geworden ſind, einer
fen Hilfskaſſe beitreten, Mitglieder der Zwangskaſſe
auge bleiben, bis ſie ihren Austritt aus der
ngsfafje erklären. Dieſe verſchiedenartige Be—
luͤng deſſelben Verhältniſſes ſoll aufgehoben wer-
und zwar fo, daß die Ausſchließung der Mit—
wer freier Hülfskaſfen von der ihrer Beſchäftigung
Frechenden Zugehörigkeit zu einer Zwangskaſſe nur
N ihren Auntrag eintritt. Sodann Jollen zwei
ächlich beſtehende Privilegien Dder freien
zkaͤſſen beſcitigt werden. Den letztern iſt bisher
weſchrieben, daß ſie das Krankengeld, welches ſie
n Mitgliedern auszahlen, nicht, wie die andern
en, nach dem ortzüblichen Tagelohne
Ortes berechnen, wo der Berſicherte ſeinen Aufent—
hat, ſondern nach dem Tagelohue des Ortes, an
hem die Kaſſe ihren Sis hat Die Beporzugung,
e die freien Hülfskaſſen damit genießen iegt
{ ber Hand. Sie ift aber auch dadırdy Denutlich
ie Sricheinung getreten, daß vexrſchiedene Hülfs⸗
Jjilen ihre Sitze geändert und dieſelben nach Orten
Aleot Haben, mo die ortsüblichen Tagelöhne recht
vig waren. Damit war natürlih ein Bortheil
die Kaͤffen und ein Nachtheil für die Arbeiter
; Licht und Ichatten. —⏑ verb.)
Original-Novelle von Sans Jordaens.
} Der Friegerifche, bergusfondernde Blik, mit dem die
ne Dame ihre Worte begleitete, Iegte die Bermuthung
E Da fie die Fehden mit ihrem Vetiter nicht zur Un-
ehmlichteit des Lebens zähle; jondern daß fie diefelben
gentlich {ogar wie eine angenehme Unterhaltuns ſelbſt
vegen bereit jei. ; .
„Bei einem Jo zweifelhaften Iriedensftande werden Wir
häufig die Zeugen erbitterter Kämpfe zwijden Ihnen
dem Vetter Roland werden,“ meinte der alte Herr
end, da er fidh über Camilla’$ braune Ausen, die ſo
/ bfaujtig alänzten, nicht wenia amüfirte . '
In ,D, lofjen Sie ihn nur fommen, ich habe meine Pfeile
ißg,” ‚erwiderte die junge Dame mit einem leicht affel-
| ;fn Bäd;éln und warf mit einer ſiegesgewiſſen Miene den
zurüd, ;
Ik Dann trat fie lüchtig vor den großen Wand{hiegel und
nete ein wenig das Iraufe Haar, während der Präfident
[ Befremden darüber äußerte, daß Ratalie und Roland
© nicht fichtbar geworden feien. — —
Ih..„Sa, die Beiden begannen noch eine eingehende Con-
ulation mit einem Bekannten, der unz im Wagen be-
e, al8 wir fajt hier am Thore waren,“ beeilte fih
fa zu erwidern. „LZhema der Unterhaltung aab die
einihaftlidHe Freude über allfeitiges Wohlbefinden,
jite {ie übermüthig bei. „Natalie nannte mir einen
Ümen, den i& aber leider nur Halb verjtanden Habe, und
\Ödem ich denn dem verehrten Unbekannten den Beweis
iMefert hatte, da i au auf beiden Füben ſtehend einen
3 feidlichen Knix zu machen verftände, bin i auf und
on gelaufen; Denn ih, brannte vor Berlangen, Sie
derzujehen, Herr Präfident.“
„ Der alte Herr yatte ſichtliche Freude über Camilla’s
Mige Mrt zu {prechen, ſowie über deren bewegliches
Mberament. *4 —
' Nach einer Weile, während welcher Camilla fich aber-
I8 yorübergehend mit ihrem Spiegelbild beſchäftigte,
verbunden. Außerdem hatten die Hilfskaſſen bisher
das Recht, an Stelle der den andern Kaſſen obliga—
toriſch auferlegten freien ärztlichen Behand—
lung und Arznei ihren Mitgliedern die Hälfte des
Krankengeldes zu gewähren. Die ſtatiſtiſchen Er—
hebungen vom Erlaß des Geſetzes bis zum Ende des
Jahres 1888 haben nun gezeigt, daß die Koſten für
die freie ärztliche Behandlung und die Arzneienß bei
den Zwangekaſſen den Betrag des gaͤnzen Kranken—
geldes überſteigen. Es iſt deshalb nur billig, wenn
den Hülfskaſſen für die Zukunft die gleiche Verpflicht—
ung wie den Z3wangskaſſen auferlegt wird.“
„Licht und Schatten“ iſt nun durch die Novelle
in der vorſtehend angedeuteten Weiſe vertheilt und
auch die Begründung entſpricht dieſen Andeutungen.
