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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Januar (No. 1 - 26)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0065

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Deutſche Seefahrt.


aber ſie laſſen keine Gelegenheit vorüber, die Zahl derfelben zu ver-
mehren. So haben ſie denn auch Neuſeeland und die Falklandsinſeln
beſetzt, um beide zu coloniſiren. Sie, dieſe praktiſchen erfahrenen Ge-
werbs⸗ und Handelsleute, wiſſen, daß ein armer Auewaͤnderer nach
Verlauf weniger Jabre ein wohlhabender Konſument wird; verſteht ſich,
wenn er ı ad) einer Kolonie auswandert, die vom Mutterlaͤnde abhängt,
und nicht gleich den Deutſchen, in alle Welt zerſtreut wird und jeke
Haͤndelsverbindung mit dem alten Vaterlande aufgeben muß. Die
Franzoſen baben, um einen keſten Punkt im großen Ocean zu gewin»
nen, die Marqueſasinſeln beſetzt und thaten recht daran. Die tief von
ihrer alten Macht berebaeſunkenen Portuyiefen beſitzen doch wenigſtens
achtzehn Kriegsſchiffe; die Spanier ſelbſt, ſodann die Holländer, Da-
nen, Ruſſen, Schweden, ſeibſt einige italieniſche Staaten baben Fahts
zeuge, um.ibre Handelsflagge zu beſchüten; Oeſterreich deckt die ſeinige
im Miuelmeere; nur die Länder des Zollvereins, überhaupt Deutſch-
land als Ganzes betrachtet, hat kein einziges Fahrzeug, bat keine Flagge!

Iſt deun aber unſer Seehandel ſo unbedeuiend? O mit nichien!
Wir haͤben von Emden bis Memel eine große Anzahl kleiner und gro-
ßer Häfen an zwei Meeren, wir haben das beſte Schiffbauholz in Eu-
ropa und, was ſelbſt die Amerikaner zugeſtehen, die beſten Maͤtroͤſen
der Welt. Han burg iſt der dritte Hafen in Europa in Betreff ſeiner


Das kleine Bremen beſitzt 210 große Seeſchiffe und 300 kleinere; e&


ein halbhundert f ner Faͤhrzeuge ſind mit fremden Frachtfahrten be-
ſchaͤftigt. Unſere Natrofen und Capitäne dienen zum benaͤchilichen Theil
auf freinden Schiffen, und in unſern Häfen haden die Schiffe auswär-
tiger Nationen beinahe dieſelben Rechte, wie unſere eigenen, während
dieſe in ausländiſchen bäfen wie billig, den einheimiſchen, z. B. eng:-
liſchen, franzöſiſchen ꝛc., nachgeſetzt werden und weit höhere Zoͤlle uuD
Gebühren bezahlen.

Das rührt Alles daher, weil wir keine zweckmäßige Handels⸗, Ge-
werbe und Navigationsgeſetze haben, wie die andern Nationen, die
ſich beſſer auf eigenen Vortheil verſt hen. Und glaube man doch ja
nicht, daß dieſe See-Angelegenheiten dem innern Deutſchland gleich-
giltig ſein und nur die Bewohner der Secküſte intereſſiren könnten.
Liegi Mannheim jetzt weiter als zwei Tagreiſen von Rotterdam? Iſt das
Echſiſche Erzgebirge nicht durch den Dampf ganz nahe an Hamburg gerückt?

Wird nicht der Donaukanal eire Weliſtraße von See zu See bilden?
Das Verlangen nach deutſchen Colonien und deutſcher Flagge iſt
bei einfihtsvollen Männern nicht erſt in der neuern Zeit rege Jewoͤrden.
Die deuiſche Wocherzeiturg hat ganz kürzlich an die Beſtrebuͤngen des


von den Dänen Tankebar kaufen woͤllte, und auf der Weſtküſte Afrikas
Handelsniederlaſſungen gründete. Sie bemerkte weiter, daß Preußen
in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, um ſein herrliches Schffsbau-
holz zu verwerthen, Fregait.n bauete, aber leider nicht fuͤr ſich ſelbſt,
ſondern um fic an andere Staaten zu verkaufen. Das ärgetté den
berühmten Kolberger Bürger Nettetbeck, dies Muſter eines guten
Patrioten, diſſen Leben jeder deuſche Bür„er kennen ſollte. Er war
ſelbſt bis zu ſeinem fünfundpierzigſen Jahte Seemann geweſen, und
e8 hatte ihn immer bitter geaͤrgerf und lief geſchmerzt, wenn er naͤch
Afrika und Amerika in engliſchen oder holläuͤdiſchen Fahrzeugen fegeln
mußte, und überall die deutſchen Landsfeuie gezwuͤngen fand, in freinde
‘ Seedienfte zu gehen, weil ſie vom Meere nicht laffen wollien und die
Heimath ſie nicht beſchäftigt. Dieſer von Wetter und Sturm umher-
gewebete ehrliche Pommer wußte aug praktiſcher Erfahrung, was uns
Noth thut. Wozu, fragt er, verſchwenden wir unſere Dienſte im Lohne
der Fremden? (Schluß folgt.)



