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Mannheimer Morgenblatt — 1843

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September (No. 204 - 229)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44564#0841

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No. 210




isis







Tagsbericht.

Mannheim, 7. Sept. Die Carlsruher Zeitung gibt unterm 6.
d. M, über die dort ſtatt gehabten Unruhen folgenden Bericht: „Am
Zdieſes Monats fand zwiſchen dem großh. Oberlieutenant von der
Artillerie Julius von Goͤler und dem kaͤiſerl. ruſſiſchen Kuͤraſſterlieute-
nant von Werewkin bei dem ſogenannten Scheibenberge ein Piſtoͤlen-
duell ftatt, welches den ungluͤcklichen Ausgang nahm, daß letzterer todt
auf dem Platze blieb, v. Goͤler aber in Folge einer erhaltenen Schuß-
wunde am 4, d. M. ſtarb. Da zunaͤchſt Militaͤrperſonen bei dem Vor-
fall als betheiligt erſchienen, ſo wurde von der kompetenten Milttaͤr—
behoͤrde die Unterſuchung ſofort eingeleitet; dieſelbe fand ſich in Folge
der veranſtalteten Erhebuugen veranlaßt, ſowohl gegen die beiden Se-
kundanten, als gegen Moriz von Haber, als Inſtifter zum Duelle,
den Unterſuchungsarreſt fuͤr begruͤndet zu erklaͤren und im Laufe des
Zeſtrigen Tages deßfalls an das Bezirksamt Baden und Stadtamt
Carlsruhe Requiſitionsſchreiben zu eriaſſen; gegen Moritz v. Haber
wurde die Verhaftung durch einen Juſtizbeamten des Stadtaͤmtes gegen
Abend ohne Stoͤrung vollzogen. — Nach 8 Uhr dagegen rottete ſich
vor dem v. Haber ſchen Hauſe eine groͤßere Menſchenmaſſe zuſammen,
welche weder den Ermahnungen und Aufforderungen der Behoͤrde, ſich
zu zerſtreuen, noch der Verſtcherung uͤber die bereits getroffenen geſetz-
lichen Maaßregeln Gehoͤr gab. ;
; Da es ungeachtet der Herbeirufung von Militaͤrdetaſchements nicht
gelang, der Unordnung Meiſter zu werden, vielmehr der Tumult mehr
and wehr anwuchs und die Maſſe unter Schreien und Pfeifen Arreti-
rungen groͤßtentheils verhinderte, die Fenſter des Hauſes einwarf, Laͤ⸗
den herabriß und das Hofthor einzuſchlagen fuchte, ſo wurde die Ent-
wickelung einer groͤßeren Militaͤrmacht nothwendig. Bevor dieſe anlangte,
gelang es jedoch einzelnen Ruheſtoͤrern, durch die Fenſter und eine ein-
gebrochene Nebenthuͤre in das Haus einzuſteigen und einige Moͤbel
zu zertruͤmmern; das Bureau und die Kaffe vermochten ſchon damals
zenuͤgend beſetzt zu werden, um jeden Eingang zu hindern. Die In-
> fanterie ruͤckte nun pelotonweiſe an, draͤngte die Voͤlksmaſſe, welche
ohne Widerſtand wich, zuruͤck und beſetzte das v. Haber'ſche Haus, ſo
wie die zu demſelben fuͤhrenden Nebenſtraßen; zu gieichem Zwecke wurde
die Kavallerie in Abtheilungen verwendet; durch ſte wurden die Stra-
“Ben nach und nach gaͤnzlich geſaͤubert, auch einzelne Ruheſtoͤrer, welche


einwarfen, vertrieben. Mehrere Verhaftungen haben ſtattgefunden. Nach
Mitternacht war die Ruhe vollkommen hergeſtellt. Von Seite der Be-
hoͤrde iſt die Unterſuchung wegen dieſes bedauerlichen Vorfalls bereits
eingeleitet; durch einen oͤffentlichen Anruf der Obrigkeit werden die Buͤr⸗
get zur Ordnung ermahnt und Zuſammenrottungen bei geſetzlicher Strafe
auf's Strengſte unterſagt, uͤberhaupt ſind alle Maßregeln getroffen, um
Ahnliche hoͤchſt beklagenswerthe Auftritte noͤthigenfalls durch Anwendung
der aͤußerſten Mittel zu verhindern.“ S
Baden, 4. Sept. Das Duell des Hrn. v. Wereffkin und ſein
Tod haben einen tiefen Eindruck in der Badewelt hervorgebracht und
vilden noch immer das Tagesgeſpraͤch. Herr von Wereffkin wird ſehr
bedauert, denn er war ein Mann von nicht uͤber 24 Jahren und, wie
man ſich erzaͤhlt, der letzte von vier faͤmmtlich im Zweikampfe gefalle-
nen Bruͤdern. Er ſoll an der Seite des bekannten Generals R. . ..
zwei Jahre ruͤhmlich gegen die Tſcherkeſſen gekaͤmpft haben. Sein Bild