Insbeſondere wird bemerkt: „Machdem die Reichs⸗
geſetzgebung die allgemeine Kraͤnkenverſicherung als
eine im öffentlichen Intereſſe nothwendige Einrichtung
anerkannt und zu ihrer Durchführung ein Syſtem
von Kaſſen⸗Einrichtüngen geſchaffen hat, wird die
Erfüllung der Verſicherungspflicht durch Theilnahme
an freien Kaſſenbildungen nur unter Dder Voraus—
ſetzung zugelaſſen werden können, daß dieſe ihren
Mitgliedern das Min deſtmaß der Unter—
welches das Geſetz den Verſicherungs—
pflichtigen geſichert wiſſen will, voll gewähren, und
daß die Zulaſſung der freien Kaſſenbildungen die all—
gemeine Durchführung der Krankenverſicherung nicht
zefährdet.“ Schon bisher hatten die freien Hilfs—
kaſſen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, da ſie
ganz auf die Beiträge der Arbeiter ohne jeden
Zuſchuß der Unternehmer angewieſen waren. Nur
dermöge der „Privilegien“, welche jetzt beſeitigt wer—
den ſollen, konnten die freien Hülfskaſſen überhaupt
ſich halten — ob dauernd, muß dabei noch dahin—
geſtellt bleiben. Weite Kreiſe der Arbeiter bevorzug—
len trotzdem die freien Hülfskaſſen, Da eben die Ar—
beiter auch völlig ſelbſtändig in der Verwaltung der—
ſelben find. Allerdings hat die Sozialdemo-
kratie ſich vorzugsweiſe des freien Kaſſenweſens
bemächtigt und nainentlich ſich bemüht, die Angehö—
rigen ganzer Berufe über das ganze Reich hin durch
eine centraliſirte Verwaltung zu umfaſſen! So ſind
die freien Hilfskaſſen wenigſtens indirekt Stütz—
punkte der ſozial⸗demokratiſchen Organiſation gewor—
den, und dies iſt auch der Grund, weßhalb man
ihnen geſetzgeberiſch möglichſt das Terrain abzugraben
ſucht. Aber anderſeits beſtehen auch, namentlich in
den kath. Landestheilen, eine Menge freier Hilfskaſſen,
meinte der Präſſdent, der Bekannte, der ihnen begegnet ſei,
werde wohl Georg Zur Lenne geweſen ſein
„Sa, Georg, ſo nannte Nafalie den Herın,“ beſtatigte
Camilla, fich raͤſch nach dem alten Herrn ummwendend. „Er
iſt wehl Nataliens Bukünftiger,“ meinte fie leichthin mit
naivejter Unbefangenheit, und fah den Präftdenten ‚an, als
erwarte fie von ihm eine.umgehende Beftätigung ihrer
rage. ;
Dieſer indeſſen, der wohl im Stillen die Bermuthung
Heote, Seorg bewerbe ſich um die Hand jeiner Zochter,
jedocheine Sache, die noch in ſo weiter Ferne lag,- nicht
%eiprodaen wijjen wollte erwiderte in ziemlich beftimmtem
one :
Durchaus nicht, Fräulein Camila. SGeorg Zur Lenne
verkehrt viel in meinem Hauje. Er verjchaft uns dann
und wanın durch jeine Gegenmwart einen angenehmen Wbend,
indem er mit NMatalie fpielt und fingt, oder auf andere
Beiſe zur Unterhaltung unferes Heinen KreijeS beiträgt;
denn er ijt ein vieljeitig gebildeter, junger Mann. Das
gibt aber, denke ich, noch keine Beranlafjung, jeinen Namen
mit dem meiner Tochter in irgendwelche Verbindung zu
bringen.” .
