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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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September (No. 204 - 229)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0833

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No. _ 208,






Tagsbericht.
* Mannheim, 5. Sept. Laut Rachrichten aus Carlsruhe iſt
DHr. v Goͤler geſtern Nachmittag 3 Uhr an den erhaltenen Schuß:
wunden geftorben, (CSiehe unten Artikel Carlsruhe und Baden)

Baden, 31. Auguſt. Der Streit zwifchen dem Hru. v. Goͤler und
Hrn v. Haber (f. den Artikel Carlsruhe im heutigen Blatt) wird im-
mer verwickelter. Heute war an den Straßenecken hier eine Erklaͤrnng
des Hın. v, Haber angeſchlagen, worin er Hrn. v. Goͤler, in Folge
des in der Carlsr. Ztg. gegebenen Ausfpruchs von Offizieren der Gar-
nifon Carlsruhe, geradezu fuͤr einen Verlaͤumder erklaͤrk und ihm vorz
wirft, er ſuche ſich hinter den Ausſpruch zu verſchanzen, damit er ihm
- feine Rede ſtehen duͤrfe, wozu er zu feig fei, ein Voͤrwurf, der freilich
wenig gegruͤndet erſcheint fuͤr den, der da weiß, wie oͤft ſchon Hr. v.
Voͤler den geuͤbteſten Geguͤern ſich gegenuͤbergeſtellt und wie maͤuchen
Ehreuhandel er ſchen ausgefochten hat. Derſelbe Ruſſe, der den Luft-
ballon des Hrn Margat beſteigen wollte, daran aber von der Polizei
verhindert wurde, hal ſich mitilerweile der Sache des Hrn. d. Haber
Augenommen und will ſich fuͤr ihn ſchlagen. Das groͤßere Publikum
ſieht mit Svannung den von beiden Seiten zugeſagten Veroͤffentlichun-
gen der ganzen Sache im Zuſammenhang und mit allen Beweisftücen
entgegen, da bereits die angeſehenſten Edelleute aller Länder mit her-
eingezogen worden ſind.

Carlsruhe, 2. Sept. Der erſte Act des zum blutigen Drama
gewordenen Streites (ſiehe geſtriges Morgenblatt) zwiſchen den H. H
%. Goͤler und v. Haber iſt ausgeſpieit. Das Duell zwiſchen dem run-

ſchen Gardecapitaͤn W .. und Hru. v. G. fand heute {n den Ettd:?
cheu unweit des Artillerielagers an dem Scheibenberge ſiatt, in Gegen-
wart ausgezeichneter Offtziere von Rußland und Baden. Nach den
zwei erſten erfolgloſen Schuͤſſen der beiden Gegner erhielt Hr. v. G.
einen Schuß in die Bruſt, hatte aber, ſicherlich nur durch die ihm inne-
wohnende unbezwingliche Willenskraft, noch Geiſtesgegenwart genug,
‚ alle ehyſiſchen Schmerzen niederzukaͤmpfen, und nach mehrmaligem Vel-
ſagen ſeiner Piſtole eine andere aus der Hand ſeines Secudaͤnten zu
ergreifen, auf ſeinen Geguer anzulegen und einen feiner erprobten Schuͤffe
au tbun, die ihm ſtets einen weiteren Schritt erfparten, dem ruſſiſchen
Gardecapitaͤn aber das Leben koſteten, der in derſelben Secunde noch
todt niederfiel; unmittelbar nach dem Schuſſe aber ſank auch Hr. v.
S, zufamnmen und wurde noch am Abend niit der Kugel in der Bruſt
bewußtlos in das Haus ſeines Vaters, des wackern Veteranen, Oberſt
v. © , gebracht; er iſt ſchwer verwundet, doch, wie man hofft, nicht
boͤdlich! Die Kameraden des gebliebenen Ruſſen bezeugten iuͤdeß felbſt,
daß Hr. v. G. ſich ehrenvoll benommen und daß ihn keinerlei Vorwurf
treffen koͤnne. Um drei Uhr ward der Leichnain eines Mannes nach
Baden abgefuͤhrt, der jahrelang die Tuͤrken und Tſcherkeſſen bekaͤmpft
und ſtegreich aus allen Kaͤmpfen hervorgegangen war, hier aber, an
einem ſonſt ſo friedlichen Orte, durch unbegreiflihe Zwifte mitten im
Frieden ſeinen Tod finden ſollte. Capitaͤn W. ſoͤll indeß den Zwei-
_ Fumpf dadurch unvermeidlich gemacht haben, daß er an oͤffentlichen
DOrten ſich ehrenruͤhrig uͤber daͤs badiſche Offizierscorps aͤußerte, weil
ein Ehrengericht deſſelben die Erklaͤrung gegeben hatte, Hr. v. G. koͤnne
Han v. H. keine Genugthuung geben

— An der Neckar-Main-Eiſenbahn wird bad Seits noch keine Hand
ans Werk gelegt; eben jetzt wurde die Laͤttenlieferung zur Profilrung
m Submiſſtonswege ausgeſchrieben. Es iſt die Meinung aufgetaucht,
daß vielleicht doch noch eine Abaͤnderung der Linie uͤber Friedrichsfeld
moͤglich iſt, die nun beiden Hauptlokalintereſſenten (Mannheim und
Peidelberg) mißfallen ſoll.
ainz, 3. Sept.
— frafen geſtein Abend, aus der Schweiz kominend, hier ein und ſtiegen
_ im „Hof von Holland! ab. Heute fruͤh reiſten dieſelben auf dem Dampf-
ſchiſſe der Koͤlniſchen Geſellſchaft „Koͤnigin“ uͤber Bruͤſſei nach Paris.


