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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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Dezember (No. 283 - 307)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#1227

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— — S 2


1843. _







i Landtagsverhandlungen.
Carlsxuhe, 20. Dez. 3
unier dem Vorſitze des erftẽn Viceprafidenten B a ðer.

Baffermann fährt fort: * . CSchluß.)

. Würde das Gefeg keinen Schuß gewähren gegen niedere Faſſionen und Ver-
Geimlihungen, ſo würde gewiß bei niedrigem Steueranfag mehr, und bei der Ers
Jöhung deſſelben weniger fatirt worden fein, doch zeißt obige Zuſammenſtellung,
daß dem nigt ſo iſt. 1833 ward die Steuer um 2 Ir, erhöht, und es wurden
bennod) 5 Milionen. mehr fatirt als vorher, 1836 wurde die Steuer um die
Hälfte herabgeſetzt und die Summe der Faſſionen nahm um 2 Millionen ab, ſtaͤtt
aw, welche Ahnahme ſich übrigens durch eine wenig bedeutende Aenderung dee
Sefeges erklärt. Das Geſetz biwäbrt ſich daher in der oft bezweifelten, vortref-
hicheu Eigenſchaft, daß das Steuerkapital von dem Steuerfuß unabhängig iſt
Lin weiterer Vorzug dehelben ſind die verhältnißmaͤßig geringen Erhebungoͤtöſten.
Dieſe betrugen in ganz Würtemberg 1811 nur 11,000 {fl. ;

* Eo zeigt uns denn die gtoße Lehrmeiſterin, die Erfahrung, daß eine Beſteue-
runs von Kapitalien, ohne alle die übeln Folgen, welche die Gegner behaupten,
— An’s Ceben gefüdrt werden kann. Dies zeigt uns aber nicht blos das Beifpiel ven
_ Würtemberg , ſondern faſt allen deuͤtfchen Ländern finden wir die Beliber von

Aktivkapitalien, die in Baden frei ausgehen, megr oder minder zu den Sffentlihen
Eſten beigezogen. In Oeſterreich deſteht eine Art Vermögensſteuer unter dem

Tamen Klaflenfteuer. Unter demſelben Namen in Preußen, wo ſie z. B. im Jahr

4829 6,867,000 Thaler betrug. In Hannover finden wir eine Einfommenfteuer ;
in Bayern eine fogenannte Familienſteuer, welche dieienigen trifft, welche nicht
der direkten Steuer unterliegen, und worin die Beſteuerung der Kapitalzinfen
geſetzlich auegeſprochen iſt In Churheſſen beſteht ebenfalls eine Vermögensſteuer
‚unter dem Namen Klaſſenfteuer, worin die Kapitalien in gewiſſe Klaſſen eingetheilt
und ſogar progreſſiv beſteuert ſind u. f. w. Edenſo beſtehen in Lübeck, Bremen,
St Gallen Zürich, Senf und an noch aͤnderen Orten Kapital-, Bermögends oder
— —— Doch nun genug der Beiſpiele; — ich eile zu Schluſſe meines
Antrags. ! ;

Ba im Jahr 1840/41- in

171,110,000. fl. betrugen, ſo läßt ſich annehmen, daß in Baden wohl eine Summe
von wenigſtens 150 Millionen fatirt werden würde, Dieſe ertrügen zu 15 Kreuzer
ver 100 fi. 375,000 fl. Dieſen Antrag werde ich wohl nicht zu rechtfertigen haben,

wenn ich daran erinnere, daß die Grundſteuer 19 Kreuzer oder faſt pCt. die
Gewerbſteuer 23 Kreuzer oder faſt pCt., die Kaufaccife 2 pEt., die Wein-
acciſe durchſchnittlich 10 pet., die Bieracciſe 20 pEtL u. ſ. w. betragen. Die von
mir beantragten 15 Kreuzer für 100 fl. Aftivkapitalien bilden demnach, weil nur

pEt betragend, den mindeſten Anſatz aller diefer Abgaben.