ſtellten, ſondern bietet vielmehr ſanfte Zuͤge, deutet aber auf einen et-
was ſchwaͤrmeriſchen Geiſt. Einige ruſſige Familien ſind ſeit geſtern
von hier abgereiſt, mehrere andere ſollen demnaͤchſt folgen. Weitere
beſprochene Duelle werden hoffentlich unterbleiben.
Naſtatt, 5. Sept. Die Erdarbeiten an unſeren Befeſtigungs-
werken ſchreiten raſch voran und ſelbſt die Maurerarbeiten haben vor
kurzem begonnen und bereits ziemlich große Mauertheile zu Tage ges



foͤrdert; waͤre es bei den zu gleicher Zeit ſtark betriebenen Eiſenbahn-
bauten moͤglich, eine groͤßere Zahl von Maurern zu bekommen wuͤrde
noch viel mehr geſchehen. Das Leben iſt hier jetzt ein ungemein reg-
ſames, bei dem natuͤrlich die Privatinduſtrie nicht zurücbleibt, — Die
bevorſtehenden Herbſtmanoͤver unſeres Armeekorbs werden unferer
Stadt und Gegend eine foͤrmliche Ueberfuͤlle von Menſchen bringen,
was uns jedoch nach gluͤcklich eingebrachter reicher Fruchternte und bei
dem 4* auf den Feldern prangenden Kartoffelſegen nicht beaͤngſti-
gen darf. * 2
Frankfurt, 6. Sept. In der heute ſtattgefundenen Ziehung 5.
Klaſſe der 104. hieſigen Stadtlotterie haben folgende Nummern Haupt-
preiſe gewonnen: Nr. 17055 25,000 fl. Nr. 19501 6000 fl. Ar.
17053 4000 fl. Nr. 17362 2000 fl. Nr. 9286 1000 fl Nr. Z362.
6397. 6384 und 20754 jede 400 fl. ‘
— Das heutige Journal de Franefort meldet aus Berlin, 3.


lin eintreffen wird.

Paris, Sept. An der Boͤrſe circulirte das Geruͤcht, abſeiten
der engliſchen Miriſter ſeien Schwierigkeiten erhoben worden gegen die
Reiſe der Koͤnigin nach Paris und Verſailles; es hieß, ſie haͤtten dem


plans hinderlich ſein. Ferner wurde an der Boͤrſe ausgeſtreut, es waͤ—


laufen.
— Die Koͤnigin Vietoria iſt mit ihrem Gemahl, dem


auswaͤrtigen Angelegenheiten, Carl Aberdeen am ?2 Spt.


und hat ſich mit der koͤniglichen franzoͤſifchen Familte,
die ihr theils entgegen gefahren war, theils ſie am Ufer
erwartet hatte, nach dem Schloſſe von Enbegeben!

— Das erſte Zuſammentreffen des Koͤnigs der Franzoſen mit der
Koͤnigin von England fand ſtatt an Bord der Hacht Victoriax und
Albert. Der Koͤnig war um halb 6 Uhr von Eu nach Treport ge-
fahren und hatte ſich da mit den Prinzen, ſeinen Soͤhnen, dem eng-


ſchmuͤckten Barke eingeſchifft, die Koͤnigin Victoria abzuholen. Als der
Koͤnig die Yacht beſtiegen, empfing ihn die Koͤnigin auf dem Verdeck;
Ihre Majeſtaͤten umarmten ſich auf's herzlichſte; der Koͤnig druͤckte dem


Worte an Hrn. Guizot. Hierauf verfuͤgte ſtch die Koͤnigin mit dem -
Prinzen Albert, der Koͤnig und die Prinzen in die Barke und fuhren


Unter Kanonenſalven, Mu-

Man verweilte zehn Minuten unter einem Zelt und dann ging der
Zug, neun Wagen ſtark, nach Eu; im erſten, achtſpaͤnnigen Waͤgen
war die Koͤnigin Victoria, der Koͤnig und die Koͤnigin der Franzofen,
die Koͤnigin der Belgier und die Prinzeſſinnen; die Prinzen Joinville,
Aumale und Montpenſter ritten neben dem Wagen. Die uͤbrigen acht
Wagen waren ſechsſpaͤnnig. Bei der Ankunft zu Eu fuͤhrte der Koͤnig
die Koͤnigin Victoria nach ihren Gemaͤchern. Um acht Uhr war große
Tafel von 60 Gedecken.

— Telegraphiſche Depeſche. Bayonne, 3. Sept. In der
Nacht vom 29. auf den 30. Auguſt hat ein Bataillon vom Regiment
Principe zu Madrid revoltirt; es verlangte den verſprochenen Ent-
laſſungsurlaub. Das Bataillon wurde auf der Stelle entwaffnet. Fuͤnf
Sergeanten, zwei Corporale und ein Gemeiner ſind am 36. Auguſt
Morgens im Beiſein der Garniſon, die ſehr ergehen ſchien, erſchoſſen
worden. Die Koͤnigin und die Infantin ſind am 30. Abends nach


 
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