Mannheimer Morgenblatt (1843)

No. 138,









; ‘ Tagsbericht.

Carlsruhe, 12. Juni. Seine Majeſtaͤt der Koͤnig von Baiern
find, von Speier und Germersheim kommend, heute Mittag um halb
1 Ubhr dahier eingetroffen und im Hotel Hoͤchſtihrer Geſandtſchaft ab-
geftiegen, vor welchem eine Kompagnie vom Grenadierbataillon des
Leibinfanterteregiments mit Fahne und Muſik als Ehrenwache aufge-
ſtellt war. Kaum angekommen, erhielten Seine Majeſtaͤt den Beſuch
Seiner Koͤniglichen Hoheit des Großherzogs und Ihrer Hoheiten des
Erbaroßherzogs und des Prinzen Friedrich, ſo wie Ihrer Hoheiten der
Markgrafen Wilhelm und Maximilian. Seine Majeſtaͤt der Koͤnig be-
— gaben ſich nun unverweilt zu Ihren Koͤniglichen Hoheiten dem Groß-
Hherzog und der Großherzogin, ſtattetenbei Ihren Hoheiten dem Mart-
grafen und der Markgraͤſin Wilhelm und dem Markgrafen Mayimis
tian,/ dann bei Ihren Hoheiten dem Erbgroßherzog und dem Prinzen
Friedrich Beſuche ab, uͤnd ließen Sich hierauf im Geſandtſchaftshotel
durch Hoͤchſtihren Miniſterreſidenten v. Oberkamp das am Großherzog
lichen Hofe akkreditirte diplomatiſche Corps vorſtellen. ; .

Am halb 4 Uhr ſpeisten Seine Majeſtaͤt an der Großherzoglichen
Tafel, zu welcher das diplomatiſche Corps, die Mitglieder des Staats-
miniſteriums, die Oberhof- und Hofchargen, die General- und Fluͤgel-
adjutanten 206 geladen waren. Nach der Tafel beſichtigten Seine Maje-
ſtaͤt, in Begleitung Seiner Koͤniglichen Hoheit des Großherzogs und
Hoͤchſtdeſſen Soͤhne, die einſtweilen in einem Gebaͤude des Faſaengar-
“tens. aufgeftellte Sammlung hetruriſcher Vaſen, ein in dem neuen Aka-

emiegebaͤude befindliches Frescogemaͤlde und mehrere von Hoͤchſtdenſel-
eu noch nie gefehene Kartons, und beſuchten auch die Kunſtausſtellug.
Um 7 Uhr Adends ſind Seine Majeſtaͤt von hier nach Speyer zuruͤck-
gereist.

Hanuvver, 9. Juni. Ein Reſcript der koͤniglichen Landroſtei
fordert den Magiſtrat auf, bereits am naͤchſten Dienſtag, den 13.
d M., die Wahl eines Stadtdireetors vornehmen zu laſſen. In die-

ſer concurriren ſaͤmmtliche ſtimmberechtigte Mitglieder des allgemeinen
Magiſtrats und (in gleicher Zeit) die Buͤrgervorſteher. Man weint,
daß von den drei Caͤndidaten, welche zu waͤhlen ſind, der Syndicus
Cvers wobl primo loco praͤſentirt werden wuͤrde. — Die Regierung

— hat-die ganze Rumann'ſche Angelegenheit mit großer Conſequenz,
Energie und Geſchicklichkeit durchgefuͤhrt, waͤhrend die ſtaͤdtiſchen Be-
6 gerade das Gegentheil voͤn allem dieſen an den Tag gelegt
haben.

Paris, 11. Juni. Die Berichte aus Madrid vom 4. Juni bieten
nicht das mindeſte Intereſſe; die Geruͤchte der fruͤheren Tage werden
wiederholt; was am Abend als gewiß verſichert wird, zeigt ſich am
Morgen als aus der Luft gegriffen; am 4. Juni hieß es an der Puerta
del Sol, Saragoſſa ſei im Aufſtand und General Sepane habe die
Stadt verlaſſen muͤſſen. Auch aus Barcelona vom 5. Juni hoͤrt man
nur ſchwankende Geruͤchte. Zurbano war am 4. Juni dort angekom-
men und ſollte amı 6. nach Tarragona aufbrechen.

— Die „hreſſe? hat durch Privatbriefe aus Catalonien die Nach-
richt erhalten, daß in Barcelona am 5. Unordnungen ſtattfanden. Sie
waren durch die Anweſenheit Zurbanos veranlaßt worden. Auf den
Straßen erhob ſich das Geſchrei: „Tod dem Zurbano!“ Drohende Zu-
fammenrottungen hatten ſich um das Haus, in welchem Zurbano ab-
beſtiegen war, gebildet. Er konnte ſich nur retten, indem er in der
Mitte eines Cavalleriedetachements, welches ihn ſchuͤtzte, Barelona verließ.
Die Gaͤhrung im Volk hatte einen ſolchen Grad erreicht, daß der Ge-
neralkapitaͤn Cortinez ſich genoͤthigt ſah, das Martialgeſetz zu publi-
ziren., Es veranlaßte dies neue Zuſammenrottungen.
Behoͤrden traten vermittelnd zwiſchen der Bevoͤlkerung und dem Gene-
ralcapitaͤn auf, und nachdem diefer die Erklaͤrung der Stadt in Des
lagerungsſtand widerrufen ſtellte ſich die Ordnung wieder her.