Ach Gott, ich weiß auch jelbit nicht einmal, wie i
dazu famı,“ ermiderte Camilla Müchtig, während Ke ihrem
Heinen hHübjden Reijehute, den ſie durh dieHände gleiten
ließ, eine aufmerhame Beachtung ſchenktẽ, und e3 hHatte falt
den Anfchein, als habe fie von der ganzen Rede des Prä-
ſidenten nur die legten. Worte verftanden. „E3 war nur
j9 ein tofler@edante, wie ich deren leider fo viele Habe. —
Finden Sie an dieſem Hute etwas Auffälliges, Herr
}‚Brähbent 2
Die Frage folate ſo unmittelhar hinterher, daß der
LRräfident aleich den ſchiegendfen BeweiS erhielt, wie nahe
Camillo’s Ideenreidhthum an das Wunderbare {reife.
(r betrachtete einen Augenblick ſchpeigend das junge
Mädchen, daz den Hut leicht wieder auf dae Iraufe Haar
gedrüct, mit gefaljüchtig bligenden Augen zu ihm auffah,
dann erwiderte er mit nedender Galanterie : . \
„Der Hut allein wäre nicht auffällig, wenn nicht Ddie
gefährlich glänzenden Augen feiner augenblicklichen Trägerin
Anzeige-Blatt für die Amtsbezirte Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, : Schmwebingen, Philippsburg,
Wieskoch, Bruchfal, Breiten, Nedargemüind, Mosbach,
Eberbach SBucken, Wallduͤrn Z.-Bijhofah. Wertheim 2c.
Druck/ Berlag ı. Expedition von Gebr. Yuber
in Heideiberg, Zwingerſtraße?.
26 Inbeg,
tiſchen Anſchauungen huldigen; insbeſondere haben
auch die größern Geſellen-Vereine freie Hülfs—
kaſſen eingerichtet. Der kleine ſelbſtändige Haͤnd—
werker, dem der Eintritt in die Zwangskaſſen ſehr
erſchwert oder faſt unmöglich gemacht iſt findet in
der freien Hilfskaſſe die einzige „Hülfe“ in Zeiten der
Krankheit. Ohne Zweifel wird die geplante geſetzliche
Beſchränkung des freien Hilfskaſſenweſens unter den
Arbeitern pielfach große Mißſtimmung hervorrufen,
und nicht mit Unrecht wirft die Frankf. Ztg die
Frage auf: ob dieſe Novelle in die „neue Nera,“ die
für den Arbeiterſchutz und die Organiſations Beſtreb⸗
ungen der Arbeiter Raum geſchaffen habe, paſſe. Der
Reichstag ſteht hier vor einer ſehr ernſten Frage; er
wird bei Beſeitigung der in der Krankenkaſſen Geſetz⸗
gebung hervorgelretẽnen Mängel ſorgſam bemüht ſein
müſſen, alles zu vermeiden, was der ſozial⸗demokra—
tiſchen Wühlerei und der Verdächtigung der ſozial—
reformatoriſchen Beſtrebungen der gegenwärtigen
Reichstags⸗ Mehrheit Nahrung geben kann.
— Yußlands Umtriche in helinen Lande
ſollten mehr, als es der Fall iſt, die Aufmerkſamkeit
Deutſchlands und beſonders der deutſchen Katholiken
erregen. Seit mehreren Jahren arbeitet Bruder
Mooͤkow ſyſtematiſch dahin, ſich in Paläſtina eine
heilige Stätte nach der andern zu ſichern, geht man
aber den Motiven dieſes Strebens auf den Grund,
ſo macht man die Entdeckung, daß dieſelben ſehr
wenig Religiöſes, wohl aber ſehr viel Menſchliches,
d. H. Politiſches an ſich baben. Rußland rechuet
darauf — und nicht mit Unrecht — daß die Löſung
der Afrikafrage nothwendiger Weiſe auch die Löſung
der kleinaſiatiſchen Frage zur Folge haben muß und .
letztere iſt wiederum mit der Löſung der orientaliſchen
Frage auf das innigſte verknüpft Für alle drei
Fraßen iſt aber der Einfluß in Paläſtina von ſehr
Hoher, theilweiſe grundlegender Bedeutung; wer in
Paläftind Herricht, wird ſpäter ſowohl Arabien wie
Kleinaſien beherrſchen, wenn er von ſeiner Macht
rechtzeitigen Gebräuch macht. Darauf rechnet Ruß—
fand, deshalb ſtreckt e& ſeine Fühlhoͤrner mit allem
Eifer aus und macht ſich die oſtentative Ruſſenfreund⸗
lichkeit und religiöſe Gleichgültigkeit der gegenwärtigen
franzöſiſchen Regierung nach Kräften zu Nutze, um
natürlich {päter, wenn es ſein Geſchäſt gemacht hat,
den Franzöſen die Spatzen auf den Dächern zu zeigen.
