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58 Landtagsverhandlungen.
Carlsxuhe den 4, Dez. 7 ÖffentliHe Sitzung der 2. Kammet.
Fortſetzung.)
v. Ibke in fährt fort:
Das Wahlprotokoll von 24, Sept. iſt ferner ſo geführt, daß man nicht daraus
etfieht, ob es in Beiſein der geſetzlichen Urkunds⸗Perlonen geſchehen, es iſt nicht ge-
Hörtg beſchloſſen, fübrt blos aus, vaß die Wabl vorgenommen worden ſei/ hat Feine
Ünterfchrift ,, wohl ſieht man aber, daß der Punkt, mit welchem das Protokoll ge-
ſchlofen worden war, in ein Comma verwaudeit und dann erſt der Beiſatz gemacht
wurde: Abgeſchloſſen am 27. Sept. 18431 Die nun folgenden Unierſchr ften
enthalten mehr Perſonen als das Geſetz will, naͤmlich? ſtati5. Betrachet man
die Unterfchriften: ſelbſt, ſo finden ſich dreis, vierlei Binten, woraus mit höchſter
Vahrſcheinlichteit hervorgeht, daß die Leute nicht gegenwärtig waxen/ ſondern das
MProtofoll berumgeſchickt wuͤrde. Statt daß im Wahlprotofoll. die Exſcheinenden ib-
der Leihe nach eingetragen ſein ſollen, erſcheint nun eine Bürgerlifte mit Namen
verfehen, ‘ Wer zur Wahl erſchien, wurde an ſeiner betr Nummer eingetragen.
BMer nicht erſchien, deſſen Nummer blieb offen. So zeigen ſich Lüden genug. Das
iſt kein Verfabren, wie es in einer ſo wichtigen Haͤndlung ſtattfien muß; den
eben ſo gut könnte man auch die Ramen ſpaͤter ‚in die gebliebenen Lücken eingetra-
gen haben, wenn auch der Bürger, deſſen Namen, noch offen ſtand, erſt ſpätex näm-
lich nach der für die Waßl vom 24. September feſigeſebten Zeit, erſchienen iſt, oder
vielleicht berufen wurde.
„4. . Und warum, frage ich hiex, ſchloß man am 24. Sept., wo nach dreiſtündiger
Wahl die Aoftimmung vollendet, war! warum ſchloß waͤn nicht alsbald, ſondern
erft brei Tage ſpäter ab? War es denn eine ſo ungeheuere Axbeit, vier und fiee
benzig Stimmen zu zählen? Ich habe ſie in fünf Minuten gezählt und Jerer wird
dieß leicht tkun können. Daß man aber dieſes bis zum 27, Sept. verſchoben bat,
kann man kaum anders anſehen, als daß es geſchezen iſt, um ſich gehörigen Spiel-
raum zu laſſen. Die Stimme Nr. 94 heißt, obgleich fie die Spuren einer ungeüb-
klärt worden. Sie wurde aber, wie man aus dem ganzen Hergang annehmen
muß, im Anfang allerdings als richtig und unzweifelhaft, mithin für Pflüger er-
fannt; — hätfte die Wahlcommiffion Zweifel gehabt, ſo würde und muͤßte ſie ſo-
gar nach geſetzliche! Borſchrift ſogleich gefragt haben, wie der geſchriebene Namen
Heißen ſoll Es iſt ein Anderes gar nicht denkbar; wer den Gang dieſer Wahlen
fennt, weiß, wie es geht. Der Bürger tritt ein/ fieht ſeinen Bürgermeiſter als
Vorſtand der Wahleommiſſion vor ſich, man fragt den Wähler: wen wollen Sie
oder wen wollet ihr wählen? Der Mann nennt dann den Namen, und zwar ge-
woͤhnlich den vor ihm ſitzenden Bürgermetſter, und nun ſchreibt er. Und hier ſollte
nachdem geſchrieben, und allerdings ſchlecht nicht gefragt worden ſein, wie der
MName lauten ſolle, ſobald die Wahlcommiffion irgeid einen Zweifel gehabt hätte?
Wie Aäßt. ſich dies danken? Durch dieſen Umſtand erklärt ſich auch die in der frü-
Hern Verhaͤndlung angeführte Thatfache, daß Bürgermeiſter Pflüger ſeinen Beam-
ten geſagt babe: ich bin als Wahlmann gewählt, denn er hatte 34 Stimmen, ‚Es
finden ſich aber in dem Abfimmuhgsregifter 4 Stimmen, wo die Stimmenden th-
gen einenen Namen ſelbſt geſchrieben haͤben, der Name des von ihnen Gewählten
aber durch einen andern geſchrieben und dieſes nur durch den Rathsſchreiher beur-
Fundet wuͤrde, während dies nach dem Wahigeſetze durch zwei Urkundsperſonen ge-
ſcheben muß Drei ſolcher Stimmen erbielt der Pfarrer Weingärtner und Eine
Biürgermeifter Pflüget. Es fallen alſo dieſe Stiminen, als nicht zu zählen, aus,
mithin hat Pfarrer Weingärtner nur ‚30 Stimmen, alſo jedenfalls weniger wie Pflü-
ger. — Die Wahl könnte alfo, läge auch nicht der Verdacht von Intrigue,
zoſichtlicher Verdrehung oder gar Verfäiſchung vor , hätte ſie auch nicht ſo viele an-
dere Maͤngel, nie gültig ſein! Zuletzt erfeheint aber noch bei den Akten eine Urs
runbe unterzeichnel von Bruns Bleich, dem Schreiber der Abſtimmung Nr, 94.
