Mannheimer Morgenblatt (1843)

—

No. 299



21. Dezember.



* Donuerſtag den







Landtagsverhandlungen.
die Gerichtsverfaſſung des Großherzog-
thums Baden betreffend.
2
Konimt tein Vergleich zu Stande, fo Aellen die Ver leichsrichter, welche die
Zagfahrt abgehalten haben, * Kläger darüber, daß 4 24 —
den ſei, eine Beſcheinigung aus, wodurch die Zulaffung der Klage ohne weltere

Bergleichsverhandlungen evenſo begründet wird, wie durch die im $ 51. Abſ. 2. er-
wähnte gleiche Beſcheinigung des Amtsgerichte
60

Geſebentwurf

8
Die Bitten um Abhaltung einer Vergleichstagfahrt, die hiezu ergehenden Vor-
ladungen, die Protokolle über die Vergleichsverhandlung und die Beſcheinigung


Lersleich zu Stande kommt, bei den Vergleichoͤgerichten aber in allen Fällen ſpoͤr⸗
tel- und ſtempelfrei.

$, 61.

Zur Bergleichstagfahrt werden die Parthien überall {n Perſon vorgeladen. Sie
; fönnen gleicheohi mit ſchriftiicher Vollmacht verſehene Stellvertreter fhiden, iedoch
Line Advokaten, oder Schriftverfaſſer, noch auch Ändere, die ſich mit Bırtretung von
Partheien regelmäßig abgeben.
Ver von einer Parthei ſchriftlich beauftragt iſt, an ihrer Stelle der Vergleichs-
— gilt kraft Geſetzes als unbeſchränkt bevollmächtigt, Vergleiche
abzu ſchließen.

5. 62. *
Sind bei der Vergleichstagfahrt deide Partheien ausgeblieben, ſo beruht die
Sache auf ſich, und erft auf Anrufen des einen oder andern Theils wird eine neue
Tagfahrt angeordnet. ; ;


— —— der Vergleich für mißlungen erklärt, und die in den 55. 51 und
59 erwähnte Beſcheinigung ausgeſtellt, * eine neue Tagfahrt angeordnet.

Wird wegen des Nichterſcheines einer Parthei der Vergleich für mißlungen er-
tärt, ſo verfällt Dexienige, welcher die Vergleichstagfahri abgehalten, den Aus-
Aebliebenen zugleich in eine der erſchienenen Gegenparthei zu bezaͤhlende Verſäum-
nißgebühr voͤn fünf Gulden, und wenn die Vergleichstagfahrt von dem Amts⸗ oder
Handelsgericht anberaumt war, überdieß noch zum Erſaͤtze der ſofort richterlich zu
beſtimmenden Reiſekoſten des Erſchienenen.

Iſt der Kläger ausgeblieben, ſo wird dieß in der nach den $S. 51 und 39 ihm
zuzuſtellenden BefHeinigung bemerkt, und ſeine Klage nur dann erft zugelaſſen, wenn
er durch Vorlage einer Quittung nachwetét, daß er dem Beklagten die fünf Gul-
den ſammt den richterlich beſtimmten — bezahlt habe. ;

4

Iſt der Vergleich in Fällen, wo beide Partheien in Perſon oder durch Bevoll-
mächtigte ($. 61) anweſend waren, mißlungen, ſo bat der Kläger dem Beklagten
_ Aur in den Fällen der 55. 51— 54 Reiſekoſten zu erſetzen. —

Erzebt er jedoch innerhalb 42 Tagen nach der Vergleichstagfahrt wegen des
Streitgegenſtandes, hinſichtlich deſſen der Vergleich verfucht wurde, gerichtliche Klage/
{o fallen dieſe Koßen, ſo wie die Koſten der Vergleichstagfahrt Demjenigen zur
Laſt, welcher in die Koſten des Rechtsßreits verurtheilt wirs.

5. 65.

Hat der Kläger innerhalb 42 Tagen nach ſtattgehabter Tagfahrt, bei welcher

er ſelbſt er ſelbſt erſchienen, der Vergleich aber mißlungen iſt, Klage erhoben, ſo
ſind mit der hierauf erkannten Ladung die im S. 257. Nr, 1, 2, 3, 5, und 7 der
hürgerl Prozeßordnung bezeichneten Wirkungen vom Tage der Einhändigung der
Borladung zur Vergleichstaͤgfahrt rückwärts verbunden; in den Fällen jedoch, wo
die Tagfahrt vor dem Vergleichsgerichte abgehalten wurde, nur die Wirkungen des
$. 257, Nr. 2, 3 und von dem Tage an, wo der Vergleichsrichter dem Kläger
die in 859 erwähnte Beſcheinigung ausgeſtellt hat.

6.

66.

Iſt in Fällen in welchen nach den 55. 48 und 49 dem richterlichen Verfahren
ein Vergleicheverſuch vorausgehen ſollte, ohne ſolchen Lavung auf eine Klage er-
kannt, ſo kann der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens und ſelbfi noch
in zweiter Inſtanz die Anordnung einer beſondern Vergleichstagfahrt mit Vorladung
der Partoeien in Perſon (5. 61) nachträglich verlangen.

; (dortſ. folgt.)

