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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Oktober (No. 230 - 255)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0997

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No. 249,




1843,









Die Nevolutionsnacht in Athen.
(Schluß.) - }

Das Volk, nicht zufrieden mit der Zuſammenberufung der Natio-
nalverſammlung, wollte, daß der Monarch die Couſtitution von Troͤ⸗
zen unterzeichne andere forderten die Berufung der Deputirten des
Congreſſes von Pronia, und ſo verlangte jeder etwas anderes. Ploͤtz-
lich erſchallte eine Stimme aus der Mitte des Haufens, die Verord-
nungen ſeien nicht unterzeichnet, das Mitglied der Deputation habe ſte
hintergangen, worauf das Volk auf dieſes Mitglied (Staatsrath Pro-
belegios, ein ausgezeichneter, dem Koͤnig treu auhaͤngender Beamter)
mit Wuth ſich ſtuͤrzte, ihm die Verordnuͤngen entriß, mit den Zaͤhnen
zerfetzte und ihn ſeibſt zu mißhandeln im Begriffe war, als Kalergis
uoch zur rechten Zeit herbeieilte, ihn aus den Haͤnden des wuͤthenden


ließ. Nachdem Herr Probelegios dem Koͤnige dieſen Vorgang gemel:
det hatte, wurden die Verordnungen neu gefertigt und an den Staats:
rath geſendet. Obgleich die Verordnungen an den Chef der Auf-
ruͤhrer abgegeben und ſo an den Staatsrath gelangt waren, verweigerte
Kalergis die Zuruͤckziehung der Truppen, bis die neuen Miniſter zum
Koͤnig gelangt ſein wuͤrden. Nach laͤngerer Zeit kamen dieſe Miniſter
um Sr. Majeſtaͤt den Eid zu leiſten; ſte brachten unter andern Antraͤ—
gen zwei Verordnungen mit! wovon die eine die Verleihung eines Denk-
zeichens an die Militaͤrs und Civiliſten, welche an dieſen „denkwuͤrdi-
gen Ereigniſſen“ thaͤtigen Theil genommen hatten, die andere aber eine


der Ordnung betraf. Der Koͤnig genehmigte alle andern Verordnun-
gen, weigerte ſich jedoch mit Nachdruck, die beiden eben erwaͤhnten an-
zunehmen, mit dem Bemerken, daß die neuen Miniſter im Jutereſſe
ihres Vaterlandes ſelbſt nichts verlangen ſollten, was das Anſehen des
Thrones herabwuͤrdige. Da die Miniſter jedoch behaupteten, ſie koͤnn-
ten ohne dieſe Zugeſtaͤndniſſe das aufgebrachte Volk nicht beruhigen, ſo
wollte der Koͤnig ihnen geſtatten, aus ihrer eigenen Machtvollkommen-
heit dieſe Verordnungen zu erlaſſen. Unterdeſſen waren auch die fruͤ—
ber von den Anfuͤhrern zuruͤckgewieſenen fremden Geſandten eingetrof-
fen! Der Koͤnig ſetzte ſie von dem Vorgefallenen in Kenntniß. „Meine
Verren! ſagte er, man hat ihren Namen mißbraucht, Emiſſaͤre haben
im ganzen Reiche verfündet, die drei Großmaͤchte verlangten fuͤr Grie-
chentand von mir die Conſtitution! Ich fordere Sie in dieſem Augen-
blick auf alles anzuwenden, um das duͤrch alle dieſe Vorgaͤnge gefaͤhr-
dete Auſehen der Krone aufrecht zu halten!“ Der Koͤnig ſchloͤß mit
der Aufforderung an die Geſandten, ihre Auſicht zu aͤnßern, ob e& nicht
beffer wäre, wenn er zu Gunſten feines Bruders Luitpold auf die Krone
Verzicht leiſte; die Antwort Katakaſi's, des Seniors der Diplomaten,
war ausweichend. Die Geſaudten ſuchten die Miniſter zu beſtimmen,
nicht auf Unterzeichnung der beiden letzten Verorduungen zu beharren.
Alein da die meiſten darauf beſtanden, daß ſte auf andere Art das.
Volk nicht beſchwichtigen, noch ihre Ernennung ohne die Unterzeichnung
dieſer Ordonnanzen annehmen koͤnnten, ſo begaben ſich die Geſandten
wieder zum Monarchen, als Kalergi ſagen ließ, er gebe nur noch eine
Viertelſtunde Zeit, Sr. Majeſtaͤt zu den großen Opfern, welche der
Koͤnig ſchon dem Wohl Griechenlauds gebrächt, noch dieſes hinzuzuͤfuͤ—
gen. Erſt als namentlich die Geſandken der Schutzmaͤchte unker den
feierlichſten Verſicherungen verſprochen hatten, das durch diefe Vor-
gaͤnge ſo tief erſchuͤtterte koͤnigliche Anſehen wieder herzuſtellen, unter-
zeichnete der Koͤnig auf das wiederholte dringende Anräͤthen und Bitten
‚ Dewjelben, endlich auch dieſe letzten Verorduungen. Hierauf trat der
önig, begleitet von den Miniſtern und Geſandten, auf den Balcon
heraus worer unter dem jauchzenden Vivatruf der Menge einige Zeit
verweilte, Nachdem die Miniſter beeidigt waren verliehen ſte den Baz
Aaſt und wurden vom verſammelten Volk aufgefordert, „Es lebe die
Eonſtitution!“zu rufen. Die Miniſter riefen die Truppen herbei und



befahlen, daß fie das Volk zerſtreuen und dann in ihre Caſernen ruͤcken
ſollen, weil der Koͤnig alles bewilligt, was man von ihm verlangt habe.
Um 3 Uhr Nachmittags (15. Sept.) zogen die Truppen vom Reſidenz-
platze ab, und die Volksmenge zerſtreute ſich nach und nach.