Die Urkunde iſt ebenfalls vom 27, Sept. — mit welchem Rechte konnte dieſelbe zu
den Atten genommen werden? Bruno Bleich ertläxte in dieſer Uxkunde daß er am
24. Sept, den Pfarrer Weingärtner geſchrieben habe und zum Wahlmann wählen
wolle. 4 \
Wer die Schriftzüge dieſer Urkunde mit der Handſchtift des Pfarrers Weinz
gärtner in dem Abſtimimungsregiſter vergleicht, der findet ſogleich und handgreiftich
ohne ein Schriftenkenner 3zu ſein, daß Pfarrer Weingärtner das Zeugniß geſchrie-
ben und Brunno Bleich daͤſſelbe nur unterſchrieben hat. Was wollte man mit die-
fer Urfunde ? offenbar wollte man damit die Abſtinimung Nr. 94, welche nur Pflü-
er zu leſen iſt, als nicht geltend für den Pflüger hinftellen. — Dadurch entſtand
Stimmengleichheit und ſo wurde am 27. September das Protokoll geſchloſſen. Die
Abſtimmungenße iſt übrigens, wie ſie vorliegt, am 24. Sept. unterzeichnet, und
abermals weiſen die verſchiedenen Unterſchriften drei bis viererlei verſchiedene Din-
ten nach obſchon man ſehr zweifeln darf, daß ſo viele Dintenfäſſer ſich bei dem
Bürgermeifter finden. Uebrigens wird man zu der Bemerkung getrieben, daß
Bleich entweder den Pfarrer Weingärtner wählen wollte — und dann iſt deſſen
Abſtimmung, die man nur als Pfluͤger zu leſen vermag, durch unerlaubte Schritte
umgewandelt worden, vder er hatte wörtlich Pflüger geſchrieben, wie ſich dies
auch zeigt, ſo vurde er ſpäter durch unrichtige und unerlaubtexe Schritte dahin
gebracht zu erklären, daß er auf Weingärtuer habe ſtimmen wollen.
Ein anderes Urtheil kann man hier nicht fällen. Oeswegen ſoll/ wie ich ver-
lange, Licht und Aufflarung durch die Unteyſuchung herbeigeführt werden. — Ich
wili nicht dazu beitragen, daß eine mangelhafte Wahl als richtig erkannt werde.
Deswegen verlange ich eine ſtrenge Unterſuchung durch einen ganz unbefangenen
Beamten, damit ſicher geſtellt werde, ob in dem Orte Balg eine reine Wahl ſtatt
gefunden habe oder einẽ unlautere, trübe. Damit aber, wenn die Lammer meinen
Antrag genehmigt, die Richtung, in welcher ich das Verlangen um Unterſuchung
dem hohen Stangtsminifteriunm vorgetragen wünſche, erſehen werden kann, habe ich
einen Entwurf dieſes Erſuchens — vordehaltlich deſſen Abänderung durch die er#
nannte Commiſſivn, gefertigt, den ich mir vorzuleſen erlanbe: -Nachdem uns die
Atten über die Waͤhl eines Wahlmannes zu Balg vom 24 Sept. d. J. vorgelegt
worden ſind, müſſen wir darauf anſtehen, daß über dieſe Wahl eine Unterfuchung .