Dieft Verblendung der „chriſtlichen Vormacht des Abend⸗
laͤndes iſt höchſt bedauerlich und kann zu den ſchlimm⸗
l——— — ——— — — — — — — —⏑
darunter hervorſähen. — So aber in unmittelbacer Ber
einigung mit der ſiesenden lehendiger Schönheit gewinnt
auch der einfadhe Hut an Bedeutung und nimmt gleichzeitig
ein beſonderes Zuͤtereſſe für ſich in Anipruch.“ ;
„Uch, Ichweigen Sie, Herr Prafident,” . ertwiderfe
"Camilla, und wandte auf einen Augenblic den alten Herın
fofett den Rücken zu, „ic glauhe ja doch nichts von all”
dem, was Sie mie da jagen; ich weiß jehr wohl, daß ich
gar nicht ſchön bin.“ *
„Wer jagt denn.das ?“ unterbrach der Präfident lachend
Camilla’5 Rede ; denn die Art und. Weije, mit der Lie unge
Dame ihre kühne Behauptung aufftellte, Ließ keinen Zweifel
zu, daß ein Widerfpruch hier fehr erwünicht fei- i
„Mein Spiegel fagt e& e8 mir,“ Kang die halb trobige
halb Lachende Erwiderung, „täglich, ftündlich, ſo oft ich wil.
Nebrigen3,“ fuhr fie unermüdlih fort und that abermals
einen prüfenden Blick in das helle Glas, das ihr Bild vor-
£Heilhaft zurücdwarf, „i weis wirkich nicht, was an meinent
Hute fo außerordentliH Bemerkenzwerthes zu ſehen mwäre.
E3 müßte denn die rothe Zeder an der Seite jein. Aber.
Du lieber Gott, ich kann doch nicht wie ein Berlhuhn ganz
in Sran Herumftorchen. — Viefjer Herr Georg aber {ah
mich an, al8 hHabe ich das Nothlignal aufgezdgen und ver
lange nun von ihm, daß er ſich auf der Stelle in mid
verlieben folle.. Sie Yachen, Herr Präfident ? — Költlihe
Naivität von dieſem Herrn, nicht wabr?“
In dieſem Augenblick ließen draußen ſich nabende
Schritte vernehmen, und ehe noch der erſtaunte alte Herr
die Sachlage volljtändig beaxiffen botte, war Camila mit
dem Rufe: „Wahricheinlich Natalie,“ wie ein Wirbelwind
davon gejtürmt durch die offenjtehende Thür des Garten⸗
faales hinunter in den Part
Wirklich fah der Präſident, dex auf die Plattform der
Treppe Hinausgetreten mar, um ſeinem feltjanmen Galte
nachzufjdhauen, in einiger Enifernuns ſeine Tochter mit Ro-
land Herannahen. — Natalie {trecte der ihr Entgegeneilen-
den ſchon von Weitem lachend die Hand hin, doch Camilla,
die mit ihrenı lebhaften Temperamente eine {o kühle Be-
arüßungsform wohl nicht zu vereinbaren Wwijffen mochte,
fiel der äalteren Freundin, als fie diejelbe erreicht hHatte,
‚ | Samftags mit Unterhaltungsbeilage. Preis vierteljährlich
1.20 ohne Trägerlohm u. Poͤſtaufſchlag Beſtellungen
A dem Poſtanſtalten 1. bei der Expedition Zwingerſnaße?
*
8 230.
8 —
KBerantwortlider Redakteur:
Julius Yeder in Heidelberg.
