Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Mannheimer Morgenblatt — 1843

DOI Kapitel:
Oktober (No. 230 - 255)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1009

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext






No. 252.










Tagsbericht.

* Mannheim , 56. Oet. (Schluß des geſtern abgebrochenen Artikels.)
Das Geruͤcht ſagte, er habe den Verſtorbenen verdammt und die ganze
Heidelberger Buͤrgerſchaft beleidigt. Darum ließ Herr Dekan Sabel
ſeine Rede drucken, aus welcher ſich ergibt, daß er mit Ernſt und Liebe
wie es einem Diener des Herrn geziemt, redete, indem er einfach das
frühere chriſtliche und geſegnete Buͤrgerthum dem heutigen nach Genuß,
Leichthum u. f. w. jageyden gegenuͤberſtellte, und zur Umkehr einlud.
Niemand, der ſie Kest, kann ihm einen Vorwurf daruͤber machen, ſon-
dern muß ſich des ruhigen Zeugniſſes erfreuen.

Der Haß wuͤrde unerklaͤrlich ſein, wenn er nicht theils darin ſeinen
Grund haͤtte, daß Herr Dekan Sabel als Schul⸗Inſpector durch ge-
nauen Vollzug des Geſetzes vielen widerſpenſtigen Aeltern perſoͤnlich
berhaßt wäre, weswegen ihm ſchon fruͤher Scheiben eingeworfen wur-
den, theils aber auch hauptſaͤchlich darin, daß in Heidelberg ſeit eini-
ger Zeit methodiſch Haß gegen das lebendige Ehriftenthum, das man
Pietismus nennt, aufgereizt wird, wozu ſelbſt das Heidelberger Jour-
ual, trotz der Cenfur, ſchon vielfach mißbraucht wurde. Ja ſelbſt auf
der Kanzel ſoll von einem der Geiſtlichen ſchoͤn oͤfters gegen den Pie-
tismus losgezogen worden ſein.

Wie weit, muͤſſen wir beifuͤgen, muß in dieſer Stadt die ungeiſt-
liche und unchriſtliche Bedeckung aller Suͤnden unſerer Zeit, wie weit
die Schmeichelei an den Graͤbern getrieben worden ſein, wo eine ſolche
Rede dieſen Erfolg hervorgerufen oder vielmehr den glimmenden Haß
zu ſolchem Ansbruche bringen konnte! Hoffentlich wird die geiſtliche
Behoͤrde, den in Wiſſenſchaͤft und Glauben tuͤchtigen, mit chriſtlicher
Seftunung und Wahrheit ſein Amt bekleideden Mann zu ſchuͤtzen und
die weltliche Obrigkeit ihre Pflichten zu erfuͤllen wiſſen, um die Frei-
heit der Verkuͤndiguͤng des Evaugeliums zu erhalten.

a* Schwegingen, 24. Oftbr, Heute wurde in Hockenheim der
Deputirte der Amtsbezirke Schwetzingen und Philippsburg bei dem letz-
ten Landtage, Geb. Rath Rettig, mit 46 gegen 21 Stimmen aber-
mals zum Abgeordneten gewaͤhlt. Die 21.andern Stimmen fielen auf
den fruͤhern Landtagsdepuͤtirten Buͤrgermeiſter Helmreich von Vieh-
lingen. Beinahe das ganze hieſige Amtsperfonale befand ſich am Wahl-
orte.. Das Mittagsmaͤhl nahın man zu Neulußheim im Baͤren ein;
indeſſen wohnten demſelben nicht alle Waͤhler bei.

*L* Qahr, 24. Oet. Fuͤr die durch den freiwilligen Austritt des
Herrn Daniel Voͤlker, aus der 2. Staͤndekammer, laͤngſt ſchon erles
digt geweſene Deputirtenſtelle unſeres Landbezirks, fand heute eine neue
Wahl ftatt. Von 42 Stimmen erhielt Hr. Sberamtmann Lichtenauer
in Buchen 27. Auf Buͤrgermeiſter Rubin in Hugsweier fielen 14.
Unter den 27 Stimmen, die der Herr Oberamtmann erhielt, hieß es
auf 19 Zetteln: Oberamtmann Lichtenauer in Buchen, 4 Amtmann
Lichtenauer ohne Wohnort, und 4Amtmann Lichtenauer in Muſſbach. —
Zedenfalls haͤt unfer Landbezirk eine Unabhaͤngigkeit an den Tag ge-
ſegt, die zu loben iſt; die Wahlmaͤnner haben ſich von keiner Seite
einflüßern laſſen, ſte haben nur nach innerm Drang gewaͤhlt. Hr. Lichte:
nauer, früher 2, Beamter hier, ſieht noch in theuerm Andenken bei
uns; ſeine Buͤrger⸗Freundlichkeit, raſtloſe Thaͤtigkeit, ſtrenge Unparthei-
lichkeit, ſind hier allbefannt, ſo daß ſeine Wahl allgemeine Freude,
wir moͤchten ſagen Enthuſtasmus erregt hat.

