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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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April (No. 77 - 101)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0393

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; Tagsbericht.

Carlsruhe, 25. April. Unter den in neuerer Zeit zu unſerer
Kenntniß gekommenen Ungluͤcksfaͤllen nehmen die durch unvorſichtiges
Fahren herbeigefuͤhrten ſtets eine bedeutende Zahl ein; ſo verloren allein
am 20. d. in der Gegend von Lahr an zwei verſchiedenen Orten zwei
kleine Kinder auf dieſe Weiſe das Leben. Der eine von den nachlaͤſſi-
gen Fuhrleuten befindet ſich mit Recht in Haft und Unterſuchung.

Schwetzingen, 23. April. Heute ſtarb hier Herr Garteninſpek-
tor Zeiher in Folge einer ſtarken Gemuͤthserſchuͤtterung, die zu ei-
“nem laͤngern Unwohlſein hinzutrat. Sie war, wie man ſagt, durch
eine ſchauderhafte Mordthat, welche ein von ihm fuͤr ehrlich und treu
‚gehaltener Arbeiter an einem Feldſchuͤtzen veruͤbt hatte. Nachdem der
Ermordete, in einen Sack gehuͤllt, aufgefunden worden, entleibte ſich
der Moͤrder ſelbſt, und es iſt kein Zweifel, daß der Schrecken uͤber
dieſe graͤßlichen Vorgaͤnge Hru. Zeiher bei ſeiner geſchwaͤchten Geſund-
heit den Tod zuzog, oder doch ſehr beſchleunigte.

Aus dem Herzogthum Naſſau, 24. April. So eben erhalte
ich aus ſehr guter Quelle die Nachricht, daß unſere herzogl. Regierung
von Biebrich aus, als Fortſetzung der Taunus-Eiſenbahn, eine Ei-
fenbahn durch den Rheingaubis nach Coblenz reſp. Ehren-
breitſtein zu erbauen feſt entſchloſſen iſt, und man den deßfallſigen
Regierungserlaſſen baldigſt entgegenſehen darf.

Frankfurt, 25. April. In der heute fortgeſetzten Ziehung 6.
Klaſſe der 103. hieſigen Lotterie gewann das Loos Nr. 18,038 fl. 2000,
und jedes der folgenden 4 Lonfe fl. 1000: Nr. 3285, 9663, 11,477
und 12,048, }

Berlin, 20. April. Das hieſige Ober-Cenſurgericht ſoll demnaͤchſt
organiſirt werden, und man glaubt, daß es ſchon in den erſten Tagen
ſeiner amtlichen Wirkſamkeit alle Haͤnde voll zu thun haben werden.
Das Praͤſidium iſt bereits mehreren der bedeutendſten Juriſten, unter
Anderm einem beruͤhmten Praktiker vom beſten Alter, angeboten worden,
der es aber beſcheidentlich abgelehnt hat. Wahrſcheinlich hat er ſchon
im Geiſte die vielen Appellationen an ſein Tribunal anruͤcken ſehen!

Hamburg, 17. April. Die k. daͤniſche Regierung hat unſerm
Senate angezeigt, wie es ihr nicht angenehm waͤre, wenn das zehnte
Armeekorps dieſes Jahr zuſammentraͤte, weil bei ihrem Contingent das
deutſche Commando noch nicht eingeuͤbt ſei. Sie erwarte daher von
den freundlichen Geſinnungen der Nachbarſtaaten, daß ſie das Geſuch
um Aufſchub, welches ſie bei dem hohen Bundestage einreichen laſſen
wolle, unterſtuͤtzen wuͤrden.

Paris, 23. April. Man hat uͤber Havre und zugleich uͤber London
wichtige Nachrichten aus Hayti erhalten. Praͤſident Boyer hat
vor den Infurgenten, die Port-au-Prinee beſetzt haben,
fluͤchten müjfen. Er iſt an Bord des engliſchen Schiffes Seylla
nach Jamaica abgeſegelt. — Der Ex-Praͤſident Boyer gedenkt, wie
man hoͤrt, ſich in Frankreich niederzulaſſen; er hat ſeit einigen Mona-
ten viel Geld zu Capitalanlagen naͤch Paris geſchickt.

— Der Bruch zwiſchen Thiers und, Odkton Barrot ift voll-
ſaͤndig; die beiden Parteihaͤupter ſehen ſich nicht mehr; Thiers ſoll das
— — erlangt haben, bei der naͤchſten Cabinetscriſis ein Porte-
feuille
regeln unterſtuͤtzt.

— E& iſt berechnet worden, daß, wenn ſeit der Gruͤndung Rom's
bis heute, d. h. in 2596 Jahren, jede Minute ein Frankenſtuͤck in die
Staatskaſſe eingelegt worden waͤre, die Summe dieſer Einlagen die-
jenige des Ausgabe-Budgets für 1844 nicht erreichen wuͤrde. Die letz-
lete iſt 1,404,513,710 Fr., waͤhrend die erſtere (in der Stunde 60 Fr.,
im Tag 1440, im Monat 43,200, im Jahr 518,400, in 2596 Jah-
ren nur 1,345,766,400 Fr. ergibt.

— Die Prinzeſſin Clementine reiſt Anfangs Mai mit ihrem Gemahl
nach Lifyabon, um der Koͤnigin von Portugal einen Beſuch zu machen.




