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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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August (No. 178 - 203)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0753

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No. 188.


1843.







Urtheile über Espartero.
(Schluß.)

Spanien wird ein trauriges Andenken bewahren von dem Einfluß,
den der Herzog von Victoria auf ſeine Geſchicke geuͤbt hat; — nicht
ſowohl um des Uebels willen, was er gethan, ſondern um des Guten
willen, was er thun konnte und zu thun verſaͤumt hat. Er koͤnnte ein
ireuer General und Miniſter einer Staatsgewalt ſein, die legaler war
als Ddie, welche er begleitete; (er konnte der Koͤnigin Negentin Marie
Ehriſtine aufrichtig dienen, ſtaͤtt ſie treulos zu verrathen er hat aber
ſeine Kraͤfte uͤberſchaͤtzt, waͤhrend die Grundlage ſeiner Macht, die
Armee grade zum erſten Werkzeug ſeines Sturzes gewoͤrden iſt. Es-
partero’s Entweichen aͤndert übrigens nichts an der Sachlage, wie ſie
am Tage zuvor war; man haͤtte vorausgeſehen, daß es fo fommen
müffe. Die neue Regierung war ſchon ganz ohne Ruͤckficht auf ihn cons
ftituirt. In Mitte der rafchen Fölge bedeutender Ereigniſſe, wie ſie in
Spanien eintreten, waͤre es zwecklos, Conjucturen zu wagen. Die zu
Madrid beſtehende Regierung iſt im legalen Sinn und nach ihrer eige-
nen Erklarung nur als interemiſtiſch anzuſehen; die Loͤfung der ab-
normen Verhaͤltniſſe, in denen ſich Spanien dermaͤlen befindet, bleibt
nothwendig hinausgeſchoben bis zur Zeit, wo die Cortes verfammelt
ſein werden. Fraukreich's und der franzoͤſiſchen Regierung eifrigſter
Wunſch dabei muß ſein, daß aus dieſer neuen Pruͤfung endlich die Ein-
tracht der Barteien und die Stabilitat des Thrones der
Königin hervorgehen moͤgen.“ Mit dem Wunſche mag es ſeine Rich-
_ tigfeit haben: man wuͤnſcht gar oft das Unerreichbare; Gedaͤnken und


nie geben, denn die Parteien hoͤren anf, wo die Eintracht anfaͤngt, und
was von der Parteienverſchmelzung, die wohl auch verfucht wird, und
von den Parteicbalitionen zu halten iſt, deren eine die ſpaͤniſche Iufuͤr—
rection von 1843 geboren hat, ſo lehrt die Gefchichte, daß ſie nie in
die Laͤnge Stand hielten; auch die Stabilitaͤt des Throͤnes duͤrfte in
Spanten noch lange nur ein frommer Wunſch bleiben, denn ein Thron,
Dder gegruͤndet iſt auf einen ſo zweideutigen Act, wie das Teſtament
Herdinand’s VIL, ein Thron, deſſen Inhaberin erſt dreizehn Jahre zaͤhlt,
— wird nicht ſo leicht ſtabil. Der Commerce characteriſtrt das traurige
Ende des Regenten wie folgt: „Eſpartero's Rolle iſt ausgeſpielt; er
hat ſeinen Namen mit eigener Hand ausgeſtrichen aus der Liſte ſpani-
er ©lorien; &r hat den Boden des Vaterlandes verlaſſen und Zu-
Uucht geſucht auf einem engliſchen Schiffe; es bleibt ihm forthin nichts
übrig, als in dunkler Zuruͤckgezogenheit vergeſſen zu laſſen, wie wunder-
bar leicht es war ihn zu ſtuͤrzen; er flößte noch einige Theilnahme ein,
als er, auf blinden Widerſtand hartnaͤckig verſeſſen, von Madrid auf-
brac) mit Woͤrten, die das Gepraͤge einer gewiſſen melancholiſchen Groͤße
frugen: Nein! ſagte er, ich werde nicht weichen; ich verfoͤlge mein Ziel
bis zu Endez ich weiß wohl, mir iſt vorbeſtimmt zu fallen als Fuͤhrer


politiſche Faͤhigkeit des Regenten war ſo ſchwach, daß ſie ſeinem unbe-
ſtrittenen perſoͤntichen Muth nicht einmal die Gelegenheit zu einem ſo
ſchoͤnen Ende verſchaffen Fonnte. (Als wenn es ihm mit der Redens-
art Ernſt geweſen wäre!) Das Bombardement von Barcelona war fuͤr
ihn der Anfaug vom Ende; die letzten Tage ſeiner ephemeren Macht
Fat er dezeichnet mit dem Bombardement von Sevilla; in den Anna-
len der zwei bluͤhendſten Staͤdte Spaniens wird er als eine Geißel des
Landes im Andenken bleiben. — Der Courter Franfais urtheilt
_ Nicht weniger ſtrenge: „Wenn die Soͤhne des Volts zum Gißfel der
Ehre ſteigen, ſo muͤſſen ſte auf der erreichten Hoͤbe glaͤnzen durch Ge-
nie oder Tugend. Espartero hat ſich nur ausgezeichnet durch eine voͤl—
; Jige Unfenntniß der Menſchen, der Dinge und feiner ſelbſt, durch ent-
ſchiedene Unfaͤhigkeit, durch unerhoͤrte Grauſamkeit und Feigheit. Zeitz
genoſſen und Nachkommen werden ihn mit gleicher Veraͤchtuͤng brands
marfen, Man verzeiht einem Menſchen nie, wenn er nicht ſeiner Stels

