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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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November (No. 256 - 282)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1118

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Tagsbericht.

+ Heidelberg, 25. Nob. Von wohluͤnterrichteten Maͤnnern wird
verſichert, daß nicht nur Profeſſor Pfeiffer von Zuͤrich, ſondern auͤch
deſſen Freund und Amtsgenoſſe, Profeſſor Haͤnle, an die hieſige Hoch-
ſchule gerufen werden ſoll, vorzuͤglich um die von Profeſſor Biſchoff bis:
her beforgten Lehrfaͤcher zu uͤbernehmen. Dankbar erkennt Stadt und
Univerſitaͤt dieſe weiſe Sorge unſerer hohen Regierung fuͤr die hieſige
Hochſchule an. /

O Von der Schweizergrenze, Ende Nov. Vor einiger Zeit
zogen 3 Schweizer in ein badifches Dorf bei Rheinfelden, unter dem
Voͤrwand bald dieſes oder jenes Geſchaͤft zu treiben, trieben jedoch kei-
nes der angegebenen und erregten dadurch ſowohl Mißtrauen als Nen-
gierde, beſonders da ſie ſich Feuerwerke eigener Art und verſchiedene
andere Utenſilien machen ließen; bald wurde ihre ganze Haͤbe durch
einen Rbeinfelder abgeholt, und verſchwunden waren die myſterieuſen
Geſchaͤftsmaͤnner. Bald darauf wurde vom Rheinfelder Gericht Haus-


Falſchmuͤnzerei vorgefunden wurden.
Niemand als eine Weibsperſon, bald Magd, Schweſter und Frau ge-
heißen. Im Publikum ſelbſt hoͤrt man noch nichts Naͤheres uͤber dieſe
Sache.

Aus Oberſchleſien, 16. Nov. Der Schneefall iſt ſeit einigen
Tagen recht bedeutend; die Wege ſind uͤberall zugeſchneit, Schlitten ha-
ben die Wagen allgemein erſetzt. Das iſt fruͤhe und man zweifelt, daß
der Ellen hobe Schnee ſich fuͤr den Winter noch anhalten koͤnae. Die
Carpathen hatten in dieſem Jahre ſchon zu Ende Septeimber ihr wei-
ßes Gewand angezogen.

Paris, 24. Nov. Telegraphiſche Depeſchen. 1, Perbignan,
21. Rov. Barcelona hat vorgeſtern capitulirt; die Truppen (der Koͤni-
gin) ſind geſtern daſelbſt eingeruͤckt; die Bedingungen der Uebergabe
ſind ungefaͤhr dieſelben, wie die, welche den Inſurgenten von Sara-


— 2. Barcelona, 22. Nov. Die Truppen der Koͤnigin haben


Generalcapitaͤn hat geſtern eine neue Municipalitaͤt ernannt und in-
ſtallirt. Da die bewaffneten Milizen Exceſfe gegen die Militaͤrs de-


ner von Barcelona anordnet.
nerhalb ſechs Stunden abgeben, ſollen mit dem Tode beſtraft werden.
Die Mitglieder der Junta und etwa hundert Offiziere der Freicorps
oder Nationalmilizen gehen heute nach Frankreich ab, und zwar auf
dem Cameleon oder dem Phenicien; ſie ſind mit Paͤſſen vom General-
capitaͤn verſehen. }

— 3. Bayonne, 22. Nov. Ein koͤnigliches Decret verfuͤgt die
Erneuerung der Municipalitaͤten (Ayuntamientos) nach dem beſtehen-
den Geſetz.

4. Marfeille, 22. Nov. (Algier, 20. Nov.) Der Generalgbuͤ—
verneur an den Kriegsminifter. Am II. d. M. hat der General Tem:
poure bei Malah, 40 Lieus ſuͤdweſtlich von Mascara ‘ das Lager des
Kalifa Sidi-Emharack-Ben-Allah erreicht, der im Begriff war, ſuͤdweſt-
lich von Telmecen zu Abdel-Kader zu Aoßen. Seine Streitkraͤfte, be-
ſtehend aus allen Ueberreſten der verfchiedenen Balallione Infanterie
und einem Theil der Cavallerie des Emirs, ſiud faft ganz aufgerieben
worden; 400 Mann blieben todt auf dem Platz und 300 wurden ge-
fangen genommen. Der Kalifa Sidi-Embakack iſt im Gefecht umge-


— Barecelona iſt am 18. Nov. — dem Tag vor der Uebergabe —
voͤn den unbaͤndigſten Inſurgentenhaufen gepluͤndert worden.

London. Aus Dublin, 20. Nov. wird gemeldet, daß die Sub-
ſeriptionen für den O'Conellfonds (Eatſchädigung für den Agitator we-
gen Verſäumniß in ſeiner Praxis als Advokat) in der Hauptſtadt allein
für 1843 auf 3577 Pfd. Sterl. geſtiegen ſind.

Von der Donau, 19. Nov. E ſcheint jetzt gewiß, daß die
öſterreichiſche Reaierung die griechiſche Nevolution ebenfalls als eine
vollendete Thatſache betrachtet, gegen die eine Reaetion ſchon deßhalb
nicht wünſchenswerth, weil daraus neue und wahrſcheinlich ſchwerere
Verwickelungen bervorgehen würden. In dieſer Beziehung haben deh-
Lalb die Mittheilungen aus Petersburg. ſo wie die Raͤchrichten von den
Rüſtungen Rußlands einige Beſorgniß erregt. Man weiß jedoch mit





ziemlicher Beſtimmtheit, daß Rußland gegenwärlig eine bewaffnete Ein-
miſchung nicht beabſichtigt, obwohl dieſelbe unter gewiſſen Eventualitäten
wohl in Ausſicht ſtehen möchte. Vorläufig iſt es Sache der Diplomatie/
die aufſteigenden Conflicte auszugleichen. Wie ſich aber auch die Anz
gelegenbeit geſtalten mag, ſo kann mit Beſtimmtheit verſicherl werden,
daß England und Frankreich darin übereingefommen ſind, ſich {edem
aetiven Eingreifen Rutzlands zum Umſturz des Status quo auf das
entſchiedenſte zu widerſetzen.

