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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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November (No. 256 - 282)
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Landtagsverhandlungen.

Cartsruhe den 25. Nov. 2 oöffentliche Sitzung der 2. Kammer.
Unter dem Vorſitze des Alterspräſidenten v. Zßſeitt Auf der Regierungsbank:
Niniſtexialpräſident Staatsr. Frhr. v. Nüdt und Minifterialdirektor Eihrodt.

Der Präſident fordert den neueingetretenen Abgeordneten Weizel zum Schwur
auf, welchen dieſer ſofort leiſtet

Rindeſchwender berichtet Namens der 4. Abtbeilung:

4) über die Wahl des 31. Aemterwahlbezirks (Schwetzingen — Rettig) und
- : ®) über den 3, Aemterwahlbezirl (Stockach — Kuenzer. Untrag der Abtheiz
lung auf Nichtdbeanfandung, — Allgemein angenommen,

„ Welder bedauert vernommen zu haben, daß der Abgeordnete Kuenzer wegen
einer kleinen dörmlichleit, welche er noch nicht eingeholt, einftweilen vom veſuͤch
des Landtags zuräüßgehalten werde iſt aber fefß überzeugt, daß durch die Wabl
dieſes ebrenwerthen Abgeordneten jeßt keine Störung deoͤ Friedens herbeigeführt
werder würde, und bittet, daß die Regierung ihn baidmöglichſt einberufen möge.


Kenninif der Kammer zu bringen, der von wirklicher Wefenhett in und fuͤr
die Zukunft von beſonderer Bedeutung werden kaͤnn. Nach den verſchiedenen Wahle
aften., welche die 4. Abtheilung zu Yrüfen hatte, iieß der Wahlcommiflär.die Wahls
männer immer nur in ein beſtimmtes Lokal abtreten und ſich nicht auswaͤrts unter


‘burdaus nicht im Sinne der Wablordnung liejt. Im Gegeutbeil glaubt Shre
Abtheilung, und hoffentlich auch die ganze Kammer, daß die Wahlmänner , wenn
fie abtreten wollen, hingeben Fönnen, wohin es ihnen beliebt.

Baſermann und Welcker halten dafür, daß dies Feine von der NMegierung


tokolle den fraglichen Paſſus nicht enthalten hätten

Staatsx. Frhr. v. Ridt: Die Erfahrungen des vergangenen Jahres haben
die Regierung veranlaft, die Inſtruction der Wahleommifftre nochmals zu prüfen,
‚ und imn Sinne der Wahlfreiheit die angeregte Anordnung zu treffen. Es iſt die
Abſicht der Regierung hiedurch zu verhladern, daß die fortwährende Betrittelung
‚Der einzelnen: Wahlprotofolle. endlih ein Mal aufhöre, Sämnitliche Wahlcommif