Von Liſſabon begibt ſich das junge Ehepaar zuerſt nach London und
dann nach Dresden.

— Geſtern Abend wurde das neue Trauerſpiel Lucretta (es iſt
die roͤmiſche gemeinth von Ponſard zum erſtenmal im Odeontheater
aufgefuͤhrt. Der Zudrang war ſo groß, daß man genoͤthigt war, fuͤr
30,000 Fr. Bilette zu verſagen, eine Art Emeute vor dem Haus
entſtand, und die bewaffnete Macht gerufen werden mußte, die Ord-
nung herzuſtellen.

— Der Caſſationshof wird heute in einer Frage der Gewiſſensfrei-
heit oder vielmehr der Berechtigung zur oͤffentlichen Cultusuͤbung ent-
ſcheiden. Es handelt ſich von der Wirkung der Geſetze uͤber Aſſocta-
tionen in Bezug auf religioͤſe Vereine! In der Gemeinde Senneville
wollte eine Anzahl Proteſtanten eine Kirche und einen Pfarrer haͤben-
Die Eivilhehoͤrde hat die Kirche ſchließen laſſen und den Pfarrer ſammt
der Gemeinde vor Gericht gezogen. Zwei Urtheile, ergangen von den
Tribunalen zu Mantes und Verſailles, condemniren den Pfarrer
zu einer Geldbuße und confirmiren die Schließung der Kirche, Die
Sache iſt nun an das Caſſationsgericht gediehen; man iſt ſehr ge-
ſpannt, zu erfahren, wie die Entſcheidung ausfallen wird. Das hoͤchſte
Tribunal wird hoffentlich die Untergerichke auf der zur Intoleranz nei-
genden Bahn aufhalten.

— Die Unterzeichnung zu Gunſten der Verungluͤckten auf der Juſel
Guadeloupe erhebt ſich jetzt uͤber 1,100,000 Fr. 2

— In Holland, Frankreich und England fallen die Getreidepreiſe,


London, 21. April. Der Prinz Auguſt Friedrich Herzog
von Suſſex, iſt heute Nachmittaa kurz nach 12 Uhr geftorben; er
war geboren am 27. Januar 1773, ſtand mithin in ſeinem 71ſten Sahr.
Die Whigjournale zeigen den Trauerfall ſchwarz geraͤndert an; der
Herzog von Suſſex bekannte ſich zu den liberalen Oppoſttionsgruͤnd-
ſaͤtzen. Er war das neunte Kind und der fuͤnfte Sohn Sr. Maj. des
Koͤnigs Georg des III. Er war zwei Mal verheiraͤthet; weder das
eine noch das andere Mal erhielt ſeine Ehe die koͤnigliche Sanckion.

— Durch das Schiff Medway, das zu Falmouͤth eingelaufen iſt,
hat man Nachrichten aus Jamaica vom 20. Maͤrz erhalten. Der Praͤ⸗
ſident Boyer war am 19 Maͤrz mit 900,000 Dollars zu Kingfton
angekommen. Er hatte ſich vor den Inſurgenten auf Haytt fluͤchten
muͤſſen und war mit 32 Perſonen an Bord des engliſchen Schiffes
Scylla gegangen. Die Infurgenten hatten ſich nur allein gegen Boy-
er's Perſon ausgeſprochen; es iſt noch nicht bekannt, welche Wendung
die poͤlitiſchen Dinge nach Entweichung des Praͤſidenten genommen haz
ben; man ſprach von Einfuͤhrung einer fuͤnfjaͤhrigen Praͤſtdentur ſtatt
der bishexigen lebenslaͤnglichen.

Teſſin. Der Staatsrath hat unterm 20. dſs. an faͤmmtliche eid-
genoͤſſiſche Staͤnde ein Kreisſchreiben erlaͤſſen, worin er ihnen von dem
verſuchten Attentat der politiſchen Emigrirten auf die gegenwaͤrtige Ord-
nung der Dinge im Kanton Kenntniß gibt. Zugleich aber glaubt er
die Verſicherung geben zu koͤnnen, daß durch die Wachfamkeit der Be-
hoͤrden, durch den Eifer des Volks fuͤr Aufrechthaltung der Ordnung,
ſo wie durch die freundnachbarliche Mitwirkung der fardiniſchen uͤnd
lombardiſchen Regierung die Gefahr beſeitigt ſei, und daß der Staats-
rath nunmehr mit aller Sorgfalt auf Mittel denken werde, um ſo
ſchnell als moͤglich die Rube der Gemuͤther und mit ihr den gewohnten
Lauf der geſellſchaftlichen Verrichtungen zurückzuführen.

Brüſſel, 22. April. Caumartin iſt geſtern in Begleitung ſeiner
Mutter und Schweſter nach Paris zuruͤckgereiſt.

Madrid, 16. April. Der Coͤngreß hat in ſeiner heutigen Si-
tzung ohne alle Discuſſion die Wahlen von 18 Provinzen genehmigt.
Aller Wahrſcheinlichkeit nach wird die Kammer naͤchſten Donnerftag
conſtituirt ſein. Die Majoritaͤt, welche die Oppoſition bis jetzt gehabt,
conſolidirt ſich taͤglich mehr.


 
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