ihrer Richtigkeit und Waͤhrhaftigkeit eingeleitet werde, indem ſich aus den Aften der
gegründeie Berdacht ergibt, daß die Waͤhl des dortigen Wahlmannes Pfarrex Wein-
gärtner nicht das Exgebniß einer wahrhaften und rechtmäßigen Abſtimmung ſon-
dern vielmehr das Ergebniß einer durch Zwang oder Cefaͤhrde erreichten unwahren
und erſt nach dem Abſtimmungstermin ein eleiteten Rektification iſt. Nach dem
Abſtimmungsregiſter vom 24. Sept. d. 8. hat nämlih Bürgermeiſter Pflügger in
Waßtmann war. Es iſt nun richtig, daͤß unter den Stimmen für den Erſtern un-
ter Nr. IT eine Abſtimmung vorkomumt, welche zwar ziemlich undeutlich geſchrieben
iſt die jedoch noch genug deutlich zu erkennen gibt, daß ſie auf den Aürgermeißet
Pflüger geht; und die iedenfalls in keiner Weiſe auch nur mit dem Scheine einer
Möglichkeit auf den Pfarrer Weingartner bezogen werden kann. — Dieſe Abſtim-
mung iſt guch von der Waylcommiffion als unzweifelhaft und deutlich angenom-
men Worden, und war daͤher für den Bürgermerſter Pflüger zu zäblen. Höchſt auf-
fallender Weiſe iſt nun aber das Wahlprotokoll nicht am Abſtimmungstage ſelbſt
abgeſchloſſen, ſondern, abgeſehen von ſeinen vielen andern Formfeblern, wozu wir
hauptfachlich den Mangel einer gehörigen Wahlcommiſſion und ganz verſchiedene
Dinte ‚in den Unterſchriften rechnen, ext am 27. Sept. geſchloſlen und beurkundet
worden Dieſem Protokolle iſt ein Zeugniß des Urwählers Brunno Bleich vom
ger; ſondern für den Pfarrer Weingärtner geſtimmt haben will. Da nun aber die
Ibſtimmung dieſes Urwählers in der Abſtimmungsliſte, welche als richtig und deut-
lich damals angenommen wurde, weil anderenfals die Wahlcommiffion fie alsbald
hätte rektificiren laffen, nicht auf den Pfarter Weingärtner ſondern auf den Bürz
germeiſter Pflüger geht und allein auf dieſen zu deuͤten iſt, ſo ſcheint nun zweier-
ſei möglich! Entweder hat die Wahlcommiſſion die auf den Pfarrer Weingärtner
lautende Abſtimmung des Urwäblers durch Zwang oder irgend Unredlichkeit anf den
Namen des Bürgermeiſters Pflüger verändert, oder aber der Urwähler bat am?4.
Sept. wirklich auf den Bürgermeiſter Pflüger geſtimmt und iſt am 27, Sept. durch
irgend unrechte Mittel bewogen worden, Diefe ſeine Abſtimmung zu verläugnen und
auf den Pfarrer Weingärtner zu drehen, für welchen in der Abſtiinmung ſelbſt auch
nicht ein Schein beſteht. Dieſes letztere iſt aber um ſo wahrſcheinlicher, als aus
einer Vergleichung der Handſchrift der Abſtimmung des Pfarrers Weingärtner mit
der Handſchift des Zeugnifſes auf eine anſchauliche Weiſe hervorgebt, was auch noch
durch ein Mitglied des Kammer beſtätigt wird, das die Handſchrift des Pfarrers
Weingärtner kennt, daß das Zeugniß ſeloͤſt von der Hand deſſen geſchrieben iſt, der
daraus den Vorthetl zieht, — vonı Pfarrer Weingärtner! Dieſe hiernach höchſt ver-
dächtige Reltification der Abſtimmung des Urwählers iſt aber von Alles entſchei-
dendem Gewichte, weil durch ſie die 34, Stimme, welche den Bürgermeiſter Pflüger
zum Wahlmann machte abgeändert und das Loos herbeigefübrt wurbe, welches
zwar für den Pfarxer Weingärtner entſchieden haben ſoll, obſchon das Protokoll
auch über die gehörige Vornahme des Looſens nicht enthält, und die Verlooſung
auffallender Weife nicht ſogleich, ſondern exſt am 27. Sept. vorgenommen wurde,
und weil die Wahl des Abgeordneten ſelbſt im 24, Aemterwahlbezirke nur durch
Eine Stimme entſchieden wurde. Wir verkennen nun nicht, daß da, wo es ſich
bei den Urwahlen, zumal in Landorten, um bloſe Formfehler handelt, nicht die
ſtrenge Beurtheilung von amtlichen Protokollen angelegt werden kann. Wenn
aber, wie es hier der Fall iſt, neben dem gänzlichen Mangel der weſentlichſten Be-
dingungen öffentlicher rotokolle der Verdacht von Unwabrheit und böewilliger Ent-
ſtellung offen zu Tage liegt ſo kann die Lammer, die Wächtelin öffentlichen Glau-
bens nicht über ſolche höchſt bedenkliche Erſcheinungen bei ihren Wahlen hinaus-
geben und glaubt daher eine ſtrenge Unterſuchung des Vorfalles in Balg und die
Voͤrlage derſelben zur Entſcheidung der Kammer nach S. 41 der Verfaſſungeurkunde
verlangen zu müſſen.“ } *
Ich wiederhole meinen Antrag. Zeigt die Unterſuchung, daß die Wabl obne
den angedeuteten Makel ſei, ſo freue ich mich, daß dem badiſchen Bolke folde Ge-
5 wie ſie hier vorzulegen ſcheinen, fremd find, andernfalls iſt die Vaͤhl zu
verwerfen.
Lenz. Die Minorltät der Commiſſion ſei für Ungülttigkeitserklärung der
Wahl, er gehöre zu dieſer. Auf die Mängel ſelbſt wolle er nicht zurüdfommen,
Es fei aber die Waͤhlordnung ein Geſetz, wie jedes andere und cr halte es für
Pflicht jedes Staatsbürgers, wie jeder Behörde, ſich ſtrenge an dieſelbe zu halten.
Siehe Fortſetzung in der Beilage)