) Für die Summe von 375,000 fl. wäre denn eine der Abgaben nachzulaſſen,
welche am meiſten den Grundſätzen gleicher und gerechter Beſteuerung entſpricht.
Ob dies dann die Fleiſch- oder die Bieracciſe, oder die Weinacciſe, die, wie ſich
Jeder leicht überzeugen kann, weit mehr die ohnebin unglücklichen Weinbauern
irifft als die Verzebrer, oder die Kaufacciſe ſei, oder ob mittelſt obiger Summe
der Salzpreis vermindert werden ſolle; dies jetzt ſchon zu erörtern, waͤre vorgrei-
fend. Ich füge nur noch bei, daß mit der Annahme meines Vorſchlags nicht blos
eine gerechtere Vertheilung der Staatsſteuex errungen wäre, ſondern Sie würden
au den Gemeinden ein Mittel an die Hand geben, idre Bedürfniſſe auf gerech-
tere Weiſe umzulegen, alg dies an vielen Orten jetzt geſchiebt, wo man zu den
werderblichen Setroͤis auf Bier, Fleiſch, ja ſelbſt Brod, ſeine Zuflücht nimmt,
welche Gegenſtände dadurch für den Verzehrenden auf zweifache Beiſe vertheuert
werden. Ich überlaſſe nun meinen Antrag Ihrer Beratbung. Sie werden nicht
umbin fönnen, dieſen Gegenftand als einen der wichtigſten, der eine ſteuerbewilli-
‚gende Kammer beſchäftigen kann, anzuerkennen, und fomit bitte ich, am diebmal
mehr Aufmerkſamkeit zu ſchenken, als dies auf dem letzten Landtage geſchehen iſt.
Der Antrag des Abg. Baſſermann wird von den Abg. Baum, v. JERein,
Bleivorn und Reichenbach in kräftigen Wortea unterſtützt und Verweifung in

die Abtheilungen und Oruck der Motion beantragt; namentlich bemerkt

Welcket! Der Antragſteller hat auf eine kreffliche Weiſe eine Forderung der
natürlichen Gerechtigkeit mit triftigen Gründen unterſtützt und die praktiſche Nög-
lichkeit gezeigt, ung den Anforderungen dex Gerechtigkeii zu näbern. Auch glaube
ich daß der Moton in der öffentlichen Meinung ſchon der Umſtand Unterſtützung
verſchaffen wird, daß ſie gerade von dem Aba. Baſſermgnn ausging, und wünſche,
Da dies Beiſpiel einer freiwiltigen Aufopferung; da 100 es gilt, Zerecht zu fein,
Hicht ganz verloren geben mochte und unterſtütze den Antrag.

KRnapy: Die Einführung der Kapitalſteuer, welche früher bei uns ſchon be-
ſtanden habe den Zinsfuß bedeutend geſteigert. Die Regierung habe dieſen Uebel-
Rand feloſt gefüähit und zu einer Zet, wo ſie die Steuern am notzwendigſten be-
durfte, die Kapitaffteuer aufgeboben, und nicht gewagt zu einer Zeit, wo man mit
einem Deficit von 3, Miiiionen gekämpft, ſie wieder einzuführen, ſondern lieber
Seld zu 9 und 10 Prozent von ausländifchen Banquiers geliehen. — Dex Zinsfuß
?abc‚‘fid) in Folge ter Aufhebung jener Steuer vermindert und dieß ſei die beſte

Ereichterung welche man dem Bürger und Landmann geben könne, denn wenn es
ſich um Bezahlung der Kapitakfteuer handle, ſo ſei es am- Ende der Sguldner wer
cher ſie tragen müſſe, denn der Kapitaͤliſt hänge ſie doch dieſem auf. Der Herr An-



tragſteller ſpreche von gerechter Beſteuerung, in dieſer Beziehung balte er ibm ent-
gegen, das das Häuſerſteuerkapital z. B. in Mannheim zu einer Zeit feſtgeſetzt wor-
den ſei, wo die Häuſer noch keinen ſo hoben Werth wie jetzt gebabt hätten, doch
ſei es noch Niemand eingefallen, deßbalb die Häuſerſteuer erböben zu wollen. —
Auch größere, auswärtige Staaten, obgleich ſie mit einem Defitit zu kämpfen ge-
babi, dätten es für gefährlich gehalten, eine Kapitalſteuer einzuführen, und befone

nem Gelde hinziehen könne, wohin er wolle. Das Beiſpiel Würtembergs, werauf


gliedex der Kammer, ihre Blicke auch noch auf einen Staat zu lenken, der ſich ge-


polland; dort befinden ſich eine Naſſe von Lapitaliſten, und doch ſei man noch nicht
auf den Gedanken gekommen, eine Kapitalſteuer in Antrag zu bringen.