Tagsbericht.

Frankfurt, 16. Januar. Nachſten Donnerſtag hat die Eroͤff-
44 der diesjährigen Seſſion der hohen Bundesverfammlung
att.

Aus dem Herzogthum Naſſau, 14. Jan. Der Geſund-
beitszußand in dem gebirgigten ſüdöſtlichen Theile unſeres Landes iſt
nicht der beſte. Die unerhoͤrte Hitze des Sommers und das fpätere
lau⸗feuchte, jetzt mit naßkalten Winden verſehene, dabei ſtets wechſelnde


ausgebildet. In manchen Oriſchaften liegt ein Drittel der Bewohner
darnieder; einzelne Familien werden vom Ernſte des Todes hart heim-
geſucht. Unter andern Hartbetroffenen ſtarben einer Wittwe innerhalb


von 18, 20, 22 und 26 Jahren.

Aus der bairiſchen Pfalz, 13. Jan. Mit der aufrichtigſten
Freude vernehmen wir, daß das koͤnigl. Regierungspraͤſidium der Palz.
welches für die forigehenden Verbeſſerungen der deutſchen Schulen und
insbeſondere fur eine ſorgenfreiere Stellung der Lehrer ein hohes Ins
tereſſe bethätigt, eruſtlich und unermüdet darauf hinwirkt, daß den Leh-
rern der deutſchen Schulen der normalmäßige Gehalt von den Ge-
meinden, welche die erforderlichen Minel b.figen oder dieſelben aufzu-
bringen im Stande ſind, nicht mehr länger vorenthalten werden darf.

Vom Genfer See, 6. Jan. Die Miſſionen, zumal die von
den Jeſuiten in Freiburg ausgehenden, nehmen in ünſerem Lande, be-
ſonders in dem oberen Theil, immer mehr zu und beſchraͤnken ſich
nicht auf Geiſtliches und Kirchliches, ſonderen bearbeiten durch Predig-
ten und im Beichtſtuhl die Gemüther auf politiſch, ja journaliſtiſch.

Zürich, 14 Jan. Vorgeſteren Abend haben die Studirenden der
Hochſchule die Rückkehr des Bichters Herwegh mit einem Staͤndchen ge-
feiert, wobei Herwegh die Ueberzeugung ausſprach, daß allerdings
die Schweiz der wahre Heerd der Freiheit ſei— *

Paris, 15 Jan. Der Finanzminiſter veröffentlicht im Moni-
ieur den Ertrag der indirecten Steuern und Abgaben im Jahr 1842
im Vergleich zu den Jahren 40 und L41; es ergibt ſich daraus für
1842 eine Mehreinnahme von 68 Mill. gegen 1840 und von 35
Mill. gegen 1841. — Der Geſammtertrag von 1842 war 751 Mill.,
worurter 36 Mill. Eingangsrecht vom Rohrzucker.

— Es ſind Depeſchen an den Prinzen von Joinville nach Rio

Janeiro abgeſchickt worden, wornach ſich die Fregatte Belle Noule
ohne Verzug nach den Marqu ſasinſelen beg ben ſoll, um die fran-
zöſiſche Niederlaſſung in dieſem Archipel zu ſchützen. Der Prinz von
Joinville wird in den Gewäſſern von Polyneſien bleiben bis zur An-
kunft weiterer Verſtärkungen zur Befeſtigung der franzöſiſchen Herr-
chaft.
* In der Adreſſecommiſſion der Depulirtenkammer iſt mit acht
Stimmen gegen eine beſchloſſen worden, «inen Varagraph in die Adreſſe
zu bringen, durch welchen auf Rexiſien der Verträge von 1831 und
1833 aug tragen wird. Guizat ſoll ſich vexgebens gegen dieſe Demon-
ſtration erflärt haben. Die Mehrheit der Commiiſion hat entſchieden,
der Name Esparteros dürfe nicht vorkommen in dem Entwurf zur
Adreſſe.

Letzte Nacht wehte ein furchtbarer Sturm, der in allen Quar-
tien von Paris großen Schaden angerichtet hat.

London, 13. Januar. Die bevorſtehende Parlamentsſeſſion droht
eine miniſterielle Criſts herbeizuſühren; die ſtrengen Conſervativen wollen
Sir Robert Peel nicht länger unterſtützen, weil er den Radicalen zu
viel zugeſteht.
Bareelona, 7 Jan. Von einer Aufhebung des Belagerunzoſtan-
des iſt noch gar nicht die Rede. Die Stimmung der Bevölferung
triit jeden Tag entfcheidener hHeroor. Es beſteht cine große Erbitter-
ung zwiſchen den Bürgern und dem Militär.


 
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