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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Oktober (No. 230 - 255)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0993

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Die Revolutionsnacht in Athen.
(Fortſetzung.)
Als dieſe ihre Berathungen fortſetzten, uͤberreichte Obriſt Makrijan-
ni dem Staatsrathe ein Verzeichniß der neuen Miniſter-Candidaten (Es
waren die ſpaͤter auch wirklich zu Miniſtern ernannten). Tatzis-Man-
ginas meinte, der Staatsrath ſollte 10—15 Perſonen in Vorſchlag
bringen, aus denen dem Koͤnig die Wahl frei geſtellt ſein ſollte, allein
die Art und Weiſe, wie die Candidaten dem Staatsratbe aufgedrun-
gen wurden, beſtimmte ihn, nicht laͤnger ſich zu widerſetzen. Ferner
wurde beantragt, die Miniſter ſollten dem Staatsrath verantwortlich
ſein, wogegen jedoch Metaxas und Rhigas Palamidis (die neudeſignir-
ten Miniſter) opponirten, uud bis zur Verſammlung der Volksvertre-
ter die Unverantwortlichkeit der Miniſter verlangten. Endlich wurde
der Beſchluß gefaßt, daß die Miniſter — auf Antrag des Staatsraths
— der Nationalverſammlung Rechenſchaft abzulegen haͤtten.


lung follte aufgenommen werden, daß alle im Staatsdienſte befindli-
chen Fremden, mit Ausnahme der alten Philhellenen, zu entlaſſen ſei-
en. Einige entgegneten jedoch, daß der Moment hiefuͤr nicht geeignet
und dieſe Maßregel ſeiner Zeit den betreffenden Miniſtern anheim zu
ſtellen waͤre. Die Vorſtellung an Se. Maj. wurde von Zographos re-
digirt und eine Deputation zu deren Ueberreichung gewaͤhlt. Obgleich
manche der hiezu Gewaͤhlten ungern dieſem Auftrage folgten, ſo wag-
ten ſte bei der drohenden Stelung der Truppen dennoch nicht ſich zu
weigern.
tation in den Palaſt und uͤberreichte die Adreſſe dem Koͤnig mit der
Bitte, Se. Maj. moͤchten ſich bewogen finden, die darin enthaltenen
durch die Gewalt der Umſtaͤnde abgedrungenen Antraͤge zu genehmigen.
Einige der Mitglieder, namentlich Konduriotti, geſtanden mit Thraͤnen,
daß fie mit Waffengewalt in den Staatsrath gefuͤhrt worden ſeien.
(Nur Pſtlas bekannte ſich als freiwilliger Theilnehmer, worauf ihm der
Koͤnig erwiderte, von ihm ſei nichts guderes zu erwarten.) Der Koͤnig
aͤußerte hierauf, wie ſehr ihn dieſer Vorfall betruͤbe, und daß er jeden-
falls vor der Beſchlußfaſſung fordere, daß man ſeine Briefe an die Ge-
ſandten der Großmaͤchte, welche an Griechenlands Wiedergeburt thaͤti-


Benehmen mit denſelben beſchließen koͤnne und wolle. Um dieſer For-
derung raehr Nachdruck zu geben, fuͤgte der Koͤnig bei, daß dieſes um
ſo nothwendiger ſei, als die Machte, welche ſo lebhaftes Intereſſe fuͤr
die Angelegenheiten Griechenlands aͤußerten, gegen die neue Ordnung
der Dinge Einſprache erheben koͤnnten.
daß er vun ſeiner Liebe zur Nation geleitet, jedenfalls und hier beſon-
ders die Verhaͤltniſſe des Augenblicks beruͤckſichtigen wolle. Nachdem
uͤbrigens bekannt geworden, daß die Soldaten und Offiziere, Kalergi
an der Spige, ſich dem Eintritt der fremden Geſandten in den Palaſt
widerſetzten und die aufruͤhreriſchen Bewegungen und Drohungen des
das Koͤnigshaus umlagerten Volkes und Militaͤrs — angetrieben durch
die Haͤupter der Verſchwornen und viele Betrunkene — immer heftiger
wurden, ſo fand der Koͤnig, um die Stadt und die ruhigen Buͤrger vor
den Uebeln einer Anarchie zu bewahren und ſeine getreuen Landsleute
und Anhaͤnger nicht dem Meſſer preiszugeben, ſich endlich bewogen, ei-
nen Theil der ihm vorgelegten Verordnungen (die Berufung der Natio-
nal⸗Verſammlung und die Einſetzung eines neuen Cabinets betreffend)
zu unterzeichnen, ohne die Ankunft der Geſandten abzuwarten. Haͤtte
der Koͤnig — ſo aͤußerte er ſich — ſeinem Gefuͤhle folgen duͤrfen, er
haͤtte in dieſem Augenblick lieber auf dieſe Krone verzichtet, als ſolche
mit bewaffneter Hand ihm abgedrungene Forderungen angenommen. Wir
haben geſehen, wie der Koͤnig — geleitet von der In ihm ſtets vorherrſchen-
den Gewiſſenhaftigkeit und bedenkend, welche Leiden dem Lande aus einerall-
gemeinen Anarchie erwachſen wuͤrden — die zwei erſten der ihm vorgelegten
Verordnungen unterzeichnete und ſte der Deputation uͤbergab; ſie betrafen die