arthen, und wenn der Vahlaͤtt beginnt, darf keine andere Vaͤhleinmiſchung ſtaͤtt-
inden. Der Zutritt Dritter iſt unzuläßig.
Reichenbach beſtätigt das von dem Berichterſtatter Angeführte, und fügt wei-
ter bei, daß bei ſeiner Erwählung der Wablcommiſſär befohlen habe, daͤß Nie-
mand des Zimmer verlaſe. Er dabe gegen ſolches Verfahren Proteſtation einge-
Tegt. Das Werben der Bürger, ſchließt der Redner ißt nicht fo arg, und dadti
Er wahrlich keine Gefahr mehr vorhanden, denn der Wahlcommiffaͤr forgt in der
Regel hinlänglich für die Anweſenheit von Gendarmen und Polizeidienern. (Gelächter)
Sander: Während der Wahlhandlung tarf allerdings kein Dritter anweſend
fein. Hier bandelt es ſich aber von dem Rechte der Waͤblmänner, fich aus dem
Wahlzimmer nach Beliebeu zu entfernen. Es ſcheint denſelben unterſaͤgt worden
z ſein, ſich nach Belieben aͤuswärts zu beſprechen, welches doch gerabe ganz im
Sinne der Wahlordnung liegt. Wenn der Wahleommiſſär ſagt: du mußt in fe-
nes Zimmer geben, dort allein kannſt du dich beſprechen — ſo iſt dies eine Be-
{Hränfung der Wablfreiheit, eine Bevorinundung und ſogar gefährlich, weil ſie den
‘ Wahlmann nöthiat, ſich in ein anderes Zimmer zu begeben, wohin auch Andere,
mit welchen er nicht zuſammen ſein möchte, ſich zu begeben gleiches Recht haben.
Habe ich das Recht, mich mit JZemanden zu beſprechen, ſo niuß ich mich mit ihm
allein beſprechen können und dies kann da nicht geſchehen, wo Allé Zutritt haben.
Dem Wahlmaun muß das Recht zuſtehen, ſich in ein Zimmer zu beheben, worin
er ſolche Andrz nicht findet, denn die Wahl des Deputirten geht fa nicht in einer
Contumazanſtalt vor, und man braucht ihn nicht abzuſchließen von der Außenwelt
und von den anßen umherſchwebenden böſen Sioffen. In einer halben Stunde wie-
der zu fommen, kann der Wahlcommiſſär befehlen, dieß iſt ſchon genug ge-
gen allzuweitläufige Einwirkungen. Hoffentlich wird dieſe Inſtruction für die Zu-
tunft zurückgenommen und verfuͤgt werden, daß das Einſperren der Wahlmänner
dem Wahlcoͤmmiſſär nicht zuſtehẽ.
ſondern wir prüfen ſie; ich dächte wir hätten ſchon bei dieſem Landtage bewieſen,
daß wir in Anbetracht gewiſſer Verhältniſſe uns mit Ruhe und im verſöhnlichen
Sinne an die Prüfung der Wahlen gemacht daben, und es kann nur webe thun,
wenn man in dieſer Richtung den Vorwurf der Bekrittelung hören muß. — Ich
habe übrigens noch eine weitere Bemerkung wegen Abhaltung der Wahlen hier
vorzutragen. Solche ſind nämlich im genzen Lande an einem Tag, wie bereits
der derr Berichterſtatter angeführt hat, vorgenommen worden. Ich kann durchaus
nicht zugeben, daß dieſe Anordnung zwedmäßig und erſprießlich iſt.
1 30 Derufe mich deßhalb auf einen Att des frühern Großherzogs, welcher In
dem Einführungsedikt zu der Wahlordnung geradezu befohlen hat, daß die Wah-
len der Abgeoxdneten für die zweite Kammer nicht zu gleicher Zeit, ſondern nach
icklichen Abtheilungen und in Zwiſchentäumen yon ”3 vis 4 Tagen vorzunehmen
ſeien. Sierdurch wird eben bewirtt, daß die Bürger aus dem ganzen Lande ei-
den tüchtigen Abgeordneten auszuwählen im Stande ſind. Was bei Einführung
der Verfaffung billig war, ſoll noch jegt Recht und weiſe ſein, ich gebe mich da-






Rnapp ſpricht ſeine frühere, Sfters {n dieſem Saale erklärte Anſicht aus wo-
nach er keinerlei Zwang und Beaufſichtigung der Wahlmänner während des Wahl-
altè haben will. Er beruft ſich auf einen früheren zu Offenburg vorgefommenen
Fall, wo deßhalb, weil mehrere Unbefugte dem Wahlakt beigewohnt hätten , die
Wabl caſſirt worden fei. Er vergleicht das W -“ ärnereollegium mit einer Jury,
welche in einem ganz abgeſonderten Zimmer ſich uvr ihx Botum zu berathen dabe.

Jungbans beinerki, iene von dem Abgeordneten Sander berühre Anordnung
von Wablen in Zwiſchenräumen ſei damals bei Einfübrung der Verfaſſung ganz
an ihrem Platze geweſen, weil man habe befürchten müſſen, es würden, wegen
Unbekanntſchaft der Wähler mit tüchtigen Candidaten, viele Doppelwahlen ſtatt fin-
den, deßhalb könne er jene Maßregel nur als eine proviſoriſche anfehen. —

Was den von dem Berichterſtaͤtter der 4. Abtheilung angeführten Umſtand an-
belange ſo habe er ſchon früher exklärt, die Wahlmänner feien durch die Wahlord-
nung befugt, abzutreten, wo Lin ſie wollten, um ſich über dte Wahl zu be-
ſprechen; darum dürfe der Wahlcommiſſär den Wahlmännern keinen Zwang an-
tdun, und er könne ſich nur darauf beſchränken, zu rathen, daß die Wahlmaͤnner
nicht auswärts gingen. 2

Weizel glaubt, der Abg. Sander habe die Inſtruction zu ſchwarz geſehen,
und intexpretirk den S. 73 der Vahlordnung in der Art, daß unter dem Abtreten
der Wahlmänner kein anderes Recht verſtanden fei, als ſich untex einander,
ohne Beimiſchung Dritter, zu beſprechen. Jede Influenzirung von Außen ſolle im
Intereſſe der Wahlfreiheit unmöglich gemacht werden. Einen Zwang in dieſer Hin-
ſicht könne er nicht billigen, glaube auch an einen ſolchen nicht. Von einem Zwang
ſei ührigens auch nie die Rede geweſen. (Viele Stimmen: Allerdings! allerdings!j