100
1
1 * Jie Kovelle zum Kiaukenlaſſenheſch
Aunmehr vom Reichs-Auzeiger peröffentlicht. Der
'R.i“y@ntmurf iſt ſehr umfängreich; er umfaßt im
O8 Anzeiger faſt 8 Druckſpalten, die Begründung
‚Ür mehr alz 18 Spalten. Eine vollſtändige Wie⸗
'ä&übe iſt daher ausgeſchloſſen Wie nach mancher—
gniß Andentungen vom Regierungetiſch im Reichstage
Ewarten war, iſt die * der Novelle auf mög⸗
4 Lahmlegung der freien Hülfskaſſen ge—
yllet. Eine offiziöſe Correſpoͤndenz kündigte dies
n Fürzlich mit aͤusreichender Deullichkeit an. Es
|defe fich darum, ſo drückte der Offieioſus ſich aus,
[r und Schatten zwiſchen den Zivangskaſſen und
‚f Treien Huͤlfskaſſen gleichmaͤhig zu vertheilen. Des
eern wuͤrde dann ausgeführt! „Nach der jetzigen
. Üung des Geſetzes fommt für Mitglieder von Hülfs⸗
* wenn ſie in eine Beſchäftigung eintreten, ver—
e deren fie nach der geſetzlichen Kegel der Ge—
Unde Krankenverficherung oder einer
cnzsrafſe angehören würden nicht nur die
flichtung, fondern auch das Hecht hierzu in Weg—
Sie tönnen alſo der Gemeinde Krankenver—
wung oder der zuſtändigen Krankenkaſſe nicht an—
Üören, auch wenn fie wollen, während ſie ander—
8 wenn ſie erft im Laufe der Beſchäftigung, ver-
4 welcher ſie Mitglieder geworden ſind, einer
fen Hilfskaſſe beitreten, Mitglieder der Zwangskaſſe
auge bleiben, bis ſie ihren Austritt aus der
ngsfafje erklären. Dieſe verſchiedenartige Be—
luͤng deſſelben Verhältniſſes ſoll aufgehoben wer-
und zwar fo, daß die Ausſchließung der Mit—
wer freier Hülfskaſfen von der ihrer Beſchäftigung
Frechenden Zugehörigkeit zu einer Zwangskaſſe nur
N ihren Auntrag eintritt. Sodann Jollen zwei
ächlich beſtehende Privilegien Dder freien
zkaͤſſen beſcitigt werden. Den letztern iſt bisher
weſchrieben, daß ſie das Krankengeld, welches ſie
n Mitgliedern auszahlen, nicht, wie die andern
en, nach dem ortzüblichen Tagelohne
Ortes berechnen, wo der Berſicherte ſeinen Aufent—
hat, ſondern nach dem Tagelohue des Ortes, an
hem die Kaſſe ihren Sis hat Die Beporzugung,
e die freien Hülfskaſſen damit genießen iegt
{ ber Hand. Sie ift aber auch dadırdy Denutlich
ie Sricheinung getreten, daß vexrſchiedene Hülfs⸗
Jjilen ihre Sitze geändert und dieſelben nach Orten
Aleot Haben, mo die ortsüblichen Tagelöhne recht
vig waren. Damit war natürlih ein Bortheil
die Kaͤffen und ein Nachtheil für die Arbeiter
; Licht und Ichatten. —⏑ verb.)
Original-Novelle von Sans Jordaens.
} Der Friegerifche, bergusfondernde Blik, mit dem die
ne Dame ihre Worte begleitete, Iegte die Bermuthung
E Da fie die Fehden mit ihrem Vetiter nicht zur Un-
ehmlichteit des Lebens zähle; jondern daß fie diefelben
gentlich {ogar wie eine angenehme Unterhaltuns ſelbſt
vegen bereit jei. ; .
„Bei einem Jo zweifelhaften Iriedensftande werden Wir
häufig die Zeugen erbitterter Kämpfe zwijden Ihnen
dem Vetter Roland werden,“ meinte der alte Herr
end, da er fidh über Camilla’$ braune Ausen, die ſo
/ bfaujtig alänzten, nicht wenia amüfirte . '
In ,D, lofjen Sie ihn nur fommen, ich habe meine Pfeile
ißg,” ‚erwiderte die junge Dame mit einem leicht affel-
| ;fn Bäd;éln und warf mit einer ſiegesgewiſſen Miene den
zurüd, ;
Ik Dann trat fie lüchtig vor den großen Wand{hiegel und
nete ein wenig das Iraufe Haar, während der Präfident
[ Befremden darüber äußerte, daß Ratalie und Roland
© nicht fichtbar geworden feien. — —
Ih..„Sa, die Beiden begannen noch eine eingehende Con-
ulation mit einem Bekannten, der unz im Wagen be-
e, al8 wir fajt hier am Thore waren,“ beeilte fih
fa zu erwidern. „LZhema der Unterhaltung aab die
einihaftlidHe Freude über allfeitiges Wohlbefinden,
jite {ie übermüthig bei. „Natalie nannte mir einen
Ümen, den i& aber leider nur Halb verjtanden Habe, und
\Ödem ich denn dem verehrten Unbekannten den Beweis
iMefert hatte, da i au auf beiden Füben ſtehend einen
3 feidlichen Knix zu machen verftände, bin i auf und
