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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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September (No. 204 - 229)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0901

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QNo. 225.








Mannheim, 25. Sep. Das Suͤddeutſche kath. Kirchenblatt
enthaͤlt folgende wichtige Nachricht: „Wir glauben allen Einwohnern
Badens eine erfreuliche Nachricht mitzutheilen, wenn wir ihnen ſagen,
daß das Erfuͤllen dex Hoffnung zur Erhaltung des Ordens der barm-
verzigen Schweſtern nicht mehr ſo fern ſteht. . Vor der Hand hal-
ten wir es jedoch fuͤr angemeſſen, dem Gange der Unterhandlungen
wiſchen der hohen Staatsregierung und dem hochwuͤrd. Hrn. Erzbiſchof
mit keinem Worte vorzugreifen, ſondern wollen nur unſer Vertrauen
ſowohl zur Staats-⸗ als Kirchenbehoͤrde fuͤr die baldige Verwirklichung
dieſes unſeres Wunſches auch Andern einfloͤßen.“

Geidelberg, 24. Septbr. Der Bericht in Nr. 223 Ihres ge:
ſchaͤtzten Blattes voͤn hieraus ſagt, daß nach den ausgebrochenen Un-
kuhen am Donnerſtag gegen 10 Uhr Abends Alles in den Straßen
_ wieder ruhig war! Dieß iſt ungenau, denn gerade gegen 10 Uhr war
der groͤßte Tumult, was den Buͤrgermeiſter veraulaßte, zwei brennende
Fackeln herbeiholen zu laſſen, worauf dann das Schreien und Hoͤhnen
vegann: „Fackeln aus!“ ꝛc. Dieß geſchah, und gleich darauf wurde
gegen die Polizeidiener und Gendarmen mit Steinen geworfen; einer
der letzteren wurde gefaͤhrlich am Kopfe getroffen. Kaum war dieß ge-
ſchehen, ſo uͤbergab der gegenwaͤrtige Herr Geheimerath
rungs⸗ Director D ah men aus Mannheim
ſchriftliche MNMequifition um Militaͤr dem
Emmig.

_ in etwa 15 bis 18 Minuten wurde der bekanntlich 4 Stunden lange
Wesg auf der Eiſenbahn zuruͤck gelegt. Der Stationsvorftand begob
ſtchſelbſt mit nach Mannheim.
2 Ordonnanzen zu Pferd die die Mequifition aus den
Haͤnden Emmig’s empfingen. Vom Abgang der Requiſition bis zum
Eintreffen des Militaͤrs hier mag es etwa 45 Miuuten gedauert
haben.. Als dieß, den Regiments-Commandeur Hoffmann an der
Spiße, mit ſchlagenden Tambours einzog hatten ſich die Unruhſtifter
bereits verlaufen.
.‚ 0—0 Lahr, 24. Sept. Die Zeit klaͤrt Alles auf, und ſo haben
die letzten zwei Jahre den Schleier uͤber Vieles bei uns geluͤftet; nur
Schade daß es oft zu ſpaͤt kommt. Zwei Prozeſſe gleichen Urſprungs
und gleicher Natur wurden bei uns ſchon laͤngft vielfach beſprochen und
ſind geeignet, auch auswaͤrts bekannt zu werden.
. ter Fabrikant liquidirte vor einigen Jahren bei dem Faliment eines in-
timen Freundes eine Summe von ca. fl. 30, 000. Viele Perſonen glau-
ben an die Unmoͤglichkeit dieſer großen Forderung um ſo mehr, da
keine zuverlaͤſſtge Schuldentitel vorlagen, und bei dem Borgen einer
ſo großen Summe ein weit groͤßeres Vermoͤgen des Forderers unter-
ſtellt werden muͤßte. Die deßfallſigen Proteſtationen von einzelnen Ere-
ditoren blieben enthoͤrt; das Verlangen eines Manifeſtationseides ohne
Erfolg. Derſelbe Creditor unterhandelte mit den uͤbrigen hieſigen Ere-
ditoren und verſprach denſelben eine Verguͤtung bis zu 50 pCt., waͤh⸗