Staatgr, Frhr. v. Rüdt behauptet nochmals, jene Maßregel ſei nur im In-
tereſſe der Wahlfreiheit angeordnet worden, die Wablmänner koͤnnten während Je-
ner 6 Tage, welche dem Wahlakt vorausgingen, ſich hinlänglich mit einander be-
ſprechen Wenn ich von Bekrittelung geſprochen habe, ſo habe ich darunter nicht
Beſchlüſe der Kammer verſtanden; dieſe werde ich nie ſo bezeichüen; alein daß
Bekrittelungen vorgekommen und manche Ausſtellungen aus der Lift gegriffen wor-
den ſind, wird wohl Jeder zugeben — Uebrigens iſt durch jene oben derührte Maß-
* wenigſtens geſorgt, daß die Wahlmänner nicht von allen Seiten geplagt
werden. ; ) 7
Baſſermann: Sondern nur von Einer. - (Gelächter,)

Staatsr Frhr. v. Rüdt: Auch iſt jene Zeit immer eine Zeit der beſondern
Aufregung, und zu bewirken, daß dieſe Zeit ſo ſchnell als möglich vorübergehe, iſt
Pflicht der Regierung, und ich glaube nicht, daß man darin einen Grund finden
kann, das Verfahren der Regierung zu mißbilligen. *8

Welcker will den Rechtspunkt in dieſer Sache für die Kammer gewahrt wif-
ſen. Authentiſche Auslegungen könne die Regierung nicht allein machen, wolle ſie
eine Abänderung eintreten laſſen, ſo möge ſie einen Geſetzentwurf vorlegen. Er
für ſich würde keinen Anſtand finden, ſobald daxüber Beſchwerde geführt würde
einen genügenden Grund zu ſehen (wie er ſich früher einmal ſchon ausgeſprochen
habe) die Wahl für ungültig zu erllären. Gegen die vom Abg. Junghaͤnns vors
geſchlagene billige Ausgieichüng, die Inſtruktionsbeſtimmungen aͤuf einen Raͤth der
Wahleommiſſäre zu beſchränken, habe er Nichts, verſtändige Wahlmänner wer-
den einen gnten Rath annehmen, freie den nicht guten ablehnen,

Der Redner bedauert fernex die irrige Verwechslung des Begriffs, und kann
nicht begreifen, wie man eine Freiheit beſchränken wolle, um ſie zu erhaͤlten. Son-
derbaxe Freiheit, die um mich frei zu machen, mich einſperrt. Im Vatikan ſoll
der Pabſt nicht durch Menſchen, fondern durch Einwirkung des heil. Geiſtes gewählt
werden; da kann man die Venſchen ſchon entfernen. Wo kein Verbot iſt, muß
man die Freiheit laſſen. Daß jene Masregel ührigens nur eine propiſoriſche ge-
weſen ſei, bezweifelt er, ſieht ſie im Gegentbeil ſo, an, daß es damals ſo haͤbe
ſein ſollen und auch jetzt noch, weil die Beſtimmung in dem Einführnngsedict der


mit dieſer publizirte. Die Beſtimmung entbält offenbar eine Förderung der Wahl-
freiheit; ſie gibk den Bürgern die Nöglichkeit, einen Deputirten, der in ſeinem
Bezirk nicht gewählt wurde und den ſie vor Allen in die Kammer wünſchen, noch
zu wählen, ohne ſie zn verderblichen Deypelwahlen zu nöthigen. Die von der Re-
gierungsbank gefürchtete Aufregung fürchte ich nicht, Aufregung gehört zum Leben,
eine ſoiche geſetzliche Bewegung iſt eine höchſt wohlthätige. Dumpfheit und Gleich-
giltigkeit gegen die höheren Intereſſen iſt das eigentliche Unglück ſie entkräften
die Gegenwehr in Zeiten innerer und äußerer Gefahr.

Biſſing entlehnt einen weitern Grund zur Unterſtützung der Anſicht der 4,
Abtheilung aus der Gemeindeordnung. In der Wahlordning der Gemeindebeam-
ten, welche, wenn noch irgend ein Zweifel über den 5. 73 der Vahloxrdnung zur
Verfaſſung vorhanden wäre , geeignet ſei, denfelben zu verdeutlichen, heiße es im
$ 2: daß der Wahlberechtigte den Namen ſelbſt ſchreiben oder durch einen Andern
ſchreiben laͤſſen, und dieß zu Haus oder auf dem Rathhauſe thun könne.

(Fortſetzung folgt.)


 
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