Hecker unterſtützt gleichfalls Baſſermanns Antrag aus SGründen, welche die
Eafahrung täglich vor Augen fübre. Wenn man in größern Gemeinden, beſonders
Stadtgenieinden, wo der ſchwelgeriſchſte Luxus neben der drückendſten Armuth verrſcht,
niit Staunen und Betrübniß wahrnimmt, daß in der Klaſſe der Mindeſtheyenerten


Steuer geben könnten, während jene, das, was ſie an Abgaben zu leiſten haben,
oft ihren Kindern am Munde abziehen. Erhöhter Zinsfuß iſt keine nothwendige
Folge der Kapitalſteuer; dagegen gibt es ein ganz mwirffames Mittel, nämlich ein
Geſetz gegen den Zinswuͤcher Wenn der Kapitalik ein Wucherer wird, ſo geboͤrt
er in oͤffentlicher Gerichtsverſammlung geſtraft, und ein ſolches Beiſviel wird ſicher


ner ſolchen Weiſe zu prellen, wird Angeſichts eines ſolchen Geſetzes gewiß ein Ende

ten, ſo iß dieſe gleichfals ungegründet. Der Kapitaliſt bleibt gerne in ſeinem Neſt
ſitzen und wenn er auch auswandert der Steuer entgeht er doch nicht:

Baſſermann: Wenn eine Kapitalſteuer eingeführt werden ſoll, ſo wird ee
nicht einmal eines ſolchen Wuchergeſetzes bedürfen, denn in Würtemberg hat die




Kapitalſteuer war der Zinsfuͤß ſö nieder, daß man aus Rückſicht für die Kapitali-
ſten, nicht für die Schuldner, die Kapitalſteuer herabſetzen zu müſſen glaubte. Der
erhöhte Zinsfuß, von welchem dex Abg. Knapp geſprochen, war nicht eine Folge je-
ner Steuͤer, ſondern der Drangſale der Kriegsleiten. In ſolchen Zeiten ſteigt der
Zinsfuß/ und der Kapitaliſt erhält ſeine gute Rente, während jeder Andere unter
der Laſt beinahe erliegt. Wenn, wie der Abg. Knapp zu bedenken gibt, die Kapke
talſteuer vom Schnldner entrichiet werden muß, ſo muß man die Röglichkeit an-
nehmen, daß der Kapitaliſ den Zinsfuß nach Belieben erhöben kann; wenn er dieß
könnte, würoe er es ſchon längſt gethan haben, ob Kapitalſteuer exiſtirt oder nicht.
Am Ende fübrte uns der Abg. Kuapp ein lebendiges Beiſpiel von einem Staat
vor Augen welcher verſchuldet ſei, und nun glaube ich, der Abgeordnete würde fol-
gern, ein Staat ſei verſchuldet in Folge der Kapitalfteuer; er ſagt aber, Da in
Holland nie der Antrag geſtellt worden eine Kapitalſtener einzuführen, und doch ſei
dort die Armuth am größten. Dieſe Argumentation bedarf keiner Widerlegung.

Knapp: Ich möchte den Abg. Hecker fragen, wie er einen Schutz gegen den


könne? — Dann muß ich den Abg. Baſſermann doch aufmerkſam machen, daß ich


verlangt worden ſind. *

Hecker: Wenn der Abg. Knapp im vorigen Jahr bei dem correctionellen Tri-
bunali in Frankenthal geweſen wäre, ſo hälte er ſehen können, wie ein rechtsgelehr-
ter Richter eisen reichen Wucherer gezüchtigt hat, wie er es verdiente, und zwar
mit juriſtiſchen Beweifen, trotz allen Schlichen und Pfiffen, die von dieſem anges
wandt worden ſind.


a

Die Tagesordnung führt nun zu der Begründung der Motion des Abg M as
thy auf Herſtellung des freien Gebrauchs der Preſſe (welche wir mitge-
theilt haben in No. 301 u 302 des Norgenblattes.)

Nachdem der Redner ſeinen Vortrag unter vielſeitigem Beifall geſchloſſen hat,
erhebt ſich ein großer Theil der Kammer von ſeinen Sitzen, um dem Redner die
Anerfennung für die treffliche Ausführung ſeines Gegenſtandes auszudrücken.

v. Itztein: Ich habe mich erhoben, um die kräftige und berrlich ausgearbei-


Berathung in die Abtheilungen zu verweiſen und drucken zu laffen So lange
die Kauımer beſteht, hat diefelbe, wie Sie, meine Herren, ſo eben aus dem Vot-
trage vernommen haben, das freie Wort, die freie Preſſe gefordert, und ſchon die
Kammer von 1819 — iene jugendliche Kammer, als die erſte nach Einfüprung der
Verfaſſung, that dieß mit den glühendften Eifer. Stit der Zeit, mo ich Miss
glied der Kammer bin, alſo ſeit 1822, forderte auch ich bebarrlich das freie Wor:,
deſſen Entziehung ich für mich‘ wie für Oeutſchlands Voͤlker als einen Raub der
ihnen gebuͤhrenden heiligen Reihte betrachte. — Ich fordere auch heute wieder dieſe


 
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