eine,
Polizeidiener


er den Beitritt der hieſigen fruͤhern entſchiedenen Gegner. Ein einziger


tend zu machen, er ſcheiterte aber an den Beitrittserklaͤrungen der andern
fruͤhern Gegner, und mochte ſich allein nicht ſtark genug fuͤhlen, ferner
gegen einen ſonſt ſo maͤchtigen Gegner fort zu ſtreiten, da ſich die
Waͤge ſchon ſo ſtark dahin neigte. Indeſſen trat auch ein Handelse
haus in Mannheim gegen den Vergleich auf, und ploͤtzlich erſchien bei
demſelben in Perſon derſelbe Creditor und erhandelte die Forderung zu
75 pe@t. mit. Tragung aller Prozeßkoſten. Die Verſprechung der
Nachzahlung an hieſige Glaͤubiger gingen von jenem Ereditor theils freis


klagen der eine mit 400 fl. der andere mit 1000 fl.; eine arme Näs
herin, welche in 70 Lebensjahren ſich dieſe 1000 fl. exſparte und fruͤ⸗
her viele Jahre hindurch bei jenem Creditor in Dienſten ſtand. Man








leugnete vor Gericht das gegebene Verſprechen, und ſo wurde auf Eid

erkannt. Erwaͤhnter große Ereditor gab zweimal die Erklaͤrung bei


Tag zur Abſchwoͤrung war beſtimmt und die Eidespreparation fand
ſtatt. der Angeklagte erſchien jedoch nicht zum Abſchwoͤ—

ren und ließ durch ſeinen Anwalt erklaͤren, daß er den Eid den Klaͤ—



und empfing ſein Geld, mit der armen Naͤherin wurde abgemacht. —

Es iſt nun noch ein dritter ſolcher Verſprechungs-Prozeſſe wegen ſl. 3000


daß durch ſolche nun gerichtskundige heimliche Vergleiche Ver-
anlaſſung genomwen werden muͤſſe, die Hauptſache wieder —
und nach H.R.-S. 257 und 261 zu verfahren. Der Fall iſt evident,
und wenn man belaͤſichtihi wie oft kleine Vergehen ſo ſtreng und un-

nachſichtlich verfolgt und beſtraft werden, ſo duͤrften hierin noch weit mehr


Cöln, 22. Sept. Am 15. October, dem Geburtstag unſeres Koͤ—

nigs, wird die Eiſenbahn von hier nach Belgien feierlichſt er-
oͤffnet werden.

Vom Rhein, 23. Sept. Geſtern Morgen ſtuͤrzte in Wiesbaden
an dem noch nicht vollendeten Theaterbau das Giebelgeruͤſt ein wo-
durch ein Arbeiter gleich todt blieb, ein anderer Nachmittags ſtarb und
mehrere andere mehr oder weniger ſtark verwundet wunden.

Wien, 18. Septbr. Vorgeſtern Nachts wurde der Poſtillion der
Karriolpoſt, die auch Geldſendungen mitnimmt, wenig Stationen von
hier, zwiſchen Gfoͤll und Zwettl beraubt und ermordet. Man
faͤnd den Ungluͤcklichen im Blute ſchwimmend, auf Paketen, die er ver-
theidigt hatte, liegen.

Paris, 22. Septbr. Hr. Guizot hatte dieſer Tage oͤftere Beſpre-
chungen mit dem ruſſiſchen Geſchaͤftstraͤger; man will wiſſen, es de-
zoͤgen ſich dieſelben auf die Entdeckung einer Verſchwoͤrung zU War-
fchau, die von poͤlniſchen in Frankreich ſich aufhaltenden Fluͤchtlingen
yorbereitet worden wäre; es wird ſogar behauptet, mau habe zu War-
chau eine Hoͤllenmaſchine weggenommen. ;

— General Boyer, Eypräftdent der hayt'ſchen Republik, iſt an
Bord des engliſchen Dampfbootes „der Großtuͤrke“ zu Havre angekom-
men; Boyer trug eine glaͤnzende AUniform« Er begibt ſich mit ſeiner
ganzen Familie nach Paris.


 
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