on gelaufen; Denn ih, brannte vor Berlangen, Sie
derzujehen, Herr Präfident.“
„ Der alte Herr yatte ſichtliche Freude über Camilla’s
Mige Mrt zu {prechen, ſowie über deren bewegliches
Mberament. *4 —
' Nach einer Weile, während welcher Camilla fich aber-
I8 yorübergehend mit ihrem Spiegelbild beſchäftigte,
verbunden. Außerdem hatten die Hilfskaſſen bisher
das Recht, an Stelle der den andern Kaſſen obliga—
toriſch auferlegten freien ärztlichen Behand—
lung und Arznei ihren Mitgliedern die Hälfte des
Krankengeldes zu gewähren. Die ſtatiſtiſchen Er—
hebungen vom Erlaß des Geſetzes bis zum Ende des
Jahres 1888 haben nun gezeigt, daß die Koſten für
die freie ärztliche Behandlung und die Arzneienß bei
den Zwangekaſſen den Betrag des gaͤnzen Kranken—
geldes überſteigen. Es iſt deshalb nur billig, wenn
den Hülfskaſſen für die Zukunft die gleiche Verpflicht—
ung wie den Z3wangskaſſen auferlegt wird.“
„Licht und Schatten“ iſt nun durch die Novelle
in der vorſtehend angedeuteten Weiſe vertheilt und
auch die Begründung entſpricht dieſen Andeutungen.
Insbeſondere wird bemerkt: „Machdem die Reichs⸗
geſetzgebung die allgemeine Kraͤnkenverſicherung als
eine im öffentlichen Intereſſe nothwendige Einrichtung
anerkannt und zu ihrer Durchführung ein Syſtem
von Kaſſen⸗Einrichtüngen geſchaffen hat, wird die
Erfüllung der Verſicherungspflicht durch Theilnahme
an freien Kaſſenbildungen nur unter Dder Voraus—
ſetzung zugelaſſen werden können, daß dieſe ihren
Mitgliedern das Min deſtmaß der Unter—
welches das Geſetz den Verſicherungs—
pflichtigen geſichert wiſſen will, voll gewähren, und
daß die Zulaſſung der freien Kaſſenbildungen die all—
gemeine Durchführung der Krankenverſicherung nicht
zefährdet.“ Schon bisher hatten die freien Hilfs—
kaſſen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, da ſie
ganz auf die Beiträge der Arbeiter ohne jeden
Zuſchuß der Unternehmer angewieſen waren. Nur
dermöge der „Privilegien“, welche jetzt beſeitigt wer—
den ſollen, konnten die freien Hülfskaſſen überhaupt
ſich halten — ob dauernd, muß dabei noch dahin—
geſtellt bleiben. Weite Kreiſe der Arbeiter bevorzug—
len trotzdem die freien Hülfskaſſen, Da eben die Ar—
beiter auch völlig ſelbſtändig in der Verwaltung der—
ſelben find. Allerdings hat die Sozialdemo-
kratie ſich vorzugsweiſe des freien Kaſſenweſens
bemächtigt und nainentlich ſich bemüht, die Angehö—
rigen ganzer Berufe über das ganze Reich hin durch
eine centraliſirte Verwaltung zu umfaſſen! So ſind
die freien Hilfskaſſen wenigſtens indirekt Stütz—
punkte der ſozial⸗demokratiſchen Organiſation gewor—
den, und dies iſt auch der Grund, weßhalb man
ihnen geſetzgeberiſch möglichſt das Terrain abzugraben
ſucht. Aber anderſeits beſtehen auch, namentlich in
den kath. Landestheilen, eine Menge freier Hilfskaſſen,
meinte der Präſſdent, der Bekannte, der ihnen begegnet ſei,
werde wohl Georg Zur Lenne geweſen ſein
„Sa, Georg, ſo nannte Nafalie den Herın,“ beſtatigte
Camilla, fich raͤſch nach dem alten Herrn ummwendend. „Er
iſt wehl Nataliens Bukünftiger,“ meinte fie leichthin mit
naivejter Unbefangenheit, und fah den Präftdenten ‚an, als
erwarte fie von ihm eine.umgehende Beftätigung ihrer
rage. ;
Dieſer indeſſen, der wohl im Stillen die Bermuthung
Heote, Seorg bewerbe ſich um die Hand jeiner Zochter,
jedocheine Sache, die noch in ſo weiter Ferne lag,- nicht
%eiprodaen wijjen wollte erwiderte in ziemlich beftimmtem
one :
Durchaus nicht, Fräulein Camila. SGeorg Zur Lenne
verkehrt viel in meinem Hauje. Er verjchaft uns dann
und wanın durch jeine Gegenmwart einen angenehmen Wbend,
indem er mit NMatalie fpielt und fingt, oder auf andere
Beiſe zur Unterhaltung unferes Heinen KreijeS beiträgt;
denn er ijt ein vieljeitig gebildeter, junger Mann. Das
gibt aber, denke ich, noch keine Beranlafjung, jeinen Namen
mit dem meiner Tochter in irgendwelche Verbindung zu
bringen.” .