Ernennung der Miniſter und die Zuſammenberufung der Nationalverſamm-
lung zur Berathung einer Conſtitution.
Kaum waren die Deputirten aus dem Palaſt herausgetreten als
ſte vom Poͤbel umringt und mit Ungeſtuͤm zur Mittheilung der koͤnigl.
Ein Deputationsmitglied las dem ver-
ſammelten Voͤlke die beiden Verordnungen vor, nachdem die andern
Mitglieder aus Furcht entflohen waren. Waͤhrend deſſen drohten die
Maffen, (die ſich anfangs ruhig verhalten, nun ſeit den Morgenſtun-
den durch betrunkenes Geſindel vermehrt hatten,) unter fuͤrchterlichem
Toben und Schreien durch die Fenſter des Erdgeſchoſſes in den Palaſt
einzudringen. Schluß folgt.)

Tagsbericht.
Carlsruhe, 13. Oet. Dem Vernehmen nach hat Moriz v. Ha-
ber, der nach ſeiner erſtandenen Arreſtſtrafe nach Frankreich ging, zwei
Franzofen gefunden, welche dieſer Tage hierher kamen, um die leidige
Goͤler-Haber'ſche Streitſache mit dem Hın. v. Sarachaga, dem Se-
Fundanten des ungluͤcklichen v. Goͤler, von neuem aufzunehmen und
einer blutigen Entſcheidung zu unterwerfen. Mit Necht weigerte ſich
Hr. v. Sarachaga, der in dieſer ganzen beklagenswerthen Sache ſich


auf ſolche Weiſe ſich ferner einzulaſſen; die hieſige Polizei hat die Fran-
zoſen fortgewieſen.

SNollingen, bei Rheinfelden, 15. Oktoher. Welche verletzende


folgende actengemaͤße Thatfache. ; x

Ein ſſchweizer Friedensrichter und deſſen Toch-
ter, haben bei einem badiſchen Gerichte mehrere Prozeſſe anhaͤngig;
ſie ſandten daher einen Schullehrer, der zugleich auch Rathſchreiber iſt,
folglich einen Begriff von Verpflichtung haben ſoll, mit einem ſchweren
Lachſen in die Kuͤche des Herrn Beamten. Der Fiſch wurde jedoch
von dem rechtlichen Staatsdiener nicht nur nicht angenommen, ſondern
mit einem Verweis gegen Ruͤckempfangsbeſcheinigung durch den Buͤr—
germeiſter zuruͤckgeſchickt. Was iſt aber nun von einem Friedensrich-
ter (!) dem wohl uͤber die Zuſendung der fragl. Gabe keine lautern
Abſichten unterſchoben werden koͤnnen und dann auch von einem Manne
zu halten, der ſich zu ſolchen niedrigen Handlungen gebrauchen laͤßt?!
Aus dem Ganzen kann man ſich aber einen Begriff machen wie jedes
auch noch ſo verwerfliche Mittel den Zweck heiligen ſoll, ſeine und an-
derer Ehre brandmarkend und verletzend. Es liefert aber dieſes fuͤr
das Werkzeug, ſo wie fuͤr den Spender den maßgebenden Beweis, daß
man hier nach ſeinen Faͤhigkeiten zur Pflichtverletzung nach eigenem ſehr
elaſtiſchen Gewiſſen den Maßſtaab falſchrechnend angelegt hat, wenn
ſte der Meinung waren, daß Haaſen, Rehboͤcke, Lachſen, ein Schwei-
zerkaͤs oder ein Faͤßchen Extraguten vielleicht die Entſcheidungsgruͤnde
motiviren. Sapienti sat.

Crailsheim, 12. Oet. Heute Nachmittag hat in unſerer Um-
gegend ein furchtbarer Sturm gewüthet, Daͤcher abgedeckt, Baͤume ent-
wuͤrzelt und die Marktſtaͤnde auf der Meſſe bei Roth a. S. mit den
Waaren beſchaͤdigt.

Von der Donau, 14. Oct. Wie man vernimmt haben meh-
rere ruſſiſche Schiffe den Befehl erhalten, nach dem Piraͤus unter Se-
gel zu gehen.

Paris, 18. Oct. Aus einer zu Saragoſſa erſchienenen Proclama-
tion erſieht man zum erſtenmal, welche Plane die Inſurgenten mit der
Centraljunta vorhatten. Es ſollte damit keine beſtimmte Verfaſſung,
alſo auch nicht die Erhaltung des Koͤnigsthums, gemeint ſein. „Die
Centraljunta hat keineswegs die Aufgabe, die aus der Julibewegung
(gegen Espartero) entſtandene Lage zu befeſtigen; im Gegentheil, ſie
foll Diefe Lage zerſtoͤren und ſich als extra-legale Gewalt conftt-
tuiren, die Verfaſſung zu reformiren und auf revolutionaͤrem Wege


 
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