Coblenz, 2. Sept. Das Mißgeſchick, welches in Coͤln den ab-
gegangenen und den daſelbſt neuerdings ernannten Cenſor, Grafen von
— — „betroffen hat, (ſiehe Morgenblatt No. 206 Aitiket Coͤln)
daß ſie wegen naͤchtlichen Straßenunfugs arretirt und bis zum andetn
Tage in das Volizeidepot (welches im Coͤlner Patois den Vulgonamen
„Vichelin“, Violine, hat) gebracht worden ſind, gibt hier vielen Anlaß
zur Unterhaltung und zwar um ſo mehr, als der coͤlniſche Humor ſich
dieſes Stoffes bereits bemeiſtert hat, ſo daß manche Anectoden daruͤbet
couxſiren. Wie z. B. an dem Morgen; alg die beiden Heiren Koch
im Polizeiverwahrſam ſich befanden, fei an den Strabenecken angeſchlaͤ
gen geweſen: „Es ſei Preßfreiheit in Coͤln und werde nichts gefirichen,
weil der Cenſor die Vichelin ſtreichen muͤſſe.“

Paris, 2 Sept. Das diplomatiſche Corps hat die offizielle Au-
zeige von der Reiſe der Koͤnigin Victoria nach Eu erhalten, In dem
Schreiben, worin Lord Aberdeen den engliſchen Botſchaͤſter anı Hofe
der Tuilerien, Lord Cowley, von dem Reiſeprojecte der Koͤnigin Bic-
toria in Kenntniß ſetzte, ift nur das Schloß Eu, nicht aber aͤuch Pa-
ris alg das Ziel der Reiſe Ihrer Majeſtaͤt erwaͤhnt.

— Auf dem Schloſſe von Eu iſt in den letzten Tagen der naͤchſten Woͤche
Se. Majeſtaͤt der Koͤnig Leopold der Belgier von Wiesbaden erwartet.
— Nach der „Gazette de France“ ſoll die Koͤnigin Chriftine von
Spanien Vorbereitungen treffen, um ſich nach dem Schloſſe von &u
zu verfuͤgen.

— Der Conſeilpraͤſident Marſchall Soult iſt noch dieſen Abend in
Paris zuruͤckerwartet. Hr. Teſte wird morgen hier eintreffen.
— Seit fünf oder fechs Tagen veroͤffentlichen die miniſteriellen


wegung geweſen.

— Nach zuverlaͤſſigen Berichten aus Eu vom 1. September: war
die Koͤnigin Victoria für Samſtag, 2. September, 2 lihr Nachinii
tags auf dem Boden Frankreich's erwartet. Uumittelbar nach Ihrer
Majeſtaͤt Aukunft im Schloſſe von Eu findet großer Empfang bei
Hofe ſtatt. Am 3. September wird ein Concert und am Tage
darauf eine theatraliſche Vorſtellung gegeben.

Havre, 31. Auguſt. Geſtern Abend gegen 9 Uhr langte der
Prinz von Joinville von dem Schloſſe von Eu hier an. Er ſchiffte ſteh
ſogleich auf dem „Pluton?, der ihn erwartete, ein. Um Mitternacht
fuhr der „Pluton“ nach Cherbourg ab. Er wird zwiſchen Ia Hogue
und Startpoint, den beiden einander naͤchſigelegenen Vorgebirgen der
Luͤſten von England und Fraukreich, kreuzen, um dort die koͤnigliche
Flotte von England bei ihrer Ruͤckkehr von Plymouth zu erwarten und
ſie nach Treport zu geleiten. ;

London, 30. Auguſt. Der „Chronicle” hat einen ansführlichen
Artiket zu Gunſten Espartero's. Die franzoͤſiſchen Journale ſind höcft
erzuͤrnt uͤber die Aufnahme, welche der Regent in England gefunden
hat; ſie erklären, alle Ruͤckſicht, die man ihm zu London zeige, werde
ohne politiſches Ergebniß bleiben, weil ſeine Reſtauration in Spanicii
unmoͤglich ſei. Der Chronicle nun will das Gegentheil darthun,
und zwar bis zu dem Grad, daß er behauptet, es wuͤrden nicht viete
Monate hingehen, bis zu dem Moment, wo nicht nur die junge Koͤni-


duͤrften, daß er ſie befreie von den Verruͤckten, die ihre Haͤnde ausge-
ſtreckt nach dex Gewalt, ohne im entfernteſten zu wiſſen, wie ſolche zu
gebrauchen ſei. „Der Herzog von Vittoria hat, nach uhferer Auſicht
die Regentſchaft niederzulegen, ſobald regelmaͤßig einberufeye conſtiiui-
rende Cortes ein Votum abgegeben haben, das ſeinen Functionen ein
Ende macht. Aber Espartero unwuͤrdig wuͤrde ſein, wolle er einer ihm
von den Cortes uͤhertragenen Autoritaͤt auf Verlaugen der Herten Sei-
rano, Naivaez und Olozaga — dieſes Triumvirats ohne irgend gelet-
liche Gewalt — entſagen.“ —


 
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