Ach Gott, ich weiß auch jelbit nicht einmal, wie i
dazu famı,“ ermiderte Camilla Müchtig, während Ke ihrem
Heinen hHübjden Reijehute, den ſie durh dieHände gleiten
ließ, eine aufmerhame Beachtung ſchenktẽ, und e3 hHatte falt
den Anfchein, als habe fie von der ganzen Rede des Prä-
ſidenten nur die legten. Worte verftanden. „E3 war nur
j9 ein tofler@edante, wie ich deren leider fo viele Habe. —
Finden Sie an dieſem Hute etwas Auffälliges, Herr
}‚Brähbent 2
Die Frage folate ſo unmittelhar hinterher, daß der
LRräfident aleich den ſchiegendfen BeweiS erhielt, wie nahe
Camillo’s Ideenreidhthum an das Wunderbare {reife.
(r betrachtete einen Augenblick ſchpeigend das junge
Mädchen, daz den Hut leicht wieder auf dae Iraufe Haar
gedrüct, mit gefaljüchtig bligenden Augen zu ihm auffah,
dann erwiderte er mit nedender Galanterie : . \
„Der Hut allein wäre nicht auffällig, wenn nicht Ddie
gefährlich glänzenden Augen feiner augenblicklichen Trägerin
Anzeige-Blatt für die Amtsbezirte Heidelberg,
Ladenburg, Weinheim, : Schmwebingen, Philippsburg,
Wieskoch, Bruchfal, Breiten, Nedargemüind, Mosbach,
Eberbach SBucken, Wallduͤrn Z.-Bijhofah. Wertheim 2c.
Druck/ Berlag ı. Expedition von Gebr. Yuber
in Heideiberg, Zwingerſtraße?.
26 Inbeg,
tiſchen Anſchauungen huldigen; insbeſondere haben
auch die größern Geſellen-Vereine freie Hülfs—
kaſſen eingerichtet. Der kleine ſelbſtändige Haͤnd—
werker, dem der Eintritt in die Zwangskaſſen ſehr
erſchwert oder faſt unmöglich gemacht iſt findet in
der freien Hilfskaſſe die einzige „Hülfe“ in Zeiten der
Krankheit. Ohne Zweifel wird die geplante geſetzliche
Beſchränkung des freien Hilfskaſſenweſens unter den
Arbeitern pielfach große Mißſtimmung hervorrufen,
und nicht mit Unrecht wirft die Frankf. Ztg die
Frage auf: ob dieſe Novelle in die „neue Nera,“ die
für den Arbeiterſchutz und die Organiſations Beſtreb⸗
ungen der Arbeiter Raum geſchaffen habe, paſſe. Der
Reichstag ſteht hier vor einer ſehr ernſten Frage; er
wird bei Beſeitigung der in der Krankenkaſſen Geſetz⸗
gebung hervorgelretẽnen Mängel ſorgſam bemüht ſein
müſſen, alles zu vermeiden, was der ſozial⸗demokra—
tiſchen Wühlerei und der Verdächtigung der ſozial—
reformatoriſchen Beſtrebungen der gegenwärtigen
Reichstags⸗ Mehrheit Nahrung geben kann.
