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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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August (No. 178 - 203)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0749

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‚ No. 187, -












; Urtheile über Espartero.

Die Politik der beiden Maͤchte, welche nach Ferdinand's VII. Tod
(29. Sept. 1833) das Teſtament dieſes Fuͤrſten und damit die Aufhe-
bung des ſaliſchen Geſetzes ſammt allen den Umwaͤlzungen, die feit 10
Bahren die Halbinſel bewegen, ja erſchuͤttern, anerkannt und ſich in
dieſem Punkt von der Polttik der nordiſchen Maͤchte geſchieden haben,
iſt laͤngere Zeit ſchon in Bezug auf die ſpaniſchen Dinge zwieſpaͤltig
geworden. Die Diplomatie, in unſern Tagen ſo vielvermögend, ließ
bis daher das Mißverhaͤltniß nicht zum Ausbruch kommen. Mit dem
Sturze Espartero's aber, d. h mit dem Siege der frauzoͤſiſchen Politit
. über die engliſche, iſt ein Wendepunkt eingetreten, der zu neuen und
ernſten Complicationen fuͤhren duͤrfte. Unter dieſen Umſtaͤnden ſcheint
es angemeſſen, die Stimmen der Prefſe in Frankreich und Eng-
land uͤber Espartero's Fall und die wahrſcheinlichen Folgen dieſes Ereig-
niſſes zu hoͤren. Zunaͤchſt verdient wohl erwogen zu werden, welches
Urtheil die Debats — als halbofficielles Organ des Cabinets Gui-
zot — über den Ausgang der Inſurrection vom Mai 1843 faͤllen. Ihre
Leichenrede an dem poütiſchen Grabe des Herzogs von Vietoria und
Morella lautet, wie folgt: „Der Ex-Regent von Spanien hat ſich zu
Cadix eingeſchifft. Noch einige Augenblicke Zoͤgern und er waͤre in die
Haͤnde der Sieger gefallen; kein Zweifel, er waͤrde ſich (eben ſo feigey
haben fangen laffen, wie er ſich hat verfolgen und aͤustreiben laffen.
Zur Ehre der von dem ſpaniſchen Volke vollbrachten Revolution muß
man ſich Gluͤck wuͤnſchen, daß Espartero dem Looſe entgehen Fonnte,
das ſeiner wartete, das ſeine letzten Racheverſuche uͤber ſein Haupt ge-
bracht hatten. Man muß den Ueberwindern des Er-Regenten die Ge?
rechtigkeit widerfahren laſſen, anzuerkennen, daß ſie bis jetzt ihren Triumph
nicht durch blutige Vergeltung; wofuͤr ſie doͤch ſo viele Beiſpiele unter
den Augen und im Gedaͤchtniß hatten, befleckt haben. Nirgends hat
ſich jene grauſame Reaction kundgegeben,wie man ſie bei den ſpani-
ſchen Revolutionen zu finden faſt gewohnt worden iſt. Durch den Ge-
brauch, den Espartero von den letzten Reſten ſeiner Gewalt gemacht,
durch den Abſchiedsgruß, den er ſeinem Lande in dem nutzlofen Ver-
ſuche, Sepilla zu zerſtoͤren, gewidmet hatte, war er vogelfrei geworden;
_ man durfte beſorgen, er werde, in die Haͤnde der Sieger gerathen,
einer Rache zum Opfer fallen, die durch ſeine Handelsweife, wenn
nicht gerechtfertigt, doch provocirt erſcheinen mochte. Indem ſich Es-
partero aus dem Lande fluͤchtet, hat er den Spaniern ſelbſt die Gele-
genheit benommen, ihren Sieg zu entebren. Sein Schickſal konnte
übrigens nur geringe Theilnahme einfloͤßen. Wir wiſſen von keinem
andern Beiſpiel von einem hohen Gluͤckesgipfel, auf ſo beklagenswerthe
Weiſe erreicht und auf ſo erbaͤrmliche Weiſe verlaſſen. Die Geſchichte
ſpricht zuweilen Uebelthaͤter los, wenn ihre verwerflichen Handlungen
durch Ruhmesſchimmer verdeckt ſind. Was ſie aber nicht derzeiht, ift
Mittelmaͤßigkeit im Bunde mit Ehrgeiz, — und Mittelmaͤßigkeit war
der Charakter des ganzen politiſchen Lebens des Herzogs von Victoria.
(Schade um den Namen!) Er hatte alle Eigenſchaften zu einer unter-
geordneten Rolle, ſetzte ſich aber ungluͤcklicher Weiſe in den Kopf, er
babe Talent genug, um eine Hauptrolle zu uͤbernehmen. Unmaͤchtig,
zu regieren, zeigte er in der juͤngſten Zeit, daß er auch unmaͤchtig fet,
Strenge zu uͤben (den Aufruhr zu baͤndigen); aus ſeinem letzten Feld-
uge laͤbt ſich abnehmen, wie wenig er ſelbſt vermochte und wie gering
das Vertrauen war, deſſen er ſich bei ſeinen Landsleuten zu erfreuen
hatte. Die Mittel, welche er angewendet haͤtte, um zur hoͤchſten Ge-
wWalt zu gelangen, waren nicht eben ehrenhaft; die Art, wie er gefallen
iſt fann nur ſchmachvoll genannt werden.

2 (Schluß folgt.)