Tagsbericht.
** Mannheim, 23. Oct. Das der Coͤlniſchen Geſellſchaft an
gehoͤrende Dampfboot „Leopold“ ging verfloſſenen Freitag Nachmittag
von Mainz nach Mannheim. Zwiſchen 7 und 8Uhr ſtieß dafſelbe mit
dem zu Thal kommenden Dampfboot „der Koͤnig“, dicht bei der Muͤn—
dung des Weſchnitz⸗Baches ganz nahe bei Gernsheim, ſo furchtbar zu-
ſammen, daß das erſtere augenblicklich in den Grund gebohrt wuͤrde
Bis das letztere Boot ſich gedreht hatte um den nach Huͤlfe Schreien-
den Beiſtand zu leiſten, war der groͤßte Theil des „Leopold“ bereits
geſunken und nur mit großer Anſtrengung konnte man die Reiſenden,
deren ſich etwa 60 bis 80 auf dem Boot befanden, retten. Paffagier-


mehr als 20,000 Gulden befunden haͤben ſollen, einem Ruſſen gehoͤrend,
und die ſehr ſtarke Guͤterladung, worunter unter anderm LI3 Kiſten
Indigo fuͤr ein Stuttgarter Haus waren, ſind untergegangen. Das
entſetzliche Jammergeſchrei, auf dem unter fuͤrchterlichem Krachen unter-
ſinkenden „Leopold“, ſoll wahrhaft herzzerreißend geweſen ſein, und es
erſcheint faſt als ein Wunder, daß arle Perſonen, die ſich auf dem
verungluͤckten Boot befanden, gexettet wurden. Frauenzimmer wurden
noch ohnmaͤchtig in Gernsheim ans Land gebracht, und viele Reifende
trafen von allem entbloͤßt dort ein. Nach geſtern, von Worms aus, uns
zugekommenen Briefen war das Geruͤcht dort verbreitet, daß einige Ma-
troſen vermißt wuͤrden, doch ſcheint es, daß, was wir heute hier dar-
Der „Leopold“
liegt gegenwaͤrtig ganz unter Waſſer und nur der eine Radkaſten ; ragt
noch etwas hervor. *

*6 Cartsruhe, 21. Oet. Heute Nacht wurde in der Regiſtra-
tur des Großh. Juſtizminiſteriums dahier gewaltſam durch den Vorka-


Bei verdaͤchtigen Perſonen wurde bereits Hauss
jedoch nicht auf die Spur des Diebs ge-
fuͤhrt haben.

SSeidelberg, 22 Oet. Schon oͤfter wurde im hieſigen Journale
der Wunſch ausgeſprochen: „Die in der Heiligengeiſtkirche auf:
ger ichtete Scheidewand, eine Verunſtaltung des großarti-
gen Gebaudes, das niedrige Denkmal eines durch Into-
Die-

ſer Wunſch ſcheint nun in Erfuͤllung gehen zu wollen. Man erkennt


in verſchiedenen deutſchen Laͤnder entſtanden ſind, Noth thue, durch ein
aͤußeres Zeichen den Beweis des Gegentheils von jenem Zwieſpalt zu
liefern, und zu erkennen zu geben, daß in unſerm gluͤcklichen Baden
ſchon laͤngſt keine feindſelige Trennung mehr beſteht zwiſchen Katholiken
und Proteſtanten. ;

Mainz, 21. Oct! Eine beſondere Beilage der „Coͤln. Ztg.“ vom
heutigen Tage enthaͤlt die Fahrten der Perſonen- und Guͤterzuͤge auf
der rheiniſchen Eiſenbahn waͤhrend der Winterperiode vom 21.. Sctober
1843 bis 20. Maͤrz 1844. Man erſteht daraus, daß die Fahrt von
Loͤln bis Antwerpen von Morgens 7 Uhr bis Abends 8 Uhr dauert.
Das Fahrgeld fuͤr dieſe Strecke betraͤgt in einem Wagen erſter Klaͤſſe
12fl. 36 kr., in einem zweiter Klaſſe 9 fl. 41 Fr. , und in einem Wagen
dritter Klaſſe 6 fl 48 ke. Fuͤr 100 Pfund Gepaͤck werden 2 fl 55 Er.
gezahlt. *

Coblenz, 21. Okibr. Durch das beſonnene und aͤußerſt lobens-
werthe Benehmen eines hieſigen Goldarbeiters in es der Polizei hier
gelungen, drei der muthmaßlichen Theilnehmer an dem vor laͤngerer


 
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