— Yußlands Umtriche in helinen Lande
ſollten mehr, als es der Fall iſt, die Aufmerkſamkeit
Deutſchlands und beſonders der deutſchen Katholiken
erregen. Seit mehreren Jahren arbeitet Bruder
Mooͤkow ſyſtematiſch dahin, ſich in Paläſtina eine
heilige Stätte nach der andern zu ſichern, geht man
aber den Motiven dieſes Strebens auf den Grund,
ſo macht man die Entdeckung, daß dieſelben ſehr
wenig Religiöſes, wohl aber ſehr viel Menſchliches,
d. H. Politiſches an ſich baben. Rußland rechuet
darauf — und nicht mit Unrecht — daß die Löſung
der Afrikafrage nothwendiger Weiſe auch die Löſung
der kleinaſiatiſchen Frage zur Folge haben muß und .
letztere iſt wiederum mit der Löſung der orientaliſchen
Frage auf das innigſte verknüpft Für alle drei
Fraßen iſt aber der Einfluß in Paläſtina von ſehr
Hoher, theilweiſe grundlegender Bedeutung; wer in
Paläftind Herricht, wird ſpäter ſowohl Arabien wie
Kleinaſien beherrſchen, wenn er von ſeiner Macht
rechtzeitigen Gebräuch macht. Darauf rechnet Ruß—
fand, deshalb ſtreckt e& ſeine Fühlhoͤrner mit allem
Eifer aus und macht ſich die oſtentative Ruſſenfreund⸗
lichkeit und religiöſe Gleichgültigkeit der gegenwärtigen
franzöſiſchen Regierung nach Kräften zu Nutze, um
natürlich {päter, wenn es ſein Geſchäſt gemacht hat,
den Franzöſen die Spatzen auf den Dächern zu zeigen.
Dieft Verblendung der „chriſtlichen Vormacht des Abend⸗
laͤndes iſt höchſt bedauerlich und kann zu den ſchlimm⸗
l——— — ——— — — — — — — —⏑
darunter hervorſähen. — So aber in unmittelbacer Ber
einigung mit der ſiesenden lehendiger Schönheit gewinnt
auch der einfadhe Hut an Bedeutung und nimmt gleichzeitig
ein beſonderes Zuͤtereſſe für ſich in Anipruch.“ ;
„Uch, Ichweigen Sie, Herr Prafident,” . ertwiderfe
"Camilla, und wandte auf einen Augenblic den alten Herın
fofett den Rücken zu, „ic glauhe ja doch nichts von all”
dem, was Sie mie da jagen; ich weiß jehr wohl, daß ich
gar nicht ſchön bin.“ *
„Wer jagt denn.das ?“ unterbrach der Präfident lachend
Camilla’5 Rede ; denn die Art und. Weije, mit der Lie unge
Dame ihre kühne Behauptung aufftellte, Ließ keinen Zweifel
zu, daß ein Widerfpruch hier fehr erwünicht fei- i
„Mein Spiegel fagt e& e8 mir,“ Kang die halb trobige
halb Lachende Erwiderung, „täglich, ftündlich, ſo oft ich wil.
Nebrigen3,“ fuhr fie unermüdlih fort und that abermals
einen prüfenden Blick in das helle Glas, das ihr Bild vor-
£Heilhaft zurücdwarf, „i weis wirkich nicht, was an meinent
Hute fo außerordentliH Bemerkenzwerthes zu ſehen mwäre.
E3 müßte denn die rothe Zeder an der Seite jein. Aber.
Du lieber Gott, ich kann doch nicht wie ein Berlhuhn ganz
in Sran Herumftorchen. — Viefjer Herr Georg aber {ah
mich an, al8 hHabe ich das Nothlignal aufgezdgen und ver
lange nun von ihm, daß er ſich auf der Stelle in mid
verlieben folle.. Sie Yachen, Herr Präfident ? — Költlihe
Naivität von dieſem Herrn, nicht wabr?“
In dieſem Augenblick ließen draußen ſich nabende
Schritte vernehmen, und ehe noch der erſtaunte alte Herr
die Sachlage volljtändig beaxiffen botte, war Camila mit
dem Rufe: „Wahricheinlich Natalie,“ wie ein Wirbelwind
davon gejtürmt durch die offenjtehende Thür des Garten⸗
faales hinunter in den Part
Wirklich fah der Präſident, dex auf die Plattform der
Treppe Hinausgetreten mar, um ſeinem feltjanmen Galte
nachzufjdhauen, in einiger Enifernuns ſeine Tochter mit Ro-
land Herannahen. — Natalie {trecte der ihr Entgegeneilen-
den ſchon von Weitem lachend die Hand hin, doch Camilla,
die mit ihrenı lebhaften Temperamente eine {o kühle Be-
arüßungsform wohl nicht zu vereinbaren Wwijffen mochte,
fiel der äalteren Freundin, als fie diejelbe erreicht hHatte,