lung gemaͤß zu handeln weiß. Wir haben fruͤher bemerkt, wie Espar-
tero ſo berechtigt ſei zu dem Titel eines Siegesherzogs wie es
Godoy geweſen zu dem eines Friedensfürften; heuͤte Fann man
die Parallele zwiſchen den beiden fuͤr Spanien ungluͤckbringenden In-
dividuen noch weiter verfolgen. Beide gelangten bis zum Giebel des
Gluͤcks und der Ehren ohne durch ihr Verhalten die Guuͤſt des Zuͤfalls
zu rechtfertigen. und beide ſind mit Schande bedeckt herabgeſunken von
ihrer Hoͤhe. Man hat den Schleier der Dunkelheit gebreilet uͤber den
Guͤnſtling der Mutter Ferdinand's VII. und bald wird auch Esparterp
in gleichem Vergeſſen begraben liegen. Er iſt auf die unwuͤrdigſte Art -
von der Buͤhne abgetreten: nicht ein edler Gedanke, nicht ein hoͤch-
herziges Gefuͤhl, iſt in ihm aufgeſtiegen: Halsſtarrigkeit zu Madrid, Uu-
entſchiedenheit zu Albacete, Grauſamkeit vor Sevilla, Feigheit uͤberalt
— ſo laͤßt ſich ſein Benehmen in den letzten Monaten bezeichnen.“
Frankfurt, 9. Auguſt. Ihre Koͤnigliche Hoheit die regierende
Großherzogin von Baden kamen geſtern wieder von Soden hierher, nuͤd
nahmen den Roͤmer, die Katferbilder, den Dom und Marcheſi's Statuͤe
von Goͤthe in Augenſchein. Der Großherzoglich Badiſche Bundestags-


Negensburg, 7. Auguſt. Vor Kurzem verungluͤckten bei Tetent
in der Donau 260 Menſchen, welche, um ſich waͤhrend des Schnittes
etwas zu verdienen, zu Schiffe nach Peſth gekommen waren, und nur
20 davon wurden dem Wellentode entriſſen.

Paris, 8. Auguft. Telegraphifche Depeſche! Perbiguan-
7. Auguſt. Die Wohlfahrtsjunta von Valencia hat ſich am 30. Inli
aufgeloͤſt; ſte uͤberlaͤßt den Civil- und Militaͤrbehoͤrden die freie Nebung
ihrer Functionen. Am I. Auguſt hatte man zu Valencia nichts Neues,
— Der Daͤmpfer Veloce, der bei Roſes angehalten, iſt geſtern zu
Port-Vendres eingelaufen; an ſeinem Bord befanden ſich 13 Paffa-
giere, worunter 1 Oberſtlieutenant und 10 ſpaniſche Artillerieofftziere,
die er zu Cadix aufgenommen. Dieſe Offiziere hatten ſich geweigert,
mit gegen Sevilla auszuziehen.

— Man hat keine Nachrichten aus Sevilla und Cadir. Zu
Madrid war am 31. Juli das Geruͤcht im Umlauf, die Generale VBan
Halen, Alvarez und Oſorio, die mit dem Regenten murfchırten,
ſeien vor Cadix in Gefangenſchaft gerathen. — Nach den Berichten
aus Madrid und Valencia vom 31. Juli herrſcht in der Hauptſtadt
große Geldnoth bei der Regierung und zu Bareelona entſchiedene Oppo-
ſition gegen die proviſoriſche Staatsgewalt. Barcelona beſteht auf
Conſtituirung einer Centraljunta. Sedane iſt noch immer zu Buͤr—
gos angehalten; doch darf er frei in der Stadt herumgehen. — Ein
Geruͤcht, als gedenke die proviſoriſche Regierung, um den Schwierig-
keiten der Lage moͤglichſt auszuweichen, die Koͤnigin Iſabella IL ohne
weiters fuͤr volljaͤhrig zu erklaͤren, gewinnt an Conſiſtenz. Der He-
raldo haͤlt die Maßregel fuͤr dringend und von den Umſtaͤnden geboten. :

— Nach den Bayonner Blaͤttern waͤre es eine Thatfache, daß VBan


laſſen. Cadix ſoll ſich am 30. Juli pronuncirt haben.

— Die Madrider Gaceta vom I, Auguſt enthaͤlt die officielle De-
peſche des politiſchen Chefs von Sevilla uͤber die Aufhebung der Be-
lagerung und Esparteros Abzug.

— Der Moniteur publizirt heute die koͤnigliche Ordonanz, duͤrch
welche der Generalgbuverneur von Algerien, General Bugeaud, zum
Marſchall von Frankreich erhoben wird.

Madrid, 1. Auguſt. Die Madrider Zeitung ſoll Morgen eit
Deeret veroͤffentlichen, durch welches Espartero ſeiner Grade, Titel und
Decorationen verluſtig erklaͤrt wuͤrde. Die naͤmliche Maßregel würde
auch uͤber die Generale van Halen, Linage u. ſ. w. verhaͤngt werden


 
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