— Hr. Thiers ſtattet ſeit einigen Tagen dem Marſchall Soult haͤu⸗






fige Beſuche ab. Doch ſollen dieſelben diesmal keinen volitiſchen Zweck
haben. Hr. Thiers iſt jetzt in ſeiner Geſchichte des Kaiſerreichs an die
ſpaͤniſchen Expeditionen gelangt, an welchen Marſchall Soult von 1808
bis 1811 Theil geommen. Er wuͤnſcht nun authentiſche Details aus
dem Munde des greifen Kriegers ſelbſt zu erhalten. Marſchall Soult
ſoll ſich mit Hru. Thiers in Folge dieſer Aufmerkſamkeit wieder ganz
ausgeſoͤhnt haben.

London, 9. Juni. Zu Portsmouth iſt man thaͤtigſt mit der Abe
ſendung von Kriegsſchiffen nach den iriſchen Kuͤſten beſchaͤftigt. Die
Dampfboote „Cyelops,“ „Rhadamantus,“ „Alban“ und Lightnieg!


Der „Tyne“ und der „Racer“ follten heuͤte von Portsmouth nach Cort
abfahren und noch mehrere Kriegsdampfboote bereiten ſich zur Abfahrt vor.

— Am Schluß des Polizeigerichts wurde geſtern eine große Unruhe
Sie entſtand durch einen Befehl des Staatsſecretaͤrs einen
Haftbefehl gegen einen gewiſſen Mayne zu erlaſſen, welcher den Des
hoͤrden das Anerbieten gemacht, OConnell gegen eine gewiſſe
Summe zu erſchießen. Die Polizei wurde ſogleich in Thaͤtigkeit


Gegenwaͤrt mehrer Miniſter verhoͤrt worden. Ueber das Verhoͤr wird
das tiefſte Stillſchweigen beobachtet, doch hat die Sache, beinden jetzt
in Srland beſtehenden Verhaͤltniſſen, einen ſehr unangenehmen Ein-
druck gemacht. ;

— In der heutigen Oberhaus-Sitzung leiſtete Se. Majeftät der
Koͤnig von Hannvover den Eid als Herzog von Cumberland, — Im
Unterhaus braͤchte Hr. Hume heute den Antrag vor, daß die dem Her-
zoge von Cumberland zuſtehende Penſion von 21,000 Pf. Sterl. ſuſpen-
dirt werde, ſo lange er Koͤnig von Hannover ſei.

Brüſſel, 10. Juni. Der Koͤnig und die Koͤnigin bereiſen in die-
ſem Augenblick, ſeit der Thronbeſteigung zum erſten Male, die Provinz
Luxembuͤrg und werden uͤberall mit großer Begeiſterung empfangen. In
Arlon ſtelite ſich ein Mitglied des Gouvernementsraths des Großherzogs-
thums ein, um den Koͤnig in Auftrag des Koͤnigs-Großherzogs zu bes
complimentiren.

Bon der ſpaniſchen Gränze, 8. Juni. In Madrid war am
4, an der Puerta del Sol das Geruͤcht verbreitet, in Saragoſſa ſei
eine Inſurrection ausgebrochen und General Sedane genoͤthigt worden,
Die Journale von Barcelona vom d. mel-
den indeß nichts von einer Bewegung Saragoſſas. Sie theilen dage-
gen mit, daß der Parteifuͤhrer Subira, unter dem Namen ERoͤſet
bekannt, ſich Tortoſa's bemaͤchtigt habe, und daß einige Soldaten der
Garniſon von Taragona zu den Infurgenten uͤbergegangen feien, Zur-
band follte am 6. von Baͤxcelona nach Taragona ahgehen.

St. Petersburg, 3. Juni. Der Edelmann Orginsky admi-
niſtritte das im Gouͤbernement Mohilew befindliche Vermoͤgen eines
Hen. v. Chrebtowitſch. Eines Tages vollzog er an einem der Bauern
eine widergeſetzlich grauſame Strafe, in Folge welcher derſelbe ſtarb.
Die Criminaͤlfection des dirigirenden Senats hat in dieſer Sache nach-
ſiehendes Urtheil erlaſſen: „Orginsky ſoll für ſein Vergehen zwei Jahre
im Gefaͤngnißthurm inhaftirt bleiben, und nach Beſtimmung der geiſt-
lichen Behoͤrde der Kirchenbuße zur Suͤhne ſeiner Unthat unterliegen;
darauf aber zu keiner landwirthſchaftlichen Adminiſtration, zu keiner
Bauernverwaltung mehr zugelaſſen werden.“

valermo, 27. Mai. Die Revolutionsgeſchichte von Thiers wurde
vor laͤngerer Zeit von dem Verbot befreit, das ſie zuerſt getroffen hatte,

ja, man geſtaͤttete ſogar den Druck des Werks in Neapel, woruͤber man

*

nur erftaunen mußte, wenn man ſich erinnerte, in welchen Ausdrücen
der Verfaſſer an einigen Stellen über die Verhaͤltniſſe Des neapolitani-

ſchen Hoͤfes ſpricht. Jetzt ploͤtzlich iſt die Cenſur von Neuem gegen die

weitere Publication eingeſchritten und der Druck wird, wie man verz
nimmt, ſo halb vollendet bleiben.