Als gegen Mittag vor dem Rathhauſe, in welchem der Wahlact
vor ſich ging, das Refultat bekannt gemacht wurde, erregte es eine in-
nige Senfation; aber wie bei uns leider eine Freude nie ganz rein genoſ-
ſen werden kann, ſollte ſie auch hier in etwas geſtoͤrt werden; denn
gegen 12 uhr erſchien eine Schaar Schulbuben/ die, wie es ſcheint,
pon einer gewiffen Parthei gedungen waren, und ſtimmten ein unauf-
hoͤrliches Pfeifen an. — Hr. Lichtenauer, der zum erſten Mal in
unſerer Voikekammer erſcheinen wird, duͤrfte bei ſeinem emienten Ta-


lent und ſeinen ausgezeichneten juriſtiſchen Kenntniſſen bald eine Zierde
derſelben werden! — Ehre darum den intelligenten Wahlmaͤnnern!

Berlin, 20. Oet. Die vor einigen Jahren von Amerika heruͤber-
gekommene Art der holzgenagelten Fußbekleidung findet ſich jetzt ſo be-
waͤhrt, daß dergleichen Schuͤhzeug nun fuͤr die geſammte preußiſche
Armee das Kriegsminiſterium einfuͤhren will.

Paris, 23. Oct. Die Regierung hat jebt ſchon ſeit drei Tagen
keine telegraͤphiſche Deveſche mit Nachrichten aus Spanien veroͤffentlicht.
Am 16. Oet. hatte ſich zu Barcelona noch nichts geaͤndert. Auch uͤber
den Stand der Dinge voͤn Saragoſſa erfaͤhrt man nichts Neues.

— Unter den vor einigen Tagen im Bagno zu Toulon angekom-


mecen, der zu lebeuslaͤnglicher Galeerenſtrafe verurtheilt iſt, weil er
eine feiner Frauen in unerlaubtem Umgange mit einem Adjutanten des


2

— Es foll beſchloſſen worden ſein, zwei der zur Occupationsarmee


wuͤrden erſt im naͤchſten Fruͤhjahre in Algerien wieder erſetzt werden.


rend des Winters hinzudeuten.
Warſchau. 18. Oct. In Rußland geht man in dieſem Augen-
blick mit nichts Geringerem um, als die ganze alte He erverfaſſung

zu reformireu uud das Militaͤrinſtitut dem preußiſchen immer naͤher zu
Es iſt noch nicht lange her, daß die ungebuͤhrlich lange Dienſt-
zeit auf 15 Jahre beſchraͤnkt wurde; nunmehr ſoll eine abermalige Re-
duction derſelben dadurch eintreten;, daß eine foͤrmliche Landwehr gleich
der preußiſchen eingefuͤhrt wird! Hat der Soldat zehn Jahre in der
Linie gedient, ſo ſoͤll er zu ſeinem buͤrgerlichen Geſchaͤft entlaſſen wer-
den, und nur fuͤr die naͤchſtfolgenden fünf Jahre noch alljaͤhrlich vier
Woͤchen zu Dienftuͤbungen eingezogen werden. Dieſe Einrichtuns Dürfte
von unermeßlichen Folgen ſein, indem der Soldat, der mit 18 Jahren
uuter die Fahne tritt, und folglich mit 28 Jahren wieder entlaſſen


ſchaͤft mit Kraft zu beginnen und zu betreiben. Der Soldatenftand
wird dadurch in Rußland populaͤr werden, wie er es in Preußen iſt,
und wird auͤfhoͤren, eine eigene abgeſonderte Kaſte zu bilden.



Mannheim, 26. Oct. Von verſchiedenen Theilen des Landes
ſind uns heute Berichte uͤber die ſtattgefundenen Deputirtenwahlen zu-
gekommen: — —

UD In Meersburg wurde der fruͤhere Abgeordnete Vize⸗Kanzler

Bektk in Mannheim mit großer Stimmenmehrheit wieder erwaͤhlt

2) In Candern ſſtel die Wahl auf Herrn Fabrikant Carl Metz
in Freiburg. Von 38 Stimmen erhielt er 20, welch letzte auf
den bisherigen Deputirten Buͤrgermeiſter Schanzlin kamen.

‚ 3) In Bonndorf, Herr Hofrath Welcker von Freiburg wieder
und zwar mit 70 Stimmen gegen 7,

. 4) In Freiburg fuͤr das Landamt Freiburg und Amt Waldkirch,
der Fruͤhere Deputirte Herr Buͤrgermeiſter Reichenbach von
Buchholz.

5) In ;Qegs in gen, Herr Hofgerichtsrath Nombride in Freiburg
für den ausgetretenen Hofgerichtsrath Wetzel

6) In Kheinbiſch offsheim, der fruͤhere Abgeordnete Buͤrger-

! meiſter Doͤrr von da. * x 2

7) Sn Sinsheim, Hr. Regierangsrath Weigel in Mannheim:

Der ausgekretene Deputirte iſt Hr. Handelsmann Gaſtroph in

Sinsheim. * *

S) In Pforzheim (Stadtbezirk), Hr. Hofgerichts-Advocat S an der
in Raſtadt. Für den ausgetretenen Regierungsrath Hoffmann
derzeit in Stettin.


 
Annotationen