Tagsbericht.
— München, 5. Auguſt. Das Verzeichniß der Individuen, welche
m vergangenen Monat hier iheilg polizeilich abgeſtraft, theils den Ge-


richten uͤbergeben worden ſind, enthaͤlt in erſterer Beziehung wieder 61
wegen Thierquaͤlerei Beſtrafte. Es zeugt dies von einer hoͤchſt an-
erkennenswerthen Thaͤtigkeit unſerer Polizeidirection, die Bemuͤhungen
des Vereins gegen Thierquaͤlerei kraͤftig zu unterſtuͤtzen.

Paris, Auguſt. Am Schluß der Boͤrſe derbreitete ſich das
Geruͤcht, die Regierung habe ſchlimme Nachrichten aus Madrid erhal-
ten; Narvaez ſoll ſich mit dem Kriegsminiſter Serrano nicht haben
vereinbaren koͤnnen und haͤtte ſeine Demiſſton angeboten; darauf haͤtte
ſich das Miniſterium in Maſſe zu ihm begeben und gebeten, ſeine Fuͤne-
tionen im Intereſſe des Landes beizubehaͤlten, den dringenden Bitten
des Cabinets haͤtte er denn zuletzt auch nachgegeben. Ferner wurde
behauptet, Narvaez habe von der Koͤnigin Chriſtine Fonds aus Anlaß
der bevorſtehenden Wahlen verlangt; dieſe aber habe dieſen Moͤrgen
die Antwort abgeſchickt, daß ihre Wuͤnſche jetzt durch den Sturz Es-
partero's befriedigt ſeien und ſie demnach keine Fonds mehr verabfol-
gen wolle. *

— C heißt, die nach Tunis abgeſchickte tuͤrkiſche Flotte habe nur
die Miſſion, vom Bey die Entrichtuͤng des ruͤckſtaͤndigen Tributs zu
forderu.

— Seoane wird von der Junta von Burgos trotz der Befehle der
Madrider Regierung noch gefangen gehalten. Aus Barcelona vom 2.
ſoll ſogar die Nachricht eingetroffen ſein, daß Sevane auf Befehl der
Junta erſchoſſen worden ſei.

London, 5: Auguſt. Der Antrag der Regierung, die Entſchaͤdi-
aungsſumme für das im Jahr 1839 an die Chinefen abgelieferte Obium
auf die Summe von 1,281,211 Pfd. Sterl. feſtzuſetzen, wurde im Un-
terhaus mit 74 Stimmen gegen 27 angenommen.

Madrid, 31. Juli. Vorgeſtern hatte hier eine Reunion der
„Freunde der gegenwaͤrtigen Lage“ ſtatt. Die Geſellſchaft conftituirte
ſich und verfaßte eine Vorſtellung an die Regierung, um dieſer die
Nothwendigkeit der Einberufung einer Centraljuͤnta zur Beſeitigung der
Hinderniſſe, welche ſich dem Gange der Angelegenheiten widerfetzen,
Es wurde dieſes Document dem Miniſter des Innern zu-
geſtellt. — Durch Decret vom 39. hat die Regierung ſaͤmmtliche Mit-
glieder der Madrider Provinzialdeputation ihrer Functionen enthoben
und proviſoriſche Nachfolger gegeben, bis die geſetzlichen Wahlen ſtaͤtt-
gefunden haben wuͤrden. — Die Madrider Journale ſind jetzt mit An-
kuͤndigungen von Abſetzungen und neuen Ernennungen in allen Zweigen
der oͤffentlichen Verwaltung angefuͤllt. Die proviſoriſche Regieruͤng
opfert ihrem Epurationsſyſteme alle Esparteriſten und „Verdachtigen“
auf. — Heute verbreitete ſich das Geruͤcht, das Miniſterium habe,
um vielfachen Schwierigkeiten vorzubeugen, die es vorausſehe, den
Entſchluß gefaßt, die Koͤnigin Iſabella ſofort fuͤr volljaͤhrig zu erklaͤren

Von der ſpaniſchen Gränze, 4. Auguſt. Die Junta von
Barcelona hat am 31. Juli eine Vorſtellung an den Praͤſtdenten des
Miniſterrathes in Madrid abgeſchickt. Sie verlangt die Inſtallirung
einer Centraljunta des Koͤnigreichs und die Aufrechterhaltung der in
den Provinzen 'organifirten Junten, bis eine definitive Regierung con:z
ſtituirt ſein werde. Es uͤberbringen zwei Deputirte der Junta dieſe
Vorſtellung nach Madrid. ;

Amſterdam, 5. Auguſt. Die Staatskaffe iſt erſchoͤpft, und die
Mittel, um dieſelbe auf eine oder die andere Art zu fuͤllen, ſind ſo
beſchraͤnkt, daß die beſtehenden Abgaben ſo druͤckend als moͤglich werden
Die Steuereinnehmer ſind in allen Orten beauftragt, die Perfonalſteuer
und Patente bedeutend zu erhoͤhen, um die Einnahmen zu vermehren.
So ſind z. B. einige Kaufleute, die im vorigen Jahre fl. 60 bezahlten,
dieſes Jahr auf fl. 260 angeſchlagen, durchſchnittlich ſind alle Pätente
um die Haͤlfte erhoͤht worden, wodurch der Mittelſtand ſehr gedruͤckt
wird, ſo daß er am Ende gar nichts mehr wird bezahlen koͤnnen.


 
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