Haag, 21. Nov. Man verſichert, das Deficit, von dieſem Jahr
und das man decken will, belaufe ſich auf nicht weniger, als 30 bis
35 Millionen Gulden; unſer interimiſtiſcher Finanzminiſter, Hr. van
Hall, der ein Anhaͤnger der großen Mittel ift, beaoͤſichtigt nichts wes
niger, als dieſes Deficit mit einem Schlage vermittelſt einer Auflage
auf jedes Eigenthum zu decken. ;

| O’Cvnnell als Advokat. 2 —
Seit faſt einem halben Jahrhundert widmet der große Agitator




ſeines unterdruͤckten Vaterlandes und faſt eben fo lange hat er die Auf-
merkſamkeit aller civiliſirten Nationen in gleicher Spannung auf ſich
zu feſſelu gewußt. Keine Bosheit, keine Tuͤcke, keine Verlaͤumdung ſei-
ner zablreichen Feinde vermochten ihn, auch nur im mindeften in fei-
nem Strehen zu erſchlaffen, oder von ſeinem betretenen Pfade auch
nur um einen Finger breit abzuweichen. Jeder Schritt, den dieſer ſel-


auch ein Schritt naͤher zum Ziele; gewoͤhnlich ſiegt er ſogar da am
ſchoͤnſten, wo wir ſeine Niederlage am unvermeidlichſten hakten. O'Con-
nell verdankt bekanntlich ſeine Siege uͤber die hartnaͤckigften Widerſacher
ſeiner ungewoͤhnlichen Kraft der Beredſamkeit und ſeiner tiefen und
vielſeitigen juriſtiſchen Kenntniſſe, die er ſich durch den angeſtrengteſten
Fleiß, durch die unermuͤdlichſte Ausdauer erworben. O’Connell ift der
erſte Advokat Irlands und ſchon im Beginn ſeiner glaͤnzendſten Laufs
kahn hat er in ſeinem Vaterland dafuͤr gegolten. Moriarty, ein in
Deutſchtand lebender Irlaͤnder, hat das Leben und Wirken ſeines Land-
mannes und Verwandten in einer ſo eben erſchienenen, ſehr em-
pfehlenswerthen Broſchuͤre beſchrieben. In dieſem Schriftchen, welches


bietet, wird auch das Verdienſt deffelben als Advokat nach Verdienft


von der Vertretung einer Sache nicht abſchrecken laffen, wenn er ſie
für gerecht hielt und gewoͤhnlich waͤrd auͤch fein Bemüben von dem
ſchoͤnnen Siege gekroͤnt! Einen dieſer Siege erwaͤhit D’Connell noch
heute mit dem lebhaften Gefuͤhl der Selbſtzufriedeuͤheit und Moriarty


Wir theilen dieſe intereſſante Details aus Moriartys Schrift unſern
Leſern mit.

Im Jahre 1814 waren fuͤnfzehn Bauern in Clonmell wegen Ver-
ſchwoͤrung vor Gericht geſtellt. Sie hatten zu einer der vielen nichts-
ſagenden geheimen Geſellfchaften gehoͤrt, welche damals in Irland be-
ſtanden, und die von Gaſiwirthen errichtet wurden, um ſich eine Zahl
pon Gaͤſten zu verſchaffen, oder zuweileu auch von einem Eleuden der -
ſie dann fuͤr Geld an die Regierung verrieth. Die Strafe fuͤr Theil-
nehmer an. vervotenen Verbindungen war damals Tod oder lebenoͤ—
laͤngliche Deportation, und die Hauptſchwierigkeit, mit der der Advo-
kat zu kaͤmpfen hatte, die Unmoͤglichkeit, durch Zeugen die Anklaͤger
zu widerlegen. Natuͤrlich konnten uur Mitglieder einer ſolchen Ver:
bindung uͤber ihre Tendenz ausſagen, und das Bekenntuͤiß! daß ſie
ſelbſt Mitglieder ſeien, verwandelte die Zeugen in Verbrecher! Zu der
Zeit, wo der eben erwaͤhnte Fall ſich ereiquete, war D’Connell in
Dublin beſchaͤftigt. Abends erhielt er die Nachricht, daß den andern
Morgen um 9 Uhr fuͤnfzehn Maͤnner in Clonniell voͤr Gericht geſtellt
werden ſollten. Er fprang auf, beſtellte ſogleich Poſtpferde und brach,
ohne einen Augenblick Zeit zu verlieren, nach Clonmell auf. Die Per-


ten des Rechtfalles bekannt war, nahm er mit ſich und ließ ſich von
ihm waͤhrend der Reiſe dieſelben erzaͤhlen. Am 9 Uhr des folgenden .
Tages (den 14 Juli; kam er in Cloͤnmell an und fuhr ſoͤgleich in
vollem Galopp nach dem Gerichisſaal, wo die Angeklagten, fich in
ihr Schickſal mit Faſſung ergebend, ſtanden und den eleganten Perio-
den und volltoͤnenden Worten des Kronanwalts zuhoͤrten, ohne mehr


ſie an den Galgen bringen oder wenigſtens fuͤr zeitlebens aus dem Schooße


 
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