Tagsbericht.
Cartsruhe, 19. Dez. Seine Koͤnigliche Hoheit der Großherzog
ſind heute Mittag um 2 auf 12 Uhr von hier nach Heidelberg abge?
reiet um am morgenden Tage einen Beſuch bei den aͤllerhoͤchſten und

hoͤchſten Herrſchaften in Darniſtadt abzuſtatten.
Aus dem Hannoverſchen, 14. Dez. Die Einberufung der




Staͤnde iſt, wie man hoͤrt, beſtimmt auf Anfang Februar (vielleicht
noch fruͤher) in Ausſicht geftellt; unter den Vorlagen . welche die Slaͤnde
zu berathen haben werden iſt auch der Entwurf eines Polizei⸗Straf-
Geſetzbuches, mit deſſen Ausarbeitung das Miniſterium des Innern in
dieſem Augenblicke beſchaͤftigt iſt. —

Neapel, Dez Heute angekommene Briefe aus Meſſina brin-
gen Folgendes uͤber den tobenden YNetna: „Hr,.., kam geflern von
Bronte zuruͤck, wohin er in Geſellſchaft mehrerer Meffineſen einen Yuss
flug gemacht hatte. Der Lavafluß begann ſchon vor 14 Tagen auf der
weſtlichen Seite des Aetna, nahm anfangs ſeine Richtung gegen Bronte
wurde aber durch einen Berg abgelenkt und wendete ſich nun in emer
Breite von 1' bis 2 Mialien liuts von Bronte ab. Dieſer kolloffale
Lavaſtrom richtete in Waͤldern, Obſtgaͤrten und Weinbergen ungeheure
Verwuͤſtungen an und verkohlte und verſengte Baͤume in nicht unbe:
Viele Menſchen die, um gefälltes Holz zu
retteu, auf einer Anhoͤhe ziemlich enffernt vom Lavaſirom befchaͤftigt
waren verloren durch eine ploͤtzliche Exploſton ihr Leben; ſie murden
mit ſiedendem Waſſer, gluͤhenden Steinen und Aſche foͤrmlich verſchuͤt⸗
tet; bis vorigen Freitag 1. Dez vermißte man ſchon gegen 130 Per-
ſonen. Dieſe Zahl iſt die gerichtlich angegebene; man ſoll aber in
Bronte, Catania und Aderno von noch mehr Verungluͤckten ſprechen.
Mehrere Perſonen wurden halb verbrannt ins Spital geſchafft! Nach
der Beſchreibung des Hrm.'. .. war die Lavg nicht mehr gluͤhend, wohl
noch ſo heiß, daß man ſich ihr nicht naͤhren konnte; zuweilen fprenate
die innerhalb noch fluͤfſige Maſſe die aͤußere ſchon geroͤnnene Krufte und
dann kam der Feuerſtrem auf Augenblicke wieder zum Vorſchein. Dieß
ſoll befonders an fteilen Abhaͤngen ein wunderbar ſchoͤnes Schaufpiel
gewaͤhrt haben, Seit dem 1. Dez fteigt eine ungeheure Rauͤchfaͤnte
aus dem großen Krater empor, von einer Hoͤhe und einem Umfang


gemein ſieht man neuen Verwuͤſtungen entgegen. Der Ausfluß der Lava
nach Bronte zu, der anfangs das Staͤdtchen bedrohte,. weshaͤlb die
Einwohner ſich ſchon zur Flucht anſchickten, hat jetzt aufgehoͤrt ſich aus-
zudehnen, aber der Hauptfkrater laͤßt, nach ſo eben (4. Dez.) hier in
Meſſtna eingetroffenen Nachrichten aus Bronte und Catania, nöch al:
les fuͤrchten.“ 2 24 A }
Counftantinvpel, 29 Nov. Hr. v. Titoff theilte der Pforte mit
daß ſein Kaiſer die Art und Weife, wie in Griechenland durch die
illegitimſten Mittel die Umwaͤlzung der Regierungsform berbeigefuͤhlt
woͤlden, nicht anerkennen koͤnnez gleichzeitig machle er die Pforte auf
die großen Gefahren aufmerkſam, welche durch dieſe Revolution fuͤr
die ganze europaͤiſche Tuͤrkei eutſtehen koͤnnten, vorzuͤglich auf den auf-
geregten Zuſtand Albaniens hindeutend; er gab ihr deßhalb den freuͤnd-
ſchaftlichen Rath, ihre Vorſichtsmaßregeln zu treffen, um die Ruhe und
Sicherheit jener Provinzen zu wahren. Die Mittheilung des Hrm v.
Titoff erregte einige Beſtuͤrzung an der Pforte und veranlaßte mehrere
außerordentliche Divanſitzungen und die Aufſtellung einer imponirenden
beobachtenden Militaͤrmacht gegen Griechenland, ohne aber die gering-
ſten feindſeligen Schritte zu thun. Auch proteſtirte ſie gegen die Wahl
und Zulaſſung von Deputirten zu der griechiſchen Nationalberſummlung,
welche Provinzen repraͤſentirten, die noch einen integrirenden Theil des
osmaniſchen Reichs ausmachten.
Brüſſel, 15. Dez. Es wird verſichert, der Koͤnig Leopold werde ſich
in den naͤchſten Tagen nach Paris begeben. Ueber die Motive, durch weiche
dieſes Reiſeprojekt veranlaßt worden waͤre, hat nichts mit einiger Zuverlaͤſ⸗
ſigkeit verlautet. Es fehlt indeß nicht an vielfachen Muthmaßungen Gewij-
ſermaßen wahrſcheinlich moͤchte die Behauptung ſein, die in einigen Kreiſen
im Umlaufe iſt, daß dieſe Reiſe auf ein wichtiges Vermaͤhlungeßroͤjekt Be-
zug habe, welches Koͤnig Levpold im Intereſſe eines ſeiner naͤchſten Anver-
wandten zu Stande zu bringen ſich angelegen ſein laͤßt.